Im Lager der Universität
Sophia Rikken war sich nun sicher: D5 bezeichnete wohl das Gebäude der Universität, und das K3 stand für das Stockwerk- oder besser dieses leicht versetzte Untergeschoss hier im Gebäude.
Ohne genauer zu Wissen, wohin der Student oder Doktorand sie hier auf der Etage begleitete- Sophia blieb zuversichtlich. 'Manchmal muss man einfach auch Glück haben!', sagte sie sich.
Man blieb auf dieser Etage, dem Untergeschoss K3. Nun jedoch galt es herauszufinden, was diese anderen Kennziffern mit den Buchstaben zu bedeuten hatten. Raumnummern vielleicht? Vielleicht auch etwas vollkommen abwegiges?
Der Student öffnete eine größere Tür- es war die Hälfte einer Flügeltür. Man konnte also hier auch größere Sache hinein transportieren.
Hinter der Tür befand sich ein riesiger Lagerraum. Der freie Blick zum anderen Ende des raumes war nur unterbrochen durch tragende Pfeiler, eine Vielzahl verstreut stehender Hochregale, mehrere Paletten mit großen Fundstücken und diverse Hinweis- Schilder, welche in verschiedene Bereiche des Raumes wiesen.
"Willkommen im Lager der Fachrichtungen Archäologie, Geschichte, Biologie und vieler anderer Studienrichtungen, denen es gelang, hier einen Bereich zu ergattern!", sprach der Student und nutzte eine weit ausschweifende Geste, um dies auch so zu verdeutlichen. "Ich bringe sie zu Dr. Shillerman, meinen Gruppenleiter. Ich gehöre zu seinem Forschungsteam. Sie wollten doch heute Einblicke in die Funde aus Megiddo?"
"Ja sicher. Darum hatte ich doch gebeten. Und es freut mich sehr, dass mir dies gestattet wird."
"Wir sind dort hinten. In diesem Großlabor. Heute arbeiten wir aber nur zu Dritt dort, also haben auch sie einigen Platz zwischen den Exponaten und Gegenständen, um sich ein Bild zu machen. Da vorn lagern auch schon unsere Prachtstücke !", gab der Student ein wenig vor Sophia an. Vielleicht wollte er der Frau Doktor gefallen oder ihr nur seine Wichtigkeit mitteilen. Der Mann zeigte auf einen irgendwie abgeschotteten Platz, an welchem ebenfalls Paletten aber auch diverse regale und Kisten abgestellt waren. Alles war durch einen breiten Flurgang und einige Trassierband- Rollen schön von anderen Sachen getrennt, einiges auch unter Folien versteckt.
"Kann die Folie nicht die Proben beeinflussen?", fragte Sophia interessiert nach.
"Eigentlich nicht. Diese Sachen haben wir uns schon angesehen. Sie stehen für einen Weitertransport in ein anderes Objekt oder ein Museumlager dort bereit. Sie sind bewertet, katalogisiert und- wo von Nöten- bereits behandelt. Dieser ganze Raum besitzt ein Super- Lüftungs- und Entlüftungssystem mit Filtern und allem. Wie es irgendwelche Standards erfordern. Hat sich die Universität eine Menge kosten lassen. Die Labormittel und die Lager für die Untersuchungssubstanzen finden sie gleich neben dem Untersuchungsräumen."
Angelockt durch die Gespräche zeigte sich ein Mann mit Schutzanzug und Maske. Er kam näher an die nahende Sophia und seinen Kollegen, streckte die Hand aus, die irgendwo hinter den blauen Lagen mehrerer Handschuhe stecken musste.
"Doktor Rikken? Mein Name ist Shillerman. Ich habe bis vor kurzen noch in Megiddo an den Ausgrabungen mitgewirkt. ja- und nun? Nun sehe ich mir an, was wir dort alles aus dem Schutt und dem Erdreich geholt haben. Waren sie schon in Megiddo?"
"Ich hatte noch nicht die Zeit dafür. Mein Institut hat mich zuerst hierher bestimmt, um mir ihre Arbeit und ihre Stücke anzusehen. Bislang jedoch hoffe ich, noch Zeit für einen Besuch in Megiddo bewilligt zu bekommen. Sie wissen ja, wie Das manchmal so ist.", nuschelte Sophia unter ihrer Maske hervor- und hoffte, verstanden worden zu sein.
"Jaja.", stimmte Shillerman heftig nickend zur Bestätigung zu. "Kenn ich. Beim Geld hört oft die Freundschaft auf. Und wir können uns ja auch nicht mehrteilen, oder?"
"Eben!"
Doktor Shillerman führte Sophia in den Untersuchungsraum. Er gab eine kleinere Führung, es gab auch einen kleinen Blick in die hinteren Lagerräume am Raum. Shillerman beschrieb manche Funde eingehender, insbesondere jene Gegenstände, welche wohl für Sophia mehr Interesse haben könnten, oder der Salomonischen Zeit in gewissem Rahmen entsprachen.
Sophia hatte sehr aufmerksam zugehört, sich hier und da auch Notizen mit einem Bleistift in den Block geschrieben.
Shillerman machte dies zufrieden. Es kamen schon ab und an ausländische Gäste oder Forscher- sogar zwei Fernsehteams hatten sich schon für die Funde interessiert. In einer Dokumentation flimmerte er sogar mit einem Redebeitrag über den Bildschirm- sehr zur Freude seiner Familie. Es fand es toll, wenn sich jemand für die Ausgrabung und die Exponate interessierte. Sie waren Teil und Gegenstand seiner Forschung - und dank des Interesses würde die Universität wohl auch den Forschungsauftrag mit Finanzen noch länger beauftragen. Daher war es wichtig, sich mit ausländischen Besuchern gut zu stellen.
Dr. Shillerman hatte einen vollkommen anderen Fokus, als Sophia ihn für die Objekte hatte. Sophia erklärte ihr Interesse und dass die auf die Möglichkeit hoffe, möglichst wenig kontaminierte DNA- Proben nehmen zu dürfen. Shillerman machte Sophia wenig Hoffnung darauf, gab ihr jedoch nach der kleinen Führung einen freien Spielraum und Gelegenheit für einen Zugang zu den Exponaten, während er sich einer Probenuntersuchung widmete. Auch die anderen zwei Leute waren beschäftigt.
Sophia sah sich zuerst an den Exponaten um, die direkt am Untersuchungsraum waren. An jedem Stück fanden sich Kennnummern.
Interessanter Weise sahen die Kennnummern alle ähnlich denen aus, welche Sophia auf dem kleinen Zettel gereicht bekam.
Daher suchte sie gezielt danach- hier in den Exponaten aus Megiddo.
Doch sie waren nicht hier.
Konnte es daran Zweifel geben? Warum machten die Assassinen ihr diese Vorschläge und wiesen ihr - offenbar auch hier ihrer Sache sicher- den Weg, wenn die Nummern hier nicht zu finden sind.
Sophia blickte nach links über den Flur- in einen der anderen Bereiche, welcher ebenfalls abtrassiert war.
Dieser nahe und weniger gut sortierte Haufen an Exponaten schien mehr auf Sophia zu wirken, eine Art 'Magie' und Anziehungskraft auszuüben auf sie.
Auf den Fluren de Etage war niemand zu sehen. Es konnte daher wohl auch nicht schaden, sich diesem Berg an Steinen und Refugien einmal näher anzusehen.
In einer Folierung erkannte sie einen Zettel, der zum einen eine Aufschrift in Israelischer Schrift trug und zudem eine europäisch angelehnte Schrift.
'Kommagene' stand darauf.
Und wenn Sophia auch noch so sehr auf eine Erleuchtung hoffte, sie blieb in Angesicht dieser Bezeichnung aus. Der Begriff sagte ihr nichts.
In einer offenen Holz- Kiste waren verschiedene Gegenstände aufbewahrt, welche allesamt gesondert in Folien oder Papiertütchen eingepackt waren.
Ihr Blick fiel auf eine Papiertüte mit einem nicht erkennbaren kleinen Inhalt.
Sie konnte kaum glauben, welche Kennzeichnung diese kleine Papiertüte auf ihrer Beschriftung trug: D5/ K3 // 19g !
Einer der beiden benannten seltsamen Kombinationen, sie vermutlich niemanden etwas gesagt hätten, der nicht versuchte, sich hier- in diesem Lager der Universität- herum zu treiben und danach zu suchen, da er durch einfache kognitive Prozesse Eins und Eins zusammen gezählt hatte und sich dadurch etwas Neues ergab.
Aber 'Kommagene'? Was ist das?
Sophia nahm sich fest vor, sich nicht zweimal bitten zu lassen, jetzt, da niemand ein Auge auf sie hatte. Gehetzt blickte sie an die Pfosten und die hohe Decke, ob sie irgendwo eine Überwachungs- Kamera erkennen konnte. Aber eine Kamera war nur am Zugang zum Untersuchungsraum zu erkennen. Hier jedoch schien es unbewacht zu sein.
Gelegenheit macht im Normalfall ja Diebe- aber als solch Diebin wollte Sophia sich nicht zeigen- egal wie groß das Interesse an dem Gegenstand in dieser kleinen Papiertüte auch war.
Unwillkürlich musste Sophia an den Assassinen Moussa denken. In dem Labor in Madrid damals hatte Sophia auch mit Moussa persönliche Gespräche in Auswertung der Regressionen und Animus- Einsätze zu führen. Moussa gab über seine Erlebnisse im Animus nichts preis, was nicht auch andere wahrgenommen hatten. Der Assassine schwieg beharrlich über seine Gefühle nach der Regression. Doch nun- fünf Jahre danach- machte eines Sinn, was Moussa in Sophias Büro tat: Er hatte- wie von seinem Unterbewusstsein angetrieben- mit einer fast heiligen Geste einen Gegenstand aus der Sammlung von Assassinen- Utensilien kurz ergriffen, welche das Labor erworben und aufbewahrt hatte. Es war ein kleiner Metall- Gegenstand in Form eines Ei. Wie sich heraus stellte nutzen es Assassinen, wie eine Art Rauchbombe. Da Ei war sehr verziert- im nordafrikanischen Stil gehalten. Moussa hatte es wie in Trance angestarrt.
So schien es Sophia nun mit dieser seltsamen Tüte zu ergehen.
Sie hatte ja schon Handschuhe an und konnte die Probe sicher kaum konterminieren unter ihrem Vollschutz- Kostüm. Warum also nicht- es musste schnell gehen.
Zurück- Probentasche geholt- abgestellt, Probenbehältnis heraus- Gegenstand- ein spitz zulaufendes Metallstück, mehr Korrosion als Metall und ohne Griff. Grober Abrieb mit einem Probeschwämmchen- trocken. Zwei feinere Abriebe an verschiedenen Stellen mit Feintupfer und destilliertem Wasseranteil. Und zu guter Letzt noch eine Trocken- Tupfer- Probe. Proben einpacken- nummeriert wird später. Neu in die Papiertüte zurück schieben und ablegen.
Sophia speichert im Kopf das Abbild des Fundstückes. Fotos verbieten sich bei der Kürze der Zeit und der Situation. Es schien Sophia wie ein Dolch gewesen zu sein, aber ein wenig länger mit seltsamer seitlicher Korrodierung.
Jetzt, da diese Aktion durchgestanden war, fühlte sich Sophia etwas erfolgreicher- aber auch zeitgleich wie ein Dieb. Ein Dieb, der anderen Forschern zuvor kam, deren Ergebnis vielleicht nachhaltig veränderte.
Als Forscherin gefiel ihr dieser Aspekt des Handelns nicht.
Aber andererseits hatte sie, wonach ihr Inneres verlangte: Proben von dem seltsamen anziehenden Gegenstand.
Dies- und der Umstand wohl immer noch nicht aufgefallen zu sein- ermutigten sie, nach dem anderen Teilstück des Puzzle zu suchen.
Einer menschlichen Suchmaschine oder einem menschlichen Metall- Detektor gleich flanierte sie durch die nahen Reihen, um auch noch ein zweites Mal etwas Glück zu haben.
Zeit verging.
Glück, wie vorhin mit diesem Areal von 'Kommagene'- Sachen, hatte Sophia allerdings nun nicht mehr.
Als Dr. Shillerman aus dem Untersuchungsraum heraustrat, da war Sophia schon einige Sammlungen weiter.
Sophia fühlte sich ertappt- und auch unter Druck gesetzt.
Shillerman kam näher.
Sophia entschloss sich, die Flucht nach vorn anzutreten.
"Das ist alles so faszinierend hier- all die Artefakte, all diese Hinweise auf unsere Vergangenheit. Hier schlummern sicherlich sehr viele Schätze unserer Kultur und Geschichte." Mit ihrem 'Forscher- Sätzen' sprach sie wohl auch Dr. Shillerman aus der Seele.
"Ja. es ist atemberaubend, nicht?" Shillerman blickte sich um im Reich der gelagerten Artefakte.
"Herr Doktor, vielleicht können sie mir einen Tag sparen, denn ich soll wohl nächste Woche noch einmal hierher ins Lager kommen. Nur um 'eine' Probenentnahme durchzuführen, was wohl nur wenige Minuten in Anspruch nehmen wird. Ein Kollege von Ihnen hat mir diese Kennzeichnung bereits aufgeschrieben. '34e'? Könnten sie mir dabei helfen, es zu finden? Dann würde ich gleich heute die Probe nehmen und mit ihrem Kollegen gemeinsam früher auswerten können. Ich denke, so in etwa hat es ihr Kollege sich wohl auch vorgestellt. Aber wenn es Ihnen zu viel Mühe bereitet?"
Sophia wollte eigentlich mit den Waffen einer Frau jetzt Fürsprechen- doch schnell fiel ihr selbst auf, wie grotesk die Idee war. Angezogen wie ein Bienenzüchter, mit Brille und doppelter Handschuhreihe brachte es nicht, mit den Augen zu klimpern und auf hilfesuchende Mimik abzustellen.
Doch es erwies sich als hilfreich gefragt zu haben, Shillerman fühlte sich dennoch angesprochen- als Forscher und jemand, dem Zeitnot wohl auch bekannt erschien.
"34e, 34e.2, brabbelte er vor sich hin und suchte links und rechts des Weges- allerdings in anderer Richtung, als sich Sophia bewegt hatte.
"34, 34, 34.... also ihr 34e müsste hier in diese Folierung eingebettet sein. Seltsamerweise fehlt die Markierung daran. Aber es sind keine Megiddo- Stücke. Ich kenne diesen Bereich nicht- sieht nach syrischem oder libanesischen Untersuchungsstücken aus."
Sophia tat seltsam berührt. "Aber er hat mir extra genannt, 34e wolle er mir für eine Probenahme empfehlen und darüber mit mir sprechen. Vielleicht will er mir einen seiner Denkansätze vorstellen? Ich weiß es auch nicht. Aber wissen sie was, Herr Shillerman- ich nehme einfach meine Proben und bespreche das dann mit ihrem Kollegen. Was für ein berich ist denn benannt? Können sie dies ablesen?", fragte Sophia, um Shillerman einzubinden.
Das klappte. Shillerman verbog sich in seinem Anzug und wischte über seine Brille. "Baghras/ Hatay steht hier. Ich glaub, das ist Syrien. Hatay ist Syrien, denke ich. Das andere sagt mir nichts, so aus dem Stehgreif hat es wohl nichts mit der Davidischen oder Salomonischen Epoche zu tun."
Sophia machte es analog, wie vorab schon. Diesmal jedoch nicht so gehetzt und exakter. Sie kennzeichnete die Proben sogar mit Ziffern und Bezeichnung.
Der Gegenstand war sehr schwer- wohl auch aus Metall. Was von diesem Metall übrig und weniger von Korrosion angefressen war, war stark beschädigt- jedoch als Metall zu erkennen.
Auch hier hatte Sophia dieses Gefühl von vorhin- eine Art Vertrautheit mit diesem 'Ding'. Und erneut dachte sie an Moussa.
Shillerman blieb freundlich und war nicht von Misstrauen bewegt. Die weiteren vier Stunden unterhielt Shillerman mit Darstellungen des Areales von Megiddo, der Bedeutung der Stadt in alten Zeiten, den Mythen, welche sich um die Stadt rankten. Beeindruckend erschien ihm wohl, dass es diesen Tunneldurchgang zur inneren Ringstadt gab. Selbst heute noch bekomme Dr. Shillerman eine Gänsehaut, wenn er daran denkt, wie man sich über mehrere Jahre hinweg als Grabungsteam diesen Weg erschlossen hat.
Am Ende des Tages war Sophia Rikken in mehrerlei Hinsicht froh.
Sie hatte einen angenehmen Tag ohne Dimitrys Überwachung und mit anderen Netten Forschern an der Universität verbracht. Darüber hinaus kam sie nach Hinweis der Assassinen an verschiedenste Proben, deren Auswertung sie kaum erwarten konnte. Zudem erhielt sie weitere Hinweise, mit denen sie derzeit nur wenig anfangen konnte, jedoch wohl etwas zu recherchieren hatte.
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