Kapitel 40
Vielleicht hätte er ihn fragen sollen.
Warum er so reagiert hatte.
Wohin er so plötzlich verschwunden und erst eine Stunde später wieder aufgetaucht war.
Wieso er dann so schweigsam und nachdenklich war. Mehr als sonst.
Weshalb er nur noch stur seine Pinnwand umsortiert hatte und selbst Yun sich nicht getraute, ihn anzusprechen.
Vielleicht hätte er das wirklich tun sollen.
Stattdessen war Jin selbst stumm geblieben.
Er schrieb seinen Artikel zu Ende, schieckte die Textdatei per mail an seinen Redakteur und verbrachte die restliche Zeit mit Recherche.
Vorrangig über Taemin.
Jin kannte ihn.
Allerdings auch nur die Seite, die wahrscheinlich gut neunzig Prozent der Menschen in seinem unmittelbaren Umfeld auch kannten.
Die des außerordentlich talentierten Tänzers mit der eindrucksvollen Stimme, die so gar nicht zu dem zerbrechlich wirkenden puppenhaften Gesicht passen wollte.
Und die Gerüchte über ihn.
All die Foren und Kommentarspalten auf einschlägigen Klatschspalten waren voll mit absurden und teils auch recht bösartigen Aussagen. Viele davon waren jedoch an den Haaren herbeigezogen, was auf den ersten Blick auffiel.
Jin fragte sich einmal mehr, ob die jeweiligen Prominenten diese ganzen negativen Sachen über sich überhaupt lasen.
Er wusste aus seiner Zeit als Klatschreporter selbst genau, wie gemein einige Artikel geschrieben waren.
Er selbst dagegen hatte sich lieber für die humorvolle stichelnde Variante entschieden und war immer recht gut damit gefahren.
Was brachte ihm schließlich ein toller Artikel, der hohe Auflagen generierte, er sich danach aber nirgends mehr blicken lassen konnte oder ihm gar der Zutritt verwehrt wurde?
Es kostete Jin eine Menge Überwindung den Namen von Taemin in Verbindung mit dem Wort Mafia in die Suchleiste einzutippen.
Und noch länger, auch wirklich die ausgespuckten Ergebnisse durchzugehen.
Obwohl wie erwartet nichts zu finden war.
Die ersten Suchergebnisse bestanden entweder aus bearbeiteten Fotos, die für von Fans geschriebenen Geschichten dienten oder lediglich weiteren auf den ersten Blick unglaubwürdigen Gerüchten.
Natürlich. Was auch sonst?
Sicher gab es einige langjährige Mitarbeiter einzelner Agenturen, die hinter vorgehaltener Hand mal erwähnten, dass der ein oder andere Manager mit Sicherheit Kontakte zu den Triaden pflegte, um finanzielle Zuwendungen zu erhalten.
Aber offensiv hatte auch Jin selbst nie etwas davon mitbekommen.
Was wohl auch daran lag, dass er erstens zu jung war und viel zu beschäftigt mit seinen eigenen Problemen.
Er war bereits dabei, den Laptop auszuschalten, als ihm ein knapper Eintrag in einem Forum auffiel.
Dieser stach ihm nur deshalb ins Auge, weil in den drei kurzen Sätzen so viele Rechtschreibfehler enthalten waren, dass es an Glück grenzte, überhaupt entziffern zu können, was gemeint war.
Jin hatte die Seite erst nicht weiter beachtet, da es sich bei den Betreibern wohl um sogenannte Verschwörungstheoretiker handelte, die hinter jeder neuen Band eine Bedrohung sahen.
Und die ernsthaft der Meinung waren, dass die Songtexte alle eine tiefere Bedeutung hätten und insgeheim eine versteckte Botschaft aussenden sollten.
Normalerweise interessierte der Reporter sich nicht für derartige Äusserungen. Sie waren schliechtweg albern.
Schon deshalb, weil er viele der Urheber von Songtexten kannte, die ganz sicher keine geheime Mitteilung verbreiten wollten, sondern schlichtweg ihr Konto füllen.
Stirnrunzelnd überflog Jin die einzelnen wirren Kommentare.
Der Beitragsersteller faselte irgendwas von einem Video, welches ihm zugespielt wurde und er dieses auf seiner Homepage hochladen würde.
Durch dutzende Seiten und endlos lange andauernde Werbevideos klickend erreichte der Reporter endlich eine dubiose Internetadresse.
Auf den ersten Blick wirkte alles wie eine klischeehafte Pornoseite. Die üblichen Pop Ups, der schwarze Hintergrund, die billigen Animationen und natürlich die Auswahl an Kategorien.
Alles wirkte normal, wenn man das als solches bezeichnen konnte.
Bis auf die Tatsache, dass man hier statt möglichen Vorlieben nach den Namen aktueller angesagter Sängerinnen und Sängern suchen konnte.
Die Namen waren falsch geschrieben, aber dennoch erkennbar. Jin vermutete allmählich, dass es Absicht war.
Er schluckte den Kloß in seinem Hals herunter, während er die aufgelisteten Idols studierte.
Mehr als die Hälfte kannte er persönlich.
Egal, wen man auswählte, immer ploppten Fotos und auch Videos auf, die definitiv nicht mit der Einwilligung der jeweiligen Personen aufgenommen wurden.
Einige Fotos waren Jin besonders bekannt, da es sich um Paparazzi-Aufnahmen handelte, die ihm selbst über Umwege zugespielt wurden, er sie aber nicht verwendet hatte. Meist aus Anstand.
So etwas schien der Betreiber der Seite allerdings nicht zu besitzen.
"Was siehst du dir da an?"
Erschrocken fuhr Jin zusammen, als er Namjoons dunkle Stimme hinter sich hörte.
Wie lange stand er da schon?
Schnell wollte Jin den Laptop zuklappen, doch der Ermittler war wesentlich flinker, hielt die Hand zwischen Tastatur und Bildschirm. Und öffnete den Computer so wieder.
"Was ist das für eine Seite?", hakte Namjoon interessiert nach.
Mittlerweile hatte er die Kontrolle über die Maus übernommen, bewegte sie über den Bildschirm.
Jin saß nur bewegungsunfähig auf seinem Stuhl, eingekesselt zwischen Namjoons Armen, die jeweils links und rechts neben ihm auf dem Schreibtisch abgestützt waren.
So spürte er den warmen Atem des Ermittlers im Nacken. Und versuchte krampfhaft irgendwie noch klar denken zu können.
"Ich hab es eben erst entdeckt.", gab Jin schwer atmend zu.
Eigentlich war er die ganze Zeit über der Meinung, Namjoon würde sich mit Computern nicht auskennen.
Immerhin besaß dieser einen Jahresvorrat an Notizblöcken und Jin hatte bisher nirgends einen Rechner oder Laptop ausmachen können. Weder hier im Büro, noch in der Wohnung des Ermittlers.
Selbst dessen Smartphone schien so alt zu sein, dass es höchstwahrscheinlich eines der ersten Generation war.
Aber so wie Namjoons Hand über die Tastatur flog, er die offenen Reiter durchklickte und den Suchverlauf studierte, schien er doch mehr Ahnung von der modernen Technik zu haben als angenommen.
"Belauschst du gern die Gespräche anderer Leute?", flüsterte er so leise, dass Jin die Worte kaum hörte, dafür aber den hauch davon in seinem Nacken spürte.
"Das war ein Versehen.", stotterte Jin.
"Wir unterhalten uns später darüber.", versprach Namjoon. Es klang nur eher wie eine Drohung. "Ich nehme an, diese Seite ist nicht unbedingt im Sinne der jeweiligen Agenturen?"
Jin schüttelte nur den Kopf.
Ganz bestimmt nicht. Immerhin verwanden sie Unmengen Energie und besonders Geld darauf, dass ihre Stars immerzu fröhlich, gutaussehend und besonders unschuldig wirkten.
Eine Internetseite, auf der nackte Tatsachen präsentiert wurden, war ganz sicher nicht das, was sie wollten.
Namjoon schob den Mauszeiger auf eine Übersicht von Namen bekannter Stars und klickte sich durch die einzelnen angezeigten Fotos.
Barbusige Sängerinnen, Tänzer in eindeutigen Posen.
Und schließlich Taemin. Natürlich auch furchtbar falsch geschrieben.
Zwei Bilder zeigten ihn mit freiem Oberkörper, was an sich nicht einmal etwas Besonderes war.
Jin wusste, dass der Sänger gelegentlich auch auf der Bühne so auftrat. In der heutigen Zeit gehörte das schon fast zum Standard.
Auch einer der Gründe, warum er froh war, damals frühzeitig die Reißleine gezogen zu haben.
Das Flackern des Bildschirms riss Jin aus seinen Gedanken.
Namjoon hatte das verfügbare Video angeklickt, welches nun auf der kompletten Breite des Bildschirms abgespielt wurde.
Und dessen Inhalt Jin das Blut in den Adern gefrieren ließ.
"Scheinbar muss ich bei meinem Chef doch nicht zu Kreuze kriechen, um an das Material zu kommen.", sprach Namjoon leise aus.
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