Kapitel 20
A/N: Und gleich noch ein neues Kapitel. Mein herauszögerndes-Ich hat anscheinend entschieden, dass diese Geschichte die perfekte Ablenkung vom Lernen für meine Uni-Prüfungen wäre. Schlecht für mich, gut für euch ;-) Da ich inzwischen schon die nächsten 13 Kapitel in der ersten Fassung fertig habe, gibt's das nächste Kapitel schon heute und nicht erst Morgen. Ich hoffe, es gefällt euch :-)
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Es war knapp eine Woche nach Archies erstem Auftauchen und wir sassen wieder alle Draussen im Innenhof an der Spätsommer-Sonne, als Slash mich darauf hinwies, dass der Rothaarige schon wieder auf uns zu kam. Ich verdrehte meine Augen und bliess hörbar Luft aus bevor ich mich erhob und auf den Eindringling zu ging. Die Anderen folgten mir und positionierten sich links, rechts und hinter mir. Erst jetzt realisierte ich, dass er neue Sneakers trug. Dieser Typ lernte wirklich nicht dazu. "Sag mal, hast du vielleicht Todessehnsucht Archie?", kommentierte ich sein und verschränkte meine Arme. Ich wusste nicht wirklich, was für eine Reaktion ich von ihm erwartete. Aber definitiv nicht das, was dann kam.
Archie begann eine grosse Rede von Leben, Gemeinschaft und einem anderen Weg zu schwingen, die mich nur den Kopf schütteln liess. Jemand der so naiv sprach, hatte das echte Leben noch nicht erlebt. Manchmal gab es keinen anderen Weg. Manchmal hiess es einfach kämpfen und überleben. "Und welchen Weg, hm?", unterbrach ich ihn deshalb und sah zu den anderen Serpents hinüber. Die meisten schienen genauso wenig von seiner Rede beeindruckt zu sein wie ich. Doch in einigen Gesichtern konnte ich auch erkennen, dass sie dem, was er vorschlug, nicht wirklich abgeneigt waren. Archie liess sich davon nicht einschüchtern und offenbarte seinen grossartigen Plan: Ein Football-Spiel. Er wollte, dass wir alle gemeinsam Football spielten um dem Aufseher und den Wächtern zu zeigen, dass wir Menschen und keine Tiere waren.
Ich biss mir auf die Unterlippe. Seine Worte katapultierten mich nach San Junipero zurück. 'Ich bin auch nur ein Mensch', meine Worte wiederhallten in meinem Kopf und ich konnte sein bösartiges Lächeln vor meinen Augen sehen. 'Nein, bist du nicht', waren seine letzten Worte gewesen, bevor er mich die Treppe heruntergestossen hatte. Vernes Stimme riss mich schliesslich aus meinen Gedanken und ich machte automatisch einen Schritt vor, da die Ghoulies auch vorgerückt waren. "Oder, wir weiden dich wie einen Fisch aus und nehmen wieder deine Schuhe", schlug der Ghoulie vor und ich fragte mich bereits, auf welche Seite wir uns schlagen sollten, doch bevor es zur Konfrontation kommen konnte, mischte sich plötzlich Mad Dog ein.
Ab diesem Punkt, war ich raus. Sich nicht mit Mad Dog anzulegen war eine ungeschriebene Regel, die schon seit vor meiner Zeit hier bestanden hatte. Mal abgesehen davon, dass der Schwarzhaarige breiter, grösser und muskulöser war als die meisten anderen hier drin, hatte er auch noch einen Stein im Brett beim Direktor. Keiner wusste wieso, doch das war nur noch ein Grund mehr von ihm weg zu bleiben. Und deshalb wollte auch niemand wirklich herausfinden, was passierte, wenn man diese ungeschriebene Regel brach.
"Wie wär's damit: Der beste Spieler erhält meine neuen Sneakers", schlug Archie schliesslich vor und aus den Reihen hinter mir konnte ich Jubel hören. Auch bei den Ghoulies ging ein Raunen durch die Reihen. Es war offensichtlich, dass die Jungs spielen wollten. Und ich würde mich da definitiv nicht in den Weg stellen. Vielleicht hatte der Rothaarige Recht. Vielleicht brauchten wir alle einfach einen Nachmittag, an dem wir vergessen konnten, dass wir hier drin waren.
Als es ein paar Tage später schliesslich so weit war, wurden die Teams durch Grashalm-Ziehen unter allen Spielwilligen bestimmt. Ich bekam eines der kürzeren Stücke, was mich dem blauen Team zuteilte. Genauso wie Archie. Wie schnell sich das Blatt doch gewendet hatte, ging es mir durch den Kopf kurz bevor der Anpfiff erfolgte. Doch dann war keine Zeit zum Nachdenken mehr. Es ging nur noch um das Spiel. Zumindest bis plötzlich vor dem Zaun eine Reihe von Cheerleadern auftauchte. Ich erkannte Veronica und auch noch ein paar der Partycrasher von Jugheads Geburtstagsparty. Die Jungs hier drin, von denen viele schon seit Monaten oder sogar Jahren keine Frau mehr gesehen hatten, waren nicht mehr zu halten. Ich liess mich von der Menge mitziehen, auch wenn ich nicht wirklich das gleiche Interesse in der Performance hatte. Doch hier drin wusste niemand davon und das sollte besser auch so bleiben.
Nach der ersten heillosen Begeisterung über die Cheerleader, ging das Spiel dann aber doch weiter und unser Team legte einen guten Vorsprung hin. Selbst wenn ich persönlich kein Fan von dem Rothaarigen war, musste ich zugeben, dass er echt gut in dem war, was er tat. Und dann erklang plötzlich eine schrille Pfeife, die uns allen das Blut in den Adern gefrieren liess. "Aufstand beenden", rief es von überall und bevor wir uns versahen, tauchten eine ganze Meute von Wächtern mit Schlagstöcken und Schildern auf. Sie brachen über uns hinein wie eine Welle über einen Stein am Sand und bevor ich mich versah, warf der erste Schlag mich zu Boden und alles was ich noch tun konnte war es meinen Kopf mit den Händen zu schützen. Weitere Schläge trafen mich und für einen kurzen Moment wurde mir schwarz vor den Augen.
Es traf uns alle schwer. Keiner von uns kam ohne blaue Flecken oder die ein oder andere Platzwunde davon. Doch Archie hatte geschafft was er gewollt hatte. Plötzlich hiess es nicht mehr 'Serpents gegen Ghoulies' sondern 'alle gegen die Wächter'. Die nächsten Wochen über mussten wir uns alle mit neuen Massnahmen abfinden. Besucherrechte waren eingeschränkt worden. Unsere Serpent-Spezialbehandlung endete von einem Tag auf den anderen. Und die Wächter waren noch aggressiver als je zuvor. Archie hatte seit dem Spiel auch niemand mehr gesehen, er war in Einzelhaft gesteckt worden. Und Verne hatte sich auf der Krankenstation wiedergefunden.
Es dauerte fast zwei Wochen, bis er da wieder rauskam und in der Mittagspause plötzlich an unserem Tisch auftauchte. Ich nahm ihn etwas beiseite und murmelte: "Was willst du?" Sein Blick ging zu den Wächtern, bevor er antwortete: "Meine Jungs berichten mir, dass der Zigaretten und Schokoladen-Nachschub aufgehört hat. Wart ihr das?" Ich schüttelte meinen Kopf. Die Ghoulies hatte es also auch getroffen. Ich hatte zwar schon vermutet, dass der Direktor selbst dafür verantwortlich war, doch nun wusste ich es mit Sicherheit. "Nein, unser Nachschub hat auch plötzlich abgebrochen. Ehrlich Mann, das war der Direktor. Er hat die Sicherheitsmassnahmen ziemlich hochgefahren seit dem Spiel, das wirst du auch noch merken", erklärte ich ihm, als plötzlich eine Pfeife erklang. Wir mussten zurück in unsere Zellen. Hofgänge waren bis auf Weiteres nämlich auch gestrichen worden.
Ich folgte Slash zu unserer Zelle, doch bevor wir sie erreichen konnte, griff ein Wärter mich bei der Schulter und zog mich zur Seite. "Der Direktor will dich sehen", verkündete er mit harter Stimme und schubste mich den Gang entlang. Ich trottete vor ihm her als plötzlich schwarzer Stoff vor meinen Augen auftauchte und mir etwas über den Kopf gezogen wurde. Ich bekam noch Luft, doch ich konnte nichts mehr sehen. "Was zur Hölle?", stammelte ich, durch den Verlust meines Sinns komplett verunsichert. Irgendjemand griff grob nach meinen Händen und führte diese hinter meinem Rücken zusammen, damit Handschellen darum gelegt werden konnten. "Nicht reden, gehen", wies der erste Wärter an und stiess mich so grob nach vorne, dass ich beinahe hingefallen wäre. Doch dann spürte ich plötzlich zwei starke Hände auf meinen Schultern, die mich auf den Füssen hielten und lenkten. Ich hatte keine Chance mich zu wehren und so blieb mir nichts anderes übrig als einfach mitzumachen.
Ich wurde in einen Wagen verfrachtet und irgendwo hingefahren. In meinem Kopf konnte ich mir schon ausmalen, was das Ziel sein würde. Wahrscheinlich irgendein verlassenes Waldstück, wo man meine Leiche nie finden würde. Es hatte schon vor meiner Ankunft Gerüchte von Häftlingen gegeben, die einfach plötzlich verschwunden waren. Einige sagten, sie wären entlassen worden. Doch viel häufiger war die Vermutung laut geworden, dass sie längst tot waren. Ich versuchte mich zusammen zu reissen, doch so viel Panik wie gerade, hatte ich seit der Nacht, in der ich meine erste Leiche im Keller des Whyte Wyrm gesehen hatte, nicht mehr verspürt.
Das war's dann also. Vielleicht sollte ich dankbar sein, dass ich überhaupt so lange gelebt hatte. Ich hätte wahrscheinlich schon mit sieben Jahren sterben sollen, als meine Mutter mich verliess und ich plötzlich ganz alleine auf der Strasse sass... Damals hatten mich die Serpents gerettet, doch dieses Mal bezweifelte ich, dass das Tattoo auf meinem Unterarm überhaupt irgendetwas nützen würde.
Der Wagen hielt an und als ich ausstieg, knirschte ein Kiesboden unter meinen Sneakers. Also doch kein Wald. Und da war noch etwas... Ich konnte von irgendwo her gedämpfte Jubelgeräusche hören. Eine Tür öffnete sich und es wurde wieder dunkler um mich. Bis es plötzlich extrem hell wurde, als der Sack endlich von meinem Kopf gezogen wurde. Ich blinzelte gegen das grelle Scheinwerferlicht an. Scheinwerfer? Verwirrt sah ich mich um. Ich befand mich in einer alten Schwimmhalte. Überall waren laut jubelnde Menschen und in der Mitte... in der Mitte des leeren Pools standen zwei Männer. Oder einer, besser gesagt. Der andere lag am Boden und bewegte sich nicht mehr.
Das Klicken meiner Handschellen riss mich aus meinen Gedanken und ich rieb mir abwesend die schmerzenden Handgelenke, als der Direktor plötzlich vor uns auftauchte. "Dann sehen wir doch mal, was diese Schlange draufhat. Ausziehen!", forderte er und einer der Wächter zog mir meinen Pulli über den Kopf. Ich hörte den Stoff reissen und für einen Moment verdeckte er mir meinen Blick. Durch die schnelle Handlung des Wächters verlor ich komplett meine Orientierung und begann zu taumeln. Zumindest bis ein starker Tritt in den Rücken mich vorwärts und über den Rand des Schwimmbeckens katapultierte.
Plötzlich war ich dankbar für die vielen Male, in denen ich in den letzten Monaten unfreiwillig die Treppe heruntergefallen war, denn ich rollte mich instinktiv zusammen und konnte somit das Schlimmste verhindern, auch wenn ein stechender Schmerz durch meinen rechten Arm ging. Ich war kaum auf meinen Füsse, als zwei Wächter an mir vorbei gingen und den bewegungslosen Körper meines Vorgängers weg trugen. Dann erklang eine Glocke und bevor ich mich versah, fand ich mich nun mit dem Mann, der noch gestanden hatte, im Ring wieder. Auch ich hatte inzwischen verstanden, was das hier war. Und ich wusste auch, dass meine Karten schlecht standen.
Ich war nie wirklich jemand gewesen, der sich prügelte. Meine Hände hatte ich immer lieber dafür eingesetzt, etwas zu reparieren oder zu erschaffen. Nicht um etwas zu zerstören - im Gegensatz zu meinem Gegenüber, der sich in seinem Können ziemlich sicher zu sein schien. Ich gab mein Bestes, doch ich hatte keine Chance. Der andere war mir klar überlegen. Dass sein zweiter Schlag direkt mein linkes Auge getroffen hatte und dieses innert Sekunden so stark anschwoll, dass ich auf dieser Seite kaum mehr etwas sah, half natürlich auch nicht. Für jeden Schlag, den ich platzieren konnte, traf seine Faust drei Mal auf meinen Körper. Es war ein Wunder, dass ich mich überhaupt fünf Minuten auf den Füssen halten konnte. Doch dann war ich am Ende meiner Kräfte und ging zu Boden. Ich bekam so schon kaum Luft mehr und dass der andere mich nun an meinen Haaren und meinem Hals wieder hochzog, half dabei auch nicht. Unscharf sah ich noch, wie er ausholte und dann wurde plötzlich alles schwarz vor meinen Augen.
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