◇ Kapitel 7 ◇
Cristina schloss die Tür vor unserer Nase und ich ging zusammen mit Kaemon nach draußen. "Ich bin dir wirklich sehr dankbar, dass du ihm geholfen hast und ich weiß das zu schätzen, Kaemon.", flüsterte ich und er nahm daraufhin zärtlich mein Kinn in die Hand und sah mir so tief in die Augen, dass man denken könnte, er würde meine Gedanken darin lesen. "Ist schon okay. Aber nochmal nehme ich diesen Wichser bestimmt nicht in Schutz. Ich hab das nur dir zu Liebe getan, denn wenn es nach mir gehen würde, hätte ich ihn gleich eigenhändig getötet. Du kannst dir nicht vorstellen, was er getan hat - und das willst du auch gar nicht.", hauchte er mir ins Ohr und eine Gänsehaut zog sich im Bruchteil einer Sekunde über meinen ganzen Körper. Kaemon strich über meinen Arm und fragte: "Ist dir kalt?". Ich nickte: "Ein bisschen." "Ja, mir auch. Komm, wir gehen.", antwortete er und wir machten uns auf den Weg nach Hause.
Schweigend liefen wir nebeneinander her. Ich war mir sicher, dass er die Ereignisse von heute auch erst einmal verarbeiten musste, schließlich war so eine Entführung nichts Alltägliches - für mich jedenfalls nicht. "Josy, was machen wir jetzt eigentlich mit ihm, wenn deine Tante ihn operiert hat, naja vorausgesetzt er überlebt?", wollte er wissen und ich sah ihn nur verwirrt an. Hatte er mich gerade Josy genannt? "Ähm, ich weiß nicht...", murmelte ich leise und senkte den Blick, dann meinte ich: "Josy? Nennst du mich jetzt so?" Kaemon lachte: "Ja, wieso nicht? Klingt doch süß.", er schmunzelte und ich spürte, wie ich sofort errötete und meine Wangen heiß wurden. Ich wandte schnell den Blick ab und konterte dann: "Du hast doch gesagt, dass Nolan jetzt bei dir wohnt. Und wenn meine Tante uns das abkaufen soll, musst du's wohl wahr machen.", neckte ich ihn und stupste ihn freundschaftlich in die Seite. "Sehr witzig.", erwiderte er ironisch und entgegnete daraufhin: "Aber jetzt mal im Ernst - was machen wir mit ihm? Ich kenne Nolan und ich weiß, dass sein Vater ihn auf mich angesetzt hat. Und ganz offensichtlich hat er Mist gebaut und seinen Auftrag richtig verkackt. Er kann ohne unsere Leichen nicht einfach bei sich zu Hause auftauchen, er wird nie wieder dorthin zurück können." Ich blickte ihn entsetzt an: "Was? Wie meinst du das? Sie sind doch seine Familie." Kaemon schüttelte den Kopf: "Nein, in erster Linie sind sie Terroristen und wenn Nolan scheitert, ist er für seinen Dad nutzlos. Er wird ihn verstoßen oder gleich töten. Nicht jeder hat das Glück in einer Familie aufzuwachsen, die einen auch wirklich liebt und nicht nur ausnutzt. Seine Mom hat ihn geliebt, aber die ist schon tot. Nolan hat jetzt niemanden mehr und es gibt keinen Ort für ihn, wo er hinkönnte." Als er meinen verstörten Blick bemerkte, fügte er hinzu: "Sein Vater hat ihn zum Auftragskiller ausgebildet und setzt ihn täglich dem Tod aus. Er schwebt durchgehend in Lebensgefahr, so wie jetzt zum Beispiel. Also glaubst du wirklich, dass sein Dad das zulassen würde, wenn Nolan ihm etwas bedeuten würde? Keiner würde wollen, dass sein Sohn ein Leben wie dieses führt - außer er liebt ihn nicht. Es klingt hart, aber Nolan ist für ihn nur ein Mensch, den er benutzen kann, bis er tot umfällt. Und das ist auch der Grund, warum ich ihm geholfen habe - er macht das nicht freiwillig, denn er hat keine Wahl. Wenn er nicht tut, was man von ihm verlangt, wird er ebenfalls zum Gejagten. Nolan hat soeben sein Todesurteil unterschrieben - in dem Moment, als Nolan uns leben gelassen hat, hat er damit sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt."
"Woher weißt du das alles über Nolan? Ihr kennt euch doch schon länger, oder?", hakte ich nach und ich konnte beobachten, wie sich Kaemon's Körper schlagartig versteifte und sich seine Hände zu Fäusten verkrampften: "Das ist eine lange Geschichte. Vielleicht werde ich sie dir irgendwann mal erzählen. Da Nolan von seinem Vater zu diesen Taten gezwungen wurde, würde ich ihm eigentlich gerne verzeihen, aber ich kann nicht. Was er damals getan hat, werde ich ihm niemals vergessen können. Aber jetzt ist wirklich kein guter Zeitpunkt, um darüber zu reden. Sonst überleg' ich es mir vielleicht doch nochmal anders und bring' ihn um.", er zwang sich zu einem Lächeln, doch ich wusste, dass es nicht echt war.
"Also heißt das, dass du ihn nach der OP nicht bei dir aufnehmen könntest?", fragte ich mit bittendem Gesichtsausdruck. "Könnte ich schon, aber er wird versuchen mich zu töten. Und ehrlich gesagt, würde ich gerne schlafen, ohne zu wissen, dass ein Killer mich abstechen will. Er hat zwar gesagt, dass er uns gehen lässt, wenn wir ihn retten, aber auf seine Versprechen kann man nicht vertrauen.", stellte er klar und wartete auf meine Antwort. Ich dachte darüber nach, ob Nolan wirklich so herzlos war und uns töten würde, nachdem wir ihm geholfen hatten. Er war ziemlich schwer einzuschätzen und man konnte ihn einfach nicht durchschauen. Würde er seinen Auftrag zu Ende bringen?
Ich stoppte vor meinem Haus und musste noch eine Frage loswerden, bevor Kaemon verschwand: "Woher wusstest du, dass Nolan mich entführt?" Ein leichtes Lächeln erschien auf Kaemon's Lippen und er entgegnete: "Ich hab deinen Schrei gehört und außerdem war mir klar, dass Nolan früher oder später hier auftauchen würde. Rache versiegt nicht". Perplex starrte ich ihm hinterher, als er in sein Haus ging und die Tür hinter ihm zufiel. Was meinte er damit?
Gerade steckte ich meinen Schlüssel ins Schloss, als die Tür vor mir aufgerissen wurde "Josephine! Wo warst du? Cristina hat uns angerufen und erzählt, dass ihr telefoniert habt.", redete meine Mutter auf mich ein, doch ich wollte nur noch schlafen gehen und sonst nichts. "Können wir das bitte morgen klären? Ich bin müde.", bat ich, doch meine Mom war völlig außer sich und hatte wieder diesen besorgten Gesichtsausdruck aufgelegt. Daraufhin meinte sie mit strengem Tonfall: "Nein, du warst die halbe Nacht weg und hast mir nichts gesagt. Wir haben uns Sorgen gemacht, weil wir nicht wussten, wo du bist." Hinter meiner Mutter erschien plötzlich mein Dad mit verschränkten Armen. Jetzt musste ich wohl antworten, sonst dauerte es noch länger bis ich ins Bett gehen konnte: "Jemand hat meine Hilfe gebraucht. Es war wirklich ein dringender Notfall und ich hatte keine Zeit, euch Bescheid zu sagen. Außerdem hab ich mein Handy hier vergessen.", verteidigte ich mich, doch meine Mom ließ nicht so schnell locker: "Und wie konntest du Cristina anrufen?" Ich seufzte und meinte dann: "Der Verletzte hatte ein Handy und Cristina ist Ärztin, darum hab ich sie angerufen und sie hilft ihm jetzt.", rechtfertigte ich mich weiter. "Das klingt für mich alles andere als glaubwürdig, eher wie eine erfundene Ausrede, vor allem weil du lieber Cristina mitten in der Nacht anrufst, als diesen Jemand ins Krankenhaus zu bringen. Aber wenn du uns nicht die Wahrheit sagen willst, dann lass es eben. Ich hoffe du hast gute Gründe dafür.", sagte meine Mom enttäuscht und ging danach zurück in ihr Schlafzimmer. Ich verschwand währenddessen ebenfalls in meinem Zimmer und schmiss mich völlig fertig und erschöpft auf mein warmes Bett, wo mir kurz darauf die Augen zufielen und ich endlich einschlief.
* * *
Die Sonne schien morgens durch das Fenster direkt in mein Gesicht und hatte es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht, mich zu wecken und dann vibrierte auch noch mein Handy neben meinem Kopfkissen, woraufhin ich mir widerwillig einen Ruck gab und genervt die Augen öffnete. Ich blinzelte gegen das grelle Sonnenlicht an und griff nach meinem Handy. Auf dem Bildschirm erschien ein Anruf von Cristina, den ich sofort annahm: "Jo, ich hab vorhin schon einmal angerufen, aber du bist nicht drangegangen.", sprach meine Tante und ich warf einen müden Blick auf die Uhr - Viertel vor sechs! "Ja, ich schlafe nämlich normalerweise um diese Zeit noch.", erklärte ich und daraufhin fiel mir wieder der gestrige Tag ein und ich fragte hoffnungsvoll: "Lebt er?". Cristina wartete einen Augenblick und antwortete dann: "Ja, er hat's gerade noch so geschafft. Es war knapp, aber er hat ein Kämpferherz. Und deswegen rufe ich auch an, es gibt ein kleines Problem. Er ist schon aufgewacht und will unbedingt von hier weg und ich kann ihn bestimmt nicht mehr lange davon abhalten. Nolan kennt mich nicht und er denkt, dass ihn entführt habe und ihn töten will. Dieser Sturkopf glaubt mir einfach nicht, dass ich deine Tante bin und jetzt sitzt er völlig verängstigt und verwirrt in einer Ecke mit einem Skalpell, das er sich geklaut hat. Ich hab die Türe abgeschlossen und warte, bis du ihn abholst. Aber bitte beeile dich - ich mag's nicht, wie der Typ mich ansieht." Ich atmete erleichtert aus, als ich hörte, dass er am Leben war und erwiderte daraufhin: "Ja, ich komme. Wenn er auf dich losgeht, lass ihn einfach gehen. Dann hat er eben Pech, wenn er sich nicht helfen lassen will.", mit diesen Worten legte ich auf und ein paar Minuten später stürmte ich aus dem Haus.
"Josy! Wo willst du denn ohne mich so eilig hin?", wollte Kaemon plötzlich wissen, der hinter mir stand und mir einen tadelnden Blick zuwarf. "Ich will-" "Jaja, ich weiß. Aber ich komme mit.", unterbrach er mich und ich nickte nur.
Als wir Cristinas Villa endlich erreicht hatten, wollte ich eigentlich klingeln, doch die Tür stand bereits einen Spalt offen und wir gingen hinein. Im Keller angekommen, blieben wir vor einer verschlossenen Tür stehen. "Wir sind's!", rief ich und daraufhin schloss sie auf. Sie schien ziemlich erleichtert zu sein, uns zu sehen. Kaemon und ich betraten den Raum, wo ich gleich Nolan entdeckte, der an einer Wand gelehnt stand und mit einem Skalpell in den Händen spielte. "Sie ist wirklich deine Tante?", stellte er fest, als er mich sah, doch statt zu antworten, fragte ich nur: "Geht's dir gut?". Nolan hob unentschlossen die Schultern und ich drehte mich zu meiner Tante, woraufhin sie mich aufklärte und über seine Operation informierte: "Er hatte mehrere Rippenbrüche und auch einen Spannungspneumothorax, so wie du es schon vermutet hast. Als ich ihn aufgeschnitten habe, hatte er schon eine Menge Blut in seiner Lunge und das Herz wurde durch das ansteigende Volumen der Lungenflügel verdrängt, also ihr habt mich wirklich keine Sekunde zu früh angerufen. Lange hätte er nicht mehr gelebt. Jedenfalls hab ich mich um die Rippenserienfraktur, den Riss in seiner Lunge und um sein Herz gekümmert, das heißt aber nicht, dass er jetzt schon gesund ist. Nolan muss sich auf jeden Fall noch mindestens zwei Monate schonen, allein die Rippenbrüche brauchen sechs bis sieben Wochen zur Heilung und wir wollen ja keinen Rückfall. Deshalb darf er unter keinen Umständen Sport machen, Auto fahren oder sonst irgendetwas, das ihn überanstrengen könnte. Und er hatte einen ziemlich hohen Blutverlust, deswegen hab ich ihm noch Konserven mit Null Negativ gegeben, da ich nicht wusste, welche Blutgruppe er hat. Ach ja, ich hab natürlich auch noch den offenen Bruch genäht, was nochmal ein zusätzlicher Grund ist, warum er seinen Körper schonen muss, nicht, dass die Naht wieder aufgeht. Ihr kommt dann in ein paar Tagen mit ihm zum Fädenziehen, ich sag euch dann Bescheid, wenn es soweit ist. Habt ihr das alles verstanden oder gibt's noch Fragen?", sie sah uns auffordernd an und ich nickte nur: "Alles klar.", bestätigte ich und verließ zusammen mit Kaemon und Nolan den Keller. Als wir gerade gehen wollten, rief Cristina noch hinterher: "Eure Story mit dem Unfall im Wald hab ich euch übrigens nicht abgenommen. Bei einem einfachen Sturz kann man sich niemals so lebensbedrohlich verletzen und sich gleich mehrere Rippen brechen - das schafft keiner und schon gar nicht aus Versehen. Aber keine Sorge, eure Eltern werden davon nichts erfahren. Zum Glück kann ich schweigen wie ein Grab.", meinte sie und ich drehte mich zu ihr um. Ich strahlte sie dankbar an und sie fuhr mit ihrer Ansprache fort: "Und was Nolan angeht - passt auf ihn auf, ich hab schon bemerkt, dass er ein ausgesprochenes Talent hat, von einer Schwierigkeit in die nächste zu stolpern. Ich hab's euch nämlich auch nicht abgekauft, dass ihr ihn lieber beinahe sterben lasst, statt ihn an ein Krankenhaus zu übergeben, nur weil er nicht wieder nach Hause will. Jedenfalls kann ich mir gut denken, dass er irgendwelche illegalen oder kriminellen Sachen abgezogen hat.", schlussfolgerte sie und ich blickte ertappt zu Boden, ehe sie noch anmerkte: "An eurer Fähigkeit zu Lügen kann man übrigens nichts bemängeln, aber die Lüge an sich, war einfach komplett unglaubwürdig und an den Haaren herbeigezogen.", mit diesen Worten zog sie uns belustigt auf und ich lächelte nur. Was sie sagte, stimmte zumindest - die Lüge war wirklich schlecht gewesen.
"Was machen wir jetzt?", wechselte Kaemon das Thema, als wir draußen im Hof vor Cristinas Haus standen. "Wir haben heute noch Schule und es ist erst halb sieben, wir können es locker noch rechtzeitig schaffen.", fiel mir auf einmal ein, doch dann sah ich unsicher zu Nolan und fragte: "Tja und was machen wir jetzt mit ihm?". Auf Kaemon's Lippen schlich sich ein breites Lächeln, als er schmunzelnd erwiderte: "Nolan kommt natürlich mit!"
Keine gute Idee,...trotzdem gefiel mir die Vorstellung und vor allem die Herausforderung daran.
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Puh xD, das waren jetzt ca. 2150 Wörter😂 Normalerweise sind es immer maximal 1500 - aber egal...
Meinungen zum Kapitel? ❤
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