Nur wenn du sie rasen lässt
[Oder aber auch von Zukunft und Identifikation]
„Wofür lebst du?"
„Düstere Gedanken?", frage ich sie.
„Nein", sie lächelt, „Mich interessiert es einfach."
„Hm, lass mich überlegen." Was hält mich am Leben? Das einzige, was mir einfällt, ist Irujuki.
„Ich glaube, unsere Gespräche."
„Wenn ich nicht da wäre, würdest du dich dann", sie stockt kurz und wird leiser, „umbringen?"
„Ich weiß nicht. Darüber habe ich ehrlich gesagt noch nie nachgedacht. Und du?"
„Kannst du dir das vorstellen? Nicht mehr zu existieren?"
„Im Grunde gibt es unseren Körper ja noch."
„Du weißt doch, was ich meine."
Ich nicke: „Dieses Thema spricht mich nicht wirklich an, weißt du. Über den Tod reden, wenn ich noch lebe."
„Welch Ironie."
„Was?"
„Was?"
„Wie bitte?!"
„Ich bin verwirrt", gibt Irujuki zu, „Hast du Angst vor dem Tod? Oder vor dem Sterben?"
„Auch darüber habe ich bisher selten einen Gedanken verschwendet."
„Es kommt drauf an, wie ich sterbe. Ruhig einschlafen, das ist nicht schlimm. Dann hatte ich wahrscheinlich ein schönes Leben. Aber wenn ich eine tödliche Krankheit hätte-" Irujuki lacht. Diesmal klingt es ernst, als kenne sie die Zukunft.
„Reden wir über was anderes", sage ich.
„Ich kenn dich schon lange. Fünf Monate. Im März bin ich zu dir gekommen, jetzt ist es fast November. Mein Gehirn kommt damit nicht klar. Ich sehe immer noch diesen schlafenden Mido, der nur aufsteht, wenn er Hunger hat oder auf Toilette muss."
„Die Zeit rast."
„Nur, wenn du sie rasen lässt."
„Du hast dich ganz schön in mein Leben eingegliedert", grinse ich.
„Das war ein aufschlussreicher Talk, wie die Jugend jetzt sagen würde."
„Schließt du dich aus der Jugend aus? Du bist doch auch noch ein Teenager."
„Hm. Das stimmt." Irujuki überlegt: „Aber ich kann mich nicht mit dem Verhalten der heutigen Jugend identifizieren. Die Sprache, die Kleidung, die Darstellung. Damit komme ich einfach nicht klar."
„Tja. Veränderung ist manchmal schwer zu akzeptieren."
„Hier", Irujuki zeigt mir ein Bild aus der Zeitung. Es zeigt zwei Jugendliche im Kleidungsstil der 80er Jahre, „Altes kommt wieder in Mode."
[336.21.02]
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