5. Ziegelsteinhaufen und Schokoriegel
Scheiße. Was soll hier bitte passiert sein?
Ich nehme alles zurück. Es müssen buchstäblich Jahre vergangen sein seitdem wir weg waren.
Die Siedlung sieht aus wie eine von einem Kleinkind zerstörte Legowelt.
Nur leoder weniger Bunt und mehr graubraun.
Mir wird richtig schlecht bei dem Ausblick.
Manche Häuser sind so richtig- aber so wirklich richtig- eingekracht, bei anderen sind nur ein paar wackelig stehende Wände übrig geblieben. Ein umgestürzter Baum von Wald liegt mitsamt den Ästen der anderen mitten auf dem Weg.
Den Ort meiner Kindheit- oder meines ganzen bisherigen Lebens, wenn man so will- in dieser Verfassung sehen zu müssen, löst in mir ein seltsames Gefühl aus, das ich nicht beschreiben.
Um ehrlich zu sein, will ich das auch gar nicht können.
Ich zwinge mich, nicht mega geschockt zu wirken. Lily schaut zu mir hoch.
"Was ist passiert?"
Ihre Hand zittert in meiner.
In mir erwacht so etwas wie ein Beschützerinstinkt (so müssen sich Mütter fühlen) und ich nehme sie in den Arm.
"Weißt du, es gab ein Erdbeben."
Ich bin erleichtert, dass meine Stimme nicht so erschüttert klingt, wie ich mich fühle.
"Dabei geht dann manchmal etwas kaputt." Etwas ist zwar maßlos übertrieben, andererseits habe ich keine Ahnung, wie ich es ihr schonender erklären soll.
Lily nickt und wendet den Blick ab, ein viel zu verständnisvolles Nicken, wie ich feststellen muss.
Die Frage Was jetzt? setzt sich in meinem Kopf fest.
Wir müssen irgendwie in Sicherheit, irgendwohin, wo Menschen sind.
Könnte nur schwierig werden, denn es ist weit und breit kein Anzeichen menschlichen Lebens in Sicht.
Ob es wohl eine gute Idee ist, zu unserem Haus zu gehen?
Bei dem Gedanken trifft es mich wie ein Blitz. Pa.
Die Sache mit dem Erdbeben war allein schon so schockierend, dass ich gar nicht nachgedacht habe, ob Pa vielleicht...
Nein, beschließe ich stumm. Ich will es nicht zuende denken.
Umso wichtiger ist es mir jetzt, nachzusehen, ob unser Haus noch steht.
Und wenn nicht, dann ob Pa...
(Nicht weiterdenken, bloß nicht.)
Unruhig mache ich mich mit der stummen Lily im Schlepptau auf den Weg und steige über den Baumstamm hinweg. Nicht lange und besagtes Haus fällt mir ins Auge.
Genauer gesagt das, was davon übrig geblieben ist.
Jetzt bin ich echt kurz davor, zu kotzen.
Am liebsten auf die Trümmer.
Manche Wände stehen noch ruinenhaft herum und ein Teil der Garage ist als wackeliges Hüttchen hinterblieben.
Der Rest ist Chaos. Reines Chaos wie der Rest der Siedlung.
Ich schaue auf die gefallene Eingangstür und erfühle ihren Schlüssel in meiner Jackentasche. Ich erinnere mich, dass Pa noch einkaufen wollte und ihn mir deshalb mitgegeben hat.
Der Schlüssel nützt jetzt zu nichts mehr, aber trotzdem umklammere ich ihn, als hinge mein Leben davon ab.
Pa's tut es in gewisser Weise.
Ich presse die Lippen aufeinander und hoffe still, dass es ihm gut geht.
Ob Lily auch schon über ihn nachgedacht hat, ist mir unklar.
Langsam weicht das Orange der untergehenden Sonne einem tiefen rot und auf der anderen Seite macht sich die Nacht auf den Weg in den Himmel. Etwas in mir ist klar, dass das keine gemütliche Nacht wird.
Einen Platz für die Nacht finden sollten wir trotzdem, denn es wird kalt.
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