Kapitel 44
Jin streckte beide Arme über den Kopf und versuchte so seine steifen Muskeln zu lockern.
"Wenn du weiter so rumzappelst, verrätst du uns noch.", knurrte Namjoon genervt.
"An wen denn?", seufzte der Reporter. "Es ist mitten in der Woche und die Straße wie leer gefegt."
Er zeigte auf die regennasse glänzende Fahrbahn.
"Ausserdem gehst du sowieso jede halbe Stunde rauchen.", ergänzte er, massierte sich den Nacken.
Seit fast vier Stunden hockten sie bereits in dem Mercedes. Da konnte die Ausstattung noch so luxuriös sein, irgendwann tat einem doch alles weh.
"Soll ich lieber in deinem Auto rauchen?", beschwerte sich Namjoon.
Jin zuckte nur mit den verspannten Schultern: "Da du eh danach riechst, macht das kaum einen Unterschied."
"Es stört dich."
"Es stört mich nur, dass wir hier sitzen müssen."
"Willst du lieber draußen stehen?", erkundigte sich Namjoon.
"Das hatten wir schon.", erinnerte Jin ihn an ihre letzte Observation in dieser Straße.
"So schlimm fand ich es damals gar nicht.", zuckte dieser mit den Schultern, den Blick geradeaus auf die Straße.
Augenblicklich schoss Jin nicht nur die Röte ins Gesicht, sondern auch die Bilder von damals.
"Du hast mich geküsst.", flüsterte er fast lautlos.
Namjoon nickte, noch immer starrte er auf den Eingang des Cafés: "Das ist richtig."
Für eine gefühlte Ewigkeit herrschte Schweigen.
Jin hörte nur seinen eigenen Herzschlag, ehe er tief einatmete und sich schließlich doch überwand: "Warum eigentlich?"
Nun drehte der Ermittler doch den Kopf, blickte ihm stirnrunzelnd entgegen: "Ist die Frage ernst gemeint?"
Nickend versuchte Jin seinem Blick standzuhalten: "Irgendwie schon. Ich würde gerne wissen...", er brach ab, überlegte, wie genau er es formulieren sollte.
Namjoon sah wieder nach vorn aus der Windschutzscheibe: "Woran du bist.", stellte er fest.
"So kann man es sagen.", nickte Jin, auch wenn er es wahrscheinlich nicht erkennen konnte.
Der Ermittler öffnete den Mund, um etwas zu erwidern.
Gespannt lehnte Jin sich etwas näher zu ihm.
Als ein metallisches Krachen auf dem Autodach ertönte und beide Männer erschrocken zusammenzuckten.
Reflexartig schnellte Namjoons Hand zu seiner Waffe.
"Hey, ihr beiden Turteltäubchen. Was treibt ihr hier?"
Jin klappte der Kiefer herunter, als ein ihm nur allzu bekanntes Gesicht im Seitenfenster auftauchte: "Jimin?!"
"Der einzig Wahre.", grinste dieser breit.
"Was tust du um diese Zeit hier?"
Der Silberhaarige zeigte noch immer grinsend auf seinen Rücken, den eine große Kuriertasche zierte: "Ich habe diesmal aber leider kein Foto für dich. Und ihr? Romantisches Date?"
Vollkommen sprachlos starrte Jin seinen Freund an, nicht fähig etwas zu sagen.
"Ja! Wir...", übernahm Namjoon plötzlich das Gespräch. "Wir hören Musik."
Er hob die Hand und klickte sich stirnrunzelnd durch das Menü des Bildschirms in der Mittelkonsole, bis er endlich einen Sender fand und ein Lied ertönte.
"Nicht das.", fuhr Jin zusammen, klickte die Musik wieder aus.
"Warum nicht?", beschwerte sich Namjoon, schaltete das Radio wieder ein. "Es klingt gar nicht mal verkehrt."
Jin legte seufzend die Stirn in seine Hand.
"Sag mir bitte nicht, es gefällt dir.", stöhnte er ungläubig.
Jimins Lachen erklang: "Also wenn ihr dazu vögelt, ist das bestimmt richtig merkwürdig."
Namjoon drehte sich stirnrunzelnd zu dem Jüngeren: "Was? Warum sollten wir..."
"Nein, sag es nicht!", rief Jin laut aus. Was die Sache nicht gerade unauffälliger erscheinen ließ.
Wahrscheinlich war das der zusätzliche Ansporn für Jimin, der grinsend erklärte: "Weil der Song Jin gewidmet ist. Er ist von dem, der ihn entkorkt hat."
Der Reporter zog finster die Brauen zusammen, beugte sich über Namjoon, um den Fensterheber an der Fahrertür zu betätigen.
"Geh nach Hause, Jimin.", meinte er trocken, während die Seitenscheibe langsam hochfuhr.
"Deswegen hat er diese Kommentare abgegeben.", flüsterte Namjoon leise, beinahe lautlos.
Jin blickte ihn fragend an: "Was meinst du?"
Gerade wollte er sich wieder zurück auf den Beifahrersitz verkriechen, als der Ermittler ihn zurückhielt und dessen Rücken nach unten drückte, dass Jin gezwungen war, seinen Kopf auf Namjoons Schoß abzulegen.
Was sollte das denn bitte?
"Wie lange wart ihr zusammen?"
Jin erstarrte bei der Frage. Reglos, den Kopf noch immer auf Namjoons Schoß gebettet, starrte er auf dessen Bauch.
"Zu lange.", antwortete er schließlich.
"Wann hattest du vor, es mir zu sagen?", fragte Namjoon schließlich nach einer längernen Zeit des Schweigens.
Jin hing weiter bewegungslos über die Mittelkonsole gebeugt mit Kopf und Schultern auf dem Schoß des Mannes. Langsam wurde diese starre Haltung schmerzhaft.
Möglich, dass Namjoon das spürte, weshalb er sanft durch die Haare des Reporters strich, was ihn zusehends entspannter werden ließ.
Gleichzeitig wurde ihm allerdings auch klar, was für eine intime Position das gerade war. Immerhin lag er genau auf Namjoons Körpermitte.
"Du hast es doch eh schon gewusst.", antwortete Jin endlich.
Der Ermittler seufzte leise: "Ich konnte es mir denken. Er scheint ja nicht unbedingt der verschwiegene Typ zu sein."
"War er nie.", Jin biss sich auf die Unterlippe. Eigentlich wollte er nicht über Eric reden. Nicht jetzt, wo es so unangebracht schien. Viel lieber wollte er die Nähe zu Namjoon genießen. Weiter beobachten, wie sein Bauch sich regelmäßig bei jedem Atemzug bewegte. Genießen, wie der Ermittler ihm zärtlich den Kopf streichelte.
Dennoch wusste er, dass Namjoon eine Erklärung erwartete.
Dass die aktuelle Nähe zueinander nur Bestand haben würde, wenn sie sich gegenseitig vertrauten. Und dazu gehörte eben auch Jins Vergangenheit.
Leise holte er Luft, ehe er begann: "Es gab eine Zeit, da fand ich das toll. Er hat mir Selbstvertrauen gegeben und mich ermutigt, weiter zu kämpfen, als ich das erste Mal als Trainee hinschmeißen wollte."
"Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass dieser Typ so freundlich sein kann.", entgegnete Namjoon kühl.
Jin beobachtete weiter das Muskelspiel unter dem engen schwarzen Shirt seines Gegenübers. Ohne darüber nachzudenken, und eigentlich auch ohne, dass er seinen Körper daran hätte hindern können, streckte der Reporter seine Finger aus und strich vorsichtig über die sich abzeichnenenden Muskelstränge.
Namjoon zuckte deutlich zusammen, ließ ihn allerdings gewähren.
Mitlerweile war seine streichelnde Hand aus Jins Haaren zu dessen Nacken gewandert, was die Berührung nicht weniger empfindlich machte.
"Wenn er selbnst einen Vorteil davon hat, kann er unglaublich charmant sein. Ich bin oft genug darauf hereingefallen", versuchte Jin sich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren.
Was wirklich schwer erschien, da Namjoon seit geraumer Zeit immer wieder wie zufällig über einen äusserst sensiblen Punkt hinter Jins Ohr strich.
Und er aktuell froh darüber war, dass nicht Namjoon derjenige war, der auf seinem Schoß lag.
Was war eigentlich los mit ihm, dass er in letzter Zeit so anfällig war für die kleinsten Berührungen?
"Wir scheinen alle ein Problem mit Vertrauen zu haben.", sinnierte der Ermittler leise.
Jin war nun doch so überrascht, dass er den Kopf hob und sein Gegenüber verwirrt betrachtete.
Ihre Gesichter waren nur Milimeter voneinander entfernt, was den Reporter ein hohes Maß an Selbstkontrolle abverlangte, sich nicht einfach vorzubeugen.
"Du vertraust mir nicht?", fragte er stattdessen strinrunzelnd.
Eigentlich war er der Meinung, dass diese Nähe zueinander hier im engen Innenraum dieses Wagens genau das voraussetzen sollte.
Zwischen Namjoons Augen bildete sich eine tiefe Furche: "Es ist nicht unbedingt...", er brach ab, sein Blick veränderte sich.
Jin wollte gerade zum Nachfragen ansetzen, als sein Kopf unvermittelt erneut nach unten gedrückt wurde.
"Willst du mir irgendwas sagen?", ächzte er erschrocken.
"Pssst!", zischte dagegen Namjoon, seine Hand noch immer auf Jins Hinterkopf.
Sicherlich ein äusserst fragwürdiger Anblick für Außenstehende. Und theoretisch könnte der Reporter das vermeintliche Angebot liebend gerne annehmen und sich um das Körperteil kümmern, was sich nun genau unter seiner Nase befand.
Allerdings wollte er die Diskussion aus Namjoons Wohnung nicht wiederholen.
Und eigentlich wusste er, dass dieser scheinbar gerade mit ganz anderen Dingen beschäftigt war, wie Jin erkannte, als er vorsichtig den Kopf hob und zur Windschutzscheibe hinaus schaute.
Er erkannte ihn sofort.
Ein schwarz gekleideter junger Mann mit feuerrotem Haar.
"Der Keller.", stellte Jin fest. "Wo geht er hin?"
"Nur noch ein kleines Stück.", flüsterte Namjoon, den Blick gebannt nach vorn gerichtet, seine Hand lag noch immer in Jins Nacken und verstärkte automatisch den Griff, je näher der Rothaarige sich den Absperrungen rund um den Tatort näherte.
Großer Gott, Namjoon schien keine Ahnung zu haben, was er mit dieser reflexartigen Geste bei Jin anrichtete.
Dieser hatte kaum noch genug Energie, um die verräterischen Signale seines eigenen Körpers zu verdrängen.
Immerhin waren sie hier bei einer Observation und endlich war der Verdächtige aufgetaucht. Da wäre ein erregtes Stöhnen wirklich mehr als unangebracht.
Während Jin, um sich selbst zu beruhigen, die Augen zusammenkniff, schob Namjoon ihn leicht von sich.
Verwirrt starrte der Reporter ihm dabei zu, wie er langsam und beinahe geräuschlos die Fahrertür öffnete.
"Gleich hab ich dich.", zischte der Ermittler, den rothaarigen Kellner noch immer im Blick.
Dieser hatte mitlerweile die andere Straßenseite erreicht und war tatsächlich dabei, unter der Absperrung hindurch zu klettern.
"Polizei! Keine Bewegung!"
Jin zuckte erschrocken zusammen, als Namjoon plötzlich stilecht wie in einem Actionfilm aus dem Auto sprang und in wenigen Schritten, dafür rasend schnell, zu dem Kellner rannte, ihn packte und Handschellen anlegte.
Mit offenen Mund starrte der Reporter auf die Szene vor sich.
Also, wäre er nicht bereits durch Namjoons Berührungen hart geworden. Spätestens jetzt hätte sich das geändert.
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