8🏳️🌈
Ich kann mich nicht länger dagegen wehren. Jeder Versuch meinen Körper zu beherrschen ist halbherzig und in Wahrheit wünschte ich, die Sterne hoch oben am Firmament würden erlischen und beruhigende Dunkelheit über uns verbreiten. Alecs Haut ist weich und warm. Seine Augen geschlossen, dunkle Schatten unterstützen die maskulinen Züge, flatternde Wimpern so sanft wie die Flügel eines Schmetterlings, während meine Finger sanft über die empfindsame Stelle seines Halses gleiten. Seine Berührungen brachten mir Trost und sind das wonach ich mich verzerre. Doch gibt er mir nicht was ich begehre. Seine Finger verschränken sich mit meinen und ich spüre sanfte Wellen Glücks durch meinen Körper fließen. Alec lässt seinen Kopf sinken, nur leicht und innerlich schreie ich ihn an einfach der Versuchung nach zu geben. Er soll es tun, aus freien Stücken.
"Es fühlt sich so richtig an, wenn ich an uns denke. Und doch weiß ich, dass es falsch ist", sagt er.
"Falsch?", frage ich leise. "Seid wann ist die Liebe falsch?"
"Seit dem Tag als ich meinen ersten Profiligavertrag unterschrieben habe."
"Du..."
"Nein Magnus", unterbricht er meine Worte.
"Ich denke ständig an dich. In meinem Kopf herrscht ein ewiger Kampf. Ich habe geglaubt mir bleibt das Herz stehen als ich dich sah. Es war wie in einem meiner Träume. Ich habe dich gesucht, so lange. Bin durch die Wüste gelaufen und kam nie ans Ziel, bestieg Berge meilenweit nichts zu sehen nur den Horizont mit deiner Silhouette. Doch ich kam dir nie näher, egal wie schnell ich lief, wie hoch ich kletterte. In meinen Träumen bezwang ich ganze Ozeane, kämpfte mit Seeungeheuern die alle verdammt große Ähnlichkeit mit den Geistern meiner Vergangenheit hatten. Ich kämpfte einen aussichtslosen Kampf, jede Nacht seit drei Jahren und dann stehst du auf einmal vor mir. Du siehst anders aus, deine Haare und... die Augen. Aber ich würde dich überall erkennen. Ich würde dich so gerne küssen."
Alecs Zerrissenheit ist deutlich zu spüren. Seine Augen glänzen tränenfeucht und als ich die meinen schließe, glaube ich das salzige Aroma auf meinen Lippen zu schmecken. Tränen sind mir nicht fremd, auch ihr Geschmack und das Gefühl, wenn sie auf meine Kleidung tropfen. Doch diesmal ist es anders und ich kann nicht sagen warum. Zögerlich lasse ich meine Zungenspitze von dem fremden Aroma kosten und seufze genüsslich als mich weiche Lippen empfangen. Wie das sanfte Streicheln einer lauen Sommerbrise gleiten Alecs Lippen über meine. So sanft und zart ist es das genaue Gegenteil zu dem was wir in London teilten. Die Leidenschaft in unseren Leibern glich einem Wintersturm, rau und kraftvoll. Wir wollten einfach den Körper des anderen spüren, ohne Gefühl, keine Verpflichtung und doch erwachte ein Feuer in uns als in der geschützten Dämmerung eines anonymen Hotelzimmers Lippen sich fanden und Zungen miteinander kämpften. Hände soviel Haut wie möglich ertasten wollten und das Pulsieren unserer Glieder eine Flut von Endorphinen in die Freiheit entließ.
Lange ist es her, sehr lange, eine halbe Ewigkeit, das ein Kuss so sanft und gefühlvoll wie dieser mein Herz zum rasen brachte. Dieser Moment ist so rein, fast schon unschuldig und gleichzeitig gefüllt mit sexueller Spannung. Prickelnde Erregung perlt auf meine Lippen, sanfter Druck und neckendes flirten. Federleichte Küsse, warmer Atem und Alecs Finger in meinen Haaren. Das Gefühl von Hitze legt sich über mich, als hätte die Sonne mit ihren kräftigen Strahlen meine Haut erreicht, ihre Wärme durchflutet meinen Körper. Unsere Lippen vereinen sich, immer wieder und so zaghaft, fast schon ängstlich, als würde jede Berührung einen Sturm entfachen. Wir kosten von der verbotenen Frucht, hoffen auf die Erlösung und eine milde Strafe. Das Herz wird mir schwer bei dem Gedanken daran, dass Alec sich nach mir verzerrte, all die Jahre ich der Mann in seinem Kopf und Träumen war. Ein eiskalter Schauer versetzt meine Haut in schiere Aufregung. Ein leichtes Beben durchzuckt meinen Körper, kleine Stöße Adrenalin und die Erinnerung an den Klang seiner vor Zorn verzerrten Stimme und die funkelnden Augen, überdecken die aufgeladene Spannung zwischen uns.
"Was ist?", fragt Alec nervös. Seine Stirn lehnt an meiner und ich fühle die feinen Ströme seines Atems auf meiner Haut. Es ist intim und um uns ist alles still. Die Geräusche der Nacht überdeckt vom Rauschen in meinen Ohren. Viel zu schnell geht mein Atem und das Herz droht mir zu entgleiten. Ich habe das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Der Schock über unser Wiedersehen sitzt tief und die Erkenntnis über seine Identität nicht minder schwer.
"Es geht wieder", sage ich ausweichend.
"Wirklich? Du kannst es mir ruhig sagen." Ich höre das Drängen in seiner Stimme, er möchte das ich ehrlich bin. Und ich möchte, dass dieser Abend nicht endet. Das die Zeit einfach still steht, die Gerüche des frisch gemähten Grases, die lieblich duftenden Rosenbüsche sich mit dem ätherischen Aroma des Lavendel vermischen und konserviert werden. Das der Mond für immer und in allen Universen Alecs Haare mit einem silbrigglänzenden Schimmer benetzt. Das seine Haut unter den Sternen am hellsten strahlt und das liebevolle glitzern seiner ozeanblauen Augen niemals erlischt. Doch wer bin ich zu glauben, dass meine Wünsche in Erfüllung gehen?
"Wir sollten...", setze ich an und kann die letzten Worte einfach nicht über meine Lippen bringen. Meine Stimme rau und der Hals schnürt sich mir zu. Ich versuche den Kloß in meiner Kehle zu vertreiben, doch jeder Versuch scheitert.
"Ja", haucht er, befreit seine Finger aus meinen Haaren, lässt sie sanft meine Wangenknochen liebkosen. Ich schließe meine Augen und genieße die liebevolle Geste, fühle seine Haut und die Wärme. Es prickelt an den Stellen wo er mich berührt.
"Hast du deine Narbe überdeckt?", fragt Alec und küsst die Stelle in meinem Gesicht, ein stummer Zeuge einer Nacht voll Hass und Angst.
Noch heute habe ich Nächte in denen ich schweißgebadet aufwache und keuchend einen Punkt in der Dunkelheit fixiere. Verschwommene Bilder eines Mannes, rabenschwarze Augen, die Lippen zieren ein dämonisches Grinsen, lange kalte Finger die sich anklagend und schmerzvoll um meinen Hals legen. Kälte und Dunkelheit, meine vor Angst und Schmerz verzerrte Stimme und der erfolglose Versuch mich gegen den Angreifer zu wehren. Fast zehn Jahre liegt das Ereignis zurück und schon damals verfolgten mich Schatten und einer war besonders hartnäckig. Mein ausschweifendes Leben, jede Nacht ein anderer Kerl und die aufreizende Kleidung, welche ich bei meinen Clubnächten trug, kamen einer Einladung gleich. Ich sah ihn nicht kommen, hörte nur die lauten Geräusche der Stadt, genervt hupende Taxis, keifende Frauenstimmen und die Sirene eines Rettungswagens, welcher mich eine Ewigkeit später in die Notaufnahme fuhr.
Ein Kapitel in meinem Leben über das ich nie spreche und auch nicht vorhabe es zu tun. Selbst Jonathan kennt nicht die Wahrheit und er hat auch nie versucht mich danach zu fragen.
"Was ist passiert?", fragt Alec und ich seufze über die hohe Anzahl Wahrheiten an diesem Abend. So hatte ich das ganz sicher nicht geplant.
"Ich spreche nie darüber", sage ich und Alec nickt leicht. Unzählige Sitzungen bei einem Traumatherapeuten und eine halbe Million Dollar später kann ich wieder normal und ruhig schlafen. Nur am Tag des Geschehens schaffen es die Bilder dieser Nacht aus dem gutversteckten Winkel, dem hintersten tief in meinem Bewusstsein vergraben, heraus und lassen mich eine schlaflose Nacht durchleben.
"Ich hoffe, du hast dich gerächt", knurrt er und küsst meine Schläfe und die Stirn, streift hauchzart meine Augenlider und kichert leise über das Flattern meiner Wimpern.
"Hast du?", fragt er eindringlich.
"Nein", erwidere ich leicht beschämt und kann das tiefe Seufzen nicht unterdrücken.
"Ich kannte den Kerl nicht mal. Damals führte ich ein ganz anderes Leben. Das war vor ewig langer Zeit."
"Erzählst du es mir?" Er will es unbedingt wissen. Vielleicht tut es mir gut endlich mit jemanden über die Nacht zu reden und dafür nicht eine Handvoll Scheine hinblättern zu müssen.
"Bevor ich die Firma meines Vaters endgültig übernahm, war ich jede Nacht unterwegs in den Schwulenhotspots der Stadt. Ich feierte, ich trank und ich vögelte. Der jeweilige Kerl war bereits vergessen nachdem sein Schwanz meinen Arsch verließ. Oder ich seinen. Zu den Leuten von früher habe ich heute kaum noch Kontakt. Nur ein paar vereinzelte Seelen die mir wichtiger waren als andere. Und ich werde sie dir auf keinen Fall vorstellen", sage ich ernst.
"Warum nicht?", Mit einem verschmitzten Grinsen versucht Alec eine Antwort aus mir heraus zu kitzeln. Es gelingt.
"Du würdest Geschichten über mich hören, die mich als die größte Hure der Stadt darstellen. Und das ist noch immer nur die halbe Wahrheit. Nein. Auf keinen Fall", antworte ich lachend und sehe Alec schmunzeln. Seine Lippen glänzen feucht von der sündigen Zunge in seinem Mund die unablässig über die Süße gleitet. Ich habe Schwierigkeiten mich zu konzentrieren, doch Alec lässt einfach nicht locker.
"Mir egal, was andere über dich sagen. Ich bilde mir meine eigene Meinung. Also Magnus, was ist passiert?"
Seufzend schließe ich meine Augen, sortiere meine Gedanken und die Erinnerungen, lasse Luft in meine Lungen und die Worte einfach fließen.
"Der Abend begann wie jeder andere auch. Ich war in einem Club, den ich schon oft besucht und in dem ich eigentlich auch immer viel Spaß hatte. Die Musik war nach meinem Geschmack und die Männer auch. Doch an diesem Abend war etwas anders. Ich fühlte mich beobachtet und unwohl. Es war seltsam. Selbst auf dem Klo hatte ich das Gefühl nicht alleine zu sein. Dabei war das vollkommen bescheuert. Auf einem Klo in einem Schwulenclub ist man nie allein. Aber es fühlte sich anders an. Verstehst du was ich sagen will?", frage ich. Alec nickt.
"Sonst war es mir egal wieviele Kerle sich miteinander vergnügten. Manchmal war ich ein Teil von dem. Und oft, sehr oft sogar, traf man sich auch öfter. Es war Sex. Nichts Weltbewegendes. Ein paar Stunden des Abends sind nicht mehr so klar. Aber ich erinnere mich daran, dass ich den Club verließ und mich von Raphael und seinem Freund verabschiedete. Die beiden sind echt in Ordnung und wir haben noch Kontakt zueinander. Auch wenn er nicht mehr so eng wie früher ist. Raphael wollte mich noch nach Hause begleiten. Aber seinem Freund ging es nicht gut und ich schickte beide direkt nach Hause, versprach mich zu melden."
"Und du?", fragt Alec.
"Ich? Ich lag blutend in einer Gasse", sage ich zynisch.
"Magnus. Wir müssen nicht darüber sprechen."
"Du wolltest es doch wissen", erwidere ich zornig.
"Hat er..."
"Nein", unterbreche ich Alecs Frage und dieser zuckt leicht zusammen über die Kälte in meiner Stimme.
"Nein. Hat er nicht", sage ich sanfter.
"Ich habe ihn nicht kommen gesehen. Ich erinnere mich an den Schlag auf den Hinterkopf und an seine Fäuste überall an meinem Körper. Er schlug mich ins Gesicht, mein Jochbein war gebrochen. Schläfenbein, Unterkiefer, Augenhöhle, Oberkiefer. Alles schmerzte und war mit Hämatomen überdeckt. Das volle Programm. Ich hatte eine Gehirnerschütterung und mir war tagelang übel. Ich musste operiert werden. Aber die Schläge im Gesicht waren nicht alles. Er hatte auch einen beachtlichen Tritt und mein Körper fühlte sich an, als wäre jeder Knochen zerbrochen. Dabei hatte ich Glück. Ich hatte Prellungen an allen möglichen Stellen meines Körpers und jede Menge lila-bläulich leuchtende Hämatome, aber es waren keine Organe verletzt. Ich hatte zwei gebrochene Rippen und ein gestauchtes Handgelenk. Es hätte auch anders enden können. Am schlimmsten war allerdings das Würgen", beende ich meine Erzählung. Alec hat sich alles stumm angehört, seine blauen Augen versuchen einen Punkt zu finden, einen Halt, den Anker für seine Wut.
Manchmal muss man einfach auf Pause drücken. Den Atem anhalten und dem Schmerz folgen. Das pulsierende Herz spüren, Vertrauen und Hoffnung zulassen.
"Es tut mir leid", flüstert Alec und ich schüttele energisch den Kopf.
"Ist okay Alec. Ich habe viele Therapiestunden hinter mir um zu wissen, dass niemand daran Schuld trägt. Außer der Täter selbst. Möchtest du wissen was der Grund war?", frage ich und das Herz droht mir aus der Brust zu springen. Ich habe nur einmal darüber gesprochen, mit meinem Therapeuten und um ehrlich zu sein, verfolgen mich die Worte bis heute.
"Nur wenn es für dich nicht zu schmerzhaft ist", sagt Alec einfühlsam. Seine Stimme warm und sanft. Er ist der Traum meiner schlaflosen Nächte und egal wie schmerzhaft die Erinnerungen auch sind, bei ihm fühle ich mich wohl und beschützt.
"Schwuchtel. Schlampe", presse ich die verhassten Wörter hervor, Alecs Blick verdunkelt sich nur Millisekunden später. Er weiß genau wovon ich rede.
"Nachdem er fertig war meinen Körper mit Schlägen und Tritten zu bearbeiten, hat er mich auf den Rücken gedreht, meine Oberarme mit seinen Knien fixiert und mir ins Gesicht gespuckt. Seine Hände lagen um meinem Hals, es war kalt, das Blut lief in Strömen über mein Gesicht und ich röchelte als der Druck auf meine Kehle stetig zunahm. Ich war so fertig, konnte mich nicht mehr bewegen und dachte nur daran, dass meine Mum unendlich traurig sein wird, wenn ich sterbe. Dass mein Bruder doch die Firma übernehmen muss und Dad wütend auf mich sein wird. Und er, beschimpfte mich, erzählte von seinem Mann und das ich ihr Leben zerstört hätte. Mir war so kalt und ich versuchte Luft zu bekommen. Aber sein Griff war so fest und ich hatte Schmerzen. Er sagte, ich wäre Schuld daran, dass sie sich scheiden ließen. Dabei erinnere ich mich gar nicht an den Mann. Er hat mir den Namen seines Mannes genannt und ich habe versucht mich zu erinnern. Aber ich wusste es nicht mehr. Ich hatte so wahnsinnige Schmerzen, mein Körper brannte regelrecht, ich bekam keine Luft und der körnige dreckige Asphalt drückte sich schmerzlich in die geschundene Haut meines Rückens. Immer wieder drückte der Kerl zu, ließ locker, ich schnappte panisch nach Luft und hustete, er drückte wieder zu, beschimpfte mich, gab mir Luft und mein Brustkorb schmerzte so sehr. Er drückte wieder zu, ließ neue Beschimpfungen auf mich nieder und presste seine Knie auf mein Schlüsselbein. Irgendwann fühlte ich nichts mehr. Mir wurde schwarz vor Augen und ich verlor das Bewusstsein. Nur kurz, es kann nicht lange gewesen sein. Als ich wieder aufwachte, saß er noch immer auf meiner Brust und nahm mir den letzten Rest Atem. Ich werde seine Worte nie vergessen. 'Angezogen wie eine Schlampe und lässt sich von jedem ficken. Du hast es nicht anders verdient.' Und dann verlor ich endgültig das Bewusstsein als seine Faust mein schon zerschmettertes Jochbein traf. Ich wachte im Krankenhaus auf, nachdem ich fast eine Woche im Koma gelegen habe."
Alec weint, stumme Tränen verlassen seine Augen, hinterlassen eine feuchte Spur auf seiner vom Mondlicht beschienenen Haut. Auch wenn er weint, sieht er einfach wunderschön aus.
"Nicht weinen", sage ich und spüre selbst den Druck auf meinen Augen und der Kehle.
"Ich wünschte, wir hätten uns früher kennengelernt. Es tut mir leid das dir das passiert ist. Dieses Monster hat eine Bestrafung verdient und ich schwöre dir sollte ich ihm jemals begegn..."
"Stopp", unterbreche ich Alec, presse meine Lippen gierig auf seine und spüre augenblicklich vollkommene Befriedigung. Zu meinem Glück ist Alec nur halb so überrascht, erwidert den Kuss, seine Zunge gleitet fordernd in meinen Mund und sehnsüchtig komme ich ihm entgegen. Unser Kuss ist hart und verlangend, erinnert an London und ich keuche als Alec seine Hand unter den Saum meines Shirts schiebt.
Die Vergangenheit hat keinen Platz neben Alec und der lauen Sommernacht in der wir uns wiederfanden. Das Leben ist zu kurz um sich von Geistern, Schatten, Ängsten und Sorgen beherrschen zu lassen.
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