Sechstes Türchen
Levi und Mikasa Ackermann waren noch nicht besonders alt, sechs und vier Jahre alt, als sie bis auf ihr Lebensende traumatisiert wurden. Das Trauma wurde von niemand Geringeren als den Bischof Nikolaus ausgelöst, der sie an diesem einen schicksalhaften Nikolaus Tag besucht hat. Die gesamte Familie Ackermann hatte sich bei Levi Zuhause getroffen: Levis Cousine Mikasa und ihre Eltern, seine Mutter Kuchel und sein Urgroßvater. Fehlte nur noch Kenny und der war angeblich noch einkaufen. Den Kindern war es auch eigentlich egal, ob ihr Onkel da ist oder nicht. Beide wollten den Nikolaus sehen, an den sie damals in ihrer kindlichen Naivität noch glaubten.
Die Erwachsenen unterhielten sich, während Levi und Mikasa ungeduldig auf dem Sofa saßen und nicht stillhalten konnten. „Wir haben in der Schule gelernt, dass der Nikolaus Türke ist“, verkündete Levi stolz. Seine Cousine wurde etwas neidisch, weil sie selber noch zu jung für die Schule war und sie kaum etwas über den Nikolaus wusste. „Kannst du mir mehr erzählen?“, fragte sie. Levi nickte und überlegte kurz. „Stell dir den Nikolaus am besten wie Eren vor. Beide sind sympathisch.“ Mikasa kicherte bei dem Anblick von Eren in einer Bischofsrobe vor ihrem geistigen Auge. Sie schloss ihre Augen um es sich besser vorstellen zu können und Levi fing an zu erzählen. „Es ist schon ziemlich lange her, da lebte in der Türkei der Bischof Nikolaus und der war vor allem für seine guten Taten bekannt...“
Myra (in der heutigen Türkei) um das Jahr 300
Besorgt sah der Bischof in den Himmel und hielt Ausschau nach einer grauen Wolke, doch der Himmel war wolkenlos blau. Für einige ein Sommertraum, doch für das Volk von Myra die reinste Katastrophe. Der letzte Regen lag eine lange Zeit zurück und die Ernte fiel dementsprechend mager aus. Die Vorräte gingen langsam aus, während sich die Hungersnot langsam breit machte. Nikolaus war es gewöhnt seine Macht und sein Geld zu nutzen, um einzelnen Menschen in der Not zu helfen, doch jetzt ging es um eine ganze Menschenmasse. Er sah sich um und erblickte ein Mädchen, dass ihre braunen Haare zu einen Pferdeschwanz gebunden hatte, am Straßenrand. „Sasha!“, rief er ihr zu. Das Mädchen hob schwach ihren Kopf und sah ihn aus matten Augen an. Der Hunger stand ihr ins Gesicht geschrieben. Geschockt ließ der Bischof die Hand sinken, die er zum Gruß gehoben hatte. Er musste was tun und diese Hungersnot beendet, aber was? Er ging weiter und raufte sich frustriert die braunen Haare, als ihn plötzlich ein blonder Junge entgegen gerannt kam. „Nikolaus!“, rief er und kam schlitternd vor ihn zum stehen. „Armin, was ist denn passiert?“, fragte der Ältere verwirrt, doch da packte ihn der Junge schon am Handgelenk und zog ihn mit. „Keine Zeit, ich erkläre es dir unterwegs. Wir müssen zum Hafen!“ Die beiden rannten fast schon durch die Straßen von Myra, während Armin die Situation erklärte. Ein Handelsschiff würde noch am selben Tag im Hafen anlegen und das Getreide am Deck würde reichen um alle Probleme des Volkes zu lösen. „Du musst sie überreden ihr Korn mit uns zu teilen!“, rief Armin schon völlig außer Atem.
Die beiden kamen am Hafen an, als schon ein großes Schiff mit Seilen am Steck fest gemacht wurde. „Ich werde es versuchen, Armin“, versprach der Nikolaus und ging auf einen der Seeleute zu. Er hatte die Haare zu einen Undercut geschnitten, oben waren seine Haare blond und unten braun. Außerdem hatte er ein relativ schmales Gesicht, welches den Bischof an das eines Pferdes erinnerte. Er erklärte die Not der Menschen in Myra und bat um etwas Getreide, doch das Pferdegesicht weigerte sich etwas von der Ladung abzugeben. „Das Korn ist für den Kaiser und er wird uns alle töten, wenn auch nur ein Milligramm fehlt“, meinte er, doch der Nikolaus gab nicht auf. „Jetzt hör mir mal genau zu, Pferdefresse! Meine Landsleute sind hier am verhungern und dein scheiß Kaiser wird nicht umkommen, nur weil er ein bisschen Korn weniger hat als geplant! Hast du kein Herz, Mann?“ Jetzt wurde der Matrose etwas wütend. „Wenn nennst du hier Pferdegesicht? Fass dir mal an die eigene Nase, mit deinem hässlichen Kleidchen!“ „Das ist kein Kleidchen, sondern eine Bischofsrobe!“
Armin beobachtete das Ereignis vom weitem und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Der Streit war ja kaum auszuhalten. „Bitte gib uns was von dem Getreide ab. Ich schwöre dir auch, dass kein einziger Milligramm fehlen wird, wenn ihr beim Kaiser ankommt.“ Der Mann sah den Bischof ungläubig an, doch da er so langsam genug von der Auseinandersetzung hatte, gab er genug von dem Getreide her, so dass das Volk in Myra für mindestens zwei Jahre ausgesorgt hätte. Er murmelte noch etwas von wegen „Verrückter Bischof“, bevor er zurück auf das Schiff stieg und versuchte die Begegnung einfach zu vergessen.
„Und so hat der Nikolaus die Türkei aus der Hungersnot befreit“, beendete Levi seine Erzählung. Mikasa hatte mit großen Augen aufmerksam zugehört. „Und was ist aus den Seemännern geworden? Hat der Kaiser sie getötet?“, fragte sie neugierig, doch ihr Cousin schüttelte den Kopf. „Der Nikolaus hat sein Wort gehalten. Als die Besatzung beim Kaiser ankam und das Korn gewogen wurde, fehlte kein einziger Gramm.“ Die Augen der Schwarzhaarigen glänzten vor Aufregung, als plötzlich schwere Schritte aus dem Flur zu hören waren. „Ich glaube der Nikolaus ist da!“, rief Kuchel den beiden zu und noch bevor sie das letzte Wort aussprechen konnte, waren die Kinder vom Sofa aufgesprungen und zu ihr gerannt. Im nächsten Moment stand ein großer Mann, mit einen langen weißen Bart, eingehüllt von einer roten Bischofsrobe, im Zimmer. „Nikolaus!“, rief Mikasa, auch wenn sie etwas enttäuscht war, dass der Nikolaus nicht wirklich aussieht wie Eren. Levi hingegen fiel sofort auf, dass mit dem Typen etwas nicht stimmte. Er sah irgendwie schlecht gelaunt aus, so als ob man ihn zu dem was er hier tut gezwungen hätte, alles an ihm schrie Levi förmlich zu, dass er diese Person schon einmal gesehen hatte und dann diese Schuhe. Waren das nicht die Stiefel von... Er war sich nicht ganz sicher. „Ho ho ho, fröhliche Weihnachten, was auch immer“, murmelte der vermeintliche Bischof. Mikasas Mutter und Kuchel warfen ihm einen warnenden Blick zu, aber das schien ihn nicht groß zu kümmern. Genervt holte er zwei Sckoko Nikoläuse aus dem Geschenkesack und warf die beiden Kinder damit ab. Levi konnte gerade noch ausweichen, doch Mikasa traf er direkt an der Stirn. Einen kurzen Augenblick lang passierte gar nichts, dann fing Mikasas Unterlippe an zu zittern und alle wussten, was das bedeutet. Ihre Augen wurden glasig und im nächsten Moment brach sie in Tränen aus. Ihre Mutter nahm sie auf den Arm und versuchte sie zu trösten, während der Nikolaus anteilnahmslos zusah. Langsam platzte dem Schwarzhaarigen der Kragen und er ging zielstrebig auf den alten Mann zu. „Nikolaus. Das ich nicht lache! Du bist gemein, du bist schlecht gelaunt und ich weiß, dass du es bist, Kenny!“, motzte der sechsjährige und trat seinen entlarvten Onkel mit voller Wucht gegen das Schienbein.
Von diesem Tag an weigerten Mikasa und Levi sich den Nikolaus Tag zu feiern.
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