Allein am geheimen Treffpunkt?
Geheime Pläne für sich zu behalten und nicht zu offenbaren ist schon ein Kunststück.
Diese geheimen Pläne dann auch noch vor den Augen derer, gegen welche man konspiriert und unter denen man sogar wandelt und arbeitet, zu beeinflussen, zu gestalten und wahr werden zu lassen- dies ist wahrlich eine riskante, aufregende und überaus selbstzerstörerische Methode, seine Zeit im Wohn- und Wirtschaftskomplex der Abstergo Industries zu gestalten.
Für Sophia Rikken war die Ungewissheit der größte Gegner: zum Einen wusste sie nicht, wie sehr sie selbst dem älteren Kontakt zu Stepanov trauen und Beachtung schenken konnte. Zum Zweiten blieb die ständige Ungewissheit darüber, wie viel die Abstergo- Gruppe und die Templer über Sophias Planungen wussten. Und es blieb auch zum Dritten die Ungewissheit, ob Sophias Hoffnungen, die Israel und den dort vorgesehenen Kontakt zum Team um Leyla Hassan und Victoria Bibeau betrafen, für die Assassinen und auch für Sophia selbst umsetzbar waren.
Das Verhältnis der Türkei war in diesen Tagen zu den südlichen Nachbarn erneut sehr angespannt. Gegenseitige Vorhaltungen bestimmten die medialen Darstellungen. Wie sollte man da seinen Weg zum Bestimmungsland Israel finden?
Sophia erbat eine Besprechung mit Dr. Charkow, um aktiv den Fortlauf der Dinge zu steuern- so offensichtlich für Charkow, dass dieser Templer vielleicht keinen Verdacht schöpfte.
"Wie gehen ihre Forschungen voran? Haben sie vielleicht schon irgendwelche Ansätze für mich, die es Wert erscheinen, vielleicht dem Rat vorgetragen zu werden?", fragte Charkow gleich zu Beginn erwartungsvoll.
"Leider nicht, aber ich bin mir sicher, dass sie binnen dieser kurzen Zeitspanne nicht die bahnbrechenden Neuheiten erwartet haben. Allerdings habe ich einige sehr gute Forschungsansätze. Diese kann ich Ihnen bereits jetzt vorstellen, wenngleich alle weiteren Recherchen wohl mich und auch einige meiner Mitarbeiter an verschiedene Orte verschlagen werden."
Und so erzählte Sophia ihre Ideen- zumindest den Teil, welcher ihre wirklichen Forschungsthematiken im Komplex betrafen. So ging es um DNA- Spuren- Analytik, Versuche an historische Spurlinien zu gelangen, Aussichtslosigkeiten von Adaptionsversuchen mit vorhandenen DNA- Mustern und dass es einfach nur Sinn macht, neue DNA- Sequenzen zu erforschen. Dr. Charkow war überaus interessiert, wie es Sophia den Anschein gab. Er fragte nach, wenn es ihm wichtig erschien und Erklärungen wurden erbeten, wenn Unklarheiten bestanden.
"... und aus diesem Grunde, Herr Doktor, bitte ich, meine Pläne für Israel zu genehmigen. Es macht wenig Sinn, wenn ich weiter gehen könnte- aber mich hier mit Alternativen befasse. Vielleicht bekommen wir neuen Wind in das Projekt oder finden Ansatzmöglichkeiten vor Ort- so, wie Sie, Herr Doktor Charkow, es ja auch selbst vorgeschlagen haben. Vielleicht haben sie auch einen Vorschlag, wie ich zeitnah am Besten dorthin gelange- nach Israel, wo doch derzeit diese angespannte Lage herrscht.", endete Sophia ihre Ausführungen und sah ihren Vorgesetzten erwartungsvoll an.
Charkow realisierte, dass Sophia eine Reaktion seinerseits erhoffte.
"Wohin genau in Israel?", fragte Charkow nach.
"Ich denke an Tel Aviv. Von dort komme ich gesichert zu den Ausgrabungsstätten und nach Jerusalem. Da ich Ansprechpartner der Universität aufsuchen möchte, sollte ich dort vor Ort sein. Das macht mich flexibler für deren Terminangebote. Vielleicht gelingt es mir sogar, an der Universität noch näher an manche Stücke heran zu kommen. Sie wissen ja- immer auf der Suche nach geeigneter DNA oder Repro- Möglichkeiten."
"Na gut. Ich genehmige es. Aber sie fliegen via Moskau nach Tel- Aviv oder Jerusalem. Moskau kommt noch gut mit Ankara aus in diesen Tagen. Ich kann Mc Gowan leider nicht mitgeben, um ihre Sicherheit in Israel zu garantieren. Mc Gowan ist derzeit hier unentbehrlich, da wir eine Ratssitzung vorbereiten müssen."
Sophia zuckte zusammen. War die Anspannung kurz gewichen, da Mc Gowan hier bei Abstergo bleiben musste, so kehrte eben diese Anspannung wieder zurück, als das Thema Ratssitzung fiel. Sie hatte- obgleich sie einen Beisitz hatte- keine Information hierüber erhalten.
"Welche Art Sitzungsthema? Herr Doktor? Ich habe keine Informationen erhalten."
"Nichts von Belang. Ein anderes Thema."
"Wird die Madame Kaye als Ratsvorsitzende teilnehmen? Ich würde sie gern sehen und sprechen, wenn sie schon einmal den Weg hierher findet?", fragte Sophia doppelzüngig.
"Wohl nicht. Ich weiß, wie sehr sie dies bedauern. aber vielleicht treten sie daher ihre Reise schon einmal an."
Charkow führte etwas im Schild- man konnte es ihm ansehen. Charkow roch förmlich nach einem Intrigenspieler.
Solang jedoch seine Aufmerksamkeit auf anderen Dingen ruhte, hatte er keine Gedanken für ein kleines unbedeutendes Licht, wie Sophia.
Mit Charkows Unterschrift unter den Reiseanträgen war nun die Grundlage geschaffen, nach Israel zu reisen und dort auch länger verweilen zu können- alles abgesegnet von der Abstergo- Leitung.
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Zwei Wochen später war Sophia Rikken schon in Israel- untergebracht in einem besseren Vier- Sterne - Hotel in Tel Aviv's Strandnähe und mit Ideen offizieller und geheimer Art im Kopf.
Sophia war bereits nach Vorabsprachen zu zwei Terminen an der Universität, hatte schon guten Anschluss gefunden und sogar einen vorläufigen Termin im 'Allerheiligten' der Historiker- der Kammer mit den Stücken, welche von den Ausgrabungen stammten.
Ein Templer aus Jerusalem hatte sich auch angekündigt, stammelte etwas von ungeahnten Möglichkeiten, wenn man es nur richtig anginge.
Sophia indes beschäftigte ein anderes Problem- sie fühlte sich überwacht von einem Security- Menschen, dessen Glatze und Stiernacken sicherlich am Strand jeden Kontakt- Aufnahme- versuch ersterben lassen konnte. Dimitry, so hatte er sich vorgestellt, stieg in Moskau zu, stellte sich mit wenig Worten vor und blieb seither in Sophias Dunstkreis. Von früh bis spät.
Kam Sophia in das Foyer des Hotels, um nach irgendwas zu fragen- Dimitry saß mit einer Zeitung in einem Stuhl und beobachtete sie. Frühstücksraum? Dimitry war da- abseits, aber präsent. Taxi zur Uni- Dimitry stieg mit zu, weil dieser Hühne von Mann aufpassen musste. selbst die Security der Uni- wohl sogar dem Anschein nach ehemalige Mossat- Aktivisten oder ex- Soldaten- zuckten zusammen, als Dimitry sich als 'Personal Security of Mrs. Rikken' vor Ihnen outete und einfach durch die Sperren nachdurfte. Die kleine Sicherheitsangestellte, die ihn abklopfte, war peinlich berührt im Angesicht von soviel Muskelmassen, Männergeruch und männlich- russischer Dominanz.
Wie bitte, sollte sie diesen Typen loswerden?
Es gibt nur weniges, was solch hartnäckigen Muskelprotzen vielleicht peinlich aufstoßen könnte. Sophia hoffte, dass die öffentlichen Damen- Umkleidekabinen am Strand von Tel Aviv vielleicht dazu gehörten und sich seinem Blick entziehen konnten.
Mit einem Swimming- Bag bewaffnet, der einen sittsamen Badeanzug, Badeschuhe und Handtuch sowie diverse Fläschchen beinhaltete machte sie sich jetzt am früheren Nachmittag auf den Weg zum Strand.
Koloss Dimitry folgte- unübersehbar. Mit Anzug, steifem Genick und finsterer Mine.
Hätte Sophia den Wunsch gehabt, in einer Strandbar einen Mann kennen zu lernen, so wäre der heutige Tag sicherlich super dafür geeignet. Zumindest für den damit einhergehenden Spaß, wenn der potentielle Verehrer den Hauch des Todes in Form von Dimitry's Atem im Nacken spürt, wenn er Sophia anzubaggern versucht. Darüber hätte man beim nächsten Mädelsabend sicherlich stundenlang herziehen und lachen können.
Aber heut hatte Sophia andere Ziele- sie wollte sich am Strand einfach nur zeigen- und auch, dass 'Mann' ihr folgte. Wenn dort jemand eine Gelegenheit suchte, mit ihr in Kontakt zu treten, dann sollten die Anderen gewarnt sein und Bescheid wissen über den 'Betreuer'.
Sophia hatte nur vom Team 'Hassan und Bibeau' gehört, dass dieser Stachel im Fleisch der Templer sehr effektiv arbeite, sehr vorsichtig sei und auch den inneren Kreis gut schütze. So haben sie auch sehr gute technische Möglichkeiten- sogar so gut, dass sie transportable Animus- Regressionsgeräte besitzen sollen- ausgereift und sicher.
Was aber wohl das Interessanteste an der Arbeit dieses Assassinen- Forschungsteams ist- bislang war diesem Team gelungen, was Abstergo noch versucht- zwar im Endstadium, jedoch noch nicht ausgereift oder getestet: Sie konnten DNA- Fremdsequenzen für Musternutzungen kompatibel gestalten! Eine Sensation im Bereich der Aminus- Forschungen.
Vor drei Jahren gelang ihnen dieser Durchbruch- und würden Hassan und Bibeau im Team der Templer spielen, so hätten Ihnen diese Forschungen internationalen Ruhm, vielleicht sogar den Nobelpreis eingebracht.
Der Strand von Tel Aviv ist sowohl bei Touristen als auch den Einheimischen sehr beliebt. Die Anziehungskraft liegt nicht allein im hohen Erholungsfaktor, den der Strand bietet. Der Strand ist ein Teil des Lebensgefühls hierzulande. Man kann hier irgendwie ungezwungen sein und ist dennoch nahe an der pulsierenden Metropole.
Ein Spaziergang an der Promenade des 'Beach View' sollte im Allgemeinen sehr angenehm sein und wesentlich zur Entspannung von Körper und Geist beitragen.
Dies wäre im Normalfall wohl auch für Sophia Rikken so, wenn nicht zwei kontrabestehende Aspekte am heutigen Nachmittag eine Rolle spielten.
Da war zum Einen der russische Templer Security- Mann Dimitry, der wie ein beständiger Schatten von Sophia wirkte, der jungen Frau stets erkennbar nachging und stetig zu ihr aufschloss, wo er konnte. Dimitry nahm seinen Job augenscheinlich sehr ernst.
Zum Anderen suchte Sophia offenen Angesichtes in der Menge der Leute auf der Strandpromenade nach fremden Gesichtern. Gesichtern unter all den Fremden, welche augenscheinlich auf Sophia warten oder Augen, welche nach ihr suchen.
Wenn sie sich offen zeigte, dann ganz bewusst ohne Hut, ohne Sonnenbrille oder Tuch- einfach ganz natürlich gab Sophia sich. Sie wollte erkannt werden. Dies war um so wichtiger, da dies die letzte der drei Wochen war, in denen sie den Kontakt zu den Assassinen- Forschern hier haben wollte.
Was, wenn sie hier ganz allein am Treffpunkt blieb? Wenn die Assassinen kein Interesse an ihr oder ihren Informationen hatten? Wenn die Assassinen bereits weg waren? Oder- im Schlimmsten aller Fälle- entschieden, dass es nützlicher für die Gemeinschaft der Assassinen sein könnte, die unliebsame Forscherin Sophia Rikken einfach aus der Welt zu räumen?
Die Zeit war abgelaufen! Jetzt jedenfalls. Vielleicht hatte man sie nicht bemerkt? Dann musste sie in jedem Fall gleich morgen das gleiche Szenario durchführen- auch schon, um vielleicht doch noch gesehen zu werden.
Es war wohl schon zu spät, um Reue zu haben. Noch musste sie die 'Rolle der Badenixe' spielen, um den Bewacher Dimitry etwas Glaubhaftes vorzuspielen. Erst danach konnte sie zurück ins Hotel gehen.
So zog sich Sophia in der öffentlichen Damen- Umkleide um in die Badesachen. Dann suchte sie an dem schmalen Sandstrand eine Stelle, an welcher sie ihr Handtuch und ihre Bekleidung gut ablegen konnte. Nahe neben einer Großfamilie hockte sich Sophia hin und schob ihre Utensilien so zurecht, dass die Familie sie bemerkte und sicherlich ein Auge auf die Sachen hatte.
Und auf der Promenade- im guten Abstand- saß Dimitry schon auf einer Bank und sah auf sein Handy.
Sophia ging erst einmal in die Wellen und versuchte sogar jetzt noch- vom Wasser aus- irgendwelche Leute als potentielle Kontaktperson zu erkennen. Aber leider Fehlanzeige.
Dimitry indessen würdigte Sophia in regelmäßigen Abständen seines scharfen dominanten Blickes. er nahm dieses Bodyguard- Image wirklich sehr ernst. Wie die am Strand vorhandenen Beobachter der israelischen Baywatch- Truppe - natürlich hießen sie anders- beobachtete auch Dimitry, so dass es Sophia unmöglich gewesen wäre, hier in den wenigen Wellen abzutauchen.
Nach einem kurzen Moment der der Erfrischung im Wasser suchte sie ihre Sachen auf, trocknete sich ab und ging wieder in die öffentliche Umkleidekabine der Damen.
Neben einer Israelin, welche schon fertig umgezogen war und sich am Spiegel schminkte, war noch eine Halb- verhüllte Araberin in der Kabine, die mit ihren dicken schwarzen Haaren beschäftigt schien.
Die Israelin ging.
Trübsal auspustend von der lähmenden Langeweile und dem Versagen des Erfolges der Kontaktherstellung sah sich Sophia schon auf dem Rückweg ins Hotel.
"Frau Sophia Rikken?"
"Wie bitte? Was haben sie gesagt?", fragte Sophia in den leeren Raum- erschrocken, dass der Hall ihrer Stimme von den Wänden zurückgeworfen wurde.
"Das sind sie doch, oder? Sophia Rikken?"
Es war die Arabische Frau, die versuchte, ihre dicken, schwarzen Haare unter einem ausladenden Kopftuch zu verhüllen. Sie hatte die Frage gestellt.
"Das sind sie doch, oder etwa nicht?", widerholte die Frau nun mit großen dunklen Augen zu Sophia blickend.
"Ja. Bin ich. Sind Sie mein..."
"Vermutlich. Wenn sie mir kurz erzählen können, was für eine Art Informationen sie haben.", sagte die Frau im klaren Englisch.
Ohne zu hinterfragen- ohne auch nur einen Zweifel zu haben, dass diese Frau andere Absichten haben könnte, als Sophia zu treffen, hockte sich Sophia zu der Frau. Sofort- egal welches Risiko- offenbarte sie sich.
"Ich bin Sophia Rikken. Mein Vater leitete das Abstergo Projekt Madrid, dort war ich als Leiterin der Forschung tätig. Für mich können vielleicht zwei oder drei Assassinen bürgen, die in Madrid waren - als Teil der Studie dort. Moussa und Lynch."
"Und?"
"Ich denke, das Projekt Istanbul versucht weitere ISU- Artefakte zu finden, welche in der Salomonischen Zeit hier im Ost- Mediterranen- Raum vorhanden waren, vielleicht sogar hier verstreut wurden. Istanbul will sich die Artefakte zu nutzen machen. Es geht wieder um das gleiche Ziel, wie damals in Madrid: Den Willen der Menschen in seiner Freiheit zu beeinflussen."
"Und Sie?", fragte die Frau direkt. "Was erhoffen sie sich selbst davon?"
"Ich will erfahren, wer ich tatsächlich bin. Oder wer ich einmal war- in der Vergangenheit. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass ein 'Jemand' in mir schlummert, den ich noch finden muss. Ein Freund des KREDO. Ich muss eine Reise besonderer Art unternehmen und benötige ihre Hilfe."
Die falsche Araberin stand auf und ging zum Ausgang der Sammel- Umkleide der Damen. Vor dem Ausgang blieb sie stehen.
"Ich bin Leyla Hassan. Ich trage ihr Anliegen und die Informationen an anderer Stelle vor. Versprechen kann ich nichts. Versuchen sie doch an den kommenden Abenden auch hierher zu kommen. Und um ungestörter zu sein- ihr Freund ist ein Handicap für alle weiteren Bemühungen. Vielleicht finden sie ja einen Weg, seinen Blicken zu entkommen."
Sophia war froh, die richtigen Fäden gezogen zu haben. Sie hatte also Anschluss an das Team von Hassan und Bibeau gefunden.
"Danke! Ich danke Euch wirklich."
"Wofür? Noch ist nichts entschieden."
Sophia getraute sich, nun einmal einfach nur ehrlich zu sein: "Ach einfach nur, dass ich Euch getroffen habe und nicht all dies umsonst unternommen habe."
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