Neunzehntes Türchen
Erst waren nur schwere Schritte zu hören, die das Zimmer durchquerten, dann ein Ratschen, das durch das ruckartige aufziehen von Vorhängen erzeugt wurde, und im nächsten Moment wurde der ganze Raum vom Tageslicht geflutet. Seine Augenlider flatterten leicht, bevor er die Augen ganz aufriss und sich verschlafen die Decke über den Kopf zog. „Zieh die Vorhänge zu! Es ist zu hell!“, sagte er in einen Ton, der keine Widerrede duldete. Der Angesprochene kicherte allerdings nur amüsiert. „Aber, aber, Heichou. Ihr wollt doch nicht Heilig Abend verschlafen, oder?“ Er kam unter der Decke hervor und funkelte den Braunhaarigen wütend ein. Die schwarzen Strähnen des Undercuts fielen ihn durcheinander ins Gesicht und er hatte deutliche Augenringe, die durch die guten zwei Stunden Schlaf entstanden sind. „Kommt Mikasa auch?“, fragte er bissig, während der andere gelassen Kleidung für seinen Heichou raus holte und sie fein säuberlich auf das Bett legte. „Natürlich wird Lady Mikasa zum Fest erscheinen“, sagte er, woraufhin Levis Miene sich noch mehr verzog. „Lad sie aus, Eren. Oder nein, noch besser: Lös' die Verlobung für mich auf“, verlangte er und ließ sich zurück in die Kissen sinken. Eren seufzte. „Mir war ehrlich gesagt noch nie klar, warum Menschen ihr Kind dem Kinder der eigenen Schwester oder des eigenen Bruders versprechen. Wie fühlt es sich an? Dieser Gedanke die eigene Cousine zu heiraten?“ Eren kicherte, während er den Tee eingoss und sich von seinen Herrn, Levi Ackermann, weg drehte. Dieser entledigte sich in der Zeit sein Schlafgewand und zog die Klamotten an, die der andere ihm raus gelegt hat. „Findest du das etwa amüsant?“, fragte er erzürnt und band sich zu guter letzt die schwarze Augenklappe um, die sein linkes Auge vor den Blicken seiner Mitmenschen schützte. „Verzeiht, Heichou, aber ich finde Menschen einfach äußert interessant. Besonders eure Beziehung mit Lady Mikasa macht einen recht angespannten Eindruck. Man könnte annehmen ihr werd schon seit 40 Jahren verheiratet“, sagte der Braunhaarige und dachte an die vielen male zurück, an denen er Mikasa und Levi davon abhalten musste sich gegenseitig umzubringen. Da sie aber ihr gesellschaftliches Ansehen waren mussten, wagte keiner von ihnen es die Verlobung aufzulösen und so brachte sie Tag für Tag näher zu ihren sechzehnten Lebensjahr - dem Heiratsfähigen Alter. Was der Schwarzhaarige völlig verdrängt hatte war, dass sein Ehrentag ihn greifbarer Nähe war, aber zum Glück hatte er ja Eren. „Ihr werdet Morgen 16 Jahre alt, Heichou. Lady Mikasa erreicht bereits im Februar des nächsten Jahres das sechzehnte Lebensjahr. Wenn Ihr die junge Dame nicht heiraten wollt, schlage ich vor Ihr lasst euch langsam einen Plan B einfallen“, meinte Eren gelassen. Seiner Meinung nach waren Menschen immer noch komisch. Nicht nur, dass sie Verwandte in den heiligen Bund der Ehe zwingen wollen, sie setzten sie auch noch mit der Meinung der Gesellschaft unter Druck. Da wo er herkam, war es einen egal was die anderen dachten und Hochzeiten galten als Freiheitsberaubung. Ach ja, da bekam der Braunhaarige glatt Heimweh. „Auf keinen Fall werde ich den Rest meines Lebens mit der verbringen! Vielleicht schädige ich damit meinen guten Ruf, aber bevor die Uhr Mitternacht schlägt und mich für heiratsfähig erklärt, werde ich die Verlobung aufgelöst haben. Koste es was es wolle.“ Wieder grinste Eren auf eine überlegene Art und Weise die Levi ganz und gar nicht gefiel, doch so war er nun mal eben. Hielt sich immer für was besseres, obwohl er doch eigentlich nur Levis Butler war. „Oh, Heichou. Ihr habt absolut keine Ahnung was für eine Freude ihr mir damit machen würdet. Ich denke ich werde den Schlussstrich, den ihr mit Lady Mikasa ziehen werdet, als mein Weihnachtsgeschenk ansehen“, meinte der Butler gelassen. Ja, Eren wirkte im Moment gelassen, aber Levi wusste, wie schnell bei dem Braunhaarigen die Sicherung durchbrannten. So bald einer der anderen Angestellten sich nicht genau seinen Anweisungen fügen würde, würde Eren aggressiv werden und das ist für den Schwarzhaarigen immer lustig anzusehen. „Sag mal, wer kümmert sich überhaupt um das decken der Tafel für heute Abend?“, fragte er und griff mit der ganzen Hand nach der Teetasse. Er hielt sie von oben und nicht an den dafür gedachten Henkel. Wieder soetwas, das Eren nicht verstand. „Ich habe Hanji damit beauftragt.“ Er brachte das letzte Wort kaum zuender, da wurde seine Miene augenblicklich düster und er sah entschuldigend zu seinen Herrn. „Verzeiht, Heichou, aber ich denke, es wäre besser, wenn ich einmal nach ihr schaue. Ich empfehle mich“, meinte der Braunhaarige, legte seine Handfläche auf die rechte Brust, verbeugte sich kurz und verließ dann schnellen Schrittes das Zimmer um zu retten, was noch zu retten ist.
Am Abend setzte Eren gerade noch rechtzeitig den goldenen Deko Stern auf die Spitze des grünen Tannenbaums, als die Tür zum großen Speisesaal sich öffnete. Levi kam rein, Mikasa und deren Familie im Schlepptau. Mikasa selbst war ein hübsches, junges Mädchen, ebenfalls von adeligen Blute, das ihre schwarze Haarpracht hochgesteckt hatte. Ein rotes Kleid mit goldener Verzierung, im altmodischen Barock Stile diente ihr als Abendgarderobe. Levi fand, dass sie aussah wie eines der Weihnachtsgeschenke unter dem Tannenbaum. Mikasas starrer Gesichtsausdruck begann zu bröckeln, als sie den hellerleuchteten Speisesaal sah. Der Boden war so sauber, dass man sich davon essen könnte, der Tisch in der Mitte war mit den köstlichsten Speisen gedeckt und der Weihnachtsbaum erstrahlte in all seiner Pracht. Die Schwarzhaarige schien kurz fasziniert zu sein, aber sie fing sich schnell wieder. „Nicht schlecht, Kleiner. Vielleicht wird deine Feier ja doch kein Reinfall“, raunte sie ihren Verlobten so leise ins Ohr, dass es außer den Beiden niemand hören könnte. Nur Levis wütender Gesichtsausdruck ließ die anderen Mikasas Worte erahnen. „Bitte, meine Herrschaften. Nehmen Sie doch platz“, rief Eren da plötzlich, in der Hoffnung die Situation noch entschärfen zu können. Unter den Blicken seiner Tante und seines Onkels war Levi dazu gezwungen den perfekten Gentleman zu spielen und so zog er einen Stuhl an der gedeckten Tafel zurück, auf welchem Mikasa platz nahm. Die Teenager kotzte diese Prozedur an, doch die Etikette verlangte es von ihnen. Etikette, Etikette, Etikette. Immer diese Etikette. „Ich muss schon sagen, Eren. Du hast dich mal wieder selbst übertroffen“, meinte Mikasas Mutter und setzte sich, zusammen mit ihren Mann, an die Tafel. „Ich schlage vor wir warten noch bis Kenny auftaucht und beginnen dann mit dem essen“, sagte Levi und ließ sich auf seinem Platz am Kopfende des Tisches nieder. 'Und dann bringe ich das schnell hinter mich', fügte er in Gedanken hinzu. Eren beobachtete das ganze vom anderen Ende des Zimmers und grinste in sich hinein. Dieser Abend versprach interessant zu werden.
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