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20🏳️‍🌈

Spencer greift nach der Fernbedienung und ich stoppe seine Hand mitten in der Bewegung. Fragend sieht er mich an, ich schließe meine Augen und atme tief ein. Der vertraute Geruch nach Kaffee und Spencers After Shave liegt in der Luft. Eis und Schnee.
"Erkläre es mir", sage ich und Spencer sieht mich fragend an.
"Was erklären?"
"Na das. Fußball. Ich verstehe es nicht. Was ist so toll daran, eine Stunde lang einem runden Ding hinterher zu jagen?"
"Neunzig Minuten", entgegnet Spencer.
"Dann eben so", sage ich leicht genervt, lehne mich zurück in das weiche Polster, greife nach dem türkisblauen Kissen und presse es haltsuchend gegen meine Brust.

"Bist du dir sicher? Ich kann auch ausmachen und wir unterhalten uns noch ein bisschen?", fragt er besorgt.
"Nein", antworte ich energisch.
"Ich treffe mich später mit Alec und ich will es einfach verstehen. Ihn verstehen. Warum er dieses bescheuerte Spiel mehr liebt als mich", sage ich mit lauter zorniger Stimme. Raphael legt sein Buch aus der Hand und sieht interessiert zu mir. Auch Spencers Mimik spricht Bände. Sie machen sich Sorgen.
"Okay. Wenn es das ist was du willst?"
"Ich glaube nicht, dass es das ist was Magnus will. Aber es ist das, was er jetzt braucht. Oder?", entgegnet Raphael. Sein Allwissen in allen Ehren, aber gerade ist es mir einfach zuviel.

"Mhmhm. Kann schon sein", antworte ich brummend.
"Okay. Also ein Spiel dauert neunzig Minuten. Es ist unterteilt in zwei Hälften mit jeweils fünfundvierzig Minuten Spieldauer. Nach der ersten Halbzeit werden die Spielseiten getauscht", erklärt Spencer ruhig.
"Warum?", frage ich. Verstehe ich nicht.
"Um einen fairen Ausgleich zu schaffen. Die Spiele finden draußen statt. Und damit jede Mannschaft unter ähnlichen Bedingungen spielt, wird ein Seitenwechsel gemacht. Wegen der Sonne. Einer von den Torwarts hat so immer Gegenlicht. Also gleiche Bedingungen für beide. Gilt auch für die Spieler. Ziel des Spiels ist es, Tore zu schießen. So viele wie möglich und so schön wie möglich." Spencer lächelt und startet ein neues Spiel auf dem großen Bildschirm vor uns.

Wir sehen Alec dabei zu, wie er stolz seine Mannschaft auf das Feld führt. Jeder Spieler hat ein Kind an der Hand und dem Alter entsprechend, könnte eines von ihnen sein eigenes sein. Ich versuche die Gesichter der Jungen zu analysieren, doch ich entdecke keines mit Alecs prägnanten Merkmalen. Einer der Jungen hat blondes kinnlanges Haar wie Yorick. Doch seine Augen sind grau statt eisblau und die kleinen lustigen Sommersprossen über der Nase und den Wangenknochen fehlen gänzlich.
"Ob seine Frau Bescheid weiß?", fragt Raphael und ich nicke stumm.
"Echt?", kommt es ungläubig von beiden und ich konzentriere mich auf das Spiel, zumindest soweit es mir möglich ist. Gerade möchte ich nicht an seine Frau denken. Irgendwann muss ich mich dem ganzen stellen, doch nicht jetzt.

"Was muss ich wissen?", frage ich Spencer und wieder schaltet er von fürsorglich-besorgt zu professionell-sportlich um.
"Blau ist Alecs Mannschaft, rot der Gegner. Du siehst hier ein Championsleague Spiel. Königsklasse. Er spielt übrigens gegen seinen alten Verein aus Deutschland. Krass eh", erklärt Spencer lachend. Ich würde auch lachen, wüsste ich meine Gefühle in geordnete Bahnen zu lenken. Doch gerade, fällt mir das unheimlich schwer.
"Anstoß, ein bisschen kicken, den Gegner fühlen. Aber sie müssen aufpassen. Ab Sekunde Null stehen alle unter Spannung und Druck." Ich auch, kann es fühlen. Der Druck in meiner Brust, die zunehmende Enge, das Gefühl nicht genügend Sauerstoff zu bekommen, damit die Lungenflügel sich füllen und den Schwindel vertreiben können. Die Anspannung meines Körpers, das Zittern der Hände und die Kälte auf meiner Haut.

"Manche Spiele sind echt lahm. Da passiert neunzig Minuten nichts. Andere Spiele sind schon interessanter und dann gibt es die wirklich guten, mit schnellen Ballwechseln, fantastisch zielgerichteten Pässen und unglaublichen Toren. Diese beiden Mannschaften hier, schenken sich nichts. Siehst du, wie die Spieler miteinander agieren? Sie suchen ihre Kameraden, kommunizieren miteinander. Der Gegner deckt hervorragend und macht es Chelsea alles andere als einfach. Alec ist der Wahnsinn. Das Stellungsspiel, wie er sich über das Feld bewegt, er ist präsent und sein Abschuss gut platziert. Das sie in Führung gingen ist kein Wunder." Okay, Alec hat eindeutig einen neuen Fan und nun weiß ich auch was Raphael meinte. Spencers Wangen leuchten in einem knalligen pink und seine Augen sprühen vor Eifer und Enthusiasmus. So habe ich in selten gesehen.

"Und das ist alles? Die laufen übers Feld und rangeln um den Ball?", frage ich ungläubig.
"Beim Football machen die nix anderes. Oder eigentlich doch. Footballspieler rennen mit 152 Kilo Gewicht aufeinander zu und tackeln sich das die Erde bebt. Das sind 335 Pounds Magnus. Das ist scheiße schwer. Fußball hat verdammt komplexe Spielregeln. Allein Abseits. Daran ist schon so manch einer verzweifelt und oft ist das überhaupt nicht klar zu sehen gewesen. Die Abseitsfalle ist total beliebt um legal falsch zu spielen. Wegen dem scheiß wurden schon Tore gegeben, die ganze Meisterschaften verändert und Karrieren zerstört haben", entrüstet sich Spencer. Sag ich doch, Mister Drama höchstpersönlich.
"Wieso?", frage ich unwissend. Mir brummt schon jetzt der Schädel von all den Tricks und Techniken, den Paraden und bunten Karten. Ich habe den Überblick verloren. Spencer schnaubt und macht eine weit ausladende Geste. Was hat er vor?

"Abseits ist der Teufel unter den Spielregularien. Ein Dämon direkt aus den tiefsten Tiefen der Hölle."
"Und deshalb eine Falle oder wie? Stellen die sich ein Bein wie im Kindergarten?", frage ich. Der Sarkasmus tropft in langen Fäden auf das Polster und Spencer kann nichts weiter als mit Kopfschütteln zu reagieren.
"Magnus", stöhnt Spencer frustriert und rauft sich die blonden Haare. Strähnen lösen sich aus dem Knoten und umrahmen sanft seine schönen maskulinen Gesichtszüge.
"Die sogenannte Abseitsfalle ist ein taktisches Mittel mit dessen Hilfe die verteidigende Mannschaft den Gegner ins Abseits lockt. Indem die Verteidiger bei einem Pass des angreifenden Teams im richtigen Augenblick nach vorne rücken, lassen sie die potenziellen Passempfänger des Gegners ins Abseits laufen." Ich habe nicht ein Wort von dem was er gesagt hat verstanden. Und genau so sehe ich vermutlich auch aus.
"Was?", frage ich debil. Pass. Das habe ich mir gemerkt. Aber der Rest, keine Ahnung. Weiße Wattewolken in meinem Kopf und auf ihnen reiten rosa Einhörner mit Regenbogenfarbener Mähne.

"Ich verstehe das nicht." Frustriert vergrabe ich meine Hände in den Haaren und komme mir so dämlich vor. Was kann so schwer daran sein? Millionen andere Menschen verstehen die Regeln doch auch?
"Allein der Fakt, dass du versuchst es zu verstehen zeigt mir, wie wichtig er dir ist. Fußball ist Alecs Leben und wenn du ein Teil dessen sein möchtest, solltest du ansatzweise wissen worüber er redet."
"Der Meinung bin ich nicht", kontert Raphael.
"Schatz, Magnus muss..."
"Magnus muss gar nichts", unterbricht Raphael seinen Mann und ich höre Spencer tief seufzen. Er liebt Fußball, dieses Gefühl ist tief verankert in seinen Genen und dem Blut.

"Ich habe mit Fußball nichts am Hut. Trotzdem hast du mich geheiratet und ich verfolge die Spiele, obwohl ich viel lieber eine Kochsendung schauen würde. Magnus muss nicht wissen was eine Absatzfalle ist, oder dass auf einem Foul des gegnerischen Spielers nicht nur eine rote Karte folgt, sondern auch ein Elfmeter. Für Magnus und auch für Alec, ist wichtig, das sie wissen, dass sie sich lieben. Alles andere ist egal."
"Das ist so nicht ganz richtig Schatz, eine rote Karte... egal, aber du hast natürlich Recht. Entschuldige Magnus", sagt Spencer. Ich mache ihm keinen Vorwurf, denn ich wollte das, auch wenn mich die letzten Stunden kein Stück weiter gebracht haben und mein Kopf noch immer schmerzt.

"Ganz ehrlich, ich versuche mich echt zusammenzureißen. In den letzten vierundzwanzig Stunden ist so viel passiert und mein Leben ist auf einmal zusammengebrochen. Ich bin obdachlos, weil Jonathan mich vor die Tür gesetzt und wahrscheinlich bereits die Schlösser hat austauschen lassen. Ich habe nichts außer die Klamotten von der Party und der klägliche Rest in meinem Koffer. Unsere ganze Wohnung ist voll mit meinem Zeug, Klamotten, Schmuck, Make-up... Scheiße Make-up. Fuck, ich habe noch nicht mal in den Spiegel geschaut. Warum sagt ihr nichts? Ich muss aussehen wie ein bekiffter Panda nach drei Tagen ohne Schlaf", stelle ich voller Entsetzen fest und bin bereits auf dem Weg ins Badezimmer. Spencer und Raphael rufen beide beschwichtigende Worte hinterher, doch mein Verstand ist gerade nicht in der Lage sie aufzunehmen. Silben, Wortfetzen, keine Ahnung welchen Sinn sie ergeben.

Das grelle Licht der Deckenbeleuchtung schmerzt in meinen Augen, verstärkt die Kopfschmerzen und das Pochen in den Schläfen wandert über die Stirn in die Schädeldecke. Fuck, ich fühle mich wie ausgekotzt und traue mich kaum einen Blick in den Spiegel zu werfen. Mein letzter Totalausfall ist ewig her, die Erinnerung daran jedoch nicht ganz verschwommen. Es war Winter und die ersten Frostwinde zogen über das Land. Es schneite und die wirbelnden Flocken erinnerten mich an Sterne, welche aus dem Himmel fielen. Die Stadt war zu warm und die Schneeflocken schmolzen, kaum das ihre feingliedrige Textur den schmutzigen Asphalt in den Straßen New Yorks erreichte. Jonathan und ich traten als Traumpaar auf der Firmenweihnachtsfeier auf, lachten mit meinen Angestellten über die durchaus unterhaltsamen Witze eines Kollegen, genossen die Aromen des reichhaltigen indischen Buffets und tanzten freudestrahlend zu popiger Musik. Dies alles war nur Fassade, eine Maske die wir über den Abend hinweg trugen und unser Schauspiel wurde von Minute zu Minute besser.

Es war das erste Weihnachtsfest nach meinem One-Night-Stand mit Alec und die Bilder dieser Nacht verfolgten mich. Monate später besserte sich unser Verhältnis, wir gingen wieder aus, verbrachten mehr Zeit miteinander und ich arbeitete fortan Freitags von Zuhause. Somit stand einem pünktlichen gemeinsamen Abendessen nichts mehr im Wege. Damals fühlte es sich richtig an, doch heute weiß ich, dass wir verzweifelt versuchten an einem Gefühl festzuhalten, welches längst nicht mehr existent war. Die Melodie unserer aufgeregt schlagenden Herzen war verstummt, Stille legte sich über uns, erdrückend, schwer.

Tief in meinem Inneren weiß ich, dass nicht allein Jonathan an unserer Situation schuld ist. Ich bin es ebenso, wenn nicht sogar der größere Faktor von uns beiden. Nein, der One-Night-Stand mit Alec war kein Ergebnis aus einer Kette von seltsamen Verstrickungen oder Zufällen. Wir wollten uns, es ging um den Menschen hinter der Fassade und seinen Körper. Keinen anderen Mann in dem schummrigen Pub fand ich so attraktiv und sexuell inspirierend wie Alec. Niemand sonst weckte lang unterdrückte Sehnsüchte und versprach Ruhe sowie Entspannung für ein paar Stunden, bevor die gleißend helle Realität lautstark auf mich einprasselte.

Ich habe keine Ahnung wie es jetzt weiter gehen soll. Selten habe ich mich so leer und ausgelaugt gefühlt. Auch das ist viele Jahre her. Mein Kopf ist vollgepackt mit Fragen und neuerworbenen Informationen. Mein Verstand versucht alles zu ordnen, verschiedene Schubkästen zu finden und einen Hauch des entstandenen Chaos zu lichten. Was Alec wohl gerade macht? Wie bereitet er sich auf unser Treffen vor? Was wird er mir erzählen? Wie werde ich darauf reagieren? Kann ich diese Last tragen? Ich weiß es nicht, wage endlich einen Blick in den Spiegel und bereue es im gleichen Augenblick. Meine Haut erschreckend blass im künstlichen Licht der Deckenleuchte, die Augen sind gerötet und der Kajal hat eine krümelige schwarze Spur hinterlassen. Ja, ich sehe so aus wie ich mich fühle. Meine Haare führen ein selbstbestimmtes Dasein, wirken stumpf und brüchig.

Zum Glück für mich frönt Raphael dem gleichen Laster, seine Leidenschaft für Make-up auf diversen queeren Veranstaltungen, ist meine heutige Rettung. Ein kleiner Jubellaut entweicht meiner Kehle, welche sich noch immer leicht rau und kratzig anfühlt. Schnell finde ich Abschminktücher, Waschcreme und eine tönende Gesichtscreme im Schrank hinter dem Spiegel. Kurz überlege ich auch den Kajalstift bereit zu legen, aber nachdem ich mich einmal mit einer fetten eitrigen Augenentzündung auf dem Behandlungsstuhl eines Augenarztes wiederfand, verzichte ich auf den schmeichelnden schwarzen Strich. Die mahnenden Worte des in die Jahre gekommenen Arztes hallen sehr klar und laut durch meinen Kopf. Nein, nie wieder werde ich den Schminkstift eines anderen Menschen benutzen. Bei dem Gedanken an die Gefahr einer abermaligen Ansteckung mit bakterienverseuchten Make-up, zieht sich mein Magen krampfhaft zusammen. Diese Erfahrung brauche ich kein zweites Mal und schon gar nicht im Moment. Auch wenn Raphael einer der reinlichsten Menschen auf diesem Planeten ist, es kommt schlichtweg nicht in Frage.

Die reinigende Creme ist eine Wohltat für meine Haut, erfrischt, belebt die müden Geister und das warme Wasser vertreibt die letzte Schwere. Der kleine Schnitt an meiner Wange brennt leicht und bei näheren Betrachten, ist es halb so schlimm wie es erscheinen mag. Es wird keine Narbe bleiben, nicht wie das letzte Mal, als meinem Gesicht eine besondere Behandlung zuteil wurde. Jedoch reicht die Reparatur meiner Gesichtshaut nicht aus, um dem Mann meines Herzens gegenüber zu treten. Ich rieche nach Schweiß und einem leicht südlichen Aroma, Grashalme. Natürlich, wir haben uns in der Wiese des Herondale Anwesens gewälzt, selbstvergessend. Nichts um uns herum existierte, kein Mond, keine Sterne, kein Jonathan, nur wir beide.

Eine heiße Dusche fühlte sich noch nie so anregend und stimulierend an wie diese. Heiß und schnell fällt das Wasser auf meinen Körper hinab. Meine Haut brennt von der Intensität und der Härte einzelner Wassertropfen. Es schmerzt und erinnert mich daran, dass ich am Leben bin. Das leere hohle Gefühl in meiner Brust ist unnachgiebig. Ich weiß nicht was schlimmer ist. Der drückende Schmerz oder der luftleere Raum zwischen den Rippen. Mein Verstand erlaubt mir nicht, länger darüber nachzudenken. Es sind Bilder von Alec, welche plötzlich durch meinen Kopf schweben. Alec im Pub, mit einem hellblauen Shirt bekleidet und den Armen um gröllende Menschen geschlungen. Alec in dem Trikot seiner Mannschaft, die schwarzen Lettern auf seinem Rücken, ein Faustschlag mitten in das Gesicht und die Magengrube. Der Schwindel in meinem Kopf, als sein Blick mich traf. Erst London, dann New York. Alecs Worte und seine Fingerspitzen hauchzart auf meiner Haut. Ich fühle es, das Pulsieren und Kribbeln, die Leichtigkeit meines Körpers und Stoff, welcher gierig williges Fleisch verlässt. In meinem Schritt brennt die Leidenschaft so heiß wie das Wasser auf meiner Haut. Es dauert nicht lange und meine Hand arbeitet zu den Bildern in meinem Kopf, lässt mich Keuchen und im Moment der Ekstase verlassen lang unterdrückte Tränen meine Augen, vermischen sich mit den Tropfen meiner Lust und dem Wasser auf meinem Körper.

Mit der Stirn an der Wand lehnend stehe ich unter dem heißen Wasserstrahl, Dampf steigt empor. Weiße Nebelstrahlen. Sie legen sich sanft um meinen bebenden Leib, das Blut rauscht in meinen Ohren und kurz habe ich das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Zittrig rutsche ich an der kalten feuchten Wand hinab, die Fliesen im Rücken geben Halt, erinnern mich daran, dass es Zeit ist nach vorne zu blicken. Mein Leben war noch nie von rosafarbener Zuckerwatte umwebt und Engel, welche mit ihren kleinen fedrigen Flügeln und nervenden Harfen in den Händen um mein Haupt schweben. Alles war ein Kampf, immer und irgendwie.

Eine Weile sitze ich auf dem Boden der Dusche, weine und genieße die Ruhe in meinem Kopf. Keine Fragen, kein Drama, kein Jonathan und vorallem kein Alexander. Bis ein Schatten über mir auftaucht, starke Arme mich packen und wieder unter den warmen Wasserstrahl schieben. Eingeschlossen in einer leeren Hülle, das Wasser, vernebelnder Dampf und Schmerz. Meine Haut ist kalt und scharf ziehe ich die Luft ein, als die ersten heißen Tropfen meinen Körper treffen. Schnell lichtet sich der Schleier und ich blicke über meine Schulter, sehe Raphael und Scham überfällt mich. Meine Wangen glühen, dass sollte so nicht sein. Stoisch wende ich mich und wünschte Alec würde hier stehen und eine Flasche Duschgel in seiner Hand halten, nicht Raphael. Meine Muskeln schmerzen und die Schwere ist in meinen Körper zurück gekrochen. Wann ist das passiert?

"Das ist mir echt unangenehm", sage ich leise.
"Das muss es nicht. Ich sehe dich nicht zum ersten Mal nackt, vergiss das nicht. Außerdem, seit wann schämst du dich vor mir?", fragt Raphael und öffnet die Flasche, welche eindeutig aus dem Bestand seines Mannes stammt. Der frische Geruch nach Meer und Salz strömt in meine Nase und ich lächele leicht. Der Geruch erinnert mich an Maine und eine sorgenfreie Zeit mit meinem Bruder. Ich freue mich darauf, ihn und seine kleine wunderbare Familie wiederzusehen.
"Na ja, hier so nackt auf dem Boden. Das ist doch nicht normal."
"Seit wann sind wir normal?", fragt Raphael und sein Kichern reißt mich aus dem Wirbel der Verzweiflung.
"Wir? Noch nie. Die Chaosdrillinge", erwidere ich.

"Fuck, das ist ewig her", kommt es schallend lachend von Raphael. Ja, eine halbe Ewigkeit. Wie konnte es nur soweit kommen? Wie konnte ich zulassen, dass wir uns so weit voneinander entfernen? Sie haben mich ohne mit der Wimper zu zucken bei sich aufgenommen, ließen mir Zeit um den seelischen Ballast und das Chaos in mir zu ordnen. Ich habe das vermisst, das Intime und Vertraute. Raphael, Spencer und Yorick sind meine Familie. In den letzten Jahren gab es zu viel Arbeit, zu viele abgesagte Treffen, verschobene Abendessen. Zu viel von Jonathans Bedürfnissen und seinem Drama. Meine Angst vor dem Alleinsein, obwohl ich nie, nicht eine Sekunde in meinem Leben, alleine war.
"Willst du mir eigentlich weiterhin beim Duschen zusehen, oder warum bist du noch hier?", frage ich. Nicht das es mich stören würde. Raphael hat Recht, es ist nicht das erste Mal. Solche Dinge gehörten früher zu meinem Alltag. Das gemeinsame Aufhübschen mit Raphael vor einer wilden Partynacht, Alkohol und das lästern über die Bitches im Club.

"Hübsche Männer schaue ich gerne an", sagt er zwinkernd und ich vedrehe seufzend meine Augen.
"Besonders die bekifften Panda ohne Schlaf", tritt er noch einmal nach.
"Spencer", schreie ich über das prasselnde Wasser hinaus und fast sofort öffnet sich die Tür und ein grinsender Spencer steht in eben dieser. Er lehnt sich mit verschränkten Armen in den Türrahmen und analysiert was er sieht.
"Wie früher", sagt er lachend und irgendwie hat er nicht ganz Unrecht. Raphael benötigte stets die meiste Zeit, um sein Anlitz vorzeigbar zu machen. Schon immer war er der eitelste Gockel in unserer Runde. Wir verbrachten viel gemeinsame Zeit im Badezimmer.

"Lass uns mal allein Schatz", sagt Raphael verschwörisch und zieht seinen Mann in einen innigen Kuss. Ich nutze die Zeit, befreie meinen Körper von Schmutz und Schaum, wasche die chaotischen Haare und steige mit einem Handtuch um den Hüften bekleidet aus der Dusche. Spencer ist mittlerweile dazu übergegangen, die prallen Backen seines Mannes zu kneten. Die freie Zeit, werden beide ausgiebig nutzen. Ich gönne es ihnen. Ein Kind bringt jede Menge Veränderung in den Alltag und nicht selten, bleiben körperliche Zuneigung bei Paaren außen vor.
"Ist ja widerlich", raune ich und ernte ein Kichern. Wahrlich wie früher.
"Ich wollte dir eigentlich nur bescheid geben, dass dein Telefon um sein Leben schreit", sagt Raphael und setzt sich auf den Rand der Badewanne, zieht eine Schublade neben sich auf und beginnt damit, verschiedene Tuben und Tiegel, Flaschen voll von leuchtend- glitzernden Lack und einigen anderen Produkten zu sondieren. Er findet einen neuen ungenutzten Kajal, hält ihn mir wissend entgegen und ich danke ihm stumm.

"Bestimmt Jonathan oder?", antworte ich fragend. Raphael nickt und ich spüre, dass ihm etwas auf der Seele liegt. Nervös kaut er auf seiner Unterlippe herum, zieht strahlendweiße scharfkantige Zähne über rosiges Fleisch und ich erlöse Raphael von seiner Pein.
"Nun sag schon." Raphael atmet schwer aus.
"Ich hoffe, du lässt ihn nicht damit durchkommen."
"Wen?" Jonathan oder Alec? Es könnten beide sein, von denen er mir gerade versucht zu erklären, das ihr Verhalten dermaßen unangebracht war.
"Jonathan natürlich", erwidert er tadelnd.
"Er hat ein Kunstwerk im Wert von was weiß ich zerstört. Einfach so. Aus Rache und Wut. Egal was geschehen ist, wie sehr du ihn verletzt hast. Solch eine Reaktion ist total überzogen. Klar, überkochende Emotionen und so. Aber das kannst du nicht einfach so stehen lassen."
"Hat Ragnor auch gesagt."

"Und er hat Recht. Du musst zurück in die Wohnung, dein Zeug holen. Papiere und wichtige Unterlagen aus deinem Büro und Klamotten. Ich meine, dass kannst du nicht einfach alles zurück lassen", sagt er aufgebracht.
"Das habe ich auch nicht vor", beschwichtige ich Raphael und hauche einen Kuss auf seine Wangen.
"Zuallererst, bringe ich das mit Alec in Ordnung. Ich habe zwar keine Ahnung wie ich das Gespräch beginnen und wohin es führen wird, aber ich kann mich nicht länger davor drücken. Und er auch nicht. Das muss aufhören. Dieses verstecken und so tun als wären wir uns scheiß egal. Scheiße, das sind wir nicht. Eindeutig", entgegne ich und Raphael reicht mir stumm den Tiegel getönter Tagescreme, welche ich bereits auf die Ablage vor den Spiegel positioniert hatte.

Mit geübten Bewegungen verteile ich die geschmeidige Masse auf den Wangenknochen und der Stirn, Nasenrücken und Kinn. Raphael wählt stets einen passenden Ton und dieser harmonisiert perfekt mit meiner Haut. Ich fühle mich gut, Raphael neben mir summt leise, verschraubt den Tiegel und reicht mir ungefragt einen ungenutzten Kajalstift. Auch er hat seine Meinung nach meiner Augenentzündung geändert. Kurz überlege ich, ja oder nein? Ich entscheide mich für ja. Scheiß drauf. Alec hat mich bereits gestern mit geschminkten Augen und aufregenden Outfit gesehen.

"Möchtest du auch Mascara?", fragt Raphael und ich unterdrücke ein protestierendes Kopfschütteln, um die Spitze des Stiftes nicht versehentlich in meine Augen zu bohren. Das wäre äußerst dumm und schmerzhaft.
"Nein. Ich will Alec nicht gleich wieder verjagen. Das genügt so. Danke."
"Nicht dafür", winkt er ab.
"Was ziehe ich eigentlich an? Ich habe keine Ahnung was alles genau in meinem Koffer liegt", sinniere ich und wie aufs Stichwort platzt Spencer in das Badezimmer und hält mir zwei verschiedene Shirts und eine dunkelgraue Jeans entgegen.
"Das gehört nicht dir oder?", fragt er und hält ein blassrosa Leinenhemd in der anderen Hand, welches eindeutig nicht aus meinem Besitz stammt.
"Nein", antworte ich und widme mich wieder meinem Gesicht, um den perfekten Look für dieses Treffen zu erschaffen. Ich fühle mich, als würde ich auf ein Date mit Alec gehen. Dabei treffen wir uns irgendwo in einer ranzigen Billardhalle. Ich habe mehrfach die Nachricht gelesen und konnte es trotzdem nicht glauben. Eine Billardhalle. Wer trifft sich mit seinem One-Night-Stand bitteschön in einer Billardhalle? Wer trifft sich überhaupt mit seinem One-Night-Stand? Ich kenne niemanden, nur mich.

"Das ist so absurd", sage ich und sehe Spencer im Spiegel nicken.
"Etwas, ja. Aber so ist es jetzt und du bist spät dran", sagt er.
"Ich nehme das weiße. Ganz unschuldig."
"Du und unschuldig", kichert Raphael. Ruckartig reiße ich das Shirt aus Spencers Händen und streife es über meinen Körper. Es spannt leicht an der Brust und den Oberarmen.
"Auch nicht meins", sage ich seufzend und raufe mir die Haare. Das darf doch alles nicht wahr sein. Meine zwei Freunde lachen über das Bildnis, welches ich ihnen biete und hektisch steige ich in den Rest meiner Kleidung. Zum Glück sind Shorts und Hose meine.
"Wenn das Leben scheiße ist..."
"... musst du einfach die Musik lauter drehen", vervollständige ich den Satz und steige in ihr fröhliches Lachen mit ein. Das hier, genau das, bin ich.

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