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✿Orchidromantik✿


,,Bitte überleg's dir nochmal, ich glaube, er würde sich wirklich freuen, wenn du kommst.", erklang sanft die Stimme aus dem Telefon. Eliah seufzte.

,,Ich habe wirklich keine Lust auf diesen Unsinn. Jedes Mal müssen wir uns den selben Mist anhören, abgesehen davon sind die beiden einfach absolut nicht kritikfähig. Ich bin es leid, den Mund zu halten und alles herunter zu schlucken, was mir durch den Kopf geht, nur weil es nicht in ihr Weltbild passt. Ich habe aus gutem Grund keinen Kontakt mehr zu den beiden.", sagte er dann.

,,Ich weiß, ich weiß. Aber vielleicht wird es ja dieses Mal anders. Menschen ändern sich.
Außerdem ist es sein siebzigster Geburtstag.", erwiderte seine Schwester Edith.
Eliah wusste, dass sie es nur gut meinte, doch aus ihrem Tonfall konnte er heraushören, dass auch sie selbst ihrer eigenen Aussage nicht so ganz glaubte.

,,Wenn du nicht ihretwegen hin gehst, dann tu es für mich. Mit dir halte ich das ganze eher aus.", fügte sie dann hinzu. Eliah überlegte. Er liebte seine Schwester sehr und wollte ihr den Gefallen eigentlich gern tun, doch er wusste nicht, ob er die Gesellschaft seiner Eltern wirklich ertragen wollte.

,,Okay.", sagte er schließlich. ,,Aber ich werde mich diesmal nicht zurück halten, wenn die beiden sich nicht anständig verhalten können."

,,In Ordnung. Das musst du auch nicht.", antwortete Edith. ,,Und danke, dann bis später."
,,Bis nachher.", murmelte er ins Telefon und drückte dann auf den roten Knopf.

Eliah seufzte. Eigentlich hatte er sich auf einen entspannten Samstagnachmittag gefreut, doch es sah ganz so aus, als würde er nun doch die Geburtstagsfeier seines Vaters besuchen.

Er hatte seit Jahren keinen wirklichen Kontakt mehr mit seinen Eltern gehabt und war damit auch eigentlich sehr zufrieden.
Schon in seiner Kindheit hatte es immer wieder Probleme zwischen ihnen gegeben. Seine Schwester Edith war das perfekte Kind gewesen, zumindest kam es Eliah manchmal so vor, während er selbst immer alles falsch machte.

Seine Eltern waren immer schon sehr streng gewesen, sie hatten eine genaue Vorstellung davon, wie alle Dinge um sie herum zu sein hatten. Das schloss ihre Kinder, deren Verhalten, deren Leben und Zukunft mit ein. Wenn etwas nicht in ihr Weltbild passte, wurde es schlecht geredet oder konsequent ignoriert.

Während Edith es geschafft hatte, sich anzupassen und die brave Tochter zu sein, selbst wenn sie, wie Eliah wusste, auch mit vielen Ansichten der Eltern nicht übereinstimmte, hatte Eliah immer schon dazu tendiert, sich gegen ihre Eltern aufzulehnen.

Er hatte einen starken Gerechtigkeitssinn und auch wenn vielleicht nicht jede Diskussion, jede Kritik und jeder Streit es wert gewesen waren - sogar Edith hatte einmal gesagt, er schien manchmal grundlos auf Ärger aus gewesen zu sein - hielt Eliah bis heute einen Großteil seines Verhaltens für angebracht und gerechtfertigt.

Oft hatte es ihn aufgeregt, dass seine Schwester immer unbeteiligt und neutral blieb, sie hielt vor den Eltern lieber den Mund, selbst wenn sie wusste, dass diese im Unrecht waren.

Und gleichzeitig war Eliah bewusst, dass sein kompromissloses Eingreifen und Diskutieren bei Ungerechtigkeiten Edith hin und wieder sehr gestört hatte. Denn damit hatte er den Familienfrieden immer und immer wieder herausgefordert und nicht selten auch seine Schwester mit in den Ärger hineingezogen, selbst wenn diese nichts getan hatte.

Rückblickend tat ihm das ganze wirklich leid - zumindest für Edith - aber gleichzeitig war es für ihn auch nie eine Option gewesen, still zu bleiben, auch wenn er dafür dann eben gewisse Opfer bringen musste.

Schon mit sechzehn Jahren war für Eliah klar gewesen, dass er so bald wie möglich aus dem Haus seiner Eltern ausziehen und den Kontakt zu ihnen minimieren würde.

Auch vorher hatte es diese Gedanken bereits gegeben, doch als seine Eltern in seinem sechzehnten Lebensjahr durch Zufall von seiner Bisexualität erfahren hatten und diese ganz und gar nicht akzeptieren wollten, war für ihn eines endgültig klar geworden:
Sie würden immer ein Problem damit haben, wer er war. Sie würden nicht aufhören, sein Leben kontrollieren zu wollen.

Nachdem Eliah mit neunzehn Jahren endlich hatte ausziehen können und daraufhin den Kontakt zu seinen Eltern immer weiter herunterfuhr, hatte sich jedoch seine Beziehung zu Edith stark verbessert. Die beiden waren sich in vielen Dingen einig, nur hatten sie eben schon immer unterschiedliche Vorstellungen davon gehabt, wie mit dem Verhalten ihrer Eltern umzugehen war.

Sie verbrachten regelmäßig Zeit zusammen und Eliah war froh, zumindest eine Schwester zu haben, die ihn bedingungslos liebte.
Für sie würde er fast alles tun und das war auch der einzige Grund, warum er nun seine Schuhe anzog und sich auf den Weg zu seinem Auto machte um doch tatsächlich am Geburtstag seines Vaters teilzunehmen.

Ein Geschenk hatte er nicht, schließlich war die Entscheidung sehr kurzfristig gefallen, doch Eliah hätte so oder so keines besorgen wollen. Er hatte wirklich keinen Grund und vor allem keine Lust, diesem Mann etwas zu schenken.

Das letzte Mal, dass er seine Eltern wirklich gesehen hatte, war nun fast zehn Jahre her. Eliah war mitlerweile siebenunddreißig, seine Schwester Edith würde dieses Jahr ihren neunundreißigsten Geburtstag feiern.

Nachdem er selbst das Elternhaus mit neunzehn endgültig verlassen hatte, war er in den folgenden Jahren zwar der Höflichkeit wegen noch zu Familienfeiern erschienen, doch irgendwann war ihm auch dies zu viel geworden.

Denn bei diesen Anlässen hatte er sich seiner Schwester zu Liebe tatsächlich fast immer mit seiner Kritik an den Eltern und der ganzen Familie zurückgehalten. Er hatte keine Diskussion anfangen wollen, wenn seine Eltern sowieso keine Einsicht gezeigt hätten und er stattdessen damit nur die Stimmung der Feier ruinierte und alle Anwesenden gegen sich aufbrachte.

Diesmal würde es jedoch anders laufen, das hatte Eliah sich vorgenommen.

Es hatte ihn sowieso gewundert, dass er nach all den Jahren immer noch zuverlässig eine Einladung zu jeglichen Familienfeiern bekam, doch er begründete dies darin, dass seine Eltern immer noch alles daran setzten den Schein einer perfekten Familie zu wahren.

Wenn Eliah also nun tatsächlich zu dieser Geburtstagsfeier erschien, dann würde das zu seinen Bedingungen geschehen.
Womöglich hatte Edith ja sogar Recht und seine Eltern hatten sich zumindest ein klein wenig zum Positiven verändert.

In der gemeinschaftlichen Tiefgarage des Mehrfamilienhauses angekommen setzte Eliah sich hinter das Steuer seines Auto und schaltete den Motor an. Langsam fuhr er an den Reihen von Autos vorbei, bis er schließlich das automatische Tor erreichte.

Während der Autofahrt ging ihm nicht viel durch den Kopf. Eliah fragte sich hauptsächlich, wie sehr sich seine Eltern wohl verändert hatten und wer aus der Verwandtschaft wohl noch anwesend sein würde.

Mit manchen seiner Cousins und Cousinen hatte er sich immer Recht gut verstanden, vereinzelt war dort ebenfalls teilweise der Kontakt abgebrochen, an anderen Stellen hingegen war er geblieben.

Die Autofahrt zum Haus seiner Eltern war leider deutlich kürzer, als Eliah es sich gewünscht hätte. Trotz des Kontaktabbruchs war er nie wirklich aus seiner Heimatstadt herausgekommen. Nur lebten seine Eltern in einem der ländlicheren Vororte, während er selbst mittlerweile eine Wohnung in der Innenstadt besaß.

Grund dafür waren hauptsächlich Freundschaften und natürlich seine Schwester Edith gewesen. Wäre Eliah in eine völlig andere Stadt gezogen, wäre es deutlich schwieriger gewesen, den Kontakt zu den Menschen zu halten, die ihm tatsächlich am Herzen lagen.

Seine Schwester und seine Freund*innen bedeuteten ihm alles und genauso wie manche Menschen für einen Partner ihre Heimat verlassen und umziehen würden, war Eliah wegen der Personen, die ihm am wichtigsten waren in seiner Heimatstadt geblieben.

Aus romantischen Beziehungen machte er sich selbst eher wenig.
Kurz nachdem er mit neunzehn das Elternhaus verlassen hatte, hatte er sich zum ersten Mal wirklich verliebt.

Die Beziehung mit seinem damaligen Freund Serkan hatte ein Jahr gehalten und war dann mit der Zeit irgendwie zerbrochen, unter anderem, weil Eliah sich einfach nicht mehr wohl fühlte. Und das, obwohl sein Ex-Partner nie wirklich etwas falsch gemacht hatte und er ein wirklich toller Mensch war.

Danach hatte Eliah nie wieder jemanden gedatet und war damit auch vollkommen zufrieden. Denn auch wenn er sich sowohl in Männer als auch in Frauen verlieben konnte, war ihm über die Jahre immer deutlicher klar geworden, dass er einfach wirklich keine Beziehung wollte.
Er hatte kein Bedürfnis danach und würde sich darin vermutlich einfach unwohl fühlen, so wie es am Ende mit Serkan gewesen war.

Eliah war zufrieden ohne eine traditionelle romantische Partnerschaft, er erfuhr Liebe und Zuneigung durch andere Arten von Beziehungen und ihm fehlte keineswegs etwas.

Nie hatte er aktiv nach einem Grund für seine Gefühle gesucht, er wusste, dass er weder sich noch anderen eine Erklärung dafür schuldete. Dennoch war Eliah vor ein paar Jahren dann auf den Begriff der Aromantik gestoßen und dieser hatte sein Interesse geweckt.

Mit der Zeit hatte er sich mehr und mehr mit dieser Materie befasst, er hatte gelernt, dass es mehr als nur Aromantik gab - in der er sich eigentlich selbst kaum wiederfand.
Das Aromantische Spektrum jedoch enthielt Label, mit denen er sich selbst eher identifizieren konnte, als mit reiner Aromantik.

Zunächst war ihm der Begriff Lithromantisch als sehr passend erschienen und für ein paar Monate hatte Eliah sich damit bezeichnet. Bis zu dem Punkt, an dem er von einem anderen Begriff erfahren hatte, der ihn noch besser beschrieb: Orchidromantik.

Anfangs war er zögerlich damit gewesen, sich als orchidromantisch zu bezeichnen, denn diese romantische Orientierung war ein Microlabel, noch unbekannter als Aromantik und sogar Lithromantik. Doch dann war ihm klar geworden, dass es keinen Unterschied machte.
Erklären musste er seine romantische Orientierung so oder so.

Es war besser, eine Bezeichnung zu haben, die wirklich zu ihm passte, anstatt sich hinter Labeln zu verstecken, mit denen er sich nicht wirklich identifizieren konnte, nur weil diese der Gesellschaft vielleicht eher bekannt waren.

Orchidromantik war eben einfach der beste Begriff, um seine Gefühle zu beschreiben: Eliah empfand romantische Anziehung, er konnte sich verlieben, aber besaß eben einfach keinerlei Bedürfnis, dieser Anziehung in der Realität nachzugehen indem er sich auf Dates begab oder eine Beziehung einging.
Es war schlichtweg nicht das, was er wollte und womit er sich wohlfühlte.

Als orchidromantisch war Eliah mittlerweile auch bei Edith sowie seinen engsten Freund*innen Phoebe und Henry geoutet. Andere Menschen in seinem Umfeld war auch bekannt, dass er nicht wirklich an romantischen Beziehungen interessiert war, jedoch kannten diese nicht den Begriff, den er für sich verwendete.

Eliahs Eltern wussten selbstverständlich nichts von seiner romantischen Orientierung, er hatte allerdings auch nicht vor, es ihnen heute mitzuteilen.
Die Sache ging die beiden schlichtweg nichts an, abgesehen davon wäre es so oder so eine lächerliche Zeitverschwendung, da die beiden nicht einmal die Bisexualität ihres Sohnes hatten akzeptieren können.

Eliah fuhr mit seinem Auto um die letzte Kurve und erblickte dann das große, alte Haus aus rötlich-braunen Klinkersteinen.

So lange war er nicht mehr hier gewesen. Jedoch verband Eliah mit diesem Gebäude auch viele negative Erinnerungen und hatte nie ein Bedürfnis gehabt, wieder her zu kommen.

Er parkte seinen Fahrzeug am Straßenrand und stieg langsam aus. Ein Blick in die Einfahrt des Hauses, welche mit zwei weiteren PKWs beparkt war, zeigte ihm, dass bereits andere Gäste angekommen waren. Von Edith war jedoch keine Spur.

Und da Eliah sich weigerte, alleine das Elternhaus zu betreten, das vermutlich größtenteils mit Menschen gefüllt sein würde, die er nicht wirklich mochte, entschied er sich, seiner Schwester über sein Handy eine Nachricht zu schreiben: ~Bist du schon da? Ich habe gerade geparkt, aber habe nicht wirklich Lust, alleine rein zu gehen.~

Eine Antwort erhielt Eliah nicht, doch dies sah er als ein gutes Zeichen. Denn Edith war sonst immer erreichbar und beantwortete seine Nachrichten schnell. Dass er jetzt nichts von ihr hörte, musste bedeuten, dass sie gerade unterwegs war.

Er sollte Recht behalten, denn ungefähr fünf Minuten später fuhr seine Schwester auf ihrem Motorrad um die Kurve und winkte ihm aus den letzten Metern Entfernung zu.

So kam es, dass die beiden kurz darauf tatsächlich die kleine Treppe zur großen dunkelgrünen, hölzernen Haustür hinaufstiegen und den Knopf neben dem Klingelschild drückten, das mit den Worten ,,Familie Habicht" beschriftet war.

Einerseits war Eliah nervös, er hatte einen Großteil seiner Familie so lange nicht mehr gesehen. Doch gleichzeitig verband ihn mit diesen Menschen auch nichts, außer ein paar Gene und so war es ihm relativ egal, was sie von ihm hielten.

Die Haustür öffnete sich und die Mutter der beiden erschien. Sie begrüßte Edith herzlich, schließlich sahen die beiden einander hin und wieder. Ihren Sohn schloss sie ebenfalls sofort in die Arme. Eliah ließ sich von seiner Mutter umarmen, erwiderte die Umarmung jedoch nicht.

,,Hans, die Kinder sind da!", rief seine Mutter freudig in das Haus hinein, als wäre es vollkommen selbstverständlich und zu erwarten gewesen, dass auch Eliah tatsächlich erschienen war.

Sie tat so, als wäre alles in Ordnung, obwohl ihr Sohn sich seit Jahren aus guten Gründen nicht mehr bei ihr gemeldet hatte. Jetzt schon überkam Eliah das leichte Bedürfnis, sich umzudrehen und wieder nach Hause zu fahren. Diese Familie war einfach so unfassbar scheinheilig.

Sogar nach zehn Jahren des Kontaktabbruchs und tausenden Streits in Eliahs Jugend, tat seine Mutter so, als hätten sie und ihr Ehemann niemals etwas falsch gemacht und als sei zwischen ihnen und ihren Kindern alles in bester Ordnung.

Die drei betraten das Esszimmer, wo Eliahs und Ediths Vater in einem Rollstuhl saß. Das letzte Mal, als Eliah seinen Erzeuger gesehen hatte, hatte sich dieser bester Gesundheit erfreut und er fragte sich, was diesem wohl zugestoßen war.

Für einen Moment überkam ihn ein Anflug von Mitleid, doch Schuldgefühle hatte er keine. Er schuldete seinen Vater nichts, ganz unabhängig von dessen Gesundheitszustand.

Seine Schwester schien seine Verwunderung zu bemerken und murmelte:,,Papa hatte vor zwei Jahren einen Schlaganfall und kann seit dem nicht mehr richtig laufen."

Davon hatte Eliah nichts gewusst, eigentlich hatte er es aber auch nie wissen wollen. Wenn er und Edith Zeit zusammen verbrachten, sprachen sie fast nie über ihre Eltern, auch wenn seine Schwester mit diesen immer noch halbwegs regelmäßigen Kontakt hatte.

Neben Eliahs Vater saßen am Esstisch sein Onkel mütterlicherseits mit dessen Frau. Dem Vater gegenüber hatten sich Eliahs und Ediths Onkel und Großcousin väterlicherseits niedergelassen.
Von Eliahs eigenen Cousinen oder Cousins war jedoch keine Spur, allerdings konnte er ihre Abwesenheit gut nachvollziehen, schließlich wäre er selbst auch lieber irgendwo anders.

,,Alles Gute zum Geburtstag, Papa.", begrüßte Edith den gemeinsamen Vater. Dieser lächelte. ,,Vielen Dank. Und Hallo mein Sohn, wie schön dich zu sehen.", sagte er.

Auch er schien alles daran zu setzen, vor der Verwandtschaft eine heile Familie darzustellen. Doch Eliah würde dieses Spiel nicht mit spielen, zumindest nicht, wenn sie es zu weit trieben.

,,Hallo Papa.", brachte Eliah heraus und wurde daraufhin schon von seinem Vater gebeten, sich zu ihm zu setzen. Wiederwillig, aber sich äußerlich nichts anmerken lassend, nahm er Platz.

Dabei fiel ihm auf, dass Ediths Anwesenheit dem Vater wohl vollkommen egal zu sein schien. Er konzentrierte sich lieber auf seinen Sohn, wie es in der Kindheit auch schon so oft gewesen war.

Eliah warf einen Blick zu seiner Schwester, die sich unaufgefordert auf einen freien Platz ihm gegenüber gesetzt hatte. Wenige Sekunden später wurde sie jedoch von der Mutter freundlich, aber mit der größten Selbstverständlichkeit in ihrer Stimme, aufgefordert, ihr doch in der Küche zur Hand zu gehen.

Sie protestierte nicht, sondern folgte ihrer Mutter brav, ohne noch einen weiteren Blick zu ihrem Bruder zu werfen. Eliah hätte bereits jetzt schon am liebsten eine Diskussion begonnen, doch für den Moment schwieg er noch.

,,Eliah, wir haben dich so lange nicht mehr gesehen. Sag mal, wo wohnst du mittlerweile denn?", klinkte sich sein Onkel väterlicherseits, Peter, in das vom Vater begonnene Gespräch ein.

,,Ich wohne immer noch hier in der Nähe, in der Innenstadt genauer gesagt.", antwortete Eliah kurz und knapp.

,,Du musst mir später mal deine genaue Adresse aufschreiben, dann können wir dich mal besuchen kommen, ja?", erwiderte sein Onkel und Eliah, der sich fest vornahm, das ganz sicher nicht zu tun, antwortete nur mit einem zustimmenden ,,Mhm".

Peter war ein ähnlich unangenehmer Zeitgenosse wie sein Bruder, das wusste Eliah mitlerweile gut genug.

,,Schaut mal, das Essen ist schon fertig.", sagte daraufhin Eliahs Vater und warf einen Blick zur Küchentür, aus der gerade Edith und ihre Mutter mit Töpfen und Schüsseln in den Händen heraustraten.

Eliah wollte aufstehen und seine Hilfe beim heraustragen der Speisen anbieten, doch sein Vater legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte ihn damit leicht, aber bestimmt nach unten. ,,Bleib doch sitzen, mein Junge."

Eliah schnaubte, er versuchte Blickkontakt mit Edith herzustellen, doch diese schien weiterhin seinen Blick zu meiden, weil sie genau wusste, was er von der ganzen Situation hielt.

Als seine Mutter und Schwester das Essen auf den Tisch gestellt hatten, einen großen Schweinebraten, dazu Kartoffeln, Erbsen und Salat, nahmen sie nun auch Platz.
Da sie einander gegenüber saßen, konnte Edith dem Blick ihres Bruders nun nicht mehr ausweichen.

Er bedeutete ihr mit einem Kopfschütteln, das so viel heißen sollte wie:,,Warum lässt du dir das alles immer noch gefallen?", dass er das alles ganz und gar nicht in Ordnung fand. Edith antwortete ihm mit einem Schulterzucken, als sei das alles nur halb so schlimm und als könne man sowieso nichts daran ändern, und wandte ihren Blick dann erneut ab.

,,Wie schön, dass ihr heute alle hier seid, um mit mir meinen Geburtstag zu feiern. Es geht doch nichts über die Familie.", sagte Eliahs Vater.

Er hielt sein Glas in Richtung seiner Frau, um sie nonverbal dazu aufzufordern, ihm etwas Rotwein einzuschenken und Eliah hätte ihn jetzt schon am liebsten aus seinem Rollstuhl auf den Boden geschubst.

Die ganze Situation schien von allen anderen Betroffenen als vollkommen normal und akzeptabel angesehen zu werden. Edith war vermutlich auch eher anderer Meinung, doch wie schon in der Kindheit ließ sie sich nichts anmerken.

Als schließlich alle etwas zu trinken hatten erhob der Vater sein Weinglas und begann, mit seinen Gästen anzustoßen. Eliah spielte mit, doch bereute zunehmend seine Entscheidung, tatsächlich hergekommen zu sein. Seine Eltern hatten sich kein bisschen verändert.

,,Sag mal, Eliah, wie sieht es denn eigentlich mit Familie aus?", führte Peter das zuvor begonnene Gespräch fort, von dem Eliah eigentlich gehofft hatte, dass es vorbei war, kaum hatten sie alle etwas zu Essen auf dem Teller.

,,Was meinst du?", stellte Eliah sich dumm, auch wenn er sehr wohl wusste, worauf sein Onkel hinaus wollte. ,,Dein Onkel Peter möchte wissen, ob du eine Frau gefunden oder sogar schon Kinder hast. Das würde uns alle glaube ich brennend interessieren.", erläuterte Eliahs Vater.

Natürlich war dem Rest der Familie nie zu Ohren gekommen, dass Eliah an zwei Geschlechtern interessiert war und seine einzige Beziehung eine gleichgeschlechtliche gewesen war. Zwar wussten seine Eltern von der Bisexualität ihres Sohnes, doch ihm war bewusst, dass sie niemals zulassen würden, dass diese Information die Verwandtschaft erreichte.

Stattdessen fragten sie ganz selbstverständlich
ausschließlich nach einer weiblichen Partnerin, wie sie es schon in seiner Jugend getan hatten. Und in diesem Alter kam nun eben auch noch die Frage nach Kindern dazu.

,,Nein, ich bin nicht verheiratet. Ich bin auch in keiner Beziehung und damit absolut zufrieden.", beantwortete Eliah die Frage ehrlich. ,,Du konzentrierst dich also auf deine Karriere, nehme ich an. Ein richtiger Mann, deine Eltern sind bestimmt stolz auf dich.", erwiderte Peter.

,,Aber wir wünschen uns schon Enkelkinder, du findest bestimmt bald eine nette Frau.", fügte nun Eliahs Mutter hinzu.
,,Ich habe aber aktuell kein Bedürfnis danach und Kinder möchte ich auch keine.", entgegnete Eliah ernst.

,,Ach, lass deinen Jungen doch, er hat eben andere Prioritäten. Ein echter Mann braucht keine Frau, die ihn herum kommandiert und tausend Sachen von ihm erwartet. Allein bist du wahrscheinlich sowieso besser dran.", stellte sich Peter auf seine Seite und lachte gemeinsam mit seinem Bruder.
Eliah hingegen wollte sich am liebsten übergeben.

,,Was ist denn mit Edith, hast du mittlerweile endlich einen Mann gefunden?", wollte sein Onkel dann wissen. Eliahs Schwester schüttelte nur den Kopf.

,,Such deiner Tochter mal schnell einen anständigen Mann, Hans, bald ist sie so alt, dass sie keiner mehr will.", tadelte Peter.

,,Du solltest dich da wirklich mal beeilen, sonst wird das mit den Kindern auch nichts mehr. Schließlich bist du fast vierzig.", mischte sich die Mutter wieder ein.
,,Ich bin aber als Single zufrieden und ich weiß nicht, ob ich Kinder möchte.", erwiderte Edith vorsichtig.

,,Ach red' keinen Unsinn. Jede Frau möchte früher oder später einen Mann und Kinder. Das ist es schließlich, was dem Leben erst Bedeutung gibt. Was soll denn sonst der Sinn deines Lebens sein?", sagte der Vater kopfschüttelnd.

,,Meine Karriere. Meine Freunde und Hobbys. Andere Dinge eben.", meinte Edith, doch an ihrem Tonfall erkannte Eliah, dass sie bereits wusste, dass sie verloren hatte. Ihre Eltern würden diese Antwort nicht akzeptieren, nicht bei ihrer Tochter.

,,Mein Schatz." Die Mutter drehte sich zur Seite zu Edith. Ihr Tonfall war der einer Erwachsenen, die gerade mit einem kleinen Kind sprach.

,,Wir meinen es doch nur gut mit dir. Eine Ehe ist das Beste, was dir passieren kann. Wenn du endlich einen Partner gefunden hast, wirst du das schon selbst merken. Nichts übertrifft die Liebe zwischen einem Mann und seiner Frau. Und gemeinsame Kinder bereichern eine Ehe nur noch mehr. Glaub mir.", sagte sie.

Eliah wurde das nun endgültig alles zu viel. Eine Sekunde hatte er noch überlegt, seine Reaktion weiterhin zurückzuhalten doch langsam reichte es ihm wirklich. Er konnte nicht anders, als lauthals zu Lachen, so lächerlich war die Aussage seiner Mutter.

,,Das ist doch wohl nicht dein Ernst.", sagte er danach mit wütendem Tonfall. ,,Allein schon diese Ehe ist unfassbar kaputt. Das sieht jeder, nur diese verrückte Familie nicht."

,,Es gibt keinen Grund, sich aufzuregen. Bitte beruhige dich, mein Schatz-", versuchte es Eliahs Mutter, doch ihr Sohn war nicht mehr zu stoppen.

,,Ihr behandelt einander so schlecht, vor allem du, Papa, bist ein unfassbar schlechter Ehemann. Du behandelst Mama wie eine Dienerin, ganz selbstverständlich, und das war schon immer so.

Eure Beziehung ist  toxisch, ihr vertraut einander kein Stück. Mama durfte nie auch nur mit einem Mann allein ein Gespräch führen, sogar ihren Arbeitskollegen hast du misstraut. Du hast ihr wortwörtlich verboten, sich mit Männer zu treffen, wenn du nicht dabei warst, als wäre sie dein Besitz.

Und du, Mama, hast jedesmal einen riesigen Aufstand gemacht, wenn Papa ein klein bisschen zu spät von der Arbeit oder einem Termin nach Hause kam, weil du dachtest, er trifft sich mit anderen Frauen und betrügt dich. Das ist so unfassbar lächerlich.

Eure Ehe ist von Anfang an kaputt gewesen, aber ihr erzählt uns etwas von der unübertreffbaren Liebe zwischen Mann und Frau. Das ist doch krank."

,,Eliah, ich muss doch wohl sehr bitten-", versuchte es nun sein Vater ernst, blieb jedoch erfolglos.
,,Halt den Mund. Halt einfach deinen Mund, ich bin noch nicht fertig.", knurrte Eliah nur. Er hatte gerade erst angefangen.

,,Abgesehen davon scheint ihr einander auch so zu hassen. Unsere gesamte Kindheit habt ihr euch immer nur über einander beschwert. Diese ganzen sexistischen Witze und Sprüche, von beiden Seiten aus, das ist so ekelhaft.

Männer die so tun, als wären ihre Frauen die nervigsten, unausstehlichsten Menschen der Welt und Frauen, die Witze darüber machen, dass ihre Männer sterben sollen. Dass ihr genau das als vollkommen normal und gesund anseht und uns, euren Kinder, so vorlebt, ist doch Wahnsinn.

Ich habe mich schon als Kind gefragt, wieso ihr euch nicht einfach trennt aber jetzt weiß ich, warum: Euer verrücktes, krankes Weltbild sagt euch, dass es genauso sein sollte, obwohl ihr und alle anderen um euch herum darunter leiden. Und weil ihr zu ignorant und kritikunfähig seid, um irgendetwas zu ändern."

,,Jetzt reicht es langsam, so lasse ich nicht mit mir reden! Du magst erwachsen sein, aber das heißt nicht, dass du so respektlos mit deinen Eltern sprechen darfst.", rief nun Eliahs Vater und knallte mit der Faust auf den Tisch.

,,Ja, ich bin erwachsen. Und Edith ist es auch - sie ist sogar älter als ich -  aber ihr behandelt sie immer noch wie ein kleines, dummes Kind. Das habt ihr auch schon in ihrer Jugend getan.", entgegnete Eliah lautstark.

,,Sie ist eine erwachsene Frau, sie ist ein mündiger Mensch. Und anstatt anzuerkennen, was sie alles erreicht hat, zum Beispiel beruflich, versucht ihr nur, uns beiden kompromisslos eure verkorksten Vorstellungen von einem erfüllten Leben aufzudrängen."

,,Wir wollen doch nur dass Edith glücklich wird und ein gutes Leben hat, wir wollten schon immer nur das Beste für euch beide.", mischte sich die Mutter wieder ein. Ihre Aussage war so lächerlich, dass Eliah am liebsten erneut laut gelacht hätte.

Doch stattdessen sah er seiner Mutter in die Augen und sagte kalt:,,Hör auf zu Lügen. Und hör vor allem endlich damit auf, heile Welt und perfekte Familie zu spielen."

Bei diesen Worten blickte er kurz zu seinem Großcousin, seinen beiden Onkeln und seiner Tante. Sie konnten ruhig wissen, mit welcher Dreistigkeit seine Eltern bis heute so taten, als wäre alles in bester Ordnung zwischen ihnen und ihren Kindern.

An seine Mutter gewandt fuhr Eliah fort:,,In ihrer Jugend habt ihr Edith fast jeglichen Kontakt zu Jungen verboten. Als sie einmal einen Jungen erwähnte, in den sie verliebt war, habt ihr ein riesiges Theater gemacht und klargestellt, dass sie ganz sicher nicht auf Dates gehen wird und ganz bestimmt keinen Freund haben darf.

Nicht einmal männliche Freunde durfte sie haben, weil ihr nicht an Freundschaften zwischen Jungen und Mädchen glaubt, sondern diesen Jungen ebenso misstraut habt. Aber jetzt, wo sie erwachsen ist, könnt ihr nicht damit aufhören, sie in eine Ehe mit einem Mann zwingen zu wollen.

Und obwohl sogar eure eigene Ehe eine Katastrophe ist, seid ihr nicht in der Lage, andere Lebensstile oder Beziehungsformen anzunehmen und zu wertschätzen. Merkt ihr eigentlich, wie verrückt das alles ist?"

Eliah machte kurz eine Pause und holte Luft. Er wollte nicht für seine Schwester sprechen und ihr damit ihre Selbstständigkeit nehmen, es war schon schlimm genug, dass ihre Eltern dies ständig taten. Aber er war es auch einfach leid, zu sehen, wie sehr auf Edith herumgetrampelt wurde, ohne dass sie sich wehrte.

,,Ihr beide verkörpert einfach alles, was mit dieser Gesellschaft im Bezug auf Beziehungen falsch läuft. Jede einzelne verdammte Norm und Wertvorstellung. ", schloss Eliah schließlich.

Während seiner Monologe war er von seinem Stuhl aufgestanden, ohne es wirklich wahrzunehmen. Auf seinem Teller vor ihm lagen immer noch die Kartoffeln und der Schweinebraten, von dem er nur einen Bissen gegessen hatte.

Er wollte seine Jacke nehmen und aus dem Haus marschieren, er konnte diese Menschen einfach nicht länger ertragen. Doch in diesem Moment hatte seine Wut die Oberhand, so dass er noch ein letztes Mal den Mund öffnete.

,,Ich will keine Beziehung, ich werde nie eine haben, denn ich bin orchidromantisch. Ich weiß, ihr habt keine Ahnung was das bedeutet, aber es spielt keine Rolle, weil ihr es sowieso nicht anerkennen, sondern konsequent ignorieren und verschweigen würdet. Genauso wie ihr es auch mit meiner Bisexualität getan habt, weil es ja die allergrößte Schande wäre.

Das ist mein Grund, warum ich keine Ehe eingehen werde.
Warum Edith Single ist, weiß ich nicht, aber egal was für einen Grund sie dafür hat, ihr habt es verdammt nochmal zu akzeptieren. Es ist nicht euer Leben."

Mit diesen Worten schob Eliah entgültig seinen Stuhl zur Seite und stapfte mit seiner Jacke über dem Arm durch das Esszimmer in den Flur. Er rechnete nicht damit, dass ihm jemand folgte und er würde auch nicht mehr umkehren. Er wollte einfach nur noch raus aus diesem Haus.

Gerade als er durch die Haustür trat, brach im Esszimmer das erstaunte Schweigen, das er hinterlassen hatte. Er hörte die Stimme seiner Schwester zuerst zögerlich, aber dann mit zunehmend mehr Mut und Ausdrucksstärke sagen:,,Eliah hat mit ausnahmslos allem Recht. Ganz ehrlich, fickt euch doch."

Nur wenige Sekunden später war auch sie bei ihm an der Haustür angekommen. Gemeinsam schlossen sie diese hinter sich und gingen die kleine Treppe hinunter.

Eliahs Wut war verflogen, er konnte noch nicht ganz realisieren, was gerade passiert war. Doch kurz darauf füllte sich seine Brust mit Wärme und einen Gefühl von Stolz.

,,Es tut mir leid, dass ich dich hier zu überredet habe. Es war eine beschissene Idee.", meinte Edith, als sie beide am Ende der fünf Stufen zum Stehen gekommen waren. Eliah jedoch schüttelte den Kopf.

,,Ja, das war es, aber scheiß drauf. Ich bin stolz auf dich.", sagte er und nahm seine Schwester in den Arm. Diese erwiderte die Umarmung sofort und ließ ihn für eine lange Zeit nicht mehr los.

Als sie sich doch voneinander lösten, bemerkte Eliah, dass sie ein paar Tränen in den Augen hatte. Daraufhin nahm er ihre Hand und verschränkte seine Finger mit ihren. Edith drückte seine Hand fest und schien dankbar für seine Nähe zu sein.

,,Soll ich mit zu dir nach Hause kommen?", schlug Eliah vor und seine Schwester nickte. ,,Ja, das wäre schön."

,,Na dann komm.", meinte Eliah mit einem leichten Lächeln und ging dann Hand in Hand mit seiner Schwester in Richtung seines geparkten Autos.

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