Vierzehntes Türchen
Kleiner Pov Wechsel. Die Fortsetzung ist aus der Sicht von Levis Vater.
Der Streit ist ausgeartet und ich bin eindeutig zu weit gegangen. Was fällt mir eigentlich ein meinen eigenen Sohn so anzuschreien und ihn dann auch noch rauszuschmeißen? Es wurde langsam dunkel und die Schneeflocken fielen unaufhörlich zu Boden, doch von Levi fehlte weiterhin jede Spur. 'Was soll's', hab ich noch gedacht, 'das ist Levi, dem wird schon nichts passieren.' Nach drei Stunden stieg meine Sorge dann aber immer mehr. Ich konnte ihn nicht erreichen, weil es hier oben keinen Empfang gab und der Schnee draußen wurde immer dichter. Mit zitternden Händen zog ich meinen Mantel über, schlüpfte in die blauen Schnee Stiefel und verließ die Hütte. Levis Fußspuren waren längst nicht mehr zu sehen, denn der Schnee hatte sie überdeckt, aber das war mir in dem Moment sowasvon egal. Die Sonne ging langsam am Horizont unter, als ich das Gelände der Hütte verließ und mich auf die Suche machte. Die Hände vor meinen Mund zu einem Trichter geformt rief ich immer wieder seinen Namen, in der Hoffnung eine Antwort zu bekommen. Was würde ich machen, wenn ich ihn nicht finden würde? Wahrscheinlich ins nächste Dorf fahren und Hilfe holen... Oh und natürlich meine Beerdigung planen, weil Kuchel mich auf jeden Fall umbringen würde.
Doch auch das war in diesem Moment nebensächlich. Der Wind brachte mich, trotz der dicken Jacke, zum erschaudern, während der hinabfallende Schnee mir mehr und mehr die Sicht raubte. 'Kehr um', sagte mir mein gesunder Menschenverstand, doch etwas in mir sträubte sich dagegen. „LEVI!", schrie ich gegen den Wind an und schlug mich weiter durch.
Ich fand ihn in dem Moment, in dem ich schon fast aufgeben wollte. Er lag im Schnee, einzelne Flocken hatten sich in seinem schwafzen Haar und den Wimpern verfangen und unter normalen Umständen hätte man gedacht, dass er friedlich am schlafen ist. So aber machten sich die schlimmsten Befürchtungen in mir breit, als ich ihn hoch hob und fest an mich drückte. Levi war immer sehr blass gewesen, aber vor lauter kälte hatte sich ein rot Schimmer über seine Wangen und seine Nase breit gemacht. Er zitterte in meinen Armen. Vorsichtig legte ich ihn zurück in den Schnee, zog meine Jacke aus, wickelte ihn darin ein, hob ihn wieder hoch und rannte zurück zur Hütte. Zwischendurch kontrollierte ich seine Atmung, aus angst er könnte jeden Moment der Unterkühlung erliegen, aber er atmete weiterhin regelmäßig. Gewissensbisse plagten mich, auch als ich die alte Hütte betrat und meinen Sohn auf das Sofa ablegte. Hektisch entfachte ich das Feuer in dem Karmin, bevor ich Levi aus den nassen Klamotten holte und ihn stattdessen seinen Schlafanzug überstreifte (Ein Babyblauer Zweiteiler mit kleinen, nackten Viechern bedruckt, die Levi mal als Titanen betitelt hat). Ich deckte ihn zu, rannte in die Küche und setzte Wasser auf, während ich im Kopf das Vater unser rauf und runter sagte. Ich war bei weitem kein religiöser Mensch, aber ich hatte in diesem Augenblick solche Angst, dass ich nichts unversucht ließ, um ihm irgendwie zu helfen. Das Wasser auf dem alten Gasherd brodelte bereits, weshalb ich schnell die Hitze runter drehte und den Tee fertig machte. Levi liebte Tee. Nachdem ich das Wasser aufgegossen hatte, krallte ich mich mit den Fingern so fest in die Arbeitsplatte, dass meine Knöchel weiß heraustraten. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, weshalb ich erst mal versuchte mich zu beruhigen. Als die Anspannung langsam von mir abließ, atmete ich einmal tief durch, schnappte mir die Teetasse und brachte sie zu Levi. Seine Augenlider zuckten leicht, bevor er langsam die Augen öffnete und mich direkt ansah. Er öffnete, den Mund, sagte aber keinen Ton. Ich lächelte erleichtert, setzte mich neben das Sofa und strich ihn eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Es tut mir leid, Kurzer", sagte ich aufrichtig. Levis Miene verfinsterte sich, wahrscheinlich wegen "Kurzer", doch dann lächelte er leicht. „Ich hätte nicht weg laufen sollen", räumte er mit heiserner Stimme ein, „es wollte nicht mehr auhören zu schneien und ich wusste nicht mehr wo ich war. Wahrscheinlich haben die Kälte und die Erschöpfung mich in die Knie gezwungen." Ich sah ihm an, dass er das nicht gerne zugab, immerhin war Levi nie jemand, der aufgab oder gerettet werden musste. Er war schon immer ein Kämpfer gewesen und das wusste ich. Troztdem ließ ich es mir nicht nehmen, ihn etwas aufzuziehen. „Auf ein Leben in den Bergen sind Stadtkinder nun mal nicht vorbereitet", ärgerte ich ihn. Levi quittierte meinen Scherz mit einen Blick, der hätte töten können. Yep, das ist definitiv mein Sohn und das könnte ich auch niemals leugnen. „Weißt du was?", murmelte er und sah sich dabei im Zimmer um. Da es draußen schon dunkel war, diente das knisternde Feuer im Karmin als einzige Lichtquelle und tauchte den Raum in eine gemütliche Atmosphäre. Es roch nach Tee und im Gegensatz zu vorhin, war die Hütte endlich sauber. „So schlimm finde ich es hier gar nicht." Diese Aussage war alles was ich hören wollte. Ich bin als Kind oft in dieser Hütte gewesen und wollte das Gefühl des idylischen Berglebens mit meinem Sohn teilen. Da habe ich wohl leider vergessen, dass er in einer völlig anderen Generation geboren wurde. „Wenn es dir so gut gefällt", meinte ich, „können wir ja gerne öfters her kommen." Mit einen Grinsen, aber auch einen leichten Gefühl der Enttäuschung, sah ich wie ein panischer Ausdruck sich über Levis Gesicht breit machte. Typisch Stadtkinder.
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