Kapitel 14
"Da ist nichts", erwiderte ich auf seine Frage und gab mir Mühe nicht ertappt zu klingen. "Wieso dackelst du ihm dann nach wie ein Hündchen und lässt mich einfach stehen?", fragte Kevin weiter nach und ich spürte die Erleichterung in mir. Er war bloss sauer, weil ich ihn stehen gelassen hatte. Er vermutete keine kriminellen Machenschaften. Er hatte keine Ahnung von dem was wirklich passiert war. "Ich kann versuchen dir das zu erklären, aber du wirst es wahrscheinlich nicht verstehen", meinte ich nun und lehnte mich gegen den Baum, an dem mein Motorrad stand. "Versuchs", forderte der Sheriffssohn und ich konnte in seinen Augen erkennen, dass er misstrauisch war. "Ich war gerade mal sieben Jahre alt als meine Mutter mich im Stich gelassen hat. Die Serpents haben mich aufgenommen und für mich gesorgt. Ich hatte immer ein Dach über dem Kopf und keinen knurrenden Magen. Durch sie bin ich nicht ins Waisenheim gekommen, sondern konnte dort bleiben, wo ich geboren wurde", erzählte ich nun und vergrub meine Hände in der Hosentasche. "Sie hätte das alles nicht tun müssen. Ich weiss, du magst deinen Vater, aber er ist durch Blut und Gesetz dazu verpflichtet für dich zu sorgen. Egal was passiert. So eine Pflicht hatte bei mir niemand mehr. Und trotzdem haben sie's gemacht. Du fragst mich weshalb ich keine Sekunde zögere, wenn FP etwas von mir verlangt? Weil ich den Serpents das schuldig bin. Ohne sie wär' ich nicht mehr da und hätte dich bestimmt nie kennen gelernt", beendete ich meine Geschichte und sah in die Augen meines Freundes, der nun nicht mehr sauer sondern mitleidig dreinschaute. "Tut mir leid... Ich konnte einfach nicht verstehen, weshalb du ihm so hörig bist", entschuldigte der Braunhaarige sich bei mir und griff nach meiner Hand. Ich zog ihn mit einer schnellen Bewegung an mich und sah ihm nochmal tief in die Augen: "Ich schulde ihnen mehr als ich je zurückgeben könnte. Also bitte Kevin, stell meine Loyalität zu den Southside Serpents nie wieder in Frage. Das ist ein Kampf, den du nur verlieren kannst." Das hatte ich ihm einfach noch sagen müssen. Er konnte mich nicht ändern und schon gar nicht meine Zugehörigkeit zu den Serpents. Und ich hoffte, dass er das auch nie versuchen würde.
Mein Blick richtete sich auf den Northsider der dicht vor mir stand. Was würde er nun sagen? Konnte er damit leben, dass ich niemals kein Serpent sein würde. "Ich hab' noch nie so über die Serpents nachgedacht. Für mich waren es irgendwie immer alles brutale Kleinkriminelle... Natürlich ausser dir", gab Kevin nun zu und ein schmales Lächeln legte sich auf meine Lippen. "Das ist sehr Northsider-mässig Hübscher", erwiderte ich und legte meine Arme um Kevins Taille. "Das gerade eben war sehr Southsider-mässig von dir", gab er zurück, doch er meinte es nicht böse, denn ein breites Lächeln lag auf seinen Lippen, "Ich weiss etwas, was weder North- noch Southsider-mässig ist." Ich sah meinen Freund fragend an und war ziemlich gespannt darauf was nun kommen würde. Doch der Braunhaarige legte einfach seine Lippen auf Meine. Ich erwiderte den Kuss und legte meine Arme um seinen Hals. Klar, küssen tat man auf beiden Seiten der Schienen. Aber war es wirklich das, was er gemeint hatte. Ala Kevin sich dann wieder von mir löste legte er seine Stirn gegen Meine und sah mir tief in die Augen. "Ich liebe dich", murmelte er dann und warf mich mit diesen drei kleinen Worten komplett aus der Bahn. Nicht der Kuss war es gewesen, den er gemeint hatte. Er meinte das hier.
Ich biss mir auf die Unterlippe und brachte etwas Abstand zwischen uns, indem ich zwischen Kevin und dem Baum ins Freie schlüpfte. Was sollte ich den bitte jetzt tun? Ich hatte starke Gefühle für den Sheriffssohn. Doch, oder vielleicht gerade deswegen, war ich nicht fähig ihm in die Augen zu sehen und seine Worte zu erwidern. Nicht, solange ich noch so ein schwerwiegendes Geheimnis vor ihm hatte. "Kevin, ich...", stammelte ich und fuhr mir durch die Haare. Ich war kurz davor ihm einfach alles zu sagen. Doch der Braunhaarige hielt mich auf indem er wieder nach meiner Hand griff und mich erneut etwas näher zu sich zog. "Du brauchst jetzt gar nichts zu sagen. Ich wills nicht von dir hören, bloss weil ich's gesagt habe. Sag es mir einfach, wenn du dich bereit dafür fühlst", meinte er. Anscheinend hatte er bemerkt, dass er mich damit komplett überrumpelt hatte. Kevin war so einfühlsam, es war ein Wunder, dass er bisher noch nicht bemerkt hatte, dass ich etwas von ihm verbarg. "Verdammter Northsider, weshalb hast du nur so ein gutes Herz?", murmelte ich leise und gab Kevin einen langen Kuss. Er war so unschuldig. So gutherzig. Und ich würde ihm sein Herz brechen. Das war unumgänglich. Und der Gedanke machte mich fertig.
Dass ich nach dem Kuss in das strahlende Gesicht des Northsiders blicken musste, war auch nicht gerade Milderung für mein schlechtes Gewissen. Ich konnte Kevin so nicht länger ansehen und schloss deshalb mein Motorrad auf. "Ich muss los. Schreibst du mir?", fragte ich ihn noch bevor ich meinem Freund einen kurzen Abschiedskuss gab und dann davonbrauste. Der kalte Nachtwind peitschte mir auf der Rückfahrt ins Gesicht doch auch er schaffte es nicht, die Schuldgefühle wegzumachen, die ich fühlte. Ich konnte Kevin nicht länger anlügen. Das Ganze machte mich kaputt. Als ich dann auch noch durch das Tor des Wohnwagenparks fuhr und sah, dass in FPs Wohnwagen Licht brannte, konnte ich nicht anders. Ich hielt direkt vor dem weissen Wagen an und klopfte wenig später fest an die Tür. Es dauerte ein paar Minuten, bis FP mir die Tür öffnete. Und der Serpent-Anführer schien überhaupt nicht über diesen nächtlichen Besuch amüsiert zu sein. "Was gibt's?", fragte er schroff und ging zur Seite damit ich in den Wohnwagen treten konnte. "Ich kann das nicht mehr. Ich bin raus, such' dir einen anderen Spion beim Sheriff", meinte ich kaum war die Tür wieder zu und nun veränderte sich FPs Gesichtsausdruck von angesäuert zu wütend. Was für ein dreister Mensch ich doch war. Zuerst hielt ich Kevin eine grosse Rede über meine bedingungslose Loyalität zu den Serpents und nun stand ich hier und wollte alles hinschmeissen. Und das nur, weil ich mich in den braunhaarigen James Dean-Verschnitt verliebt hatte. "Ich hab' dir gesagt, dass wir alle unsere Rolle zu spielen haben Joaquin", erwiderte der ältere Serpent und kam auf mich zu. Ich machte einen Schritt retour, doch weiter ging es dann nicht mehr, da ich den Tisch im Rücken hatte. "Ausserdem ist es nicht so als ob du eine Wahl hättest. Du hattest bei der ganzen Sache auch deine Finger im Spiel. Wenn ich unter gehe nehm ich dich mit", drohte der Serpent-Anführer nun und sah mich mit einem durchdringenden Blick an. Ich biss mir auf die Unterlippe. Das hier war ein Fehler gewesen. Ein schwerer Fehler. Was sollte ich jetzt tun? Ich dachte gerade fest darüber nach, was nun wohl der klügste Schachzug war, doch FP nahm mir die Entscheidung ab. Er öffnete den Kühlschrank neben mir und nahm ein Bier heraus. Mit schnellen Schritten durchquerte ich nun den Wohnwagen doch bevor ich aus der Tür verschwinden konnte, packte Jugheads Vater mich am Arm und sah mich nochmals durchdringend an: "Mach nicht denselben Fehler wie dein Vater. Er wollte alles für eine Chance auf der Northside aufgeben und wir wissen ja wohin ihn das gebracht hat."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro