Kapitel 55
Nachdenklich betrachtete Jin sein Spiegelbild.
Unter seinen Augen hatten sich Schatten gebildet. Die Haut wirkte fahl.
Er war müde.
Seit er mit Namjoon zusammenarbeitete, schien jegliches Zeitgefühl verloren gegangen zu sein. Auch die Tatsache, dass es durch das durchgehend schlechte Wetter in den letzten Wochen tagsüber nie wirklich hell wurde, verbesserte sein Empfinden nicht.
Sie waren direkt nach dem Einbruch, wenn man es so nennen konnte, auf direktem Weg vom Polizeirevier zu Jins Wohnung gefahren.
Nicht weil die wesentlich größer und schicker war. Das war lediglich ein netter Nebeneffekt.
Seine Wohnung war einfach näher.
Und Jin war froh darüber, sich in seiner gewohnten Umgebung bewegen zu können.
Auch, wenn Namjoon sich aktuell auf der anderen Seite der Badtür befand. Was theoretisch auch nicht das erste mal war.
Er würde sicher gerade die einzelnen Akten durchgehen. Zumindest alle, bis auf die eine, die Jin im Auto schnell unter den Beifahrersitz geschoben hatte.
Noch immer war er sich unsicher, ob es nicht ein Fehler gewesen war, sie tatsächlich mitzunehmen.
Vielleicht sollte er sie einfach verschwinden lassen, ohne überhaupt nur einen Blick hinein zu werfen. Auch, wenn er es sicherlich irgendwann bereute.
Seufzend nahm er sich ein großes Handtuch, wickelte es um seine Hüften. Mit einem weiteren kleinen Handtuch trocknete er sich die Haare und verließ so das Badezimmer.
Die Sonne war bereits aufgegangen und erhellte die Wohnung durch die großen Fenster auf der Ostseite.
Namjoon saß am Esstisch. Vor sich ausgebreitet die losen Blätter der Akten.
Viele Fotos waren dabei, dutzende teilweise handschriftlich verfasste Notizen.
Jin beobachtete den Ermittler eine Weile, wie dieser die Stirn in Falten legend jedes der einzelnen Teile hin und her schob, es betrachtete und schlussendlich doch wieder zur Seite legte.
"Hast du schon was herausfinden können?", fragte Jin schließlich, rubbelte sich die Haare trocken, als er auf ihn zuging.
Namjoon blickte kurz auf, runzelte erneut die Stirn und senkte den Kopf wieder: "Es gibt dutzende Fotos von ihm. Zusammen mit Managern, Politikern oder irgendwelchen anderen wichtig aussehenden alten Männern in teuren Anzügen. Er scheint in den höchsten Kreisen verkehrt zu haben. Im wahrsten Sinne des Wortes."
Jin beugte sich über den Esstisch, besah sich nun ebenfalls die ausgebreiteten Fotos.
"Du meinst Taemin?", hakte er nach. Tatsächlich war der Sänger auf fast jedem Bild zu erkennen. Immer mit einem Gesichtsausdruck, der eher dem einer hübschen Puppe näher kam als einem menschlichen Wesen.
"Naja, wenn er wirklich nebenher als Callboy arbeitet.", überlegte der Reporter laut.
"Und warum dann die Karriere als hopsender Schreihals?", erkundigte sich Namjoon.
Jin rollte mit den Augen: "Sag das nicht immer so abwertend.", er tippte auf ein Foto, welches direkt vor Namjoon lag. "Das da ist der Chef von einem Privatsender, der die größte Musikshow des Landes ausstrahlt."
Namjoon stutzte: "Er verkauft sich für den Erfolg?"
"Möglich.", Jin zuckte mit den Schultern. "Es gibt eine Menge Gerüchte. Nicht nur über ihn. Viele Girlgroups werden nebenher auch als Hostessen genutzt."
"Und die Triaden verdienen kräftig mit.", stellte der Ermittler fest, massierte sich die Schläfen.
Jin erkannte eine weitere Person.
"Das ist der Gründer von Alpha Entertainment. Ist der auch in der...", neugierig sah er zu Namjoon, der ihn nachdenklich zu mustern schien.
"Was ist los?", fragte der Reporter daher, als ihm der Blick mit der Zeit doch leicht unangenehm wurde. Hatte er irgendwas falsch gemacht?
Erschrocken zuckte Jin zusammen, als Namjoon seine nackten Hüften ergriff und ihn sanft, aber bestimmt um den Tisch herum in seine Richtung zog.
Ehe der Reporter etwas sagen konnte, spürte er bereits Lippen auf seinem Bauch.
Geniessend registrierte er, wie liebevoll Namjoon viele kleine sanfte Küsse auf der noch feuchten Haut verteilte und stöhnte leise auf.
Spätestens dadurch begann wieder das intensive Kribbeln in seiner Magengegend, dass er einfach nicht mehr falsch deuten und abtun konnte.
Dieses leichte Ziehen, immer wenn ihre Blicke sich trafen oder sie sich so nah waren. Wie jetzt.
Jin konnte und wollte sich auch nicht länger zurückhalten.
Er ergriff Namjoons Gesicht, zog ihn zu sich nach oben und versank in einem leidenschaftlichen Kuss, presste seinen halbnackten Körper gegen des seines Gegenübers.
Namjoon leckte spielerisch über Jins Unterlippe, während seine Hände über die Brust nach unten strichen und schließlich das Handtuch lösten.
Der Blonde tat es ihm gleich.
Mit einer schnellen Bewegung zog er dem Ermittler das Shirt aus, setzte den Kuss direkt wieder fort. Nur um sogleich den Gürtel der Hose zu öffnen.
Als Namjoon Jins Handgelenke erfasste, um ihn so zurückzuhalten, blickte dieser irritiert auf.
"Warum immer so schnell?", fragte der Ermittler mit intensivem Blick, der durch Mark und Bein ging. Wäre Jin nicht bereits hart gewesen, jetzt hätten ihn allein diese Augen dazu bewegt.
Noch immer fehlten ihm die Worte.
Was hätte er auch antworten sollen?
Dass er nicht länger warten wollte? Dass er seit Tagen an nichts anderes denken konnte. Dass er nach der Sache vor der Bar nicht nur seine Finger spüren wollte, sondern endlich ihn?
Namjoon verzog keine Miene, als er Jins Oberarm ergriff. Ihm zusätzlich einen leichten Schubs gab und in bester Polizeimanier so drehte, dass er nun mit dem Rücken zum Ermittler stand.
Ehe er protestieren konnte, spürte er bereits wieder die weichen Lippen des mannes auf seiner Schulter und schließlich auch im Nacken.
Scheinbar wusste er ganz genau, wie er Jin mit solchen Berührungen ganz langsam um den Verstand bringen konnte.
"Aber..", begann der Blonde stockend, versuchte seine Gedanken zu ordnen, indem er sich gegen Namjoons Brust lehnte und für einen kurzen Moment versuchte, dessen Hände auf seinem Körper auszublenden.
Leichter gesagt, als getan.
Hatte er doch bereits wieder begonnen, Jins Brustwarzen langsam zu umkreisen und vorsichtig mit den Fingerkuppen dagegen zu drücken.
Jin konzentrierte sich mit größtmöglicher Mühe auf die Worte, die einfach nicht seine Kehle verlassen wollten. Stattdessen drangen nur tiefe Seufzer hervor.
"Willst du nicht?", schaffte er schließlich doch zu fragen. Keuchend, kaum verständlich.
Er spürte Namjoons Schmunzeln auf seiner Haut, bevor der sich vorbeugte und unvermittelt in einer fließenden Armbewegung alle darauf befindlichen Unterlagen einfach von der Tischplatte fegte.
Jin war viel zu perplex von dieser Aktion, als dass er hätte etwas dazu sagen können. Oder dagegen.
Noch mehr überraschte ihn, dass Namjoon ihn danach einfach auf den nun freigeräumten Esstisch drückte und erneut dutzende Küsse auf seinen Schulterblättern verteilte.
Seufzend genoss Jin die Berührungen der heißen Lippen, die im völligen Kontrast zu der kalten Tischplatte standen, die gegen seine Brust drückte.
Tragischerweise musste er sich eingestehen, dass er nie zuvor so leidenschaftlich verwöhnt wurde. Keiner der Männer in seinen vorherigen Beziehungen oder kurzen Affären hatte ihm so viel Aufmerksamkeit entgegen gebracht.
Selbst Eric, mit dem er so lange zusammen war, dachte immerzu eher an sein eigenes Wohlergehen.
War Jin deshalb so anfällig für die Liebkosungen und Streicheleinheiten, mit denen Namjoon ihn allmählich um den Verstand brachte?
"Ich wollte dich schon von Anfang an.", sagte Namjoon leise, während er über diese eine empfindliche Stelle hinter Jins Ohr leckte.
Womöglich lag es daran, dass er erst nicht begriff, was gemeint war und er stattdessen nur knapp keuchte: "Was?"
Schon wieder konnte er fühlen, wie Namjoon die Lippen zu seinem altbekannten süffisanten Lächeln verzog.
"Seit ich dich damals auf dem Parkplatz zwischen all den Reportern gesehen habe.", klärte er auf, bahnte sich dabei küssend einen Weg die Wirbelsäule hinunter.
Der Blonde erinerrte sich schlagartig.
Sein erster Tatort. Als er schon wieder alles hinschmeißen wollte.
Bis er ihn gesehen hatte.
Allerdings war er immer in dem Glauben gewesen, Namjoon hätte gar keine Notiz von ihm genommen.
Oder rein gar nichts für ihn übrig, so wie er ihn anfangs stets behandelt hatte.
"Warum hast du nichts gesagt?"Jin richtete sich leicht auf. Kam jedoch nicht weit hoch genug, da Namjoon ihn direkt wieder nach unten drückte.
"Ich wusste nicht, ob ich dir trauen kann.", gestand der Ermittler, der bereits bei Jins Hüften angekommen war, sanft über sein Hinterteil strich und neckend hineinbiss.
Der keuchte mit einer Mischung aus Überraschung und Erregung: "Tust du es jetzt?"
Sekundenlang gab Namjoon keine Antwort.
Was vielleicht auch damit zu tun haben konnte, dass er Jins Hintern in den Händen hielt. Diesen massierte und immer wieder mit Küssen bedeckte.
Verdammt, das war so gut, dass Jin beinahe schwindelig wurde.
Erst, als er spürte, wie Namjoon mit den Fingerspitzen vorsichtig durch die Mitte nach unten fuhr, sprach der Ermittler weiter: "Tust du es denn?"
Gequält stöhnte der Blonde nur ein langezogenes Ja. Zu mehr war er kaum noch in der Lage.
Wie konnte er ihm auch so eine Frage stellen?
In so einem Moment. Wo Jin wie auf dem Präsentierteller vor ihm lag, sich unter seinen Berührungen wand und Namjoon nur noch hätte seine Hose öffnen müssen.
Stattdessen spürte Jin erneut dessen Lippen. Die langsam Stück für Stück den Fingern folgten.
Was hatte er vor?
Er hielt aufgeregt den Atem an. Gespannt, was als nächstes passierte.
Und wurde nicht enttäuscht, als er Namjoons Zungenspitze spürte.
"Oh mein...", Jin fehlten schlagartig die Worte.
Stöhnend warf er den Kopf zurück, als Namjoon die Pobacken leicht spreizte, mit seiner Zunge tiefer fuhr und sich für einen winzigen Moment in ihm versenkte.
Noch nie hatte Jin so etwas empfunden. Und noch nie hatte er sich jemandem derart geöffnet, dass er dergleichen zugelassen hätte.
Unter Namjoons intensivem Zungenspiel hatte der Reporter das Gefühl, jeden Augenblick zu kommen.
Halt suchend umfasste er die Tischkante. Die Hände daran umklammernd hob er seine Hüften leicht an, streckte sein Hinterteil mehr in die Höhe, näher zu Namjoons sündigen Lippen und seiner heißen ausschweifend kreisenden Zungenspitze.
Jin liebte das Gefühl. Er liebte die Nähe. Er liebte die Hitze.
Und er liebte Namjoon.
Es mutete verwerflich an, dass ihm diese Tatsache ausgerechnet jetzt bewusst wurde.
Aber es entsprach der Wahrheit. Er liebte diesen Mann so sehr, dass es beinahe weh tat.
Und er wollte, dass er es wusste.
"Namjoon...", stöhnte Jin atemlos. "Ich...", er presste die Augen zusammen. Für einen winzigen Moment versuchte er, seinen Körper zur Ruhe zu bringen.
Was natürlich dumm war. So kurz wie er davor war, unter den immer schneller werdenen Zungenschlägen zum Höhepunkt zu kommen.
Namjoon brummte nur kurz.
Alleine diese Vibration ließ Jin erneut aufstöhnen.
Ein durchaus gefundenes Fressen für den Ermittler, der aufgrund dieser neuen Erkenntnis leise lachte und Jin durch die erneute Schwingung Sterne sehen ließ.
"Ich...", er biss sich auf die Unterlippe. So sehr wollte er es sagen. So tief brannten diese drei Worte in seiner Kehle.
"Ich..."
Ein leises Summen ertönte, gefolgt von einem Klicken.
"Seokjin, kann ich dich was..."
Jins Kopf schnellte hoch.
In der Wohnungstür stand Jungkook. Die Augen weit aufgerissen, passend zum Mund.
Und einem erstklassigen Blick auf den Esstisch.
"Ent...", stotterte er mit hochrotem Kopf. "Entschuldige."
Ehe Jin etwas erwidern konnte, hatte der Nachbarsjunge die Tür mit einem lauten Knall wieder geschlossen.
"Du solltest deinen Türcode ändern.", erwähnte Namjoon mit ruhiger Stimme, als er sich aufrichtete und über den Mund wischte.
Jin war hin und her gerissen.
Zwischen der Tatsache, dass er unglaublich gerne genau da weiter gemacht hätte, wo sie gerade unterbrochen wurde.
Und dem Umstand, dass er nicht wollte, dass Jungkook etwas falsches dachte.
Frustriert schlug Jin sich mit der flachen Hand vor die Stirn: "Was mache ich denn jetzt? Er wird vollkommen verstört sein. Wie soll ich ihm das erklären?"
"Lass es ihn googlen. Hab ich auch gemacht.", zuckte Namjoon lediglich mit den Schultern.
"Das ist nicht witzig.", zischte der Reporter.
Aber dennoch sah er ein, dass es alles nichts half.
Die Stimmung war ruiniert. Und die Lippen des Mannes, der sich da gerade eine Wasserfalsche aus dem Kühlschrank angelte, mochten noch so verführerisch sein. Jin hätte es sich niemals verzeihen können, Jungkook ausgerechnet jetzt mit so vielen möglichen Fragen allein zu lassen.
Seufzend bückte er sich zu seinem Handtuch, sammelte direkt ein paar der heruntergeworfenen Fotos zusammen.
Eine Aufnahme davon erweckte seine Aufmerksamkeit.
Allein der Tatsache wegen, dass er eine der abgebildeten Personen kannte. Sehr gut sogar.
"Was hat er mit ihm zu tun?", fragte er flüsternd, mehr zu sich selbst.
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