Kapitel 25
Seine Augen brannten.
Jin schob seine Lesebrille nach oben und rieb mit dem Handrücken über die schweren Lider.
Seit Stunden durchforstete er das Internet nach allen möglichen Informationen zu Lilien.
Er wusste jetzt, wieviele Arten es gab, wie sie wachsen und wieviel Dünger man für welche Wuchsrichtung benötigte.
Sogar die Chromosomenanzahl wurde ihm angezeigt. Warum auch immer.
Seufzend lehnte er sich in seinem Bürostuhl zurück.
Was machte er sich eigentlich vor?
Die Recherche war zwar geplant gewesen, aber definitiv nicht so ausufernd. Insgeheim versuchte er sich damit krampfhaft abzulenken.
Pflanzhinweise waren zwar nicht unbedingt spannend, aber beschäftigten sein Hirn. Ehe dieses wieder abdriftete.
Zu einer ganz speziellen Szene der letzten Tage.
Jin schloss die Augen, versuchte sich auf die Musik zu konzentrieren, die aus den Ohrstöpseln in seinen Muscheln steckten.
Eventuell hätte er sich lieber eine andere Playlist wählen sollen als ausgerechnet diese. Aber die Alternative wären poppige Girlgroups mit hohen Stimmen gewesen.
Unbewusst bewegte er leicht den Kopf zum Takt, hob beide Arme über den Kopf, um so seine verspannten Glieder zu strecken.
Ein leichtes Stechen in seiner linken Schulter erinnerte ihn automatisch daran, dass der leichte Kratzer noch immer nicht vollständig abgeheilt war.
Eine oberflächliche Schürfwunde, die er sich zugezogen hatte, als er gegen eine raue Bachsteinmauer gedrückt wurde und sich eine der hervorstehenden Unebenheiten in sein Schulterblatt gebohrt hatte.
Jin hatte es erst zu Hause unter der Dusche bemerkt.
Schon wieder musste er daran denken.
Was war nur los mit ihm? Ja, Namjoon hatte ihn geküsst. Das war mittlerweile ja nun nicht unbedingt eine neue Erkenntnis.
Aber nie zuvor hatte er ihn so berührt.
Unbewusst lächelte Jin bei der Erinnerung daran. Okay, er musste zugeben, dass es sich wirklich gut angefühlt hatte.
Namjoon schien wirklich genau zu wissen, welche Knöpfe er bedienen musste, um Jin um den Verstand zu bringen.
Dennoch hatten Sie kein Wort gewechselt, als sie wieder im Auto saßen.
Jin hatte ihn vor seinem Revier abgesetzt und war danach selbst nach Hause gefahren.
Wo er die ganze Angelegenheit nochmal überdacht hatte.
Und sich ernsthaft noch dreimal selbstbefreidigen musste, ehe sein Körper endlich Ruhe gegeben hatte.
Aber was sollte er nun von der ganzen Sache halten?
Namjoon stand auf Männer. Wahrscheinlich.
Oder unter dem Einfluss von Drogen. Allerdings hatte er auf Jin einen ziemlich nüchternen Eindruck gemacht. Und Taehyungs Angebot an Alkoholika hatte er ebenso abgelehnt.
Der Gedanke an den Clubbesitzer ließ Jin schnauben.
Wenn dieser nicht plötzlich aufgetaucht wäre...
Ja was eigentlich?
Glaubte Jin ernsthaft, es wäre weitaus mehr passiert?
Richtig war, dass er Namjoon gutaussehend fand und er eine unheimliche Anziehungskraft auf ihn ausübte.
Aber das hieß noch lange nicht, dass er sich direkt von ihm in einer verlassenen Gasse nehmen lassen würde. Am hellichten Tag. Im Regen. Dort, wo gerade ein Mord passiert war.
Das war absurd. Und auch irgendwie gruselig.
Trotzdem spürte Jin bereits wieder, wie ihm das Blut in die untere Körperregion pumpte.
Herrgott, was war eigentlich los mit ihm?
Genervt fuhr er sich mit beiden Händen durch das Gesicht, öffnete die Augen.
Und blickte direkt in das grinsende Gesicht von Jimin.
Erschrocken aufschreiend wich er zurück und konnte gerade noch verhindern, dass er nicht mit seinem Stuhl das Gleichgewicht verlor.
"Willst du mich umbringen?", fluchte Jin, hielt sich dabei die Hand an die Brust.
Jimin grinste noch breiter: "Kann ja keiner ahnen, dass du so schreckhaft bist. Was sollten eigentlich die sexy Bewegungen und das debile Grinsen gerade eben?"
Jin starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. Wie lange hatte er ihn schon beobachtet?
Unsicher schaute er sich im Raum um. Zum Glück war der Großteil seiner Kollegen bereits in der Mittagspause verschwunden oder im Außendienst unterwegs.
"Und was hörst du da?", Jimin zog ihm einen der Stecker aus dem Ohr und hielt ihn sich an sein eigenes.
Sein Grinsen wurde noch breiter: "Dein Ernst? Dir ist klar, dass ich Taemin sage, dass du seine Songs hörst."
"Tu, was du nicht lassen kannst.", Jin entzog ihm wieder den Stecker. Sollte er es ihm doch mitteilen. Dass Jin seine Musik mochte änderte ja nichts an der Tatsache, dass er trotz allem ein Problem mit dessen Lebensstil hatte.
Und genau das der Grund war, warum es ihm eher missfiel, dass Jimin so gut mit ihm befreundet war.
Allerdings kannte Jin seinen besten Freund mittlerweile so lange, dass er wusste, er könnte ihn eh nicht davon abhalten. Jimin suchte sich seine Freunde selbst, unabhängig von Meinungen Anderer.
"Du weißt auch, dass es in 80% seiner Lieder um Sex geht?", Jimin stützte sich mit den Händen auf Jins Schreibtisch ab und beugte sich grinsend zu ihm. "Schwelgt da jemand in Erinnerungen an letzte Nacht?"
Der Reporter schnappte hörbar nach Luft, spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg.
"Was erzählst du denn da für einen Unsinn?", blaffte er ihn an. "Ich höre immer Musik beim Arbeiten. Apropos arbeiten: Wieso bist du überhaupt hier?"
Jimin zuckte mit den Schultern: "Du kriegst deine Unterlagen gleich. Jungkook kennt sich hier noch nicht so gut aus und braucht etwas länger, um die richtigen Büros zu finden."
"Jungkook? Du hast ihn mitgebracht?", fragte Jin entsetzt.
"Ihm war langweilig zu Hause.", erklärte der Silberhaarige ohne einen Funken Reue. "Außerdem kann ich ihn dann direkt anlernen, wenn er meinen Job übernimmt, weil ich ein Superstar geworden bin."
Jin legte den Kopf schief. Er konnte Jimin nicht böse sein.
Immerhin wusste er selbst, wie einsam der Nachbarsjunge häufig war und so war ihm lieber, dass er seine Freizeit mit Jimin verbrachte, als irgendwo durch die Straßen von Seoul zu irren, wo ihm vielleicht noch etwas zustieß.
Besonders, seit Jin wusste, wie hoch die Verbrechensrate in dieser Stadt war, wollte er die, die ihm etwas bedeuteten lieber in Sicherheit wissen.
"Seokjin.", Jungkook begrüßte ihn mit einem strahlenden Lächeln und einer leichten Verbeugung, in der Hand hielt er einen großen braunen Umschlag.
"Kookie, wie geht es dir?", lächelte Jin, nahm ihm den Umschlag ab und war froh, dass er diesmal verschlossen war. In die letzten hatte Jimin einen Blick geworfen und ihn dann mit dutzenden Fragen gelöchert.
Jin hatte ihm bereits vorgeschlagen, statt Idol zu werden, lieber mal über eine Karriere bei der Polizei nachzudenken, wenn er sich schon so für Fotos von Tatorten begeisterte.
"Ich hab noch wen mitgebracht.", meinte Jungkook schüchtern, zeigte hinter sich.
Und gab den Weg frei für Namjoon.
Jin hielt den Atem an, als der großgewachsene Ermittler auf seinen Schreibtisch zukam.
Was führte ihn hierher? Gab es erneut einen Mord?
Das würde seinen ernsten, fast schon zornigen Gesichtsausdruck erklären.
Gerade wollte Jin zur Begrüßung ansetzen, als der Ermittler ihm die heutige Ausgabe der Zeitung, für welche Jin arbeitete, auf den Schreibtisch warf.
"Rookie-Ripper, ja?", blaffte er ihm entgegen. "Du gibst diesem Arschloch also auch noch eine Plattform für seine Taten."
Vollkommen verwirrt starrte Jin sein Gegenüber mit offenem Mund an.
Er hatte seinen Artikel gelesen? Eigentlich müsste ihn das freuen, aber so wie Namjoon jetzt vor ihm stand, mit eindeutiger Wut in den Augen, wurde Jin immer kleiner auf seinem Stuhl.
"Ich dachte, ich kann dir vertrauen! Aber scheinbar gehst du für eine gute Story über Leichen. Im wahrsten Sinne des Wortes.", knurrte Namjoon mit zusammengebissenen Zähnen.
"Aber das kannst du.", rechtfertigte Jin sich.
"Ist das so?", der Ermittler fixierte ihn mit kaltem Blick, hob die Zeitung hoch, auf der ein Absatz seines Artikel mit Textmarker unterstrichen war.
Es war der Teil, in dem Jin erwähnt hatte, dass es sich bei allen Opfern um Trainees handelte.
"Herzlichen Glückwunsch. Dank dir sind jetzt alle Musikveranstaltungen in dieser Stadt ein Ort der Gefahr und müssen doppelt bewacht werden. Meine Kollegen werden sich bei dir für die extra Überstunden bedanken.", Namjoon verzog die Lippen zu einem süffisanten Lächeln.
"Aber es ist doch gut, wenn sie beschützt werden.", der Reporter erhob sich von seinem Stuhl.
Namjoon schnaubte: "Hast du auch nur mal eine Sekunde daran gedacht, dass der Mörder genauso gut aus den eigenen Reihen kommen könnte? Da bringt ein weiterer Polizist an der Tür gar nichts!"
Jin schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter, sagte nichts darauf.
"Ab jetzt arbeite ich wieder allein. Es war ein Fehler, dem Ganzen nochmal eine Chance zu geben.", Namjoon drehte sich zum Gehen. "Es läuft immer auf dasselbe hinaus.
Mit einem lauten Knall ließ er die Bürotür ins Schloss fallen.
Und einen völlig verzweifelten Jin zurück.
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