Dr. Charkow offenbart seine Pläne
Der neue Tag begann mit Arbeit, denn noch hatte Sophia bei Ihren Mitarbeitern die Aufgabenpläne durchzusehen.
Erst danach ging sie an dem kleinen, symmetrisch angelegten Park vorbei zum Hauptgebäude.
Vor dem Sekretariat saß der Chef der Security in einem Sessel. Mc Gowan schien Zeitung zu lesen, dennoch blickte er wie ein Adler auf, als Sophia Rikken die Tür zum Sekretariat betrat. Sophia grüßte kurz und freundlich- ein Gruß, den Mc Gowan -wie erwartet kühl- mit einem Kopfnicken beantwortete.
Die nette Sekretärin öffnete die Tür zum großen Zimmer des Chefs und kündigte Sophia an.
„Herr Doktor? Frau Doktor Rikken ist hier, wie von Ihnen erbeten."
„Sehr schön. Danke. Sophia, kommen sie doch bitte herein."
Doktor Charkow stand am großen panorama- Fenster und blickte hinaus auf die Wellen des Schwarzen Meeres. Er winkte Sophia zu sich heran.
„Wie war Tel Aviv? Konnten sie neue Erkenntnisse gewinnen, ihre Forschungen betreffend?"
„Es waren lange Arbeitstage. Und offen gestanden- viel Neues konnte ich nicht erfahren. Allerdings kamen neue Fragen hinzu. Mir wurde gestattet, einige Proben zu nehmen. Hinzu kam eine Einladung durch einen Kurator, eine Ausgrabungsstätte persönlich in Augenschein zu nehmen. Die Israelis sind sehr stolz auf ihre Ausgrabungen. Man gewinnt den Eindruck, dass sie sehr daran interessiert sind, alles Wissenswerte aus der Vergangenheit zu beleuchten, insbesondere um die Zeit der Königreiche Davids und Salomos. Sie tragen an der Universität von Tel Aviv viele Funde aus diesen Zeiten zusammen."
„Das klingt vielversprechend." Charkow sah für einen kurzen Moment zufrieden aus. Dann ging er zu seinem großen Bürotisch und zog etwas aus einer Schublade heraus. Eine schmale Akte.
Für einen Moment hatte Sophia Sorge, dass ihr Ausflug nach Atlit doch nicht so ganz unbeachtet blieb und irgendein bezahlter Denunziant vielleicht Doktor Charkow mit Fotos und Informationen gefüttert haben könnte. Doch diese Sorge währte nur kurz.
„Hier." Charkow zog eine Abbildung auf einem Blatt aus der Akte. Er hielt es vor Sophia hin. Eine Aufforderung, sich das Blatt anzusehen. „Haben sie so etwas schon einmal gesehen? Vielleicht jetzt erst? In Tel Aviv?"
Sophia nahm das Blatt an sich. Die Abbildung zeigte eine Steintafel- Vergrößerung. Darauf einen hervorgehobenen Pyramidenartigen Gegenstand, der wohl von mehreren Priestern ehrfürchtig getragen wurde. Offenbar mit seinen Händen trug der vordere Priester die kleine Pyramide- wie ein Kultobjekt, oder einen sehr heiligen Gegenstand, der viel Respekt einforderte.
Sophia versuchte, sich alle Details so gut es geht einzuprägen. aber die Steintafel schien sehr stark verwittert und alt zu sein. man musste die Umrisse der gezeigten Situation mehr erahnen, als dass sie deutlich war.
„Es wirkt, wie eine Art Prozession, welche hier dargestellt ist. Die Person, in der ich einen Priester vermute, trägt einen sakralen Gegenstand vor sich. Was stellt es dar? Woher haben sie das?", fragte Sophia neugierig.
Charkow lächelte verschmitzt. Offenbar hatte er schon seine Informationen dazu- wollte sie jedoch erst jetzt vielleicht ausspielen- seine Trumpfkarte.
„Die Inthronisierungszeremonie für König Salomo- jedenfalls ein kleiner Auszug davon. Überliefert auf einer Granittafel, welche man bei Ausgrabungen in Tel Dan vor fünfunddreißig Jahren fand. Sie wurde erfasst, fotographiert, und verschwand sodann auf mysteriöse Weise- bis heute leugnen die Israelis, dass es diese Granittafel jemals gab."
Charkow blickte zu Sophia mit zusammengekniffenen Augen. Dann berichtete er weiter.
„Dieser 'Priester', wie sie ihn beschreiben, ist niemand Geringerer als Nathan höchst selbst, der weise Berater von König David und späterhin von dessen Sohn Salomo. Und was er dort so ehrfürchtig vor sich trägt, dass in welchem Sie einen wichtigen sakralen Gegenstand vermuten, dies ist nach meiner Auffassung eine Lüge."
„Eine Lüge?"
Sophia zeigte wohl einen sehr fragenden Gesichtsausdruck.
Fast amüsiert darüber sprach Doktor Charkow weiter.
„Ich hatte die Hoffnung, dass sich die Universität von Tel Aviv mit einem ähnlichen Gegenstand vor Ihnen zur Schau stellen würde. Leider – ihre Mimik beweist es mir- halten sie weiterhin mit ihren Artefakten hinter dem Berg. Denn die Israelis scheinen auch zu denken, dass ein ähnlicher Gegenstand, den sie in Eisenminen in Süd- Israel vor kurzem ausgegraben haben nicht das echte Artefakt ist. Sonst hätten die Archäologen mit Sicherheit damit angegeben. Diese Pyramide ist genauso unecht, wie dieser Gegenstand hier auf der Darstellung."
„Nein. So einen Gegenstand hat man mir nicht gezeigt. Aber hätten sie mir vor der Reise einen Hinweis gegeben, dann..."
„Ich wollte nur erst einmal herausfinden, was die Israelis haben. Denn dies hier auf der Abbildung soll einer der Machtgegenstände sein, die König David seine Widersacher niederhalten ließ. Ein Gegenstand von göttlicher Herkunft!"
„Moment. Reden sie von ISU- Technologie? Etwas, wie der Apfel von Eden, den mein Vater damals aufgefunden hat?"
Charkow nickte.
„Genau das! Auch dieses Artefakt hatte die Kraft den Willen der Menschen zu brechen und sie zu Willen zu machen. Doch diese Pyramidenstücke- die Oden des Salomo- hat Salomo nicht vollständig besessen. Nach meiner Auffassung gingen einige Stücke davon verloren. Salomo konnte also nicht die gesamte Macht des Artefaktes entfalten. Und so musste sich König Salomo allein mit der Macht eines anderen ISU- Artefaktes zufriedengeben. Er war im Besitz des 'Talisman der Götter', einem ISU- Artefakt, auf welchem der wahre Name Gottes gestanden habe. Und nur mit der Kraft dieses Artefaktes allein soll er die Macht besessen haben, Menschen in seinem nahen Umfeld den Willen zu brechen. Diese 'Willenlosen' nannte man Dämonen, aber auch die Bezeichnung Dschinn ist überliefert. Dies würde auch erklären, dass die 'Willenlosen' für Salomo alles taten. Sogar den Salomonischen Tempel in Quds, dem heutigen Jerusalem, haben sie für ihn erbaut. Auch manch andere Befehle Salomos an die 'Willenlosen' sind überliefert. Jedoch ist in der Tat wirklich nur der Talisman zum Einsatz gekommen. Es wird kein Fall überliefert, in welchem Salomo die 'Oden des Salomo' zum Einsatz bringen konnte. Einfach nur- so unterstelle ich es der Sachlage, weil König Salomo nicht die komplette Macht von seinem Vater, König David, überreicht wurde."
„Aber wie können so wichtige Teile eines ISU- Stückes fehlen? Wenn Jemand daran ein Interesse hatte, konnte er doch gleich das komplette Artefakt mit allen Teilen nehmen?"
Sophia hatte wohl eine berechtigte Frage in den Raum gestellt. Charkow würdigte dies anerkennend mit leichtem Kopfnicken und großen Augen.
„Sie denken wie ein Wissenschaftler von großem Format. Meinen Respekt."
Doktor Charkow nahm verschiedene andere Abbildungen- auch neuerer Erzählungen- aus der Akte und legte sie auf seinem Schreibtisch aus.
„Dazu muss man- nach meiner Theorie- noch weiter in der Geschichte zurückgehen. Vor Salomo herrschte König David im Machtbereich des östlichen Mittelmeeres. Und vor David dessen Vater, König Saul. Außer dem Alten Testament und den Beleg durch die Stele aus Tel Dan gibt es keine zeitgenössischen Nachweise über diese Epoche, nur noch das 'Buch der Könige' und das 'Buch der Chronik'. Und wenn man diverse nachbeurteilende Legendenbildungen herauslässt, dann bleibt nicht viel zu bewerten. Und nur König David wird als Verfasser der Psalmen- oder Oden- in allen Chroniken ausgewiesen. Ich denke zum einen, dass David derjenige war, der die Kraft der Oden vollständig nutzen konnte. Dies erklärt auch, wie sich sein Reich so extrem ausdehnen konnte und er die anderen Herrscher um Ihn herum einfach unterwarf. Als es an der Zeit war, die Nachfolge festzulegen, spielen eine Menge von Aspekten im Kampf um die Thronfolge hinein. Salomo war nicht die Erste Wahl König Davids, wie mehrere Überlieferungen bestätigen. Und dann kommen höfische Konflikte, Neid und Missgunst hinzu, denn David hatte eine Vielzahl an männlichen Erben und damit potentiellen Nachfolgern. Daher denke ich zum zweiten, dass König David vor seinem Tod einfach menschlich handelte. Er gab dem Drängen von Salomo, Bathseba und Nathan offiziell zwar nach und sicherte Salomo die Thronfolge, verstreute aber die 'Oden der Macht', da König David an Salomo insgeheim zweifelte. So verließen vor König Davids ableben mehrere andere Thronanwärter mit ihren Müttern den Hof, den Palast, ja sogar das Land. Und jedem gab David ein ISU- Artefakt mit, damit sie außerhalb von König Davids Großreich gute Chancen auf einen Neuanfang hatten."
Sophia Rikken war beeindruckt von den durch und durch schlüssig wirkenden Theorien, die Charkow soeben vorgetragen hatte. Es war deutlich erkennbar, dass Charkow sich wohl sehr intensiv mit den alten Königen und ihrer Epoche auseinandergesetzt hatte. Augenscheinlich brannte er geradezu für diese Epoche.
Und Doktor Charkow wollte demnach noch mehr: Das Auffinden dieser verstreuten ISU- Artefakte!
Für die Templer!
Vielleicht sogar für sich selbst. Wer konnte das schon erahnen.
Charkows Augen schienen voller Freude und Zuversicht.
Eine gleichartige Zuversicht hatte Sophia schon einmal wahrgenommen. Bei ihrem Vater- damals in Madrid. Alan Rikken hatte sein Ziel, den Apfel von Eden, fest vor Augen und greifbar für sich. Auch Sophias Vater hatte dieses energische Glänzen im Auge, wie sie es nun bei Charkow sehen konnte.
Deshalb also die vielen geheimen Sitzungen des Hohen Rats der Templer in letzter Zeit. Charkow sieht wohl eine Chance, die ISU- Bruchstücke zu finden und zusammen zu bringen.
Doch warum wurde Sophia als Beisitzer immer übergangen?
Warum jetzt diese Offenheit?
Charkow sammelte all die Abbildungen vom Schreibtisch und legte sie glücklich lächelnd zurück in seine Akte. Die Akte verschwand danach wieder im Schreibtisch, den er sofort abschloss.
„Kommen sie, Frau Doktor Rikken. Es ist wohl an der Zeit, Ihnen etwas zu zeigen." Charkow machte eine höfliche Handgeste zur Ausgangstür seines Büros. „Und danach sprechen wir über Ihre nächsten Forschungsaufgaben."
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