Kapitel 3
„Hey, Mine, wie geht's?", mit einem Plumps ließ sich Ron neben Hermine auf das Sofa im Gemeinschaftsraum fallen und sprach schon weiter, bevor sie auch nur die Chance hatte, zu antworten, „Wir werden die Slytherins so was von fertig machen beim nächsten Spiel, das kannst du dir gar nicht vorstellen!" Er grinste selbstgefällig, schnappte sich ein auf dem Tisch stehendes Glas Kürbissaft, trank es in einem Zug aus und stieß ungeniert auf. Hermine quittierte dies mit einem angesäuerten Blick, den Ron jedoch nicht zu bemerken schien. Harry, der zeitgleich mit Ron den Gemeinschaftsraum betreten hatte, hatte sich derweil in einem der Sessel niedergelassen und beobachtete schweigend die sich anbahnende Auseinandersetzung.
„Freut mich.", kommentierte Hermine Rons Bericht über das Quidditchtraining dann desinteressiert.
„Lernst du etwa schon wieder?", fragte Ron nun und ließ seinen Blick abschätzig über die dutzenden Bücher und Pergamentrollen schweifen, die sich um Hermine herum stapelten.
„Ja und dir würde ich das auch mal wieder empfehlen. Wir sind schließlich nicht aus Spaß hier."
„Och Mine, sei doch nicht immer so verdammt vernünftig. Genieß das Leben doch einfach mal, würde dir gut tun.", bei diesen Worten legte er seine Hand auf Hermines Oberschenkel und ließ sie gefährlich weit nach oben wandern. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sie sprang auf und funkelte ihren besten Freund wütend an.
„Ronald Weasley, nimm sofort deine Finger da weg! Und wann genau habe ich dir eigentlich erlaubt, mich ,Mine' zu nennen?"
Ron, überrumpelt von der dieser Reaktion, schaute sie nur stumm an.
„Ich werde jetzt in die Bibliothek gehen, hier kommt man ja doch zu nichts.", sagte Hermine während sie ihre Sachen zusammensuchte und anschließend mit einem entschuldigenden Nicken in Richtung Harry den Gemeinschaftsraum verließ.
Es war Samstagnachmittag und draußen schien die Sonne, das hieß, dass Hermine die Bibliothek mit etwas Glück für sich allein haben würde, da die meisten Schüler es vorzogen, den Nachmittag an der frischen Luft zu verbringen. Ein erfreulicher Gedanke. Sie wollte nichts mehr, als sich in Ruhe auf die Prüfungen vorzubereiten.
An der Bibliothek angekommen, verschaffte sie sich als erstes einen Überblick über die anwesenden Personen. Eine Gruppe Erstklässler brütete verzweifelt über einem Aufsatz, zwei Viertklässler fragten sich gegenseitig verschiedene Formeln ab und Ernie Macmillan, der ebenfalls nach Hogwarts zurückgekehrt war, um das Schuljahr zu wiederholen, las in einem Buch über Zaubertränke. Hermine überlegte gerade, ob sie sich zu ihm setzen sollte, als ihr noch ein weiterer Schüler ins Auge fiel. Es handelte sich ohne Zweifel um die silberblonde Arroganz aus Slytherin. Er stand im hinteren Teil des Raums zwischen den Bücherregalen, weswegen Hermine ihn auch erst übersehen hatte und als sie ihn da so sah, fiel ihr der Streit mit Ron nach Zauberkunst und das anschließende Gespräch mit Malfoy wieder ein.
Dass er auch hier war überraschte sie nicht sonderlich. Er lag notenmäßig nur knapp hinter ihr und die zahlreichen Ohnegleichen, die er in den letzten Monaten eingeheimst hatte, kamen auch nicht von ungefähr. Abgesehen davon, was konnte man ohne Freunde schon machen, außer zu lernen? Das Quidditchfeld stand schließlich nicht immer zur freien Verfügung.
Seit ihrem Gespräch waren bereits einige Tage verstrichen, in denen Hermine zwar immer mal wieder mit ihren Gedanken zu ihm abgeschweift war, das Lernen letztendlich doch als wichtiger empfunden und den Slytherin aus ihrem Kopf verbannt hatte.
Allerdings hatte sie auch nicht vor, den Streit mit Ron einfach so auf sich sitzen zu lassen – vor allem nicht nach der Aktion, die er sich eben geleistet hatte. Zu der feinfühligen Sorte Mensch hatte Ron zwar noch nie gehört, aber er hatte sich noch nie derart erdreistet, ihr ungefragt so nahe zu kommen. Nur ein paar Zentimeter mehr und seine Finger hätten Stellen ihres Körpers berührt, die ihnen garantiert nicht zustanden.
Wo Hermine gerade so darüber nachdachte fiel ihr auf, dass Ron sich nicht erst seit gestern so verhielt. Angefangen hatte es in den Ferien nach dem Krieg und hatte sich durch das ganze Schuljahr bis zum jetzigen Zeitpunkt gezogen. Die scheinbar zufälligen Berührugen an ihren Armen und Händen, wenn sie ihm mal wieder die Hausaufagben erklärte, oder die Art, wie er seine Hand auf ihren Rückten legte, wenn sie in Hogsmeade waren. Und auch bei aller Anstrengung konnte sie sich nicht entsinnen, wann sie das letzte Mal ihren richtigen Namen – Hermine, nicht dieses lächerliche ,Mineʽ – aus seinem Mund gehört hatte.
Malfoy stand immer noch zwischen den Bücherregalen und Hermine beschloss, sich in seine Nähe zu gesellen. Schließlich war ihr letztes Gespräch doch recht zivilisiert verlaufen und nichts würde Ron mehr aufregen, als wenn sie tatsächlich Zeit mit ihrem gemeinsamen Feind verbringen würde. Nicht mehr als nötig, aber dennoch genug, um Ron zu zeigen, dass sie nicht so abhängig von ihm war, wie er zu glauben schien. Hermine war klar, dass sie Malfoy so ziemlich herzlos ausnutzen würde, aber auf Grund der früheren Schändereien hielt sich ihr schlechtes Gewissen in Grenzen.
Sie umfasste den Gurt ihrer Tasche noch etwas fester und steuerte dann einen Tisch in der Nähe des Slytherins an, auf dem sich bereits einige Bücher stapelten. Auf der freien Seite breitete sie nun ihre eigenen Bücher und die angefangene Hausaufgabe für Zauberkunst, ein Aufsatz über die Gefahren bei der Anwendung von Schwebezaubern, aus.
Bevor sie sich allerdings dem Aufsatz für Professor Flitwick widmete, warf sie nochmal einen Blick Richtung Malfoy. Er ging immer noch langsam zwischen den Regalen entlang, begutachtete prüfend die verschiedenen Bücher und nahm ab und zu eines in die Hand und blätterte darin. Anscheinend suchte er etwas, doch da er die meisten Bücher wieder zurückstellte, schien er bisher keinen Erfolg gehabt zu haben. Zudem verdüsterte sich sein Blick zunehmend.
Hermine nahm ihre Feder in die Hand und begann, zu schreiben.
Malfoy würde schon kommen, schließlich waren seine Sachen noch hier.
Nach zehn Minuten spürte sie jemanden neben sich und sah auf.
„Verzieh dich, Granger." Die gute Laune des Slytherins von ihrem letzten Gespräch schien der Vergangenheit anzugehören.
„Hallo, Malfoy." Hermine beschloss, das Gespräch möglichst ruhig zu beginnen und den unfreundlichen Ton ihres Gegenübers zu ignorieren.
„Das ist mein Platz, wie du siehst", er deutete auf die Bücher, „Und erzähl mir jetzt nicht, dass du berechtigt bist, an diesem Tisch zu sitzten, solange du hier Schülerin bist und dich im Gebäude frei bewegen darfst."
„Der Tisch ist groß genug für uns beide.", meinte Hermine nur und überging die Anspielung. Dass er sich jedoch noch so gut an ihr Gespräch erinnerte, überraschte sie.
„Nerv mich nicht und verschwinde zu Potter und Weasley. Ich muss arbeiten." Damit setzte sich Malfoy auf die andere Seite des Tischs, schlug eines der Bücher auf und begann zu lesen.
Hermine neigte den Kopf etwas zur Seite, um den Titel lesen zu können. Verwirrt runzelte sie die Stirn.
„Die wichtigsten Heilkräuter und ihre Anwendungsgebiete? Wieso liest du das?" Malfoy hatte Kräuterkunde abgewählt, das wusste sie, und sich vorstellen, dass der Slytherin zum Hobbygärtner mutierte, konnte sie auch nicht. Am Ende würden seine teuren Schuhe ja noch mit Schlamm bespritzt werden. Eine Katastrophe.
„Habe ich nicht gesagt, dass du gehen sollst?", fragte Malfoy und sah sie vernichtend an.
„Du hast mir nicht geantwortet."
„Richtig. Ich bin dir nämlich keinerlei Erklärung schuldig." Er wurde merklich ungeduldiger und würde wohl auch nicht davor zurückschrecken, Hermine zu verfluchen, wenn sie nicht innerhalb der nächsten zehn Sekunden aus seinem Blickfeld verschwunden war.
So würde Hermine nicht weiterkommen, ein neuer Plan musste her. Hauptsache war erstmal, dass sie sich nicht verscheuchen ließ.
„Vielleicht wollte ich ja auch einfach mit dir reden, Malfoy?" Sie versuchte seinen Namen so freundlich wie möglich auszusprechen und wagte ein kleines Lächeln, während sie sich gleichzeitig fragte, was sie da eben gesagt hatte. Schließlich hatte sie keine gute Erklärung, wenn er jetzt fragen würde, worüber, beziehungsweise wieso, sie mit ihm sprechen wollten.
Der leicht grimmige Ausdruck auf Malfoys Gesicht war verschwunden und er sah sie verschlossen an. „Findest du das lustig?"
„Nein...eigentlich nicht.", fragte Hermine mehr, als dass sie wirklich antwortete. „Wie kommst du da drauf?", fügte sie dann noch vorsichtig hinzu, als der Slytherin keine Anstalten machte, etwas zu sagen.
„Worüber sollte denn Hermine Granger, vorzeige Gryffindor und beste Freundin des ach so tollen Retters der Zaubererwelt, mit mir, Draco Malfoy, der doch von allen nur als elender Todesser abgestempelt und sogar von seinem eigenen Haus wie Luft behandelt wird, reden wollen?" Er sagte all dies ziemlich spöttisch und sah Hermine auch dementsprechend an, doch der bittere Beigeschmack seiner Worte entging ihr nicht. Ein Gefühl von Trauer stieg in ihr auf und sie schüttelte leicht den Kopf.
„Da hast du es. Geh zu Potter und Weasley, ich habe kein Interesse an einem Gespräch mit dir." Er schien sowohl das Kopfschütteln, als auch ihren Gesichtsausdruck falsch gedeutet zu haben, doch um das klarzustellen war keine Zeit, denn er hatte sie unbewusst an etwas erinnert, worüber sie wirklich mit ihm sprechen sollte.
„Geanu darüber wollte ich mit dir sprechen!"
Malfoy sah sie zweifelnd an. „Über Potter? Nein danke."
Hermine schüttelte den Kopf und beruhigte sich langsam wieder, jetzt, wo sie wusste, was sie sagen wollte. „Nein, über Ron und mich."
„Vergiss es, ich spiele nicht den Paartherapeuten und will auch keine intimen Details über eure Beziehung wissen."
„Sollst du doch auch gar nicht! Ich möchte nur, dass du mir erklärst, wieso du denkst, dass Ron und ich zusammensind."
„Das hast du mich schon mal gefragt."
„Ja, aber ich frage nochmal."
Malfoy verdrehte die Augen. „Ich habe keine Lust, darüber zu reden. Ron verschlingt dich doch geradezu mit seinen Blicken, lässt dich kaum allein und während der Schlacht habt ihr euch geküsst, das fällt meines Erachtens nicht mehr unter Freundschaft. Noch mehr oder reicht das?"
Hermine sah ihn entgeistert an. „Woher weißt du das mit dem Kuss?"
„Weiß das nicht die ganze Schule?", fragte Malfoy und schien nicht im mindesten beeindruckt, „Bei uns im Gemeinschaftsraum haben mal ein paar Fünftklässlerinnen darüber diskutiert und Wetten abgeschlossen, wann ihr zusammengekommen seid und wie schnell ihr euch wieder trennen werdet."
„Bitte WAS?"
Malfoy zuckte nur mit den Schultern und schien Hermines Aufregung nicht ganz nachvollziehen zu können. „Mach doch nicht schon wieder so ein Drama. Wo ist denn das Problem?"
„Das Problem? DAS PROBLEM?", kreischte sie, was ihr verstörte Blicke der anderen Anwesenden – Malfoy eingeschlossen – einbrachte, „Das Problem ist, dass anscheinend die ganze Schule denkt, dass ich mit Ron zusammen bin, obwohl ich das defintiv nicht bin."
Malfoy musterte sie schweigend.
„Was mache ich jetzt?" Hermine sah ihn verzweifelt an und vergaß für einen Moment, wer da eigentlich vor ihr saß. Diese ganze Situation mit Ron gefiel ihr nicht und dass sie beide schon Gesprächsthema im Slytheringemeinschaftsraum waren, machte die Sache nicht wirklich besser.
„Als erstes regst du dich ab, sonst werden wir noch rausgeschmissen und darauf kann ich verzichten. Alles andere ist dein Problem."
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