Kapitel 111
Dienstag, 21. Mai
Pollenallergie. Alle Allergiker wissen, was das heißt; verstopfte und laufende Nasen, geschwollene, trockene, juckende oder rote Augen inklusive einer Bindehautentzündung, wenn man so viel Glück hat, wie ich und einen ganz tollen Hautausschlag. Ist das nicht toll? "Mama! Komm ins Zimmer!", rufe ich, als ich bemerke, dass meine Augen verklebt sind. "Was ist?", fragt sie, als ich höre, wie sie das Zimmer betritt. "Meine Bindehaut ist entzündet. Hilf mir bitte ins Bad." Sie seufzt, da sie es nicht mag, wenn sich die Allergien bei mir stark ausprägen. Sie sagt immer, dass sie deswegen leidet, was ich nicht verstehen kann. Es ist ja bald wieder vorbei, aber das ist halt die Liebe einer Mutter. "Geh doch zum Arzt", schlägt sie mir vor und gibt mir meinen Mantel, da ich nicht in Unterwäsche ins Bad laufen will. "Was soll der Arzt machen? Mir mehr Medikamente geben?" Ich habe wegen meinen ganzen Allergien und Hauptproblemen - hauptsächlich Neurodermitis und meine Laktoseintoleranz - eine ganze Apotheke in meiner Schublade. "Dann nimm doch eine Tablette", sagt sie und hilft mir ins Bad zu laufen. "Dann werde ich aber total müde und kann im Unterricht nicht aufpassen." Ich seufze und strecke meine Arme überall hin, da ich Angst habe irgendwo dran zu knallen.
"Hier, rechts." Sie dreht meinen Körper nach rechts und dann wieder nach links und macht den Wasserhahn an. "Danke." Ich fange an, mir meine Augen zu waschen und die Klumpen von meinen Lidern und Wimpern zu entfernen. Ich wasche meine Augen dann noch einmal gründlich ab und schaue in den Spiegel. Meine Mutter zieht sofort schockiert die Luft ein, während ich lächele. Ich finde es faszinierend, dass meine Augen blutrot unterlaufen sind und gequollen. Ich könnte sie mir jetzt stundenlang anschauen, weil es so faszinierend für mich ist. Ich ziehe mein unteres Augenlid runter und schaue mir an, wie stark die Äderchen durchblutet sind. "Nimm doch Augentropfen, Shana." Sie schaut mich bemitleidend an, während ich meinen Kopf schüttele. Ich lächele sie an, weswegen ich fast gar nichts mehr sehen kann und laufe in die Küche, um etwas zu essen. Kelloggs kann ich vergessen, da ich heute nicht sterben möchte, also mache ich mir schnell ein Brot und putze mir danach die Zähne. Im Brot war Weizenmehl drinnen. Ich verdrehe meine Augen, als es mir einfällt und spucke die Zahnpasta aus. Kurz schaue ich wieder in den Spiegel, um mein Gesicht, welches leicht geschwollen ist, zu betrachten und muss lächeln. Ich sehe aus wie ein Baby. Ich laufe in mein Zimmer und ziehe mir eine schwarze Hose an, kombiniert mit einem königsblauen Trikot, welches aus Netz besteht. Natürlich sind die Löcher klein und deswegen fällt es nicht direkt auf. Außerdem wird mein meinen Bauch nicht wirklich sehen, da die Hose tailliert ist und mit dem schwarzen Top darunter nur einen kleinen Schlitz zeigt, der nicht wirklich auffällt. Meine Haare befeuchte ich mit einem Spray an und knete sie, wodurch sie an mehr Sprungkraft und Volumen gelangen. Ohne Lederjacke verlasse ich die Wohnung, als ich mich ein parfümiert habe und meine Air Jordan 11 Colombia angezogen habe. Als ich heraustrete fliegen mir die ganzen Pollen um die Nase und kitzeln sie. "Scheiße", seufze ich, als ich bemerke, dass ich vergessen habe Taschentücher einzupacken. Egal, ich frage einfach Saliha, sie hat immer welche.
Während des Hinweges habe ich mehr Tränen verloren, als bei einem traurigen Film. Dieses Jahr wird es total schlimm mit der Allergie. Ich glaube die ganzen Leute denken, dass ich jemanden verloren habe, da ich die ganze Zeit die Nase hochziehen und meine Tränen wegwischen muss, aber daran bin ich schon seit zehn Jahren gewohnt. Ich steige aus dem Bus aus und kratze an meiner Wange, da meine Haare sie gestriffen haben und sie deswegen kitzelt. Hypersensible Haut ist ebenfalls ein Attribut eines waschechten Allergikers, wie ich es bin. Ich laufe durch das Tor und sehe, wie Ramazan und Malik vor mir am laufen sind, weswegen ich heimlich auf sie zu renne und jeweils einen Arm um sie lege. Sie lächeln mich erst einmal, doch schauen dann schockiert. "Was ist passiert?", fragt mich Malik geschockt und inspiziert mein Gesicht. "Shana, war es wegen der Sache?", fragt Ramazan mich und mustert mich besorgt. "Ich habe-," "Wer war das Shana?", fragt Malik mich wieder und schüttelt seinen Kopf, weswegen ich schmunzeln muss, woraufhin eine weitere Träne mein Auge verlässt. "Es ist nur eine Allergie", bringe ich schmunzelnd hervor und niese danach. "Hat einer ein Taschentuch? Wenn ich mein Niesen weiter unterdrücke, sterbe ich noch", gebe ich lachend von mir und schaue in die entgeisterten Gesichter der beiden.
"Eine Allergie?", ruft Ramazan, woraufhin ich nicke. "Ich dachte, du hättest drei Tage durchgeweint", erzählt er und seufzt, während ich mir wieder an derselben Stelle meiner Wange kratze. Ich würde ja gerne meine Haare zu einem Dutt binden, aber sie sehen heute viel zu schön aus. "Nein, alles gut", gebe ich lächelnd von mir und kann kaum noch etwas sehen, da meine Augen so gequollen sind, wenn ich anfange zu lachen oder zu lächeln. Malik reicht mir eine ganze Taschentuchpackung, die ich dankend annehme. "Du bist meine Rettung", sage ich lächelnd, schniefe einmal und wische mir dann über meine Augen. "Junge, fast alle Parkplätze waren belegt", höre ich Can sagen, der sich zu uns stellt. Ich halte nach Saliha und Viyan Ausschau, die jeder Zeit kommen müssten und werde dann unterbrochen, als sich Can vor mich stellt. Ich blicke zu ihm hoch und sehe, wie wütend er ist. Was habe ich gemacht? Mein linkes Auge zuckt, weil es so trocken es, woraufhin eine Träne hinunter fließt. "Wer war das?", zischt er, weswegen ich verdutzt zusammenzucke. "Was denn?", frage ich und sehe, wie sich Ramazan und Malik langsam hinter ihn stellen und grinsen. Was ist denn hier los? "Du hast geweint." Sein Kiefer spannt sich sehr, wirklich sehr stark an. "Can, ich-," "Wer war das?", ruft er, weswegen sich einige zu uns drehen.
Er nimmt mein Gesicht in seine Hand und inspiziert es. Als er meine Augen sieht, verkleinern sich seine Pupillen, doch als sein Blick zu meiner Wange gleitet, werden sie so klein, wie noch nie. "WER HAT DICH GESCHLAGEN?!", brüllt er, weswegen ich erschrocken zusammenfahre. Er denkt, dass mich jemand geschlagen hat, dabei ist es nur eine Allergie. Wie soll ich das aufnehmen? Sehe ich so scheußlich aus? "Can, nie-,", versuche ich anzusetzen und seine Hand von meinem Gesicht zu entfernen, doch er nimmt mit seiner freien Hand meine Handgelenke ein. "Hattest du deswegen Angst vor mir?" Ich bin sprachlos. Wie kommt er nur auf solche Gedanken? Ich schüttele meinen Kopf und schaue kurz zu seinem Hals, wo seine Ader stark heraussticht. Das verheißt nichts Gutes. "Lüg mich niemals an, Shana", knurrt er. "Wer hat dich verletzt?", fragt er und versucht ruhig zu bleiben. Ich schaue zu Malik und Ramazan, denen die Show anscheinend gefällt. Malik hebt seinen Daumen, während Ramazan theatralisch eine imaginäre Träne wegwischt. Can dreht sich um und schaut zum Tor, wo ausgerechnet Cihan ist. "War er es?", zischt Can düster. Oh nein, bitte nicht. "Nein! Es-," "Hör auf zu lügen!", presst er hervor. "Du brauchst keine Angst zu haben, ich beschütze dich", versichert er mir und fährt über meine Wange, was mir eine Gänsehaut verleiht, die schon fast schmerzt. Es fühlt sich so an, als ob winzige Nadeln meine Oberschenkel streifen.
Er löst seine Hand von meinem Gesicht und will auf Cihan zu laufen, weswegen Ramazan, Malik und ich ihn aufhalten, doch Can hat die Kraft eines Löwen und schüttelt uns alle ab. "Can, bitte! Hör mir doch zu!" "Niemand verletzt dich! Niemand erhebt seine Hand dir gegenüber! NIEMAND!", brüllt er am Ende, weswegen ich schlucken muss. In meinem Traum war er so anders. Das komplette Gegenteil und jetzt ist er nicht mehr aufzuhalten und vergisst alles um sich herum, wegen mir. "Wenn er diesmal nicht im Krankenhaus landet, dann Gnade ihm Gott!", knurrt er und läuft weiter, weswegen ich mich auf seinen Rücken stürze. Er ist zwar verdammt süß, aber dusselig. "Shana, das ist jetzt kein passender Moment, um zu spielen", brummt er, als ich meine Hände auf seine Augen lege und spüre, wie seine Wimpern meine Handinnenflächen kitzeln. Ramazan und Malik halten ihn fest, doch er wehrt sich. "Es ist nur eine Allergie", flüstere ich in sein Ohr und fahre mit meinen Fingern zu seiner Halsschlagader, um zu tasten, ob er sich beruhigt, was auch der Fall ist. Cans Schultern fallen vor Erleichterung. "Ich dachte, jemand hätt-," "Nein, sie ist nur ein Unmensch", versichert Ramazan ihm und kriegt einen Klaps von Malik auf den Hinterkopf. Ich schaue zum Tor, wo Cihan anscheinend auf jemanden wartet und dann sehe ich, wie die Mädels durch das Tor laufen und empört, aber auch zufrieden grinsen. Och nö. Ich will runter springen, als Can meine Waden festhält.
"Lass mich runter", fordere ich und rüttele an ihm, was nicht wirklich effektiv ist, da man Can mit einer Mauer vergleichen kann. "Hallo, Shana", gibt Saliha grinsend von sich, was die anderen ebenfalls grinsen lässt. "Wie geht's uns heute denn so, Shana?", fragt sie danach und flüstert Malik etwas zu, weswegen beide anfangen zu lachen. "Schlecht und jetzt lass mich runter!", zische ich zu Can und ziehe an seinen Haaren, doch das scheint ihm anscheinend nichts auszumachen. "Genieße die Aussicht", murmelt er und umfasst meine Waden fester. Es kribbelt und es fühlt sich irgendwie gut an. Ich weiß nicht wieso. "Oh mein Gott, Shana!", japst Saliha nun. "Ja, Allergie." Ich verdrehe meine Augen. Mein Blick gleitet wieder zum Tor, wo Elif reinkommt. "Can, lass mich runter!" Ich rüttele an ihm herum, doch knalle im Endeffekt nur gegen ihn und beuge mich zu seinem Ohr vor. "Elif ist da", flüstere ich und sehe, wie sein Blick zu ihr geht, so wie der aller anderen von uns auch. Sie steht neben Cihan und lächelt. Sie reden und verstehen sich gut miteinander. Sie liebt doch Can? Can hasst doch Cihan? Wieso hängt dieses Miststück mit seinem Feind ab?! "Wieso haben die beiden so einen guten Kontakt?", fragt Saliha. "Würde ich auch gerne wissen", murmele ich. Ich habe das Bedürfnis, Elif eifersüchtig zu machen. Can liebt sie und sie hängt mit Cihan ab? Pff, Bitch. Als ich einen ekelhaft süßen Duft in meine laufende Nase bekomme, weiß ich, dass es sich um Aleyna handelt. Seit einigen Tagen trägt sie diese süße Scheiße, bei der man am liebsten kotzen will. Sie hat so viel drauf, dass selbst ich es mit meiner verstopften Nase riechen kann. Aleyna torkelt mit ihren Hündinnen auf uns zu und schaut mich abwertend an, woraufhin ich ihr ein provokantes Lächeln schenke. "Can?", fragt sie und denkt - glaube ich zumindest -, dass sie süß rüberkommt, wenn sie ihre Stimme so scheußlich verstellt. Meine linke Hand fährt provozierend durch Cans weiches, griffiges, tolles ... durch sein Haar eben, während sich ein angriffslustiges Lächeln auf meinen Lippen bildet. "Ja?", sagen Can und ich synchron.
Aleyna schaut genervt zu mir und verdreht ihre Augen. "Hast du Lust, heute etwas unternehmen?", fragt sich. Schämt sie sich nicht? Er hat eine Freundin! Okay, ich sitze auf seinem Rücken, aber das war nur, um eine Schlägerei vorzubeugen. "Ich", setzt Can an, den ich schnell von seinem Leid erlöse. "Can kann heute nicht. Versuch es wann anders, also nie", gebe ich zuckersüß von mir und schlinge meine Arme um Cans Hals, woraufhin ich meinen Kopf auf die gleiche Höhe bringe, wie der von Can. Aleyna schnaubt empört. "Tschüss!", zische ich und schlinge aus Versehen etwas zu fest meine Arme um seinen Hals. Als Aleyna uns endlich verlässt, springe ich von Cans Rücken und fahre mir durch meine Haare. Ich schaue alle im Kreis an und ziehe verwirrt meine Augenbrauen zusammen. "Was?" Alle vier platzen schon gleich, wegen ihres perversen Blickes. Oh Gott, doch nicht wegen gerade? "Leute!", jammere ich und höre wie Saliha und Ramazan anfangen, wie zwei Gestörte zu lachen. Ich schaue zu Malik, der vielsagend mit seinen Augenbrauen wackelt. Ich dachte, dass wenigstens er hinter mir steht. Verstohlen schiele ich zu Can, der amüsiert seine Arme verschränkt hat. "Was haben wir heute denn vor?", fragt er schelmisch. "Der Maler kommt, wegen der Wand", murmele ich mürrisch und laufe ins Gebäude, wo wir uns vor der kahlen Wand treffen müssen.
Nachdem sich alle versammelt haben, erzählt uns der Maler etwas, als wir ihm unsere Zeichnungen geben. Wir haben uns dazu entschieden, dass wir als Charaktere vor unserer Schule stehen und jeder etwas Bestimmtes macht, was ihn signifikant macht. Der Mann geht lächelnd die Zeichnungen durch und fängt bei einer besonders an zu lachen. Er zeigt uns warum er lacht, weswegen wir auch anfangen zu lachen. Ramazan hatte nie wirklich das Talent zeichnen zu können. Er hat einfach ein Strichmännchen gezeichnet, welches mit einem großen Hintern nach vorne zeigt. "Wehe mein Po wird kleiner!", droht er, was uns noch mehr lachen lässt. Wir hören dem Maler zu, der sich als Andi entpuppt und nicken, da seine Vorstellung sehr gut ist. "Und was ist euer Motto?" Ich ziehe bei der Frage meine Augenbrauen zusammen. "Ihr habt doch sicherlich ein T-Shirt entworfen, wo ein Slogan draufsteht." Ich schlage mir gegen die Stirn. Wie konnte man das nur vergessen? Ich hole schnell mein Handy raus und suche nach einem passenden Logo. "Gebt mir einen Moment", murmele ich und durchsuche sämtliche Seite, bis ich auf eins stoße, was ich relativ gut finde und es allen, außer Aleyna und Elif zeige. "Also ich find's schön", murmele ich und warte auf die Reaktion der anderen. "Ich auch", sagt Malik, woraufhin die meisten zustimmen.
Es ist ein gemalter Tigerkopf, worüber Abi Tigers steht. Das in weiß geschriebene Wort Abi ist schwarz umrandet auf einer kleinen, orangen Fläche und das Tigers ist in der Form eines Halbkreises geschrieben worden, neben dem auf jeder Seite ein Tigerstreifen ist. Auf der linken Seite, neben dem Kopf steht EST. und auf der anderen Seite soll das Jahr eingetragen werden. Unter dem Kopf wird dann der Name der Schule geschrieben. "Wir könnten es ja so machen, dass wir uns in einer Sporthalle befinden und da ein riesiges Laken mit dem Logo ist und darunter ein Basketballkorb", schlägt eine Schülerin vor. Wir stimmen ihr zu und haben schon mal ein Problem weniger. Andi misst die Wand ab und geht dann. Wir bereden noch, dass das Abschlussoberteil ein grauer Hoodie sein soll und fangen mit dem Mashup an. Wir setzen uns alle in die Klasse, woraufhin Tobias mit seiner Kamera reinkommt, gefolgt von Keshas - Tik Tok. Gleichzeitig schmeißen wir unsere Blätter in die Luft, woraufhin Saliha und ich vor der Kamera durch die Flure laufen und ich synchron meine Lippen zum Lied bewege, woraufhin Ramazan, Tim und Fatih mit dem Refrain von Turn Down For What das Bild einnehmen und wie Verrückte auf und ab tanzen. Tobias filmt zu Herr Markus, der mit Sonnenbrille, Goldkette und einer Anzugjacke zwischen Aleyna, ihren Hündinnen, Elif und Ramazan, der sich schnell einen Rock und eine Perücke übergezogen hat, steht und seinen auswendig gelernten Text von Iggy Azaleas - Fancy aufsagt, dabei behält er eine kühle Miene, wie wir es ihm gesagt haben.
Er läuft mit den Mädchen plus Ramazan an der Kamera vorbei. Schnell läuft der Refrain von John Legends - All Of Me, wo sich Can, Malik und Leon vor mir, Anastasia und Lina hinknien und unsere Hand halten, während sie ihre Lippen zur Stimme bewegen. Can grinst mich schalkhaft an und küsst meine Fingerknöchel, woraufhin er mit Ramazan, Fabian und Malik aufsteht, alle vier Sonnenbrillen zugeworfen bekommen, die sie dann anziehen und dann wie Gangster zum Anfang von Bruno Mars' - Uptown Funk durch den Flur laufen. Timber von Pitbull ft. Kesha fängt an zu laufen, weswegen wir alle gemeinsam rausrennen und uns alle wieder aufteilen. Ramazan kommt mit seiner Perücke zurück, imitiert Miley Cyrus aus Wreckingball und fällt nach dem Refrain zu Boden, woraufhin Closer von The Chainsmokers läuft und Can und ich unseren Part mit einem Lächeln praktizieren, da wir beide an den Tag denken müssen. Er dreht mich kurz und hält mich fest, als ich mich nach hinten fallen lasse.
Nachdem wir das Mashup beendet haben, haben wir Pizza bestellt und herumgealbert. Während der letzten Stunde denke ich wieder an das Mashup, wo Can mich grinsend angeguckt hat, als er sich vor mich hingekniet hat und dann als wir zu Closer performed haben. Ramazan hatte recht. Ich sollte die letzten Wochen noch genießen, bevor ich die Schule verlasse. Es bringt mir nichts in einen stillen Streit mit Can zu verfallen. Es gongt, weswegen ich schnell den Raum verlasse. Vor dem Tor steht Can, der seine Zigarette zu Ende raucht und sich mit einem Grinsen zu mir dreht. Er muss wohl vorher schon abgehauen sein. "Rauchen ist ungesund", informiere ich ihn harsch und frage mich, wie man trotz des Zigarettengeruchs so gut riechen kann. Das grenzt doch an Zauberei. "Das mag sein, doch weißt du, was ganz gesund ist?" Ich schüttele trocken den Kopf. Sein gerade so nachdenklicher Blick ist verpufft. "Sex." Er grinst mich pervers an und kassiert einen Schlag gegen seinen Oberarm. Kann dieser Idiot auch mal an etwas anderes denken? "Komm, du hast heute gesagt, dass wir etwas vor haben." Ich schüttele entgeistert meinen Kopf. Dieser Junge spinnt doch! Wieso fühlt er sich so wohl und ist so dreist? "Wir werden keinen Sex haben!" Can grinst spitzbübisch. "Davon habe ich doch gar nicht geredet", gibt er in einem unschuldigen Ton von sich und leckt sich über seine Unterlippe. Oh Mann, er macht mich ganz kirre. "Was war dann das mit dem Sex?", keife ich und massiere mein Auge, da es wieder anfängt zu jucken. "Das war nur ein Fakt, aber da deine Gedanken anscheinend so pervers sind, können wir sie gerne in die Tat umsetzen." Er greift nach meinem Oberarm, woraufhin ich ihn gegen die Brust haue.
"Arschloch", murmele ich, ehe ich an ihm vorbeilaufe. Ich will gerade meine Ohrhörer rausholen, als mich jemand plötzlich von hinten packt und mich hochhebt. Ein Quietschen entkommt meiner Kehle, gefolgt von Beleidigungen, als ich bemerke, dass es Can ist. Das hätte ich mir auch denken können. "Lass mich runter!" Ich halte mich extra nicht an seinem Nacken fest und winde mich. "Du bist aber den falschen Weg gelaufen", säuselt er. "Du nervst! Lass mich los!", meckere ich und höre ihn seufzen. "Wie du willst." Er schmeißt mich hoch, weswegen ich erschrocken meine Arme um seinen Nacken schlinge und ihn lachen höre, als er mich wieder aufgefangen hat. "Nicht witzig!", zicke ich ihn an und drücke mich von ihm hinunter, um dann wegzurennen, doch Can hält mich auf, indem er meinen Oberarm festhält. "Heute warst du noch ganz anhänglich und hast echt komische Sachen getrieben und jetzt flüchtest du vor mir? Das verletzt mich", gibt er am Ende in seinem sarkastischen Ton von sich. Seine Augen glänzen mir zu stark. "Du hättest ja auch fast jemanden geschlagen, der ausnahmsweise nichts getan hat", brumme ich, als wir an seinem Auto ankommen. "Trotzdem hätte er Schläge verdient", murmelt Can. "Musst du Malik und Ramazan nicht nach Hause fahren?" Can schüttelt seinen Kopf. "Malik hat seit neustem ein Auto und Ramazan bekommt heute seins." Ich nicke und mache einen heimlichen Schritt nach hinten. "Wehe, Shana." Er schließt das Auto auf, drückt mich auf den Beifahrersitz, schließt dann die Tür ab und läuft dann auf seine Seite, wo er dann einsteigt, als er das Auto wieder aufschließt. "Das war unnötig", kommentiere ich. "Nein, sonst wärst du mir aus dem Auto gerollt." Ich schnaube und schaue aus dem Fenster. "Soll ich dir mal etwas sagen, was dir die Laune verderben wird?" Ich schnaube wieder. "Du hast die Wette verloren." Ein drittes Schnauben entkommt mir, woraufhin ich Can diabolisch auflachen höre. "Du wirst anfangen, das zu tun, was ich will, wenn wir auf der Klassenfahrt sind." Er fängt an zu lachen, während ich genervt aufstöhne.
"Can, das kann nicht dein Ernst sein!", quengele ich. "Doch, ist es." Er startet den Wagen und fährt raus. "Nein, das mache ich nicht! Weiß Gott, was du vor hast", weigere ich mich und verschränke bockig meine Arme vor meiner Brust. "Soll ich dir mal etwas sagen, was dich zum Schweigen bringen kann?", säuselt er und kriegt keine Antwort, woraufhin er sich räuspert, doch wieder keine Antwort kriegt. "Als du heute auf meinen Rücken gesprungen bist und ich dich festgehalten habe, woraufhin du dich die ganze Zeit bewegt hast, hast du dich im Endeffekt nur an meinen Rücken gerieben. Schade, dass du nicht auf meinen Schoß gesprungen-," "Schnauze, Can!", zische ich und fahre mit über meine Wangen. "Hallo, das wäre doch gut für uns beide. Du kriegst einen attraktiven Jungen und ich-," "Nichts! Rein gar nichts kriegst du!", beende ich seinen Satz und höre ihn amüsiert lachen. Er soll aufhören, so schön zu lachen! "Wohin entführst du mich?" "Wie wäre es, wenn wir in eine andere Stadt fahren, wo eine Kirmes stattfindet?" Ich halte es nicht mehr aus! Wenn er ein weiteres Mal Geld für mich ausgibt, dann schlage ich ihn. "Nein", quengele ich, schaue zu ihm und sehe, wie sein selbstsichere Lächeln fällt. "Magst du keine Kirmes?", murmelt er nun und kratzt sich mit seiner rechten Hand am Nacken. Wie niedlich er aussieht, wenn er sich unsicher ist.
"Doch, ich liebe es. Das Problem ist, dass du, egal wo wir sind, Geld für mich ausgibst und das will ich nicht." Can zuckt mit seinen Schultern. Mir fällt plötzlich was ein, was klappen muss. "Es ist aber mein Wunsch." Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen. "Was ist dein Wunsch?" "Dass du heute kein Geld ausgibst. Wir laufen einfach durch die Kirmes, mehr nicht." Er grübelt und ich weiß, dass er Nein sagen will. "Du meintest doch, falls ich einen Wunsch habe, soll ich es dir sagen." Ich klimpere siegessicher mit meinen Wimpern. "Dein Wunsch ist es, dass ist dir heute nichts ausgebe?", hakt er verhöhnend nach. "Jap." Das Schnalzen seiner Zunge ist zu hören. "Wünsch dir was anderes." Ich gebe einen empörten Laut von mir. "Nein, das ist mein Wunsch!" Er schüttelt seinen Kopf. "Dann fahr mich nach Hause", sage ich trocken und achte auf seine Reaktion. "Nein", gibt er stur von sich . "Das ist mein Wunsch, Can. Fahr mich nach Hause." Sein Kiefer spannt sich leicht an, was mich schmunzeln lässt. "Dann laufen wir nur auf der Kirmes herum", murrt er, was mich grinsen lässt. "Dann ist ja alles geklärt", säusele ich und fahre durch Cans dichten, weichen Haaren. "Du zerstörst meine Frisur", brummt er, woraufhin ich mit meinen Schultern zucke. "Sah eh nicht gut aus." Wenn das mal nicht gelogen war. "Mädchen wollen allein wegen meinen Haaren mit mir schlafen", kommt es arrogant von ihm, weswegen ich an seinen Haaren ziehe. Wie kann er nur so selbstsicher sein? Das ist ja schon utopisch.
"Dann waren sie anscheinend so sehr von deinen Haaren geblendet, dass sie deine Hässlichkeit nicht gesehen haben", kontere ich mit einem Lächeln. Seine Hand schnellt zu meiner, die er dann von seinem Kopf entfernt und selbstsicher grinst. Er fährt langsamer und gleitet mit meiner Hand zu seinen fülligen Lippen, die er dann mit meinem Zeigefinger umkreist. "Was wird das?", frage ich misstrauisch und will meine Hand wegziehen. "Ich zeige dir, auf was die Mädchen so bei mir stehen", raunt er und fährt von seinen Lippen langsam über seine Brustmuskeln, weswegen ich schlucken muss. Die werden ja immer härter. "Ekelig", gebe ich abwertend von mir, obwohl ich mir Can gerade oberkörperfrei vorstelle. "Das auch?", fragt er und fährt zu seinen Bauchmuskeln, wo sich meine Hand anspannt. "Lass los!", zische ich, doch er fährt mit meiner Hand über seinen Bauch, als wäre sie ein Lappen. "Was ist hier mit?", fragt Can pervers grinsend und fährt mit meiner Hand zu seinem Gürtel, wo ich sofort meine Hand wegziehe und ihn gegen die Brust haue. "Perversling", beleidige ich ihn, als er amüsiert lacht. "Es hat dir gefallen." Oh ja. "Das war das Ekeligste, was ich jemals fühlen konnte", gebe ich schnaubend von mir und schaue mit verschränkten Armen aus dem Fenster. Ich will noch einmal, hehe. Es ist echt warm hier. "Lügen gehören sich nicht", tadelt er mich und grinst selbstsicher, während er sich kurz auf die Unterlippe beißt. "Deswegen sage ich auch immer die Wahrheit", säusele ich.
Wir kommen der Kirmes näher, was man am Powertower und am Riesenrad, die grell leuchten, erkennen kann. "Das wird voll schön!", quietsche ich und merke, wie meine Nase wieder anfängt zu laufen. Schnell halte ich sie mir und suche in meinen Taschen nach der Taschentuchpackung von Malik. Als ich meine Retter in Not gefunden habe, lasse ich meine Nase los und sehe, wie meine Fingerkuppen rot sind. "Scheiße!", zische ich leise und halte mir schnell das Tuch vor die Nase. Ich lebe das Leben einer waschechten Allergikerin. "Was ist los?", fragt Can und schaut zu mir. "Nichts, nichts", streite ich ab und spüre, wie das Blut das Tuch durchnässt. "Wieso sind deine Finger mit Blut bedeckt, Shana?", fragt mich Can vollkommen ernst. Das gibt Ärger. "Allergie", murmele ich und höre ihn seufzen. "Du hast doch Medikamente! Wieso nimmst du sie nicht? Hättest du sie eingenommen, wäre da jetzt nicht passiert", meckert er mich an und fährt rechts ran. "Fahr weiter." Leider hört der sture Can nicht auf mich und hält an. Er steigt sofort aus und läuft auf die Beifahrerseite, wo er meine Tür öffnet und dann auch meinen Gurt, bei dem er sich etwas nach vorne beugen muss und meine Hüfte streift. Es kribbelt sofort an der Stelle und im Bauch stark. "Blutet es stark?" Leichte Sorge ist an seinen Augen abzulesen. Ich verneine es kopfschüttelnd. Ich bin gerade so benebelt von seiner Nähe. Ich liebe diese fürsorgliche Seite an ihm. Sie gibt mir sofort das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Sanft nimmt er mir das Taschentuch weg und hebt mein Kinn etwas an, um mich besser inspizieren zu können. Sein Daumen fährt zu meiner Oberlippe, weswegen ich fragend schaue. Am liebsten würde ich vor Schauder zusammenzucken, doch ich unterdrücke es - stark.
"Da klebt Blut", murmelt er abwesend und fährt zart über die Oberlippe, was sich mehr als gut anfühlt. Sein Blick ist auf meine Lippen konzentriert. Ab und zu lecke ich über meine Unterlippe, da sie sich sehr trocken anfühlt. Ich tue es wieder und sehe, wie Can es mir nachtut, während seine Pupillen sich weiten. Sein Daumen fährt langsam von meiner Oberlippe zu meiner Unterlippe, wo er sie mit seinem Daumen leicht runter drückt. An meiner Nase kitzelt etwas und etwas zu spät bemerke ich, dass es Blut ist, welches hinunter fließt. Als ich mir mein Taschentuch zu meiner Nase führen will, hält Can seinen Zeigefinger hin, sodass mein Blut auf seiner Haut landet. Peinlich berührt mache ich Cans Zeigefinger sauber und dann meine Nase. "Lass uns bitte weiterfahren", flüstere ich schon fast. "Willst du etwas trinken?" Ich schüttele meinen Kopf und schnalle mich wieder an. Das war komisch. Komisch und intensiv und schön und widersprüchlich. Wir fahren wieder los und fahren auf den vollen Parkplatz der Kirmes zu. Mein Herz schlägt vor Freude schneller, da ich es so toll finde, dass Can mich an Orte bringt, die ich liebe. Ich sollte auch etwas für ihn tun. "Can?", frage ich, als wir aussteigen und ich das Taschentuch in den Müll schmeiße, als die Blutung gestoppt wurde. "Ja?" Er schaut kurz zu mir und läuft dann auf das Tor zu. "Was macht dich glücklich?", frage ich und fahre mir durch meine Haare. "Wieso?", fragt er leicht schmunzelnd. "Du machst immer diese Fahrten mit mir und das schätze ich wert. Ich will auch etwas für dich tun", murmele ich und schaue zu ihm. Ich weiß nicht, ob es gut war, dass ich es gebeichtet habe. Sein Schmunzeln wird breiter und er sieht zu mir. "Da fällt mir vieles ein", raunt er grinsend, woraufhin ich meine Augen verdrehe.
Wie wäre es, wenn ich seine Grenzen teste? Sehr oft habe ich Jungs an die Grenzen ihres Mutes gebracht, wenn sie zum Beispiel mit der Größe ihres Genitales geprallt haben oder ähnliches. Ich habe sie aufgefordert, schon gar gezwungen es zu zeigen, was sie niemals getan haben. "Was denn?", frage ich und lächele leicht lasziv. Can bleibt verdutzt stehen und dreht sich zu mir. Er lächelt schmutzig und fährt meinen Arm hoch, der frei liegt. Es bildet sich nur eine Gänsehaut, weil ich sensibel bin. "Wie wäre es, wenn du das Oberteil ausziehst?", raunt er verführerisch und kommt mir mit einem Lächeln näher. Was ein Idiot. Ich greife schmunzelnd nach meinem Saum und ziehe ihn schnell hoch, aber nur ein Stück, sodass man den Knopf meiner Hose sieht. Ab da hält Can meine Arme fest und schaut mich gereizt an. "Bist du-, was machst du da?", keift er. "Ich habe nur auf dich gehört." Außerdem habe ich hervorgesehen, dass du so handeln würdest und habe es deswegen gemacht, du Idiot. Er spannt seinen Kiefer an und schließt seine Augen, während er durch seine Nase ausatmet. Ich stelle mich auf meine Zehenspitzen und strecke meinen Kopf zu seinem Ohr. "Denkst du ernsthaft, ich wüsste nicht, wie du reagieren würdest?" Ich entferne mich grinsend von seinem Ohr und schaue in sein amüsiertes Gesicht. "Eins zu Null für dich, Hexe." Er schüttelt lächelnd seinen Kopf und läuft mit mir durch das Tor.
Die ganzen Menschen füllen die Wege, genau wie der süßliche Duft von Zuckerwatte, gebrannten Mandeln und Schokoerdbeeren - und Pollen fliegen herum. Can und ich drängeln uns an den ganzen Menschen vorbei und gehen manchmal etwas auseinander. Ich schaue mich kurz um und sehe, wie Can jetzt einige Meter vor mir läuft. Ich laufe durch an den Leuten vorbei und klammere mich an seinen Arm. "Was ist los?", fragt er mich. "Ich gehe verloren", nuschele ich und schaue zu ihm hoch. Er lächelt mich warm an, und seine Augen leuchten intensiver, da die Sonne auf uns scheint. Seine langen Wimpern schlagen Schatten, die sich auf seine Wange legen. Seinen muskulösen Arm, den ich noch umklammert habe, legt er um mich und zieht mich näher an sich ran. Beschämt schaue ich nach vorne und verdränge das Kribbeln an meinem Nacken. Ich umfasse sein Handgelenk und seufze leise, als ich meinen Kopf kurz zu ihm anhebe. Sein Blick ist nach vorne gerichtet, also kann ich ihn ruhig etwas mustern. Er hat wieder Bartstoppel und ich frage mich, wie er mit einem Dreitagebart aussehen würde. Da ich das Gefühl habe, dass er mein Mustern bemerkt, belasse ich es bei der Information, dass Can sich vor kurzem rasiert hat und schaue nach vorne. "Und? Was hast du in meinem Gesicht gefunden?" Wie peinlich. Ich räuspere mich kurz und antworte ihm dann. "Deine Bartstoppel. Lass deinen Bart mal wachsen. Ich will dich mit Bart sehen", murmele ich. "Mal gucken. Ich mag diesen Bart nicht", erzählt er mir.
"Lass uns wenigstens aufs Riesenrad", schlägt er mir vor, woraufhin ich seufze. "Komm schon, Shana." Ich gebe auf, da Can mich sonst dahinziehen würde und laufe mit ihm zum Riesenrad. Innerlich freue ich mich, da ich eine perfekte Sicht auf die Kirmes habe und das weiß Can auch. Wir stellen uns an der Schlange zum Riesenrad an und warten. Na ja, ich warte, während Can ungeduldig seufzt. "Geduld wird niemals deine Sträke sein, nicht wahr?", frage ich schmunzelnd. "Wieso dauert das auch so lange?", meckert er, woraufhin ich leise lache. "Es sind nur vier Menschen vor uns." Er schnaubt und murmelt etwas, was gegen die Menschen vor uns geht und mustert mich, weswegen ich wegschaue. Da ich mich unwohl fühle, fahre ich über meine Wangen und verlagere mein Gewicht auf mein rechtes Bein und dann auf mein linkes Bein. Er greift nach meinem Oberteil und zieht etwas daran. "Das ist ja bauchfrei!" Ich schaue leicht verdutzt zu ihn und sehe, wie seine Augenbrauen zusammengezogen sind. "Das Top darunter schon." Ich reibe an meinen gereizten Augen und schniefe einmal. "Trotzdem. Man sieht die Haut an deinem Bauch", murrt er und kneift leicht in meine nackte Haut, die von dünnen Stoff bedeckt ist. Ich muss unwillkürlich schmunzeln und stelle mich mit Can vor den Verkäufer. "Eifersüchtig?", frage ich und grinse. "Nein, es stört mich einfach nur", nuschelt er und hält mir die kleine Tür des Waggons auf. Wir setzen uns hinein, bedacht nebeneinander zu sitzen und fahren langsam hoch. Ich schaue sofort nach draußen und versuche mich auf die Aussicht zu konzentrieren und nicht auf Cans Hand die mit meinen Locken spielt. Nicht ablenken lassen, Shana.
Seine Hand fährt weiter hoch zu meiner Kopfhaut, weswegen meine Augen sich automatisch vor Entspannung schließen. Wir bleiben in der Luft stehen, weswegen die Aussicht perfekt ist. Wäre es jetzt dunkel, dann wäre es noch besser. Cans Hand fährt von meinem Kopf zu meinem Rücken hinunter, wo er dann sanft meine Taille greift und mich näher an sich heranzieht. Sofort erstarre ich. Wieso tut er das? Wieso mag ich es? Wieso fühlt es sich so gut an? Ich drehe mich langsam zu ihm und schaue in seine gelben Augen, die mich verträumt anschauen. Schüchtern lächele ich und lege meinen Kopf auf seine Brust. Eigentlich sollte ich das nicht tun, aber der Moment ist einfach zu schön, als dass ich ihn zerstören könnte. Ich schließe mit einem wohligen Schauer die Augen und atme heimlich seinen Duft in mich hinein. Wäre meine Nase nicht verstopft, würde ich sein Parfüm intensiver riechen, aber das ist besser, als nichts. Mein Herz schlägt wieder schneller, mein Bauch und mein Brustkorb kribbeln. Dieser Moment ist so schön, dieses Gefühl ist so schön. Ich kann nicht fassen, dass wir gerade so nebeneinander sitzen. Träume ich nur? Der schöne Moment wird durch mein Handy unterbrochen, welches angefangen hat zu klingeln. Ich lese Mama auf dem Display und entferne mich sofort von Can.
"Ja?" Das Riesenrad fängt wieder an, sich zu bewegen.
"Shana, komm bitte so schnell wie möglich nach Hause." Sie seufzt.
"Wieso?"
"Wir bekommen total viel Besuch und ich brauche viel Hilfe im Haushalt." Ich sage ihr, dass ich gleich kommen werde und lege auf.
"Can, ich muss nach Hause", nuschele ich etwas beschämt, da der Moment zerstört wurde. Er nickt mir lächelnd zu und verlässt dann mit mir den Waggon. Wieder legt er einen Arm um mich und läuft langsam zurück. Es kommt mir so vor, als ob er extra langsamer läuft, um so viel Zeit wie möglich mit mir zu verbringen. Ehrlich gesagt, will ich auch viel Zeit mit ihm verbringen, auch wenn es falsch ist. "Deine Mutter ruft immer im besten Moment an", kommentiert Can schmunzelnd und schließt das Auto auf. "Ja, das liegt in den Genen." Ich spitze meine Lippen und mache das Radio an. "Warte, das musst du mögen." Er drückt öfters auf einem Knopf herum, woraufhin Closer von The Chainsmokers läuft. Ich grinse sofort und mache mich bereit mitzusingen. Schnell greife ich seine Hand, die auf der Mittelkonsole liegt und schwinge sie mit, während ich meine Choreografie ablege. Ich verbinde so viel Positives mit dem Lied, seitdem ich es zum ersten Mal mit Can gehört habe. Ich bin immer so verdammt glücklich und kann nicht aufhören zu strahlen, wenn das Lied läuft. Es weckt so viele Gefühle in mir. "Noch einmal", bitte ich euphorisch, weswegen Can das Lied noch einmal abspielt. "Wenn du willst, kannst du auch auf mir tanzen", gibt er grinsend von sich und fängt an zu lachen, weswegen ich gegen seinen Oberarm schlage und bockig die Arme vor der Brust verkreuze. "Arschloch", murmele ich und spüre im nächsten Moment, wie Can mir in meine Wange kneift. "Schmoll nicht", muntert er mich auf, indem er mir auf meine Lippen tippt und mir somit ein kleines Lächeln entlockt. Die Fahrt endet viel zu schnell, meiner Meinung nach. Ich habe Can gebeten weiter weg von meiner Straße zu parken und steige aus, was mir Can nachtut. "Du musst nicht aussteigen." "Ich will dich etwas begleiten." Wie süß. Ich zucke lächelnd mit meinen Schultern und laufe neben Can auf den Bürgersteig. Den Weg über sind wir still. Ich weiß, dass Can mir etwas sagen will, ich spüre es formlich, weil er sich etwas anspannt. "Du kannst ruhig wieder gehen. Ich bin gleich da." Ich bleibe stehen und schaue zu Can, der leise ausatmet. "Es war schön", murmele ich verlegen und schaue in seine Augen, die etwas Schuldiges widerspiegeln. Oh nein.
"Ich-, ich liebe Elif." Mein Lächeln fällt sofort, genau wie meine lockere Haltung, die sich verkrampft. Ich spüre sofort dieses unangenehme Kribbeln im Brustkorb. Can lächelt leicht angespannt und fährt sich durch seine Haare. "Ich liebe sie so sehr! Gott, das ist nicht mehr normal!", erzählt er mir und seufzt. Mein Herz zieht sich zusammen, genau wie die Muskeln, die meinen Brustkorb umschließen. Es brennt. Ich presse meine Lippen aufeinander und nicke. "Ich hätte niemals gedacht, dass ich so ein Mädchen finden würde. Weißt du noch, als ich aus Spaß meinte, dass Elif vielleicht die Liebe meines Lebens sein werden könnte?", fragt er mich lächelnd, während ich meine Tränen wegblinzele. Wieso erzählt er mir das? Wieso macht er es? Er soll aufhören, bitte. "I-ich weiß es nicht", gebe ich mit einer angebrochenen Stimme von mir und schaue kurz in den Himmel, um meine Tränen irgendwie wegzukriegen. Hör bitte auf damit, du tust mir damit weh. "Das ist etwas echt Besonderes und-, ach ich rede zu viel über sie. Komm her, lass mich dich umarmen." Er zieht mich in seine Arme und drückt sich fest an mich. Meine Arme schlingen sich um seine Schultern, während meine Augen sich aufeinanderpressen. Wieso tut es so weh, dass er das sagt? Wieso schmerzt es so unheimlich? Ich kann mich nicht mehr kontrollieren, weswegen meinem linken Auge eine Träne runter kullert. Ich fühle mich auf einmal so schlecht. Ich dachte, er mag mich. Das tut er aber doch... nur ein wenig anders, als ich es mir gewünscht habe. "So etwas habe ich noch nie gefühlt, Shana", flüstert er nun. Hör bitte auf, Can. Ich presse meine Lippen und Augen fest zusammen, um kein Wimmern von mir zu geben und nicke mit Druck auf dem Nacken. Meine Hand fährt zu seiner Brust, genau da, wo sein Herz schlägt. Es schlägt schnell und das verletzt mich umso mehr. Es schlägt für Elif und diese Tatsache kann ich doch nicht akzeptieren. Ich will weg. "Immer, wenn sie in meiner Nähe ist, schlägt es schneller. Ich habe immer das Gefühl, dass ich alles ausblende, nur sie nicht, wenn sie mit mir redet." Hör auf, Can. Hört auf damit! Es brennt. Die Kontrolle über meine Tränendrüsen habe ich verloren und fange hier und jetzt an zu weinen. Es ist ein stummes Weinen. Ich kann meine Emotionen vor ihm nicht rauslassen. Ich will es nicht und spanne deswegen meinen ganzen Körper an. Ich muss mich von ihm lösen, auch, wenn sich diese Umarmung zu schön angefühlt, doch ich kann es nicht. Stattdessen übernimmt Can es für mich. "Was ist passiert?", fragt er mich und wischt mir meine Tränen weg. "Dein T-Shirt hat anscheinend Pollenrückstände an sich hängen. Diese haben meine Augen sehr gereizt", lüge ich und zwinge mir ein kleines Lächeln auf. "Hättest du es mir gesagt, dann hätte ich sofort aufgehört." Ich löse seine Hände von mir, die meine Haut in Flammen setzen und trete einen Schritt zurück. "Das ist nicht schlimm", versichere ich ihm heiser und wische mir die nächste Träne weg. Ich wollte sowieso nicht, dass du mich loslässt. "Komm, geh nach Hause und nimm deine Medikamente." Ich nicke und seufze leise. "Wenn du willst, können wir heute telefonieren", schlägt er vor, woraufhin ich automatisch nicke. "Okay, ich rufe dich dann an. Und vergiss bloß nicht deine Medikamente zu nehmen", gibt er warnend von sich und tritt an mich heran. "Ich mag es nicht, wenn du so aussiehst. Du erscheinst mir dann immer so hilflos", haucht er und lehnt seine Stirn gegen meine. Ich bin hilflos, Can. "Da kann man nichts machen", wispere ich und schließe meine Augen. Das kribbelnde Gefühl im ganzen Körper genieße ich, auch wenn es falsch ist. Es ist wie ein süßliches Angebot, welches ich nicht abschlagen kann und als Can dann seine Lippen auf meine Stirn legt, habe ich das Gefühl, auf Wolken zu laufen. Ich darf nicht weinen... nicht jetzt. Er lässt sich sehr viel Zeit, weswegen mein Herz bei jeder Sekunde gefühlt schneller schlägt. Seine Lippen fahren sachte und hauchzart meine Stirn hinunter und lösen sich, als er an meinem Nasenbein angelangt. Hör damit niemals auf, bitte. "Bis später", flüstert er ganz nahe an meinem Gesicht und geht dann zurück. "Bis später", flüstere ich zurück und drehe mich um. Ich kneife meine Augen wieder zusammen und versuche mich zu beruhigen. Es ist nur Can! Es ist nur ein Junge, nur ein Player. Ein Player, der sich in ein Mädchen verliebt hat, mehr nicht. Verstehe das, Shana!
Ich laufe schneller und renne die Treppen hoch, bleibe in der ersten Etage stehen und weine. Es brennt in mir. Mir ist schon schwindelig. "Can", wimmere ich schniefend. Es tut so verdammt weh, aber wieso? Er ist vergeben und ich bin nicht in ihn verliebt. Liegt es an meiner Sensibilität? Wieso tut er das? Wieso erzählt er es mir? Sieht er mich als Vertrauensperson? Wieso kann er das nicht Malik oder Ramazan erzählen? Wieso kann ich mich nicht von ihm fernhalten? Es ist so verdammt falsch von mir. Ich mache einen gewaltigen Fehler, weil ich einen glücklich vergebenen Jungen an mich heranlasse, aber ist es denn wirklich verwerflich? Er ist so glücklich und schwärmt von ihr. Es kommt mir nicht so vor, als ob er etwas von mir will, deswegen kann ich es irgendwie nicht so schlimm sehen. Ich weiß nicht, was ich tun soll und schüttele verzweifelt den Kopf. Schniefend wische ich mir meine ganzen Tränen weg und atme zitternd durch. "Alles ist gut", flüstere ich mir selber zu. Ich darf nicht trauern, das tut mir nicht gut und hilft mir nicht. Wenn Can glücklich ist, dann muss ich es doch auch sein. Alles wird gut. Bald ist es vorbei... endlich. Bald muss ich mir dieses Leid nicht mehr antun. Dieses so sinnliche Leid, welches mich sooft lächeln und strahlen lässt. Werde ich es noch lange aushalten? Ich habe eigentlich keine andere Wahl, weil ich jedes Mal von ihm beeinflusst werde. Ich vergesse fast immer das Negative, wenn Can mich anlächelt und mit mir redet. Ich will so gerne seine Gedanken lesen können. Gott, was soll ich bloß machen? Was ist los mit mir? So etwas hatte ich noch nie. Ich kann nicht verliebt sein, das kann nicht sein. Ich war noch nie verliebt und wollte mich auch nicht verlieben - vor allem nicht in Can. Nein, das kann ich nicht zulassen! Ich wische mir wütend über mein Gesicht und steige die Treppen weiter hinauf. Nein, das ist es nicht. Es ist ein anderer Grund.
Oben an der Haustür angekommen, atme ich tief durch und schließe die Tür auf, wechsele in lockere und kürzere Kleidung und gehe dann zu meiner Mutter in die Küche, wo ich die Kartoffeln schneiden und die Mandeln pellen muss. "Shana, geh deine Medikamente nehmen, deine Augen sind sehr rot." Das kommt auch vom Weinen, Mama. Ich höre auf meine Mutter und nehme das Antiallergikum ein. Kurz setze ich mich auf mein Bett und seufze resigniert. Wieso erzählt er mir das immer? Immer dann, wenn sich der schöne Moment dem Ende neigt, sagt er, wie sehr er doch Elif liebt. Hat er Schuldgefühle und kompensiert sie so etwas? Ich weiß es nicht. Ich laufe wieder in die Küche und fange an die Mandeln aus ihrem Mantel zu pellen, woraufhin ich die Kartoffeln schäle und sie zu groben Würfeln schneide. "Wann bist du noch mal auf Klassenfahrt?", fragt meine Mutter mich, die gerade den Reis zubereitet. "Am 2. Juni", antworte ich und räuspere mich danach, da meine Stimme etwas kratzig war. Nach dem Vorbereiten der Zutaten, muss ich Staubsaugen und lege mich dann auf mein Bett. Im passenden Moment ruft mich Can an, doch ich gehe nicht ran. Mein Herz schlägt schneller, mir ist so warm. Ich schaue auf seinen Namen und versinke in Gedanken. Wieso ruft er Elif nicht an? Er liebt sie doch und nicht mich, was auch grotesk wäre, da wir uns nur streiten, auch wenn wir jetzt erstaunlich gut miteinander auskommen. Can hat anscheinend aufgelegt, da mein Handy nicht mehr klingelt, doch nach einigen Sekunden fängt es wieder an zu klingeln. Wegen seiner Sturheit und Ungeduld muss ich schmunzeln.
"Ja?", kommt es kratzig von mir, weswegen ich mich räuspere.
"Hast du deine Medikamente genommen?" Ich bestätige es ihm und verdrehe meine Augen.
"Wieso bist du beim ersten Mal nicht ran gegangen?"
"Ich war in der Küche, musste helfen", lüge ich.
"Du könntest auch mal wieder hierher kommen und kochen, das wäre kein Problem", sagt er und lächelt bestimmt verschmitzt.
"Du könntest auch mal wieder das Essen deines Vaters bestellen. Die frittierte Hähnchenbrust mit der Erdnusssoße und den Kirschen und den Schoko-,"
"Nein? Damit du an einem anaphylaktischen Schock stirbst oder was?", fragt er leicht aufgebracht, was mich verträumt grinsen lässt. In diesem Moment war er so besorgt, so hilflos. Er wollte nichts anders, als mir zu helfen. Der Tag war sehr schön.
"Joa", seufze ich gefolgt von einem kleinen Lacher.
"Shana, das war alles andere als lustig", gibt er ernst von sich, weswegen sich meine Lippen aufeinanderpressen.
"Wie hast du dich in diesem Moment gefühlt?", frage ich auf den Tag bezogen, als mich Can das erste Mal zu seinem Vater nach Köln gefahren hat.
Er seufzt lange.
"Das war erstmal ein Schockmoment. Ich dachte, du hättest deine Tage." Ich verdrehe meine Augen und muss schmunzeln.
"Aha."
"Dann habe ich gesehen, dass deine Lippe immer mehr anschwillt und habe mich erst dann daran erinnert, dass du Allergien hast. Ich-, ich musste dir helfen, aber wusste nicht, was ich machen sollte und als ich vor dir war, hat sich eine leichte Wut angestaut." Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen.
"Wieso das?", frage ich wissensdurstig.
"Weil ich nicht wusste, wie ich dir helfen könnte. Du saßt leidend mit rotem Hals und geschwollener Unterlippe von mir und hast immer die Augen vor Schmerzen zusammengekniffen. Ich wollte nichts anderes, als dir zu helfen", murmelt er am Ende, was mein Herz erblühen lässt.
"Ouh", ist das Einzige, was er zu hören bekommt.
Ich muss unwillkürlich lächeln und schaue mit einem beschleunigten Herzschlag in den Himmel. Ich freue mich so sehr über die Tatsache, dass Can sich Sorgen um mich gemacht hat und deswegen ein kleines Gefühlschaos in ihm herrschte. Damals war alles noch so frisch. Es ist jetzt immer noch frisch, aber damals haben wir uns immer sooft gestritten. Es war so verdammt schön und wenn ich wieder daran denke, dann fühle ich wieder dieses schöne Gefühl. Ich will dieses Gefühl nicht missen wollen. Aus heiterem Himmel fällt mir wieder ein, dass Can sich eine bordeauxrotfarbene Krawatte holen wollte. Ob Elif wohl was dagegen hat? Scheiß auf Elif! Can weiß, was er da tut! Mein Unterbewusstsein hat recht. Wenn Can etwas macht, dann weiß er auch was er tut - bezogen auf die Beziehung. Er liebt - leider Gottes - Elif und deswegen würde er ihr nicht das Herz brechen wollen. Wenn Elif es nicht wollen würde, dann würde Can auch nichts mit mir unternehmen, also? Ich muss diese Gedanken endlich loswerden. Scheiß auf Elif, Schwester!
"Hast du schon eine bordeauxrote Krawatte?", flutscht es mir raus.
"Noch nicht. Hast du schon ein bordeauxrotes Kleid?", stellt er mir die Gegenfrage.
"Noch nicht", gebe ich leicht kichernd von mir und greife mir sofort nach meinem Laptop und meinen Ohrhörern, die ich an mein Handy anschließe.
"Du könntest mir jeder Zeit Bilder von dir in Kleidern schicken, damit hätte ich kein Problem. Aber achte darauf, dass die Kleider hauteng sind", bittet er mich in einem perversen Ton und lacht danach tief auf, während ich meine Augen verdrehe.
"Träum weiter, Can."
"Das mache ich." Es wird still in der Leitung.
"Shana?"
"Mh?"
"Wieso hast du zu mir gesagt, dass ich dir nichts tun soll?" Eine unangenehme Gänsehaut streift meine Arme.
"Ich..." Was soll ich sagen?
"Wieso hattest du Angst vor mir? Du weißt doch, dass ich dir niemals etwas antun würde." Man hört raus, dass er nicht möchte, dass ich so von ihm denke. Es stört ihn.
"Ich-, ich habe...", setze ich an, doch kann den Satz nicht beenden.
"Wenn ich dir etwas erzähle, erzählst du mir auch das, was ich wissen möchte?", fragt er mich ruhig.
"Vielleicht", hauche ich und höre ihn seufzen.
"Ich habe von dir geträumt." Meine Augen weiten sich überrascht.
"Wann?", will ich wissen.
"Das war glaube ich am Sonntag oder Mon-, nein, nein. Es war Sonntag, da bin ich mir sicher." Ich schlucke und höre aufmerksam zu und bemerke, dass ich nichts in die Suchleiste getippt habe, was ich jetzt mache.
"Erzähl."
"Es war so: Wir haben uns irgendwie gestritten oder diskutiert und dann habe ich etwas gesagt, weswegen du mich geschockt angeschaut hast. Du hast deinen Kopf geschüttelt und bist endgültig verschwunden. Ich habe dich danach nie wieder gesehen." Ich weiß nicht, was ich sagen soll und bleibe deswegen still.
"Das...", setze ich doch an, seufze aber dann.
"Ich bin danach sofort aufgestanden und musste sichergehen, dass es nur ein Traum war. Um 03:00 Uhr etwas bin ich auf WhatsApp gegangen, um zu sehen, ob du noch wach bist. Ich habe dir geschrieben, nur um sicher zugehen, dass du noch bei mir geblieben bist. Als du nicht geantwortet hast, hatte ich immer noch das Gefühl, dass du für immer gegangen bist, bis ich dich dann am Montag in der Schule gesehen habe", erzählt er mir. Schicksal. Schicksal, dass wir am selben Tag schlecht voneinander geträumt haben und uns Sorgen gemacht haben. Wir beide wollten sicher gehen, dass es nicht wahr ist und haben uns Gedanken darüber gemacht. Das Schicksal überrascht mich immer wieder. Ob er auch etwas emotional wurde? Hat er wohl im Schlaf geredet? Worüber haben wir im Traum diskutiert?
"Weißt du, weswegen wir uns gestritten haben?", frage ich und hoffe, dass er sich daran erinnern kann.
"Nein."
"Ouh, schade", murmele ich und zucke mit meinen Mundwinkeln.
"Erzählst du mir jetzt, wieso du so solche Angst hattest?" Soll ich? Er hat mir doch im Prinzip dasselbe gestanden, wieso sollte ich es nicht auch tun? Ich seufze. Augen zu und durch.
"Ich habe geträumt, wie du dich gegen mich gestellt hast. Du warst auf Elifs Seite, die mich dreckig von der Seite angemacht hat. Ich habe es natürlich nicht auf mir sitzen lassen und habe angefangen mit dir zu diskutieren und dich zu beleidigen. Dann habe ich etwas gesagt, weswegen du-," Ich breche den Satz ab und atme tief durch. Ich habe das meiste hinter mir.
"Was habe ich gemacht?" Seine Stimme ist rau und etwas kratzig.
"Mich geschlagen", flüstere ich und presse meine Lippen aufeinander. Ich höre, wie er laut atmet und dann das Knarzen seines Bettes.
"Komm raus", kommt es plötzlich kalt von ihm.
"W-was?"
"Du hast mich schon verstanden. Wir treffen uns am Krankenhaus." Ich fühle mich unwohl.
"Can, wir kriegen Besuch."
"Das ist mir egal. Du kommst, selbst, wenn ich dich hier hin tragen muss", presst er hervor und legt auf.
Ich schlucke und halte mir meine Hand vor den Mund. Was wird er gleich bloß machen? War es ein Fehler, es ihm gesagt zu haben? Er ist sauer, das weiß ich. Ich will ihn zwar gerne sehen, doch irgendwie auch nicht. Ich habe ihn doch vor einer Stunde gesehen und bin weinend nach Hause gelaufen, weil er von Elif geschwärmt hat. Ob er das wieder tun wird? Ich atme tief durch und entferne die Ohrhörer von meinem Handy, bevor ich meine Schuhe anziehe und meiner Mutter sage, dass ich im Lidl nach einer Soße gucken will. Nervös und aufgeregt zugleich laufe ich auf das Krankenhaus zu und sehe Cans angespannten Körper, der ungeduldig hin und her läuft. Wird er gleich ausrasten? Ich laufe langsam auf ihn zu, woraufhin er sich umdreht, als er meinen Schatten zieht. Er läuft die paar Schritte auf mich zu und zieht mich in eine innige Umarmung. Überrumpelt erwidere ich sie mit der gleichen Intensität und atme heimlich seinen markanten Duft ein. Ich spüre wie sich seine Brust auf und ab bewegt und wie sein Atem meinen Nacken kitzelt. "Shana, denk niemals so von mir", flüstert er. "Ich kann und will mir gar nicht vorstellen, wie ängstlich du aussahst. Ich musste sofort an den Tag vor der Sporthalle denken." Eine Gänsehaut überflutet mich, woraufhin ich meine Arme fester um seinen Nacken schlinge und mich auf meine Zehenspitzen stelle.
"Deswegen hattest du so eine Angst vor mir", murmelt er und legt seinen Kopf tiefer, sodass seine Haare meine Halsbeuge streifen. Ich löse mich langsam von ihm und schaue beschämt zu Boden. Can ist rausgekommen, um mich zu beruhigen, um mich in den Arm zunehmen, um mir zu versichern, dass er mir niemals etwas antun würde. "Glaubst du mir?", fragt er mich hoffnungsvoll, woraufhin ich zögernd nicke. Etwas anderes hätte ich nicht antworten können. Ein zufriedenes und wunderschönes Lächeln kommt hervor und lässt mich ebenfalls lächeln. Es deprimiert mich, dass Can an Elif vergeben ist. Elif verdient seine Liebe nicht, sie schätzt es gar nicht wert, wie großzügig und liebevoll Can sein kann. Miststück. Ich muss diese letzten Monate mit ihm genießen. Ich kann gar nicht anders, da ich nicht die ganze Zeit trauern will. "Das hätte ich niemals von dir gedacht", nuschele ich, was ihn fragend schauen lässt. "Dass du deine Gefühle zeigen kannst. Damit kannst du wirklich das Herz jedes Mädchens gewinnen", murmele ich am Ende und schaue kurz auf den Eingang hinter ihm. Sein Blick kriegt etwas Schuldiges. Irgendetwas bedrückt ihn. Ich spanne mich unwillkürlich an. Nein, bitte nicht, Can. "Ich muss los, Elif wartet." Natürlich, Schuldgefühle. Ich nicke trocken und laufe mit ihm schweigend zurück. Innerlich schreie ich Can zu, dass er Elif vergessen soll. Er soll dieses egoistische Weib vergessen, da er etwas besseres verdient hat. Außerdem schreie ich mir innerlich selber zu, dass ich mich nicht unterkriegen lassen soll, dass ich es mir nicht zu sehr zu Herzen nehmen soll und lieber stolz sein sollte, dass Can trotz Elif bei mir ist, mich tröstet und mich glücklich macht.
Ich sollte das schätzen, was das Schicksal mir anbietet.
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Als Entschädigung, dass statt vier, drei Kapitel zur Lesenacht kamen.
Hab mich fürs Abitur angemeldet und wer weiß? Vielleicht finde ich ja auch meinen Can in einigen Monaten 😏🌚
-Helo
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