966 v. Chr.- Königspalast Hebron
"Das ist Betrug!"
Bathseba, die achte Hauptfrau des im Sterben liegenden Königs David, sieht ihre Interessen gefährdet. Und ihren Unmut darüber kann sie nicht mehr unterdrücken. Sie geht in der kleinen Kammer auf und ab- von ihren Gefühlen und Ängsten hin und her gerissen.
"Es ist Betrug! Betrug am eigenen Blute!" Durch diese direkten Worte bringt Bathseba ihrem Verdruss mehr als deutlich zum Ausdruck.
Nathan, der Freund und Berater des Königs, ist ebenfalls im Raum. An Nathan sind die Worte der Königin gerichtet. Bathseba weiß, dass Nathan auf ihrer Seite steht. Dies war nicht immer so. Doch seltsamerweise musste sich Bathseba diese Fürsprache weder erkaufen, noch durch persönliche Gefälligkeiten erschleichen. Nathan's Fürsprache war zumeist von Weitblick verursacht. Zuweilen jedoch, so empfand es Bathseba, waren seine Fürsprachen und Prophezeiungen auch zeitgleich eine Mahnung, sich nicht nur von all zu menschlichen Gelüsten antreiben zu lassen. So mochte es wohl auch in diesem Falle mit seiner Unterstützung für Bathseba's Sohn Salomo gewesen sein, denn ohne Nathans nachdrücklichen und entschlossenen Worte wäre Salomo nicht bereits als Nachfolger des im Sterben liegenden Königs David gesalbt und vorbereitet. So wäre wohl Adonia, der ältere Halbbruder Salomo's, jetzt in der Position, der künftige König zu werden. Nur indem Nathan die Verschwörung Adonias vor David einerseits aufdeckte und zum anderen Bathseba mit Salomo nach Hebron in den Palast rief, bot der König David eine Alternative für die Erbfolge an.
Die weiße ausladende Bekleidung und der hohe weiß- rote Hut zeigen Nathans hohe Stellung am Hofe. Was dem Betrachter allerdings nicht bekannt ist: Nathan wird von König David wegen seiner Weisheit mehr als nur geschätzt. Er vertraut dessen Ratschlag und Urteil in vielerlei Hinsicht ohne Bedenken. Dies verleiht Nathan am Hofe eine besondere und mächtige Stellung. Nicht wenige Leute sehen in Nathan einen Propheten und Willensvermittler Gottes.
Auch Bathseba weiß, dass man Nathan nicht verstimmen sollte. Vielleicht war es sogar seine Idee, welche die Ursache für diese Demütigung Salomo's setzte.
Nathan bleibt- anders als Bathseba- sehr ruhig und erklärte sich nun: "Meine Herrin. Ihr solltet hier nicht Betrug sehen, wo 'Jemand' bereits Entscheidungen getroffen hat, welche ihm gerecht erschienen. Noch dazu, wenn dieser Jemand kein geringerer als unser Herrscher David ist. Und ist es nicht ein Zeichen des Königs, dass er nur Euch und Salomo an den Hof nach Hebron einbestellt? Jetzt ? In seiner letzten und schwersten Stunde?"
Nathan gab Bathseba Zeit, seine Worte wirken zu lassen. Er richtete den Appell nicht an die Frau, welche den anderen Hauptfrauen neidisch gegenüber war. Nathan richtete- in seiner Klugheit- den Appell an die Mutter in Bathseba.
"Herrin Bathseba, es ist Salomo, welcher von David bestimmt wurde, sein Nachfolger auf dem Thron zu werden. Weder der verräterische Absalom, noch der ehrgeizige Adonia erhielten diese Ehre und Bürde von David übertragen. Euer Sohn wird der nächste Herrscher dieses Landes werden. Und unser weiser Herrscher David bestimmte noch mehr: Es soll Salomo sein, welcher den Jerusalemer Tempel erbauen und fertigstellen soll. Eine große Ehre für Salomo."
Bathseba fuhr herum, starrte Nathan fest an. "Ich weiß dies auch. Doch können wir gegen die anderen nicht vorgehen? Wenn es wahr ist, was du mir erzähltest, dann verschwinden die anderen Hauptfrauen Davids bereits aus Jerusalem und Hebron- zusammen mit ihren Kindern und reich an Gaben Davids! Gaben, die sowohl dem Volk als auch dem neuen König- meinem Sohn Salomo- zustehen würden. Und einzig die jüngste und letzte Braut Davids, das junge Mädchen Abischag, darf ihm selbst noch an seinem Sterbebett Gesellschaft leisten. Zweifelt David an Salomo?"
Nathan brauchte nicht viel Zeit, um zu antworten. Zu genau kannte er den König. Und sehr lang schon- wohl auch mit den sich mehr und mehr zeigenden Beschwerden des Alters und der starken Reue über schwere Schuld, welche er sich im Leben auflud, entscheidet König David zögerlicher. Doch eines war David nie: von Prinzipienlosigkeit und Kurzsichtigkeit bei seinen politischen Entscheidungen getrieben. Man konnte ihm zuraten oder widersprechen- letztlich entschied David immer als weitsichtiger König, selbst jetzt im Alter. Seine Entscheidungen waren immer von Weitblick und Vorausschau getrieben.
"Grämt euch nicht aus Neid, da nur Abischag beim König ist. Dem König sind in diesen schweren Tagen die Begierden seines Fleisches fern. Das Mädchen ist unberührt, diese Verbindung ist erkennbar keusch. Und wenn die anderen Frauen Davids aus den Palästen gehen, so haben sie den Wunsch, nicht davon gejagt zu werden. Sie wollten ohne Angst gehen, was David den Frauen gestattete. Ich sehe keinen Zweifel an Salomo darin, wenn Geschwister Salomos mit einigen Gaben aus des Königs Hand in die Umlande ziehen." Und als sei dies erklärter Wille Davids und von Gott gewollt, so erhob Nathan die zwei Zeigefinger seiner rechten Hand zum Bekenntnis dieser Aussage.
Dies war ein seltenes Zeichen, wie es Bathseba erschien. Derlei Gottesschwur gebrauchte Nathan nur mit bedacht.
"Du weißt sehr wohl, was David den Frauen anvertraut hat?" Bathseba musterte den Propheten argwöhnisch.
Nathan wandte sich ab, verbarg sein Gesicht in der Dunkelheit.
Mehr Antwort brauchte es aus Sicht Bathsebas nicht. Nathan wusste es also. Dennoch wollte sie aussprechen, was ihr zu Ohren gekommen war.
"Zwei Machtsiegel der Bundeslade wurden durch Neda und Arsalia von Jerusalem aus nach Osten und Norden verbracht. Und niemand weiß, wohin es sie zieht. Und soweit mir bekannt ist, sollen die Hälfte der Steine des Göttlichen Dalisman ebenfalls mit den anderen Kindern Davids aus dem Palast gesandt worden sein. Auf persönlichen Befehl des Königs. Jeshua soll schon vor den Toren der Stadt Tyrus sein mit seiner Mutter. Und nun, da ich all dies erfahren habe, sag mir: Warum soll ich darin keinen Betrug sehen als Mutter des Mannes, der als Nachfolger Davids vorgesehen ist?"
Nathan trat aus der Dunkelheit näher an den Schein der Fackel. "Ich erkenne keinen Betrug darin. Es steht David zu, über diese Dinge zu verfügen und über deren Verbleib zu entscheiden. Und er hat entschieden, so viel Macht der Götter nicht allein auf seinen Nachfolger Salomo und dessen junge Schultern als Last zu geben."
Bathseba wollte ihre Stimme erneut erheben. Doch diesmal lies es Nathan nicht zu, erneut das hetzende Gegeifer ertragen zu müssen.
"Schweig!", herrschte Nathan die Frau energisch an. "So sei zufrieden mit dem, was David an Salomo und auch an Dich weitergibt. David weiß um die Macht dieser Gegenstände. Diese göttliche Bürde trug er nun sein ganzes Leben schon und formte ein Großreich, wie es vorher auf Erden keines gab. Ich bete, dass sich Salomo der riesigen Verantwortung mit großer Weisheit nutzt." Drohend zeigte Nathan mit seinem Zeigefinger. "Und es ist sowohl deine Aufgabe als auch die meinige, Salomo zu dem König zu machen, den dieses Land braucht! Mit- oder ohne- die anderen Machtsiegel oder die Göttlichen Steine des Dalisman."
Die Entschlossenheit Nathans schüchterte Bathseba etwas ein. Doch noch bevor sie ihre Stimme erheben konnte, um vielleicht Wiederworte zu geben, zog ein junges Mädchen den Seidenvorhang an der Tür des Gemaches auf.
Die junge Frau war niemand anderes als Abischag selbst. Sie hatte sich vom Sterbebett des Königs nur kurz entfernt, um eine Nachricht zu geben: "David wünscht Salomo ein letztes Mal zu sehen. Er will mit ihm allein sprechen. Batseba, bitte eilt Euch. Der König wird diese Nacht vielleicht nicht überstehen."
Bathseba und auch Nathan zeigten große Betroffenheit. Sofort machte sich Bathseba auf den Weg in das Nebengebäude.
Nur Nathan blieb noch.
"Abischag? So schlimm? Ist es nun doch soweit?"
Das Mädchen nickte kurz und verhalten. "Er phantasierte lange. Dann- als hätte ihn Gott bereits berührt- war er klar und schickte mich zu Euch. Es war, als habe er Salomo noch Wichtiges zu sagen."
Nathan rieb sich seinen Bart. 'Hoffentlich war es eine weise Entscheidung, die göttlichen Machtsteine zu verstreuen. Wenn wir die Steine nur nicht hier brauchen. Mögen die Götter auch mit Salomo sein."
Nur wenige Stunden später erklang ein einsames und trauriges Horn über dem Königspalast. Wehklagen war aus verschiedenen Kammern zu vernehmen.
König David war verstorben.
Nun war es an Salomo, die Umsicht eines Königs zu beweisen.
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