Zehntes Türchen
„Entschuldigen Sie bitte?“ die kindliche Stimme ließ Levi zusammen zucken. Er sah von seinem Putzmittel Katalog auf, doch niemand war zu sehen. „Was?“, murmelte er und sah sich dabei verwirrt um. „Hier unten!“ Verwundert folgte der Mann der Stimme und richtete seinen Blick gen Boden. Da Levi hinter der Bande des Infostandes saß, hatte er das Kind glatt übersehen. Ein Kind, nicht älter als sechs Jahre, alleine im Kaufhaus un das zur Weihnachtszeit. 'Der Klassiker', dachte Levi genervt, versuchte aber freundlich zu bleiben. „Was kann ich für dich tun, Bal- Kleiner?“, fragte er und konnte sich das B-Wort gerade noch verkneifen. 'Gott, wie ich Kinder hasse', dachte er sich noch. Das Kind sah den großen Mann (ja, groß aus der Sicht eines sechsjährigen) hinter dem Infoschalter mit großen Augen an. „Ich hab meinen Bruder verloren. Kann ich eine Durchsage machen?“ Levi verdrehte die Augen. „Das kommt davon, wenn ein Balg auf ein Balg aufpasst“, murmelte er und reichte dem Jungen das Mikro runter. Im nächsten Moment halte die kindliche Stimme aus den Lautsprechern im Kaufhaus:
„Du, Zeke, hier ist Eren. Ich bin am Infostand oben. Komm mich abholen oder ich erzähle Mom, Dad und Dina, dass du mich im Kaufhaus zurückgelassen hast und dann bekommst du ganz doll Ärger.“ Eren beendet die Ansage und gab das Mikro zurück, während Levi sich nur zu gut diesen armen großen Bruder vorstellen konnte, der sich gerade irgendwo im Kaufhaus in Grund und Boden schämte. „Glaubst du Zeke hat es gehört?“, fragte der Braunhaarige hoffnungsvoll. Levi zuckte mit den Schultern und wollte sich wieder seinem Katalog zuwenden, doch Eren wollte nicht aufhören ihn mit diesen großen Augen anzustarren. „Was?!“, fragte Levi gereizt.
Eren war nicht auf diesen harschen Ton eingestellt, weshalb er etwas zusammen zuckte. „Warum bist du so schlecht gelaunt? Du bist schlimmer als Zeke, wenn ich ihn beim zocken störe“, meinte Eren, doch mehr als ein „Tch“ bekam er nicht als Antwort. Jeder andere hätte jetzt gemerkt, dass Levi keine Lust auf ein Gespräch hatte, aber entweder bemerkte der Junge es nicht, oder er wollte es einfach nicht bemerken. „Weiß du, eigentlich ist Zeke nur mein halber Bruder. Wir haben den selben Vater, aber er hat eine ander Mutter als ich. Mom sagt, dass wir eine Patschwork Familie sind.“
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass du 'Patchwork' meinst.“, korrigierte Levi, doch der Braunhaarige war der festen Überzeugung es richtig ausgesprochen zu haben.
Eren erzählte Levi viel, während der Schwarzhaarige alles schweigend über sich ergehen ließ und nicht Mal wirklich zuhörte.
Das ganze ging vielleicht fünf Minuten. Fünf Minuten, die Levi vorkamen wie eine halbe Ewigkeit. Fünf Minuten und Zeke war immer noch nicht da. So groß war das Kaufhaus nun auch wieder nicht. „Weißt du, Eren“, begann Levi vorsichtig, „manche Jungs können sich etwas schöneres Vorstellen als Babysitter für den kleinen Bruder zu spielen. Vielleicht ist Zeke auch Nachhause oder zu Freunden gegangen, um dich etwas zu ärgern“, mutmaßte er, doch der Junge schüttelte heftig den Kopf, während er flüsterte: „Ich kenne Zeke. Er lässt mich nicht einfach alleine. Er wird zurück kommen.“
Minuten vergingen und nach einer halben Stunde holte Levi Eren zu sich hinter den Infoschalter, damit er sich hinsetzen und Mal etwas ausruhen könnte. Der Erwachsene zog Eren seine Jacke aus, damit er es sich bequemer machen könnte. Das behauptete Levi jedenfalls, aber in Wirklichkeit wollte er nur an das Etikett im Nackenteil der Jacke kommen. Für kleine Kinder war die eigene Jacke sowas wie ein Ausweis, denn ihre Eltern trugen da fast alle wichtigen Daten ein und tatsächlich stand auf dem Etikett Erens Name, die Adresse und eine Telefonnummer. Während Eren mit einen Kugelschreiber Bilder auf Schmierblätter kritzelte, wählte Levi die angegebene Nummer und wartete ab. Eine Frau, mit leicht panischer Stimme, ging ran. „Ja, hallo. Hier ist Levi Ackermann vom St. Maria Kaufhaus. Ich habe ihren Sohn, Eren, hier bei mir sitzen. Wir warten seit einer halben Stunde auf seinen Bruder Zeke, aber er ist bisher nicht aufgetaucht.“ Kurz herrschte Stille, bis die Frau mit zitternden Stimme sprach: „Danke, Mr. Ackermann. Wir kommen so schnell es geht.“ Levi beendete das Gespräch und wunderte sich, wieso die Frau so ängstlich wirkte.
Es vergingen keine Zehn Minuten, da tauchten eine Brünette Dame und ein großer, Brille tragender Mann, am Infoschalter auf. „Eren!“, rief die Frau und Levi konnte deutlich die Erleichterung in ihrer Stimme hören. „Mama, Papa!“, rief Eren, sprang auf, verließ den Infoschalter und zeigte seinen Eltern das Bild das er gemalt hat. „Guck! Das bist du, das ist Papa, das bin ich, das ist Zeke und das ist Dina!“, rief er aufgeregt. „Das hast du toll gemacht, komm wir fahren schnell nachhause und hängen das an den Kühlschrank“, rief Erens Mutter und hob ihren Sohn hoch. Die beiden gingen schon Mal vor, doch Erens Vater blieb noch am Infoschalter stehen. „Ich danke Ihnen, Mr. Ackermann. Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten. Meine Frau und ich waren krank vor sorge, als Erens Erzieherin bei uns angerufen und gesagt hat, dass er aus dem Kindergarten abgehauen ist“, sagte er, doch der letzte Satz brachte Levi zum aufhorchen. „Er ist aus dem Kindergarten abgehauen? Ich dachte er wäre mit seinem Bruder unterwegs gewesen.“ Levis Neugier war geweckt und er sah, dass sein Gegenüber leicht sentimental wurde. 'Last Christmas' spielte über die Lautsprecher und Mr. Jäger seufzte. „Der Junge will es einfach nicht wahr haben“, murmelte er, bevor er weiter sprach, „Zeke war der Sohn aus meiner ersten Ehe. Eren und er sind nicht im gleichen Haushalt aufgewachsen, wie es für Brüder normalerweise ist, aber dennoch hat Eren Zeke vergöttert. Die Realität ist ja für mich schon schwer zu verkraften, aber für einen fünfjährigen, der seinen Bruder auch noch so geliebt hat...“ Der Schwarzhaarige wollte seinen Ohren nicht trauen. Dieser Mann redete von seinem Sohn in der Vergangenheit. Für Levi konnte das nur eins bedeuten. „Wir waren auf seiner Beerdigung, ich hab Eren das Grab gezeigt, damit er es begreifen würde, aber er weigerte sich es zu glauben. Ich denke aber er wird es eines Tages verstehen.“ Levi war leicht baff und fragte sich selbst, ob es taktlos wäre sein Beileid auszusprechen. Er hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht, ob ihn jemand für taktlos halten könnte, weshalb er es nun nicht genau wusste. „Wie tief werde ich eigentlich noch sinken? Jetzt stehe ich hier im Kaufhaus und erzähle einen völlig fremden meine Lebensgeschichte. Verzeihen Sie bitte, Mr. Ackermann“, meinte der Mann, doch Levi winkte ab. Er war er etwas schockiert darüber, dass er eine halbe Stunde auf einen Geist gewartet hat.
„Na ja, ich muss dann auch los. Eren und Carla warten. Frohe Weihnachten, Mr. Ackermann.“
„Frohe Weihnachten“, sagte Levi.
Sorry, Leute! Hab voll vergessen das hochzuladen.
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