Kapitel 41
"Was hat es dir gebracht, mich hierherzubringen?" "Du erzählst mir jetzt, warum du jetzt gerade so sauer warst." Ich verdrehe meine Augen. Tu nicht so dumm! "Oh, mir ist nur aufgefallen, dass du ein perverser Wichser bist, mehr nicht!", zische ich mit verschränkten Armen vor der Brust. Ich zittere. Es ist kalt! Mit einem weißen T-Shirt kann ich um kurz vor neun bei diesem Wetter auch nichts anderes erwarten. Can bemerkt mein Frieren und hält mir deshalb wieder seine Lederjacke hin "Hier, nimm." Das erinnert mich an das eine Mal von Cihan, wo er mir sein Jackett übergezogen hat. "Nein." Ich habe gar keinen Bedarf, irgendetwas von ihm bei mir haben zu wollen! Can fackelt nicht lange, um mir die Jacke umzulegen. Wenn ich nicht so wenig Lust mehr auf ihn hätte, würde ich mir mehr wehren. Trotzdem ist mir kalt. "Warum bin ich ein Wichser?" "Weil du widerlicher Dreckstyp mich testest und das auf eine beschämende Art und Weise!" Er runzelt die Stirn. "Wieso beschämend?" Nicht sein gottverdammter Ernst! "Auf den Schoß ziehen? Gib es zu! Du wolltest, dass ich dich hart mache!", zische ich vorwurfsvoll. Er lacht. Wieso lacht er? "Ja", bestätigt er rau. Was zum?! Ich schaue ihn mit entsetzt an. Ist er ... ich habe nicht einmal mehr Worte für diesen Typen. "Du ... du ekelhafter Hund!"
"Sei doch froh. Das schafft nicht jede", raunt er mir zu. Es reicht! Ich habe keine Lust mehr auf seine widerlichen Aussagen, attackiere ihn deshalb. "Lass los!" Gott! Mich frustriert es, dass er so schnell meine Handgelenke festhalten kann. "Lass mich los!" "Ich habe gar nicht angefangen dich zu testen. Geht's dir jetzt besser?" Ich glaube dir kein Wort. "Wenn du bei mir bist, dann kann es mir nicht gut gehen", maule ich trotzig. Es ist ruhig. Man hört in den Gräsern die Laute von Grillen und kaum vernehmbare Stimmen unserer Stufenkameraden. Ich reiße meine Hände aus seinen Händen, laufe wortlos zurück zu meinen Freunden. Dummer Riese! Als ob ich mich auf ihn einlassen würde. "Wir werden fünf Tage miteinander verbringen, Shana." Warte ab, was ich mit dir machen werde, Can. Ich drehe mich teuflisch grinsend um, genieße es, wie sich sein selbstsicheres Lächeln schwindet und sich ein fragender Ausdruck auf sein Gesicht setzt. "Diese fünf Tage werden für dich die Hölle sein." Mit diesem Satz gehe ich zurück zu den anderen, höre aber auch ihn kommen. Ich höre schon Ramazans Stimme, kann jetzt schon wieder positiv gestimmt lächeln.
"Und? Wie war es mit deinem Mann?", flüstere ich zu Viyan, die sofort anfängt zu grinsen. "Wir haben voll lange geredet. Er ist etwas scheu, aber das regelt sich." Malik ist bei Mädchen scheu? Da stimmt etwas nicht. Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen, aber Viyan lässt sich davon nicht beirren. "Erzähl lieber von dir und Can", wechselt sie das Thema. Frag nicht. "Er nervt", informiere ich sie augenverdrehend. "Da ist mehr", hakt sie nach und kurz danach gesellen sich auch die beiden anderen Mädels dazu. "Viyan, du musstest mal sehen! Die beiden haben gekuschelt!", sagt Saliha und sofort fängt Viyan an zu kreischen. "Du bist eine kleine Bitch!" "Sagt die, die an Maliks Eiern hängt", erwidere ich. "Shana, du hast seine Jacke an." Danke, Saliha, aber das konntest du auch für dich behalten. Ich habe vollkommen vergessen, dass ich seine Jacke noch anhabe. "Oh mein Gott! Bist du noch Jungfrau? Er hat dich ja weggetragen", mischt sich Viyan ein, woraufhin sie mit Saliha geschockt die Luft einzieht. Sie sind so dramatisch! "Was wird das? Alle gegen Shana oder was?" "Ja", kommt es synchron von den beiden. Cathleen ist die ganze Zeit über still. Ich seufze nur ergebend. Wenigstens kann Ramazan die Aufmerksamkeit jetzt auf sich ziehen und mich damit entlasten. "Na? Habt ihr mich vermisst?" Ramazan mimt mit seinem hüftbetonten Lauf ein Laufstegmodel, lässt sogar am Ende schön geschmeidig seinen Hintern kreisen. "Niemand vermisst dich", schmunzelt Malik. "Du hast doch keine Ahnung vom Leben!", sagt Ramazan hochnäsig und tritt näher an meine Freunde und mich heran.
"Der Schlaf scheint dir wohl gut getan zu haben", stelle ich fest und bekomme es durch ein Nicken seinerseits noch einmal verifiziert. "Jetzt wird die Busfahrt Spaß machen, denn Sexy Ramazan und Magic Malik machen Stimmung." Beim Gedanken Malik könnte als Stripper arbeiten muss ich schmunzeln. Viyan würde ihn mieten. "Zeig uns was!", sagt Saliha belustigt. "Tanz für mich." Cathleen schmeißt fünf Cent auf Ramazan. Ramazan hebt elegant den Cent vom Boden auf und dreht sich einmal. Dann schnappt er sich Can, um mit seinem sinnlichen Tanz zu beginnen. Malik hält ihn vorsichtshalber von hinten fest. Ich suche schon einmal ein passendes Lied raus und entscheide mich für Mr. Saxobeat. Wir alle schreien und nehmen das Spektakel auf, während Can verstört die Flucht ergreifen will. "Zieh ihn aus!", rufe ich. Cans Blick liegt warnend auf mir, doch mein Mittelfinger lässt ihn bestens wissen, dass es mich nicht interessiert. Er kann sich sowieso nicht aus Maliks Griff befreien. Ramazan macht sich an Cans Jogginghose zu schaffen, kreist dabei seine Hüften und wackelt mit seinem Hintern. "Junge, verpiss dich!", ruft Can schon panisch. Die ganze Stufe lacht sich schlapp. "Na, na. Du kriegst alles, was du dir wünscht, mein Hase", schnurrt Ramazan verführerisch und will ihm ein Kuss auf die Wange drücken, doch Can weicht. Nun will sich Ramazan wieder Cans Jogginghose widmen. Seine Hände streicheln sich den Weg vom Oberkörper zum Bund seiner Jogginghose hinab, doch leider kickt Can seinen Stripper-Freund zu Boden. "Du wilder Hengst", schnurrt Ramazan. Dieser Junge hat anscheinend nie schmerzen.
Can löst sich nun auch aus Maliks gelockerten Griff und schubst ihn weg, doch dieser nimmt es mit Humor. "Bald werde ich dich eh nackt sehen, Babyboo. Mal sehen, was für eine dicke Banane du hast." Ramazan wirkt verstörend und lasziv zugleich und rekelt sich im Gras herum. Auch Can kann nicht mehr ernst bleiben und lacht, wie alle anderen auch. Ramazan scheint in Tanzlaune zu sein und fordert uns auf, Bollywood-Lieder abzuspielen. Er bewegt seine Hüften im Takt zu Bole Chudiyan und singt dabei noch mit, zieht mich mit in seine Arme. "Aber ich bin Anjali. Das heißt, du bist mein Rahul." Ramazan grinst schelmisch. "Mit Vergnügen", schmunzele ich. Leider wird unser Tanz von den Lehrern unterbrochen. Die Pause ist vorbei. Wir setzen uns alle wieder hin, doch hören nicht auf zu reden. Ich will mit Ramazan reden, drehe mich nach hinten zu ihm, werde aber zurückgedreht. "Was gibt's?" "Dreh dich um." Meine Lippen zucken. Ich habe ganz normal gefragt. Das gibt ihm nicht das Recht, so trocken antworten zu müssen. "Warum sollte ich? Damit ich deine Anwesenheit nicht vergesse? Nein, danke." Ich drehe mich wieder zu Ramazan. Leider kann Can seine Hände nicht bei sich behalten und dreht mich wieder um. "Bleib so!", zischt er. Er wirkt angespannt und auch irgendwie panisch. Mein Gott, was ist sein Problem? "Nein!" Ich will noch etwas sagen, bekomme aber eine Snapchat-Nachricht von Malik.
'Als er noch jünger war, hat er sich auch sowie du im Auto umgedreht, und dann ist ein Unfall passiert.' Ouh.
Mein Mund öffnet sich schockiert bei der Nachricht. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Ich dachte, er will wieder den Macho raushängen lassen. Zögernd schaue ich zu Can, der mit angespanntem Kiefer starr nach vorne schaut. Der Arme hat Angst. Er muss wohl wieder an den Unfall erinnert worden sein. Na gut, Can. Ich gebe nach, aber nur dieses eine Mal. Ich drehe mich zur Seite, sodass mein Rücken zu Can zeigt. So kann ich ja auch mit den anderen kommunizieren. "Lasst uns etwas machen." Ich warte auf Vorschläge. "Wie habt ihr euch kennengelernt?", fragt Viyan Malik. Ob er bemerkt, wie verknallt sie in ihn ist? "Das war im Kindergarten. Can war schon damals ein aggressiver Junge und Ramazan so gestört, wie eh und je. Ich war immer der Ruhige von uns, hatte aber fast selten einen klaren Kopf. Jedenfalls hat mich Ramazan mal geärgert und dann hat mich Can vor ihm beschützt. Total süß, nicht wahr?", erzählt Malik lächelnd. Meine Freunde und ich geben berührte Laute von uns. Ramazan versucht seine Hand durch die Lücke unserer Sitze zu quetschen, doch scheitert, also erhebt er sich ein kleines bisschen und streichelt Can über das Gesicht. Ich muss schmunzeln, als er es mit verdrehenden Augen hinnimmt. "Aber Can hat nicht nur gesagt, dass Ramazan mich in Ruhe lassen soll, sondern hat ihn auch ziemlich feste geschubst, sodass er in den Sandkasten gefallen ist. Daran kann ich mich noch so gut erinnern! Danach hat Can gesagt: ,,Machst du ihn noch einmal traurig, dann wirst du weinen." Damals hatte er ja noch eine hohe Stimme. Es war einfach zu süß! Jedenfalls hat Ramazan mich dann in Ruhe gelassen, wurde dann aber selber geärgert. Da hat Can wieder eingegriffen und einem Mädchen Wasser über die Haare geschüttet, weil sie Ramazan ausgelacht hat. Seitdem sind wir unzertrennlich", beendet Malik die Erzählung von der Entstehung ihrer Freundschaft. Wie süß.
"Can war ja schon damals in mich verliebt", sagt Ramazan verträumt und streichelt Can durch seine pechschwarzen Haare, der tief ausatmet und leicht den Kopf schüttelt. Was wohl diese Elisabet denkt? Ich bemerke erst jetzt, dass sie gar nicht mehr da sitzt. Ein Wunder, dass sie nicht herumgemacht haben. Malik erhebt sich, um sich zu Ramazan zu setzten. Was ist denn jetzt los? Ich schaue unauffällig zu Viyan, die ihn fassungslos hinterher schaut. Ich beobachte das Ganze mit offenem Mund, presse meine Lippen aufeinander, als Saliha und Cathleen prusten. Sie schüttelt mit einem fassungslosen Lächeln den Kopf. Oje, die Arme. Was ist bitte passiert? Nach weiteren zwei Stunden, wo wir schon 00:00 Uhr haben, schläft die Mädels schon. "Geisterstunde", grummele ich mysteriös und mache das Blitzlicht meines Handys an. "Nein! Keine Geisterstunde!", quengelt Ramazan und vergräbt seinen Kopf in seinem Kapuzenpulli. "Hat da jemand Angst vor Geistern?", necke ich ihn. "Nein, habe ich nicht", sagt er durch seinen Hoodie durch. "Doch, hat er", kommt es nach gefühlten zehn Stunden endlich wieder von Can. "Ach, du lebst ja noch?" Malik kriegt einen Mittelfinger von Can als Antwort.
"Hat einer Gruselgeschichten?", frage ich. "Nein! Nein, wir haben keine!", schreit Ramazan und zieht seinen Hoodie aus. Wieso, weiß keiner. "Warum?" Ich starre ihn an – zu lange. Irgendwann nehme ich den verwirrten Blick von seinem freien Oberkörper und vernehme sein Lachen. "Ich sehe geil aus. Nicht wahr, Shana?" Ich erlaube mir einen erneuten Blick und sehe, wie er mit seinen Brustmuskeln zuckt. Auf einmal spüre ich, wie Can sich bewegt ... und sich das Oberteil auszieht. "Wieso?", hauche ich. Mir ist so warn. Cans nackter Oberkörper ist zu nah an meinem heißen Gesicht. "Ramazan, ich hab den besten Oberkörper, nicht du." Cans Oberkörper ist wirklich definierter als Ramazans. Mit dem könnte man sicherlich gut die oberflächliche Anatomie der Muskeln lernen. "Malik, du auch!", ruft Saliha. Genug Exhibitionismus! Ich ziehe Can wieder auf seinen Sitz runter. "Kannst du dich jetzt wieder anziehen?" Das Ganze kommt mir so surreal vor. "Nein." Mal ehrlich: was für eine Antwort habe ich auch von Can bitte erwartet? Ich kann doch nicht noch wenige Stunden neben einem halbnackten, notgeilen Jungen verbringen. Aber neben Viyan ist ja ein Platz frei. Dahin kann ich doch. Ich schlage einmal auf Cans Bauch, einfach aus Prinzip und will dann zu ihr, wenn mich dieser nervige Typ nicht wieder aufhalten würde!
Dieser Typ treibt mich in den Wahnsinn!
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