Kapitel 4
„Malfoy!", rief Hermine dem Slytherin noch nach, doch vergebens. Nachdem er ihr klargemacht hatte, dass die Sache mit Ron allein ihr Problem war, hatte er seine Tasche geschultert, das Buch mit dem Titel ,Die wichtigsten Heilkräuter und ihre Anwendungsgebiete' in die Hand genommen und die Bibliothek verlassen.
Malfoy hinterherrennen würde sie bestimmt nicht, das empfand Hermine als unter ihrer Würde und abgesehen davon wollte sie nicht, dass Malfoy dachte, dass sie auf ihn angewiesen wäre. Er war auch so schon viel zu überzeugt von sich selbst.
Andererseits schien Malfoy immer noch mehr über die Gerüchte über Ron und sie zu wissen, als er bereit war preiszugeben und war wahrscheinlich die einzige Person, mit der sie mehr oder weniger neutral über diese Misere reden konnte, schließlich konnte er weder Ron noch sie ausstehen, auch wenn die Gespräche wohl eher mit einseitigem Interesse verlaufen würden. Wie sie Harry und Ron kannte, hatten die beiden bestimmt noch nichts von den Gerüchten mitbekommen, so versessen wie sie auf ihr geliebtes Quidditch waren, und Harry hatte auch schon mehrmals klargemacht, dass er nicht in diese Gefühlsduselei mit reingezogen werden wollte. Direkt mit Ron über die Lage zu sprechen wäre wahrscheinlich das Klügste, aber Hermine war noch viel zu empört, als dass sie ein vernünftiges Gespräch mit ihrem führen könnte – oder wollte.
Verdammt, Hermine zog die Augenbrauen zusammen und biss sich unwillig auf die Unterlippe, jetzt war sie anscheinend doch von Malfoy abhängig. Jedenfalls war er der einzige Weg, noch mehr Informationen darüber zu bekommen, was Slytherin über Ron und sie dachte. Und die brauchte sie, wenn sie Schadensbegrenzung betreiben wollte.
Da räusperte sich jemand neben ihrem Tisch und Hermine sah auf. Einen kurzen Moment hatte sie gehofft, Malfoy wäre zurückgekommen und würde ihr sagen, was sie machen solle, aber es war nur Ernie Macmillan, der etwas verlegen drein sah.
„Oh, hallo Ernie", begrüßte Hermine den Hufflepuff lächelnd, „Setz dich doch."
Die beiden verstanden sich gut, auch wenn sie außerhalb des Unterrichts nicht viel miteinander zu tun hatten. Hermine schätzte seinen Fleiß und seine Zuverlässigkeit, weswegen sie gerne mit ihm zusammenarbeitete.
Ernie setzte sich auf den Platz, auf dem eben noch Malfoy gesessen hatte und fuhr sich schnell durch die blonden Haare.
„Was gibt's? Kann ich dir irgendwie helfen? Soll ich dir was erklären?", fragte Hermine mit einem Blick auf das Zaubertränkebuch, welches der blonde Junge auf dem Tisch hin und her schob.
„Äh...ja...Ich..ich glaube, ich habe letzte Stunde bei Slughorn nicht was ganz so verstanden.", er verhaspelte die Satzstellung am Ende total und brach ab. Hermine zog die Augenbrauen hoch. Der Hufflepuff hatte noch nie große Probleme in Zaubertränke gehabt und wenn sie sich nicht täuschte, gab er sogar einigen jüngeren Schülern Nachhilfe.
„Ist alles in Ordnung?"
Ernie nickte schnell und lief rot an. Hermine seufzte auf.
„Du musst mir schon sagen, was los ist, sonst kommen wir nicht weiter."
Ernie schwieg und schob weiter das Buch vor sich hin und her.
„Dass du was in Zaubertränke nicht verstanden hast, war gelogen, richtig?"
Der Junge nickte und Hermine beschloss, auf diese Weise fortzufahren.
„Aber du hast ein Problem und brauchst Hilfe. Sonst würdest du mir nämlich erzählen, worum es geht, richtig?"
Erneut ein Nicken. Hermine warf ihm einen prüfenden Blick zu.
„Geht es um ein Mädchen?"
Ernies Wangen wurden noch eine Stufe röter und Hermine schloss daraus, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.
„Das ist doch wunderbar!", lächelte Hermine, „Wer ist es denn?"
„Hannah.", murmelte Ernie leise und betrachtete scheinbar interessiert seine Hände.
„Hannah Abbott?", fragte Hermine nach.
„Mhm."
„Aber wo ist denn das Problem? Hannah ist doch total lieb und ihr versteht euch gut, oder?"
„Ja...schon...aber sie weiß nicht, dass ich sie halt...na ja...etwas mehr mag."
Hermine schmunzelte, beinahe war es schon lustig, wie schüchtern der Hufflepuff auf einmal war.
„Hm...ich verstehe", nickte Hermine, „Und was kann ich jetzt für dich tun?"
„Na ja...Hannah hat bald Geburtstag und möchte ihr gerne etwas schenken...aber ich weiß nicht so recht, was ihr gefallen könnte...Ich dachte, du hättest vielleicht eine Idee...Weil du doch auch ein Mädchen bist und so..."
„Klar doch, ich werd mir was überlegen. Nächste Woche ist wieder Hogsmeade-Wochenende, was hältst du davon, wenn wir uns da mal gemeinsam nach etwas Passendem umschauen?"
„Echt? Das würdest du tun? Das wär super!", strahlte Ernie und sah sie endlich direkt an.
„Ist doch kein Ding", lächelte Hermine, „Ich werde mich mal unauffällig umhören, was Hannah mag, dann finden wir garantiert ein schönes Geschenk!"
„Danke, Hermine! Du bist einsame spitze!"
Hermine senkte verlegen den Blick, freute sich aber auch über Kompliment, denn oft bekam sie solche Sachen nicht gesagt.
„Okay...", sie räusperte sich, „War das alles oder liegt dir noch etwas auf dem Herzen? Sonst würde ich jetzt gerne weiterarbeiten", sagte sie mit einem Nicken in Richtung des angefangenen Aufsatzes.
„Wenn du schon fragst...Was war das da eben mit dem Ekel Malfoy? Er hat dich doch nicht dumm angemacht, oder?"
„Nein, keine Sorge, wir hatten nur ein kleines Gespräch und waren wohl nicht immer der gleichen Meinung."
„Sicher? Ich habe kein Problem damit, ihm mal die Meinung zu geigen! Also wenn er dich irgendwie beleidigt oder so, sag einfach Bescheid."
Irgendwie war Ernies Verhalten und sein Drang, sie zu beschützen, ja rührend, doch gleichzeitig fand Hermine es auch vollkommen übertrieben. Es war ja wirklich nichts Schlimmes passiert.
„Lass mal, Ernie. Kümmer dich mal lieber um deine Hannah, mit Malfoy komm ich schon klar und so schlimm ist er ja auch nicht mehr."
Der Hufflepuff sah sie zweifelnd an, zuckte aber nur mit den Schultern. „Wenn du meinst."
Hermine nickte bestimmt und damit war das Thema abgehakt.
„Gut, dann lass ich dich mal alleine. Und danke nochmal. Man sieht sich.", verabschiedete der Hufflepuff sich mit einem Nicken und stand auf.
„Tschüss, Ernie."
Hermine sah auf die Uhr. Ihr blieb noch etwa eine gute Dreiviertelstunde, bis sie zum Abendessen erscheinen musste. Das war genügend Zeit, um den Aufsatz zu beenden und noch ein Kapitel in ihrem Verwandlungsbuch zu lesen.
Als es schließlich Zeit wurde, sich auf den Weg in die Große Halle zu machen, packte Hermine ihre Materialien ein und sortierte die Bücher, die Malfoy auf dem Tisch zurückgelassen hatte, zurück in die Regale. Allesamt drehten sie sich um Heilkräuter und Hermine konnte sich beim besten Willen keinen Reim darauf machen, was der Slytherin damit wollte. Vielleicht sollte sie ihn bei Gelegenheit mal darauf ansprechen.
Nach einem Abstecher in den Gryffindorturm, in dem sie ihre Tasche abstellte, betrat sie schließlich die Große Halle und gesellte sich zu Harry und Ron.
„Hey Hermine, wie geht's?", begrüßte Harry sie mit einem Lächeln.
„Gut, danke. Ich habe den Aufsatz für Flitwick fertig und noch einmal das neue Kapitel in
Verwandlung wiederholt.", berichtete Hermine, froh, dass Harry ihr ihren Abgang von vorhin anscheinend nicht übelnahm.
„Du hast doch nicht ernsthaft den ganzen Nachmittag in der Bibliothek gesessen und gelernt, oder?", klinkte sich nun Ron ein und runzelte die Stirn.
„Stört dich das etwa?", fragte Hermine schnippisch, nahm sich eine Scheibe Brot und begann, diese mit Butter zu bestreichen.
„Ja. Du hast vor lauter Lernen ja noch nicht mal mehr Zeit, dich richtig mit uns zu unterhalten." Eindeutig frustriert über diese Tatsache, begann er, einen Berg Kartoffelsalat auf seinen Teller zu schaufeln.
Harry hatte sich mittlerweile abgewandt, sich seinem Rührei gewidmet und lauschte Neville Longbottoms Erzählungen über eine seltene Zimmerpflanze, die ihm seine Großmutter als Belohnung für seine herausragenden Leistungen in Kräuterkunde geschenkt hatte. Er hatte keine Lust, sich nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag eine von Ron und Hermines Auseinandersetzungen anhören zu müssen.
„Oh, da irrst du dich aber gewaltig, Ronald Weasley! Ich habe durchaus Zeit, mich zu unterhalten! Das habe ich erst heute mit zwei wunderbaren Gesprächspartnern in der Bibliothek getan!" Malfoy als ,wunderbaren Gesprächspartner' zu bezeichnen, war wahrscheinlich etwas zu viel gesagt, aber wenigstens hatte bisher keines ihrer Gespräche damit geendet, dass sie sich gegenseitig angeschrien hatten.
„Ach, und wer soll das gewesen sein?"
Natürlich hatte es in Hermines Augen durchaus seinen Reiz, ihm jetzt zu sagen, dass sich mit dem Slytherin unterhalten hatte, aber sie hatte auch kein Interesse daran, die Aufmerksamkeit der ganzen Schule durch Rons vermutlich nicht gerade freundlich ausfallende Reaktion auf sich zu ziehen, also widerstand sie der Versuchung. Es sahen auch schon so genug andere Schüler zu ihnen herüber.
„Ich wüsste nicht, was dich das angeht."
„Man, Mine -"
„Nenn mich nicht Mine!", unterbrach sie ihn aufgebracht. Ron seufzte.
„Na schön, dann halt Hermine. Besser?"
Hermine schnaubte unwillig, nickte aber.
„Gut. Hermine, ich verstehe einfach nicht, wieso du dich dauernd so aufregst und...und keine Zeit mehr mit mir verbringen willst. Es kommt mir vor, als würdest du schon aus dem Raum stürmen, wenn du mich auch nur siehst. Die ganze Zeit lernst du und wir machen gar nichts mehr zusammen. Und jetzt willst du mir noch nicht einmal sagen, mit wem du geredet hast. Was mache ich denn falsch?", fragte Ron mit erhobener Stimme.
„Was du falsch machst? Fragst du mich gerade ernsthaft, was du falsch machst? Dein gesamtes Verhalten ist einfach nur schrecklich! Hast du jemals auch nur daran gedacht, dass es mir nicht recht sein könnte, wenn du mir dauernd so nah kommst?" Sie funkelte ihn wütend an.
„Aber Mine..."
„Nenn mich nicht Mine!"
Ron ignorierte die Verbesserung. „Ich dachte...Ich dachte du würdest...genauso fühlen wie ich." Er sah sie bestürzt an und sprach nun sehr leise.
Hermine atmete betont ruhig ein und aus. „Ich weiß es nicht. Mir geht das alle viel zu schnell und..."
„Und was?", fragte Ron erstaunlich sanft nach.
„Nichts." Einen Moment hatte sie überlegt, ihm von den Gerüchten, die über sie beide zu kursieren schienen, zu erzählen, doch es schien ihr nicht ganz der richtige Zeitpunkt zu sein, wo sie doch immer noch nicht wusste, was da genau erzählt wurde. „Ich brauche einfach Zeit. Ich denke es ist besser, wenn ich jetzt gehe. Wir reden später darüber."
Mit diesen Worten legte Hermine ihr Butterbrot zurück auf ihren Teller, stand auf und verließ ohne sich noch einmal umzudrehen die Große Halle. So bemerkte sie nicht, dass ihr jemand vom Slytherintisch aus mit einem unbestimmten Gesichtsausdruck nachblickte.
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