Der Auftrag: ISU- Artefakte
Angesichts der Menge an ISU- Artefakten war es nur eine Formsache von Doktor Charkow in seinen Plan eingeweiht zu werden.
Doch eines war Sophia jetzt schon klar: Auch wenn Charkow vorspiegelte, Sophia als seine unterstellte Mitarbeiterin nun in seinen Plan einzubinden- er würde nur einen Bruchteil dessen mitteilen, was er tatsächlich beabsichtigte. Hierbei würde es sich nur um die Fakten handeln, welche Sophia und ihr Team benötigten, um ihm dabei zu Diensten zu sein. Mehr nicht.
Zufrieden und mit einem Gefühl erhabener Unantastbarkeit schritt Charkow nun wieder von Gebäude B aus zurück in sein Büro im Nachbarkomplex, gefolgt von Mc Gowan und Sophia Rikken.
Mit Mc Gowan tauschte er auf dem kurzen Rückweg einige Worte aus. Sophia blieb einige Meter hinter den zwei Männern.
Auch wenn ein Belauschen sich nicht schickte und gleichfalls nicht ihre Art war, so bekam Sophia dennoch einige Brocken des Gespräches mit. So fragte Mc Gowan, ob es beim Stand der Dinge nun nicht auch angebracht sei, Frau Rikken- also Sophia- auch in die anderen Pläne mit einzuweihen. Charkow schien hierfür jedoch noch nicht bereit zu sein, denn er sagte etwas wie: 'Soweit ist es noch nicht.' und 'Er entscheide, wenn die Zeit dafür gekommen sei.'
Das bedeutete für Sophia im Rückschluss, dass es noch etwas Anderes geben musste, was Charkow vermutlich aus Gründen des Misstrauens noch nicht an Sophia preisgeben wollte. Jedoch schien es etwas Wichtiges zu sein, sonst würde Mc Gowan sich nicht für sie verwenden. Mc Gowan indessen schien dieses Maß an Vertrauen zu besitzen, wenn er schon eingeweiht war.
Im Büro angekommen nahm sich Mc Gowan zurück. Er schlich langsam und genau beobachtend an der Wand mit den Gemälden entlang, während Charkow wieder das Wort an Sophia richtete.
„Nun? Sie sehen, wir stehen kurz vor einem Durchbruch. Ich bin zuversichtlich, dass wir alsbald schon auch die restlichen Artefakte der salomonischen Oden besitzen werden. Ein Teil davon wird schon bald der Sammlung hinzukommen. Damit fehlen dann nur noch drei Stücke, um es komplett zu haben."
'Soweit ist Charkow schon?', dachte sich Sophia. Obgleich sie sich bei dem Gedanken daran unwohl fühlte, lies sie sich nichts anmerken.
„Ich habe vom Rat die volle Unterstützung versichert bekommen- auch von der Vorsitzenden Kaye. Wir sind Uns aber auch einig darüber, dass die Anstrengungen zu den letzten drei ISU- Fragmenten gebündelt werden müssen. Geld spielt dabei keine Rolle, der Rat sichert dem Projekt jedwede erforderlichen Mittel zu."
Sophia hatte- wohl aus der Überraschung- die Augenbrauend fragend hochgezogen. Das wollte sie eigentlich nicht, es war wohl mehr ein natürlicher Reflex.
Charkow reagierte darauf jedoch sehr sensibel. „Sie glauben mir das nicht? Gern können sie die Ratsvorsitzende auch selbst fragen. Ich weiß, dass Ellen Kaye immer ein offenes Gehör für ihre Anliegen hat."
Sophia entschuldigte sich fast bei Charkow.
„Nein, Herr Doktor Charkow. Ich glaube Ihnen. Es ist nur so, dass der Rat der Templer in der Vergangenheit- bei verschiedenen Anlässen- die Vergabe der Mittel des Ordens an Abstergo Industries sehr vorsichtig anging. Selbst an aussichtsreiche Vorhaben wurden im entscheidenden Moment die Gelder nicht ausgereicht und das Engagement zurückgezogen."
Charkow schien sich seiner Sache sicher. „Dieses Mal nicht. Sie spielen sicherlich auch auf die Forschungen in Madrid an. Aber über diesen Punkt sind wir – da bin ich fest überzeugt – nun endlich hinaus. Wir haben alle aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Und die Fakten sprechen für sich- wir werden dieses Mal keinen Fehler mehr begehen. Bald schon wird der Triumpf uns Templern gehören. Und stärker als jemals vorher in unserer langen Historie die Überlegenheit des Ordens gegen seine Widersacher feiern können. Dann werden wir all die erbrachten Opfer dieses Weges- auch den Mord an ihrem Vater, Frau Rikken- rächen. Und der ewige Kampf gegen die Assassinen ist Geschichte- aus und vorbei!"
Sophia nickte nachdenklich, aber bestätigend.
„Doch vor diesem Erfolg steht noch einiges an Arbeit an- auch für Sie, Frau Dr. Rikken. Abstergo Industries wurde nach den Ereignissen in Madrid durch die Konkurrenz noch belächelt, weil wir unser neues Gelände hier in der Türkei aufgebaut haben. Sei es, wie es sei- diese Wahl war durchdacht. Hier im Raum Osttürkei wird mindestens noch ein Artefakt vermutet, wenn nicht sogar noch ein Zweiter. Dieser zweite könnte aber ebenso gut auf Syrischer oder Irakischer Seite sein, da sind die Hinweise sehr widersprüchlich. Der Dritte wird bereits in Tyros durch einen zuverlässigen Mann beschafft. Das bedeutet, dass wir schon bald vielleicht nur noch zwei ISU- Fragmente finden müssen. Und hier kommen ihre Fähigkeiten als DNA- Expertin ins Spiel. Sie selbst und Mitarbeiter, denen sie bedingungslos vertrauen, erhalten von mir die Aufgabe, sich mit allen Artefakten der alten Kommagene- Kultur zu befassen. Zu jedem Relikt aus dieser geschichtlichen Epoche des Kommagene- Reiches beschaffen sie und ihr Team ein komplettes DNA- Screening- egal, wer die Artefakte in der Zwischenzeit in der Hand hatte. Das bedeutet: Feststellen, Screening anlegen, Laborbewertung und Indizien- Selektion des Screenings. Von Interesse sind Nachweise an DNA für die Zeitspanne von zirka 200 vor Christus bis ins Mittelalter um 14. Jahrhundert. Danach nur, wenn sie wesentliche Erbinformationen von herausragender Güte erkennen. Wenn konkrete Informationen eine Animus- fähige Reproduktion zulassen, dann will ich sofort davon Kenntnis erhalten. Verstanden?"
Sophia war über die präzisen Maßgaben verwundert. Von einer 'Kommagene- Kultur' hatte sie bislang bewusst noch nichts gehört- jedenfalls brachte sie damit nichts Konkretes in Verbindung.
„Kommagene- Reich? Wo befand sich dies? Es sagt mir offen gestanden wenig, ja fast nichts.", offenbarte Sophia ihr Unwissen.
Charkow lächelte. Es war diese Art von Lächeln, dass sie am neuen CEO der Abstergo Industries so gar nicht mochte. Arroganz und Überheblichkeit strahlte es aus. Dieses Lachen war kalt, dominant und großspurig.
„Es wundert mich nicht, dass sie davon nichts wissen. Das Kommagene- Reich hat zu vielen Epochen immer einen gewollten Weg der Kompromisse eingelegt, um so lange als möglich autonom fort zu bestehen. Der Bekannteste ist wohl König Ptolemaios- so 200 vor Christus, der noch sein eigenes Reich verwaltete. Schon zuvor und auch lange Zeiten danach sorgen die dort Herrschenden immer dafür, sich mit den sie beherrschenden Großreichen oder Herrschern gut zu stellen. Kommagene hatte geschichtlich gesehen immer einen Sonderstatus- einen Status Quo. Mit den Persern, Armeniern, dann wieder den Persern, den Griechen, den Römern und den nachfolgenden Herrschern. Erst zu den Zeiten der Kreuzzüge brach dieser Status Quo aus unbekannten Gründen und die Erinnerung an die Kommagene verblasste im Buch der Geschichte. Die Kommagene hatten bis dahin allerdings immer ein Gebiet, in denen sie – unangetastet und autonom - ihre Sitten und Gebräuche pflegen durften. Dieser 'Sonderstatus' kann nur eines bedeuten: Sie hatten ein ISU- Fragment, welches den Willen der jeweiligen Herrscher beeinflussen konnte. Zumindest beeindruckte es die Herrscher wohl so sehr, dass man ihnen lieber ihre 'kleinen Freiheiten' zubilligte. Es muss so gewesen sein. Wie sonst kann man sich erklären, dass Könige wie Dareios, Alexander der Große und andere solchen Respekt vor den Kommagene hatten."
„Und wo soll ich suchen?"
„Das Kommagene- Reich lag nördlich von Syrien. Suchen sie zwischen Taurus- Gebirge und Euphrat- Niederung. Erforschen sie all deren Kulturstätten. Verschaffen sie sich Zugang zu Museen und privaten Sammlungen, um an die DNA- Screenings zu kommen. Lügen sie, plündern sie- mir egal. Aber verschaffen sie mir die Informationen. Notfalls sprechen sie mit Mister Mc Gowan, wenn sie nicht mehr weiterwissen. Mc Gowan hat noch einige 'Spezialmethoden', um ihnen relevant erscheinende Stücke zu beschaffen. Alles ist erlaubt!"
Sophia hatte den Eindruck, dass sich die letzten Worte mehr an Mc Gowan richteten, denn der Chef der Abstergo- Security nickte lächelnd und wissend, was Charkow damit meinte. 'Alles ist erlaubt?'- dies gab Mc Gowan auch die Freiheit, ALLES zu tun. Mc Gowan war kalt und skrupellos genug, diesen 'Ratschlag' auch umzusetzen. Und wenn er es nicht tat, dann gab es Handlanger, die zu Hilfe eilen würden. Söldner, Kriminelle- ja vielleicht sogar gedungene Mörder.
Doch wollte Sophia soweit denken? Besser nicht.
„Gut. Stellen sie sich ein Team zusammen. Mc Gowan kann sie beraten, falls sie Zweifel zu einigen Mitarbeitern hegen. Ich gebe Ihnen zwei Wochen- dann jedoch sollten sie sich auf den Weg machen."
Damit war die 'klare Zielsetzung' gegeben.
Weiteres Nachfragen?
Unerwünscht und indiskutabel - aus Doktor Charkows Sicht.
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