Die Yuvai war schnell eingeschlafen, doch sie fand keine Ruhe im Schlaf. Bilder wanderten durch ihren Kopf, Bilder, die sie noch nie davor gesehen hatte. Leuchtend grüne, saftige Wiesen, türkisblaue Seen und Flüsse, gewaltige Bergketten und dunkelgrüne, von leichten Nebelschleiern durchzogene Wälder. Naturbilder, so atemberaubend und wunderschön, dass sie nur ein Traum sein konnten, und doch so klar und deutlich, als würde das Mädchen sie mit eigenen Augen sehen. Die Eindrücke und Bilder wanderten durch ihre Träume, immer wieder und wieder und trotz des Friedens, den sie ausstrahlten, bewegte sich Luna unruhig im Schlaf. Diese Bilder waren keine gewöhnlichen Träume, das spürte sie und die Intensität, mit der sie in ihrem Kopf erschienen, machte sie unruhig. Dann, auf einmal, verblassten die Bilder und eine angenehme Leere füllte den Kopf der Schülerin. Aber auch das blieb ihr nicht lange vergönnt, denn nur einige Augenblicke später erschien ein neues Bild in Luna's Kopf. Ein Mann. Ein alter Mann, mit weißen, langen Haaren, einem ebenso langen und weißen Bart und stechenden, nein schon fast durchdringend grünen Augen. Es war, als stünde er vor ihr, keine Armlänge von ihr entfernt, doch sie konnte sich nicht rühren. Der Mann schien sie regelrecht mit seinem Blick zu fixieren, es schien, als könnte er in sie sehen, ihre Gedanken und Gefühle sehen und trotzdem war sein Blick nicht kalt oder hart. Im Gegenteil, das sanfte grün seiner Augen leuchtete warm und Weisheit umgab die Gestalt des Mannes. Von seinem Körper schien ein Licht auszugehen, warm und pulsierend lag es in der Luft. Dann öffnete der Mann seinen Mund und fing an zu reden. Seine Stimme klang ruhiger und klangvoller als jede Stimme, die Luna je gehört hatte, in ihr lag Weisheit, Glück, Frieden sowie Ruhe und sie war gleichzeitig sanft und eindrucksvoll. Die Worte, die aus seinem Mund kamen schienen direkt in ihr Herz zu dringen, für immer eingespeichert und tief in ihr verankert.

 "Es ist soweit." Ein leichter Nachhall , der sie noch eindrucksvoller erscheinen ließ, folgte jedem seiner Worte und er fuhr fort, ohne seinen intensiven Blick von dem Mädchen zu nehmen: "Du bist bereit, das Schicksal der Yuvai in deine Hände zu nehmen. Das Mal wird erscheinen und die Landen von Delucía werden wieder in ihrem alten Glanz erstrahlen." Die Stimme des Mannes war lauter geworden und nun fuhr er wieder etwas sanfter fort. "Du alleine kannst es tun. Ich weiß es. Und ich werde immer über dich wachen." Sein Blick schien bis in ihr Herz vorzudringen, als er weiterredete. "Du bist die Außerwählte, die Friedensbringerin...und die neue Königin von Delucía!" Sein Blick erstrahlte und das Licht um ihn herum schien noch heller zu werden. "Sei bereit... und hab Vertrauen." Ein durchdringender Blick, dann trat er zu ihr und legte ihr leicht eine Hand auf den Kopf. Sofort wurde Luna von einer Wärme erfasst, die jede Faser ihres Körpers erreichte und sie mit Stärke zu erfüllen schien. Ehe Luna etwas tun konnte, verblasste der Mann langsam. "Wer bist du?" Das war alles, was sie herausbrachte, die Worte waren nur ein heiseres Flüstern, doch der Mann schien sie zu verstehen. Immer schwächer wurde seine Gestalt und seine Stimme war nur noch ein leiser Hauch. "Thumiel." Der Name schien kurz in der Luft zu schweben, dann verschwand das Bild des Mannes endgültig und eine dunkle Schwärze umgab die Schülerin. 

Auf einmal war all die Wärme und Stärke, die sie bei der Berührung scheinbar in sich aufgenommen hatte, verschwunden. Einen Wimpernschlag später schien sie plötzlich keinen Boden mehr unter den Füßen zu haben, sie fiel nach unten, ungebremst in die Schwärze. Ein Schrei ertönte, schrill und angstvoll und plötzlich fiel sie nicht mehr. Sie starrte in die Dunkelheit, die sie umgab, als sich eine Hand auf ihren Arm legte. Blitzschnell entzog sie sich der Berührung und versuchte panisch, weiter wegzurutschen. "Shhhh.... ganz ruhig..." Eine leise Stimme ertönte und die Schülerin starrte in die Richtung, aus der sie gekommen war. Es dauerte einige Momente, bis sie die Stimme zuordnen konnte. Yeona. Sie hatte nur geträumt. Erst jetzt realisierte sie, dass sie schwer atmend aufrecht im Bett saß und ihre Hände in die weiche Decke gekrallt hatte. Der Schrei vorhin musste wohl ihr eigener gewesen sein. "Yeona.", keuchte sie leise und lockerte ihre verkrampften Hände. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit und sie erblickte die Gestalt ihrer Freundin, die zu ihr in ihr Bett kletterte. Es musste wohl mitten in der Nacht sein, denn Yeona sah ziemlich verschlafen aus, während sie sich neben ihre Zimmerkameradin setzte. Immer noch mit trommelndem Herzen schlang Luna ihre Arme um Yeona, klammerte sich an ihr fest. Sie zitterte am ganzen Leib und ihre Freundin erwiderte die Umarmung. "Shhhh... Alles gut..." Yeona's Stimme beruhigte die Yuvai und langsam normalisierte sich ihr Puls wieder. "Was war denn los?", fragte sie besorgt. Wieder stiegen in Luna die Erinnerungen an den Traum auf, an den Mann, der zu ihr gesprochen hatte. Entschieden murmelte sie: "Nur ein Traum..." Wie um sich selbst zu überzeugen flüsterte sie nochmal: "Nur ein Traum..." "Okay, geht es wieder?", murmelte Yeona und löste sich von ihrer Freundin. Luna nickte und ein zärtliches Lächeln erschien in dem Gesicht ihrer Zimmerkameradin. "Gut." 

Vorsichtig strich Yeona ihr ein paar Haarsträhnen hinters Ohr und zupfte ihr Schlafanzugoberteil, dass völlig verknittert war, ein wenig zurecht. Auf einmal erstarrte sie. Luna, die bemerkte, dass etwas passiert war, blickte auf. "Was ist?", flüsterte sie, doch Yeona blickte nur wie versteinert auf ihren Oberkörper. Ihre Hand hatte sie an dem Kragen von Luna's Schlafanzug, der leicht zur Seite geschoben war. Verwirrt blickte Luna nach unten, um zu sehen, was ihre Freundin so gebannt fixierte. Was sie sah, ließ sie nach Luft schnappen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf die Haut, die über ihrem Schlüsselbein lag. Die blattförmige Narbe, die dort lag, leuchtete in einem strahlenden Gold...

Jetzt wird es spannend... Was wohl passieren wird?✨

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Lulu <3