
✘22. Ich bekomme keine Luft.✘
Louis spürte, wie seine Atmung sich beschleunigte.
Er hatte nicht mehr das Gefühl, irgendeine Kontrolle über seine Gedanken zu haben, ganz zu schweigen von seinen Handlungen.
Harry bemerkte nicht, dass er Louis nicht nur tief verletzt, sondern emotional in einen Ausnahmezustand gebracht hatte. Er hatte das Ganze nicht so eng gesehen, was nicht zuletzt daran lag, dass er unter Alkohol- und Drogeneinfluss stand. Natürlich wusste er, dass es eine verdammt schlechte Idee war, Alkohol und Marihuana miteinander zu mischen, und dass das im Zweifelsfall ernsthaft schiefgehen konnte.
Harry merkte, dass sich Übelkeit in seiner Magengegend ausbreitete, so sehr, dass es ihm plötzlich schwer fiel, zu reden.
Zwar registrierte er, dass Louis mit ihm sprach, aber er wusste ganz genau, wenn er ein einziges Wort sagen musste, würde er sich übergeben müssen.
Louis zitterte am ganzen Körper und zupfte nervös an dem Ärmel von Harry's Shirt, während er nicht mehr kontrollieren konnte, dass er immer schneller atmete. „Ich habe Angst, Harry", murmelte er, als die beiden Franzosen nach draußen gegangen waren, um eine Zigarette zu rauchen. Harry hatte dankend abgelehnt, denn die Übelkeit wurde mit jeder Minute größer. Seine Umgebung drehte sich in großen Kreisen, und er spürte, wie seine Augen immer schwerer wurden.
Er sah Louis an, und sein berauschter Blick jagte ihm noch mehr Angst ein.
Oh Gott.
Er war allein in Paris, mit Harry, der sich absolut nicht mehr auskannte, in der Wohnung von zwei Fremden mitten in einem Land, dessen Sprache er noch nicht einmal sprach.
Immer wieder breitete sich die Angst in ihm aus, sein Herz könne seinen zitternden Brustkorb zertrümmern, so nervös jagte es in seiner Brust.
Louis schnappte nach Luft, als ihm klar wurde, dass Harry ihm noch immer nicht geantwortet hatte. „Können wir bitte gehen?", flehte er regelrecht, und hoffte, dass Loïc und Hugo keine schnellen Raucher waren.
Harry drehte seinen Kopf in Louis' Richtung und bereute es noch im gleichen Moment. Der Schwindel verstärkte sich, und er musste ein weiteres Mal gegen den Drang ankämpfen, sich jeden Moment übergeben zu müssen. „Gehen?", wiederholte er irritiert, „Warum willst du denn gehen?"
Louis ignorierte die Tatsache, dass Harry so sehr lallte, dass er ihn fast nicht hätte verstehen können. „Ich habe Angst", wiederholte er und kam sich wieder vor wie der kleine Junge, der damals seine Familie verloren hatte.
Harry schüttelte verwirrt den Kopf und sah aus, als würde er überhaupt nichts mehr verstehen. „Wovor fürchtest du dich denn jetzt schon wieder?", wollte er verständnislos wissen, als ihm fast die Augen zufielen. „Es ist doch alles in Ordnung."
Louis presste die Lippen aufeinander und schloss einen Moment die Augen.
Er versuchte, sich selbst zu beruhigen, so wie man es ihm im Krankenhaus gezeigt hatte.
Tief ein- und aus atmen. Auf die eigene Atmung konzentrieren. Nach und nach die Muskeln jedes Körperteils anspannen, wieder entspannen. Ein. Aus. Anspannen. Entspannen.
Louis riss verzweifelt die Augen auf, als er bemerkte, dass an diesem Abend gar nichts gegen seine Angstzustände zu helfen schien.
Er hatte plötzlich das Gefühl, als säße jemand auf seiner Brust. Dieser Jemand drückte mit aller Gewalt auf seinen Brustkorb.
„Ich bekomme keine Luft", presste er hervor, die schweißnassen Hände zitterten und Louis sah sich panisch nach einer Fluchtmöglichkeit um.
Harry verdrehte entnervt die Augen und schüttelte den Kopf. „Jetzt steigere dich doch nicht so rein", murmelte er, und Louis spürte, wie sich der Dolch in seinem Brustkorb in diesem Moment noch einmal umdrehte.
Er sprang auf und hechtete aus der Wohnung. Er hatte sich ganz genau eingeprägt, wo die Wohnungstür war, im wievielten Stock sie sich befanden und wo der Ausgang war.
Er atmete flach, und viel zu schnell, sodass ihm nach wenigen Metern auf der Straße so schwindelig wurde, dass er anhalten musste.
Kalter Schweiß hatte sich auf seiner Stirn gesammelt, und für einen Moment dachte er wirklich, jeden Moment sterben zu müssen.
Er rang nach Luft und hielt sich an einer Straßenlaterne fest, während ihm auffiel, dass er keine Medikamente bei sich hatte.
Ein Wimmern drängte sich aus seiner Brust, er tastete in seinen Taschen nach seinem Telefon, aber konnte es nicht auf Anhieb finden.
Witzig.
Wen hätte er auch anrufen wollen?
Louis stolperte über seine eigenen Beine und stützte sich an der Hausmauer ab, gegen die er sich einen Moment später lehnte.
Er kämpfte noch immer um jeden Atemzug, der Griff um seinen Hals wurde mit jeder Minute enger.
Das war er jetzt also.
Der Moment, in dem er sterben würde.
Tränen sammelten sich auf seinen Wangen, und er fragte sich ernstlich, was er sich nur dabei gedacht hatte, verdammt nochmal mit einem Fremden aus der Psychiatrie abzuhauen und durch halb Europa zu fahren.
Das hatte er jetzt also davon.
Eine ausgewachsene Panikattacke und das Gefühl, das alles nicht zu überleben.
Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt, während er spürte, dass Schwindel in ihm nach oben kroch und eine so einnehmende Übelkeit hervorrief, dass er sich über den nächsten Busch beugte und sich erbrach.
Zitternd fasste er sich an die Brust, wünschte sich nichts sehnlicher, als dass das Herzklopfen endlich aufhörte. Seine Brust fühlte sich plötzlich so eng an, sie schmerzte, und Louis schloss die Augen.
Er würde einen Herzinfarkt bekommen, ganz sicher, und dann würde er hier sterben. In einer fremden Straße in einem fremden Land, und niemand war hier, um ihm zu helfen.
Oder wurde er verrückt?
„Louis?"
Louis hob seinen Blick.
Und dann sah er ihn.
Auf der anderen Straßenseite.
Ganz in schwarz, und viel größer, als er ihn in Erinnerung hatte.
So blass, dass Louis zurückschreckte, als er ihn zu sich winkte.
„Louis?"
Louis nickte und legte den Kopf schief. „Deine Flügel", keuchte er, „Sie sind viel größer als beim letzten Mal."
„Was? Scheiße, wovon redest du?"
Louis sah den Engel an und schüttelte irritiert den Kopf. „Na, die Flügel..."
Wieder sah er, wie der Engel ihn zu sich winkte.
Und er dachte keine Sekunde länger mehr darüber nach, setzte sich in Bewegung und rannte auf ihn zu.
Und dann ging alles ganz schnell.
Ein wütendes Hupen, ein lauter Aufschrei hinter ihm.
„Louis! Pass auf das verdammte Auto auf!"
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Guten Morgen meine Lieben! :)
Uff, da ist ja wohl mal einiges schief gelaufen ...
Was denkt ihr, wird im nächsten Kapitel passieren?
Denkt ihr, Harry wird einsehen, dass er sich falsch verhalten hat?
Ich freue mich schon, eure Reaktionen zu lesen :)x
Bis dahin wünsche ich euch morgen ein schönes Wochenende und lasst euch nicht ärgern ;)
All the love,
Helena xx
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