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✿⁠Greysexualität✿⁠

Es war früh am Morgen und Kostas blickte aus seiner Wohnung über die Dächer von München.
Vor zwei Wochen war er hier eingezogen.

Bisher hatte er sich an der Aussicht noch nicht satt gesehen, aber wenn er ehrlich war, glaubte er auch nicht, dass das jemals passieren würde. Eigentlich kam Kostas aus Salzburg.

Dort hatte er die letzten Jahre gemeinsam mit seiner Mutter gewohnt. In seiner frühen Kindheit hatte sein Vater auch noch dort mit ihnen gelebt. Doch als er ungefähr zehn Jahre alt gewesen war, hatten sich seine Eltern scheiden lassen.

Danach war sein Vater zurück in sein Heimatland Griechenland gezogen und Kostas hatte so gut wie keinen Kontakt mehr mit ihm gehabt.

Er wusste, dass seine Eltern sich getrennt hatten, weil zumindest seine Mutter seinen Vater einfach nicht mehr geliebt hatte und die Beziehung nicht hatte aufrecht erhalten wollen, weil sie nicht glücklich gewesen war.

Diese Tatsache hatte Kostas Mutter ihm auch oft genug erklärt, doch lange Zeit hatte er dennoch geglaubt, es wäre ebenfalls seine Schuld gewesen. Denn ungefähr zwei Jahre vor der endgültigen Scheidung der Eltern hatte Kostas das Ballett für sich entdeckt.

Sein Hobby war schnell zu einem Streitpunkt in der Familie geworden. Während seine Mutter sich freute, dass ihr Sohn soviel Spaß am Tanz fand und ihn dabei unterstützen wollte, war der Vater dagegen.

Kostas erinnerte sich daran, dass sein Vater oft gesagt hatte, Ballett sei nichts für einen Jungen und er solle lieber Hockey oder Basketball spielen. Schließlich hatte seine Mutter sich aber durchsetzen können und ihn zu seiner größten Freude zum Ballettunterricht geschickt.

Und von da an hatte es auch mehr Streitereien zwischen den Eltern gegeben. Manchmal hatte sich Kostas in seiner Jugend deswegen schuldig gefühlt und fast mit dem Gedanken gespielt, das Tanzen aufzugeben.

Als er älter war, hatte seine Mutter ihm zwar berichtet, dass die Trennung der Eltern tatsächlich nicht ganz unabhängig von seinem Hobby gewesen war. Jedoch hatte sie ihm auch erklärt, dass sie sich nicht wegen seines Hobbys von seinem Vater getrennt hatte, sonder für ihn und für das Ballett.

Abgesehen von ihrem verlorengegangenen Gefühlen gegenüber ihrem damaligen Ehemann hatte sie nicht zulassen wollen, dass dieser seinem Sohn seine Leidenschaft und seine Träume zerstörte.

Auch die gemeinen Kommentare von manchen seiner Mitschüler hatten Kostas immer wieder Unsicherheit gegenüber seinem Hobby verspüren lassen.
Doch seine Mutter hatte ihn immer unterstützt.

Und vor zwei Monaten hatte sich sein hartes Training, der Zeitaufwand und die Unterstützung der Mutter endlich ausgezahlt: Er war an der Ballettakademie in München angenommen worden.

Dies war auch der Grund für seinen Umzug in die neue Stadt gewesen. Kostas war seiner Mutter sehr dankbar für ihre jahrelange Ermutigung, sein Hobby beizubehalten.

Sie hatte schnell begriffen, wie viel ihrem Sohn am Ballett lag und ihn immer daran erinnert, dass er nicht andere Menschen glücklich machen musste, sondern nur sich selbst.

Wenn jemand ein Problem damit hatte, dass er als Junge Freude am Tanzen fand, dann war das nicht sein Problem sondern eben das der entsprechenden Person.

Trotz der Ablehnung mancher Menschen gegenüber seiner Leidenschaft, hatte Kostas mit der Zeit auch durch den konstanten Zuspruch seiner Mutter ein starkes Selbstbewusstsein entwickelt.

Sie hatte ihn zu einem emanzipierten, selbstbewussten jungen Mann erzogen. Kostas wusste, dass seine Männlichkeit nicht durch sein Hobby oder andere Dinge bestimmt wurde.
Er musste niemandem etwas beweisen.

Mittlerweile prallten schnippische, gemeine Kommentare einfach an ihm ab. Und wenn er doch darauf einging, hatte er in der Regel einen passenden Konter bereit.

Tatsächlich war es nicht selten vorgekommen, dass jemand behauptete, er sei nur aufgrund einer fehlenden Vaterfigur so "verweichlicht" und am Ballett interessiert.

Darauf antwortete Kostas dann meist nur, dass er nicht wegen einer fehlenden Vaterfigur Interesse am Ballett hatte, sondern dass er seine Vaterfigur verloren hatte, weil er Interesse am Ballett hatte.
Das brachte die Leute dann häufig schon aus dem Konzept und Kostas konnte darüber nur lachen.

Und auch mit seiner sexuellen Orientierung hatte er dank dieser offenen Erziehung keine großen Probleme gehabt. Zwar ging Kostas davon aus, dass er heteroromantisch heterosexuell war, doch vor einer Weile hatte er bemerkt, dass er sich auf dem asexuellen Spektrum befand.

Er hatte noch nie starke sexuelle Anziehung gegenüber anderen Menschen empfunden. Als er sich dann genauer damit beschäftigt hatte, war er zunächst davon ausgegangen, asexuell zu sein.

Doch nach ein wenig Recherche und dem ernsthaften Auseinandersetzen mit seinen Gefühlen, war er zu dem Schluss gekommen, dass Asexualität wohl doch nicht so ganz zu ihm passte.

Denn tatsächlich war er in der Lage, sexuelle Anziehung zu empfinden. Allerdings war diese meistens einfach eher schwach, so dass er bisher einfach fast noch nie das Bedürfnis gehabt hatte, tatsächlich sexuelle Handlungen mit jemandem durchzuführen.

Als er sich dieser Gefühle so wirklich bewusst geworden war, hatte Kostas dann auch schnell herausgefunden, wie sich diese sexuelle Orientierung nannte: Greysexualität

Wirklich geoutet hatte er sich nie. Seiner Mutter hatte er von der Entdeckung seiner sexuelle Orientierung berichtet, doch bei ihr war es keine große Sache gewesen und ihm nicht wie ein wirkliches Coming out vorgekommen.
Er wusste, dass sie ihn nicht verurteilen sondern immer unterstützen würde.

Abgesehen davon war seine Mutter, was Sexualität und verschiedene sexuelle Orientierungen anging, ohnehin sehr offen.
Das lag auch an ihrer eigenen Beziehungssituation.

Nachdem sich Kostas Mutter von seinem Vater geschieden hatte, war sie mehrere Jahre Single geblieben, auch um sich auf ihren Sohn und ihre Karriere zu konzentrieren.

Doch kurz vor Kostas Schulabschluss hatte sie eine Frau kennengelernt und ihre Bisexualität entdeckt. Und nicht nur das: mitlerweile führte seine Mutter eine polyamoröse Beziehung mit ihrer Partnerin und einem Mann, den sie eine Weile danach kennengelernt hatte.

Genauso wie sie sich selbst erlaubte, entgegen gesellschaftlicher Normen glücklich zu sein, wollte sie ihrem Sohn ebenfalls nicht vorschreiben, zu wem er sich wie hingezogen zu fühlen hatte.

In der Ballettakademie hatte Kostas sich noch bei niemandem als greysexuell geoutet.

Er wusste auch nicht wirklich, ob er dies überhaupt tun wollte, denn eigentlich ging es niemanden etwas an.
Andererseits wäre es ihm auch egal, wenn die anderen Balletttänzer*innen darüber bescheid wussten.

Dass er bisher mit niemandem darüber gesprochen hatte, lag vorallem daran, dass er die Akademie erst seit einer Woche besuchte.

Seine Ausbildung zum professionellen Balletttänzer hatte gerade erst begonnen und er hatte noch keine wirklichen Freundschaften geschlossen.
Aber das konnte ja noch kommen.

Kostas warf einen Blick auf die Uhr in seiner kleinen Küche. Er musste sich langsam auf den Weg machen.

Also räumte er das Geschirr, auf dem er eben noch etwas gefrühstückt hatte, in die Spülmaschine und ging dann ins Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen.

Keine zehn Minuten später konnte er dann auch schon mit seiner am Vorabend gepackten Tasche über der Schulter zur Ballettakademie aufbrechen.

Er schloss seine Wohnungstür und stieg durch das Treppenhaus hinunter auf die große Straße. Von dort aus musste Kostas fünf Minuten bis zur nächsten Bushaltestelle laufen.

Der Bus kam sogar halbwegs pünktlich dort an und ein Blick auf seine Armbanduhr zeigte Kostas, dass er gut in der Zeit war.

Eigentlich war er sowieso ein pünktlicher Mensch und bemühte sich immer, nicht zu spät sondern lieber zu früh zu sein.
Nach seinem Umzug nach München war ihm jedoch klar geworden, dass es gar nicht so einfach werden würde, dies beizubehalten.

Der Verkehr in der Großstadt mit seinen vielen Verkehrsteilnehmern und verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln machte eine Verspätung der Busse von mindestens fünf Minuten oft unvermeidbar.

Aber an diesem Tag konnte Kostas sich entspannen. Er hatte einen guten Platz im glücklicherweise nicht überfüllten Bus ergattert und blickte nun aus dem Fenster.

Zwanzig Minuten später stieg er an der Bushaltestelle gegenüber der Ballettakademie aus und überquerte die Straße.

Am Eingang tummelten sich bereits ein paar Menschen und Kostas bahnte sich einen Weg durch das große Gebäude bis hin zum Trakt für den Praxisunterricht.

Denn abgesehen von diesem gab es für die angehenden Balletttänzer*innen in der Akademie natürlich auch immer wieder Theorieunterricht in normalen Unterrichtsräumen. Heute begann Kostas Tag zu seiner Freude aber direkt mit dem praktischen Tanzunterricht.

Es fiel ihm gar nicht so leicht, sich in dem großen Gebäude zurecht zu finden, schließlich besuchte er die Akademie erst seit einer Woche. Deshalb war Kostas auch ziemlich froh, als er vor dem richtigen Probesaal angelangt war und dort sogar einige seiner Mitschüler*innen wieder erkannte.

,,Hey, guten Morgen!", sagte er, um eine peinliche Stille zu vermeiden, freundlich zu drei Tänzer*innen, die gemeinsam auf der anderen Seite der Tür an die Wand gelehnt standen,

Eine von ihnen, wenn Kostas sich richtig erinnerte war ihr Name Emilia, grüßte freundlich zurück. Der Tänzer neben ihr nickte Kostas nur kurz höflich zu und die dritte in der Runde reagierte mit einem kurzen Lächeln.

Danach schenkten sie ihm wieder weniger Beachtung, aber das war für Kostas in Ordnung.

Zwar hoffte er, hier mit der Zeit auch ein paar Freundschaften schließen zu können, aber diese drei hatten sich ja anscheinend bereits gefunden und wenn er ehrlich war, wüsste er selbst auch nicht, worüber er nun mit ihnen hätte reden können.

Da war es ihm dann doch lieber, sie unterhielten sich miteinander und nicht mit ihm, anstatt dass er sich an holprigem Smalltalk versuchte und schlimmstenfalls eine unangenehme Situation für alle Beteiligten auslöste.

Und nur weil sie jetzt nicht mit ihm sprachen, musste das ja nicht direkt heißen, dass sie ihn nicht mochten. Sie waren einfach nur vorsichtig und hielten sich scheinbar lieber in den ihnen bereits bekannten Kreisen auf und das war ja mehr als nur verständlich.

Mit der Zeit trudelten auch weitere Tänzer*innen ein und versammelten sich vor der Tür. Einen davon erkannte Kostas als Phillip, mit dem er sich in der letzten Woche bereits kurz unterhalten hatte.

Dieser schenkte ihm ein herzliches Lächeln, wirkte ansonsten aber eher unsicher und schüchtern. Deutlich schüchterner, als er es in der letzten Woche gewesen war.

Kostas überlegte, ob er Phillip fragen sollte, was los sei, aber womöglich wollte dieser ja gar nicht darüber reden und vielleicht war es auch zu früh, einander solche Dinge zu fragen, schließlich kannten sie sich immer noch kaum.

Als Kostas seinen Blick durch den Flur schweifen ließ, fiel ihm auf, dass manche der Tänzer*innen Phillip immer wieder seitlich Blicke zuwarfen. Auch die Dreiergruppe um Emilia hatte zu tuscheln begonnen, als dieser den Flur betreten hatte.

Phillip selbst war dieses Verhalten wohl auch aufgefallen, denn er schien sich zunehmend unwohler zu fühlen. War irgendetwas vorgefallen, wovon Kostas nichts wusste?

Er wurde jedoch in seinen Gedankengängen unterbrochen, als neben ihm plötzlich die Stahltür aufschwang. Heraus trat ihre Tanzlehrerin Professor Bernard, die einen Holzkeil unter die Tür klemmte und dann ihre Schüler*innen hereinbat.

Nachdem alle ihre Taschen abgestellt, ihre Jacken und Schuhe abgelegt und die Ballettschuhe angelegt hatten, begann Professor Bernard auch sogleich mit ein paar Dehnübungen für alle.

Umziehen mussten sie sich zum Glück nicht mehr, denn da dies die erste Stunde war, waren die angehenden Tänzer*innen alle bereits in der entsprechenden Kleidung erschienen.

Kostas suchte sich für die Dehnübungen einen Platz neben Phillipp und begann, die von Professor Bernard vorgegeben Übungen nachzumachen.

Phillip lächelte kurz, als er Kostas neben sich bemerkte, aber wandte dann wieder den Blick ab und konzentrierte sich ebenfalls auf die Übungen.

Während des weiteren Unterrichts bemerkte Kostas immer wieder die seltsame Stimmung, die um Phillip zu herrschen schien. Gleichzeitig schien sich aber auch niemand zu trauen, anzusprechen, was überhaupt los war.

Kostas bemühte sich, so freundlich wie möglich zu Phillip zu sein und diesen gelegentlich von den seltsamen Seitenblicken abzuschirmen.

Er wusste zwar nicht, was los war, aber er merkte, dass die Situation für seinen Mittänzer nicht gerade angenehm zu sein schien. Kostas wollte ihm wirklich gerne helfen, doch ohne zu wissen was eigentlich vor sich ging, würde er das wahrscheinlich nicht können.

Zwar gab Professor Bernard ihnen zwischendurch immer wieder kleine Pausen von maximal fünf Minuten, um einen Schluck zu trinken, doch bis zu ihrer ersten tatsächlichen, längeren Pause dauerte es ganze zwei Stunden.

Kostas Stundenplan sagte ihm, dass nach dieser Pause der geschlechtergetrennte Ballettunterricht stattfinden würde und er daher dann zu seinen Kurs für Männertanzschritte musste. Vielleicht könnte er ja zusammen mit Phillip dort hingehen und zuvor die Pause mit ihm verbringen.

Laut seines Stundenplanes mussten die Tänzer für den nächsten Kurs auch in einen anderen Raum, während die Tänzerinnen weiterhin bei Professor Bernard unterrichtet werden würden.

Also wechselte Kostas seine Schuhe und packte seine Tasche zusammen. Als er fertig war, warf er einen Blick hinüber zu Phillip, der nicht weit von ihm entfernt gerade ebenfalls dabei war, wieder seine Straßenschuhe anzuziehen.

Also beschloss er, noch einen Moment auf diesen zu warten. Kaum hatte Phillip seine Schuhe angelegt, bemerkte er Kostas auch schon. ,,Danke für's warten.", sagte er freundlich und Kostas fiel auf, dass dies das erste war, was Phillip heute zu ihm gesagt hatte.

,,Oh, kein Problem. Ich dachte mir, wir können vielleicht gleich zusammen zur nächsten Stunde gehen.", erklärte Kostas.

,,Oh ja, gerne.", erwiderte Phillip und lächelte. Kostas hatte das Gefühl, dass dieser sich jetzt zumindest nicht mehr ganz so unwohl fühlte wie zuvor in der Tanzstunde.

Gemeinsam schlenderten die beiden durch die Flure und fanden schließlich freie Tische und Stühle in einer ruhigeren Ecke der Eingangshalle des Gebäudes.

,,Öhm und... Wie gefällt es dir hier bisher so?", versuchte Kostas ein weiteres Gespräch zu beginnen, als sie Platz genommen hatten. ,,Ganz gut insgesamt, denke ich.", antwortete Phillip.

,,Es war schon lange mein Traum, Balletttänzer zu werden und ich bin einfach unheimlich froh, jetzt tatsächlich hier zu sein und es in die Akademie geschafft zu haben."

Kostas musste schmunzeln. Dieses Gefühl kannte er selbst nur zu gut. ,,Ich glaube, das geht den meisten hier so.", sagte er und Phillip nickte.

Kurz herrschte eine unangenehme Stille und Kostas bemerkte, wie sein Gegenüber sich immer wieder umsah. Obwohl sie ihren starrenden Mitschüler*innen entkommen waren, schien er sich immer noch nicht ganz wohl zu fühlen.

Da traute sich Kostas endlich, das zu fragen, was ihm schon seit Beginn des Unterrichts auf den Lippen gelegen hatte:

,,Sag Mal, ist alles okay bei dir? Wenn dir die Frage zu persönlich ist oder du nicht darüber sprechen möchtest, ist das natürlich kein Problem, aber ich habe das Gefühl, du fühlst dich hier aktuell nicht so wohl."

Phillip wirkte verwirrt über seine Frage und schon wieder bekam Kostas das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben.

,,Du... Du weißt es nicht?", fragte er verwundert. ,,Was weiß ich nicht?", meinte Kostas und fügte dann hinzu:,,Also ich meine, scheinbar weiß ich es nicht, nein."

,,Sorry, ich habe nur nicht damit gerechnet, dass du es nicht mitbekommen hättest. Die meisten aus unserem Jahrgang haben sich alle schon auf Instagram gefunden, du gehörst anscheinend nicht dazu.", erklärte der Tänzer aber Kostas wusste noch immer nicht, worauf er hinaus wollte.

,,Um ehrlich zu sein habe ich kein Instagram.", gab er leicht lachend zu. Tatsächlich war Kostas nicht viel in sozialen Medien unterwegs.

Als Jugendlicher hatte seine Mutter ihm einen Account auf Instagram oder anderen Plattformen verboten und jetzt als junger Erwachsener hatte er schlichtweg kein Bedürfnis mehr danach gehabt, sich dort zu registrieren.

Alle Menschen, mit denen er kommunizieren wollte, konnte er auch per WhatsApp oder SMS kontaktieren. Wenn er ehrlich war, verstand Kostas den Hype um die verschiedensten, seiner Meinung nach teilweise auch sinnlosen Plattformen im Internet nicht.

,,Oh... Also das erklärt es.", meinte Phillip und grinste etwas. ,,Aber jetzt sag mir doch bitte, worum es eigentlich geht. Ich weiß immer noch nicht, worüber du eigentlich redest.", bat Kostas und sah, wie Phillip tief durch atmete. Gab es etwas, wovor dieser Angst hatte?

,,Also es ist so... Ich habe mich am Wochenende auf Instagram als schwul geoutet.", sagte Phillip schließlich. Kostas brauchte einen Moment um das Gesagte mit der Situation in der Ballettakademie zu verknüpfen.

,,Oh...", meinte er. ,,Und deshalb reden die jetzt alle über dich?"
Phillip nickte. ,,Ich nehme es an."
,,Das ist doch kindisch...", erwiderte Kostas.

,,Mh, ja, ich weiß. Ich hatte auch nicht damit gerechnet. Das ist ja fast wie damals in der Schule. Ich hatte eigentlich gehofft, dass die Leute hier vielleicht ein bisschen reifer sind und besser damit umgehen können.", erklärte Phillip.

,,Hast du... in der Schule schlechte Erfahrungen in diesem Bereich gemacht?", hakte Kostas neugierig nach und hoffte, dass seine Frage nicht zu persönlich war. ,,Ja, teilweise.", antwortete Phillip.

,,Ich habe mich in meinem letzten Schuljahr geoutet, weil ich mich da endlich bereit gefühlt habe. Außerdem dachte ich mir, dass ich all diese Leute nach einem Schuljahr ja sowieso nie würde wieder sehen müssen, wenn sie es nicht gut aufnehmen würden.

Früher war ich sehr schüchtern, aber dann dachte ich, ich sei endlich etwas selbstbewusster geworden und wäre in der Lage, für mich selbst einzustehen. Nur ging die Sache nach hinten los.

Ein paar dumme Kommentare und Blicke und ich war wieder verunsichert und genauso schüchtern wie zuvor. Ich habe mich zu schnell einschüchtern lassen und es nicht wirklich geschafft, mich zu verteidigen."

,,Oh, das tut mir leid. Jugendliche können manchmal wirklich grausam sein.", sagte Kostas. ,,Das kann man wahrscheinlich nicht mit deiner Situation vergleichen, aber ich habe auch öfters mit gemeinen Sprüchen zu kämpfen gehabt, als herausgekommen ist, dass ich Ballett tanze."

,,Das glaube ich dir, das mit dem Ballett kam bei mir dann noch dazu. Aber ich hatte eigentlich gehofft, dass hier an der Akademie alle etwas lockerer und erwachsener sein würden. Wir sind doch keine Kinder mehr.", meinte Phillip und Kostas nickte.

Das hatte er eigentlich auch gedacht. Dass die anderen Tänzer*innen nur wegen seiner sexuellen Orientierung über Phillip tuschelten und ihn anstarrten, sich aber niemand traute, ihn einfach anzusprechen, war wirklich kindisch und lächerlich.

,,Und als ich dann hier an der Ballettakademie angenommen wurde, habe ich mir vorgenommen, mich direkt am Anfang zu outen. Deshalb habe ich dieses Wochenende dann auch meinen Mut zusammen genommen, und es auf Instagram öffentlich gemacht.

Für mich persönlich ist es nämlich deutlich einfacher, mich bei Fremden zu outen anstatt bei Menschen, die ich besser kenne. Da fällt es mir dann leichter, selbstbewusster zu sein und ich lasse die Sache nicht so an mich heran, selbst wenn die Reaktionen schlecht sind.

Ich dachte eigentlich, dass das hier dann auch so sein würde. Aber jetzt überfordern mich diese seltsamen Blicke und das Getuschel der anderen doch wieder, auch wenn ich das eigentlich nicht will.

Dann fühle ich mich wieder unsicher und schaffe es nicht, für mich einzustehen. Das ärgert mich so unfassbar, ich wollte hier endlich einen neuen Anfang machen.", berichtete Phillip und stützte frustriert sein Gesicht in seine Hände.

Kostas überlegte einen Moment und traute sich dann, ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter zu legen. ,,Ich kann verstehen, dass dich das belastet.", fing er an.

,,Ich hatte früher auch Probleme mit meinem Selbstbewusstsein. Unter anderem eben auch wegen der Kritik, die ich für meine Leidenschaft zum Ballett bekommen habe. Und es ist gar nicht so leicht, sich ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen.

Mir persönlich hat die Unterstützung meiner Mutter sehr geholfen. Sie hat mich immer bestärkt und ich habe es ihr zu verdanken, dass ich mittlerweile einen Scheiß darauf gebe, was andere von mir denken. Aber Selbstbewusstsein kommt natürlich nicht von einem Tag auf den anderen, das ist mir klar.

Es erfordert oft ein bisschen Mut und geht nur Schritt für Schritt. Aber ich finde, damit, dass du dich im Internet öffentlich geoutet hast, bist du schon einen sehr großen Schritt gegangen. Das muss man sich auch erstmal trauen."

Daraufhin hob Phillip sein Gesicht aus seinen Händen und sah Kostas an. Er lächelte und sagte:,,Danke. Du bist die erste Person hier, der meine sexuelle Orientierung einfach scheißegal ist und das hilft mir wirklich."

Kostas musste über seine Formulierung etwas schmunzeln, aber wusste, dass Phillip es ernst meinte und lächelte herzlich zurück.

,,Aber glaubst du wirklich, dass ich das mit dem Selbstbewusstsein schaffen kann?", hakte dieser nach. ,,Natürlich! Was lässt dich den daran zweifeln?", wollte Kostas wissen. Phillip zuckte mit den Schultern.

,,Naja, es ist einfach schwer und verunsichert mich ziemlich, dass sie alle so über mich reden, mir nichtmal in die Augen schauen, sondern mich einfach von der Seite angaffen und denken, ich würde es nicht merken.

Das klingt vielleicht seltsam, aber irgendwie fühle ich mich dabei wie der kleine Junge, der ich einmal war, als ich gerade erst herausgefunden hatte, dass ich schwul bin.

Ich hatte eine riesige Angst davor, dass jemand etwas von meiner Sexualität erfahren könnte, habe alles an mir von den Meinungen anderer abhängig gemacht und mich durch jede Kleinigkeit verunsichern lassen. Wenn sie mich so angucken und tuscheln, fühle ich mich genauso hilflos und klein wie damals.", erklärte er.

Kostas war beeindruckt, dass Phillip ihm so einen tiefen Einblick in seine Gefühlswelt gewährte und verstand nun wirklich, warum dieser sich den ganzen Morgen über so unwohl gefühlt hatte.

Phillip konnte mit dieser ganzen, potenziell negativen Aufmerksamkeit nicht umgehen und fühlte sich damit überfordert. Auch wenn das für Kostas mitlerweile eher schwer nachzuvollziehen war, erinnerte er sich, dass es ihm in seiner Schulzeit manchmal auch ähnlich gegangen war.

Er hatte sich dann einfach gewünscht, die Leute würden über etwas anderes reden, als über die Tatsache, dass er Ballett tanzte und aufhören, ihn seltsam anzusehen.
Da fiel Kostas plötzlich etwas ein.

,,Nein, so seltsam klingt das gar nicht.", sagte er an Phillip gewandt. ,,Und abgesehen davon habe ich glaube ich eine Idee, wie wir die Sache eventuell etwas einfacher für dich machen könnten."

,,Tatsächlich, was denn? Und du findest es wirklich nicht komisch, dass ich gesagt habe, dass ich mich wie ein hilfloses Kind fühle?", hakte Phillip mit Interesse und Unsicherheit zugleich in seiner Stimme nach.

,,Das wirst du gleich sehen.", sagte Kostas, der beschlossen hatte, mit seiner Idee noch etwas zu warten, bis so viele ihrer Mitschüler*innen wie möglich dabei waren und ergänzte dann:

,,Und keine Sorge. Wenn die anderen sich so kindisch und unreif benehmen, hast du wohl auch das Recht, dich wie ein Kind zu fühlen."
Da musste Phillip lachen und Kostas freute sich unheimlich, ihn damit aufgemuntert zu haben.

,,Ich glaube, wir sollten uns langsam Mal auf den Weg machen. Unser nächster Unterricht beginnt bald.", merkte Phillip an, als er aufgehört hatte, zu lachen. Ein Blick auf seine Armbanduhr zeigte Kostas, dass er Recht hatte. ,,Weißt du, wo wir hin müssen?", fragte er nach.

Phillip nickte und nachdem sie beide ihre Taschen geschultert hatten, führte dieser ihn durch die Flure. Schließlich kamen sie an einem großen Innenhof an, den Phillip als eine Abkürzung bezeichnete.

Dort hatten sich auf mehreren Bänken einige der Tänzer*innen aus ihrem Jahrgang niedergelassen. Kostas bemerkte, wie sein Begleiter sich beim Anblick dieser wieder etwas unwohl zu fühlen schien, aber sich gleichzeitig bemühte, sich nichts anmerken zu lassen und weiter ging.

Wie zuvor wurden Köpfe gedreht und die Gespräche um sie herum wurden zu einem Flüstern, als Phillip gefolgt von Kostas den Innenhof betrat.

Kostas dachte sich erneut, wie unfassbar lächerlich und unreif dieses Verhalten doch war, aber beschloss, dass nun wohl der beste Zeitpunkt war, um seinen Plan in die Tat umzusetzen.

Sie hatten den Innenhof gerade zur Hälfte überquert, als er stehen blieb. Phillip bemerkte dies zunächst nicht und ging ein paar Schritte weiter, bis es ihm auffiel und er überrascht Halt machte.
Kostas räusperte sich und sagte dann laut, ohne eine weitere Sekunde zu zögern:

,,Ihr alle scheint euch ja ziemlich gerne hinter dem Rücken anderer über ihre sexuelle Orientierung zu unterhalten. Stellt euch vor, ich hab noch ein bisschen mehr Tratsch für euch: Überraschung, ich bin greysexuell!"

Er blickte denjenigen, die ihn anstarrten, ernst in die Augen, machte dann eine Bewegung, als würde er sich verbeugen und schritt schließlich zielstrebig in Richtung Phillip, ohne einen weiteren Blick an seine Mitschüler*innen zu verschwenden.

Phillip stand verdutzt da und Kostas musste ihm eine Hand auf den Rücken legen und ihn ein wenig nach vorne schieben, um ihn dazu zu bringen, weiter zu gehen.

Sie öffneten die gläserne Tür, die auf dieser Seite des Innenhofs zurück ins Gebäude führte und traten hinein. Da fand dann Phillip endlich seine Sprache wieder.

,,Was...Was war das denn?", sagte er, als könnte er immer noch nicht ganz begreifen, was gerade passiert war. Kostas zuckte mit den Schultern und sagte dann:,,Wenn sie sich unbedingt das Maul über andere zerreißen wollen, warum dann nicht über mich?"

,,Aber... jetzt werden alle über dich reden!", sagte Phillip, als wollte er Kostas diese Tatsache nocheinmal verdeutlichen.

,,Eben. Wie gesagt, sollen sie doch über mich reden, wenn sie so gerne über andere Leute sprechen. Dann lassen sie dich in Ruhe.", erklärte Kostas. ,,Und das stört dich gar nicht?", hakte Phillip ungläubig nach.

,,Nicht im geringsten. Wie bereits erwähnt, ich gebe einen Scheiß darauf, was andere von mir denken. Wenn jemand deswegen jetzt ein Problem mit mir hat, soll das eben so sein. Ist ja dann sein Problem und nicht meins.

Wichtig ist nur, dass du jetzt nicht mehr das größte Gesprächsthema bist. Ich glaube, neben meiner Greysexualität wird kaum einer noch ein Wort über deine Homosexualität verlieren oder einen komischen Blick an dich verschwenden.", erklärte Kostas und grinste.

Die beiden standen immer noch im Flur hinter der Glastür und durch diese konnte er die Blicke ihrer Mitschüler*innen bereits auf sich spüren. Aber das störte ihn nicht.

Sollten sie nur ihn anstarren, wenn ihnen das so viel Freude bereitete, solange sie dann Phillip in Ruhe ließen. Dieser blickte ihn immer noch ungläubig aber gleichzeitig begeistert und unheimlich dankbar an.

,,Aber das mit der Greysexualität, stimmt das wirklich? Oder hast du dir das gerade nur ausgedacht um irgendetwas zu haben, was interessanter und ungewöhnlicher ist, als die Tatsache, dass ich schwul bin?", wollte er dann wissen.

,,Oh nein, ich bin wirklich greysexuell." antwortete Kostas. ,,Weißt du denn, was das bedeutet?",,Den Begriff kenne ich, aber die Bedeutung ist mir nicht ganz klar, wenn ich ehrlich bin.", meinte sein Gegenüber. ,,Es hat irgendwas mit Asexualität zu tun, oder?"

Kostas nickte. ,,Ja, Greysexualität ist eine sexuelle Orientierung auf dem asexuellen Spektrum. Es bedeutet, dass man wenig oder nur schwache sexuelle Anziehung zu anderen verspürt. Also im Grunde so ein Zwischending zwischen Asexualität und Allosexualität."

Phillip schwieg kurz. ,,Den Begriff musst du mir jetzt allerdings auch noch erklären.", gab er dann entschuldigend zu und Kostas musste grinsen.

,,Ist ja nicht schlimm. Allosexualität beschreibt einfach die Anwesenheit von sexueller Anziehung, das Gegenteil von Asexualität. Also das, was gesellschaftlich als normal gilt.", erklärte er und fügte dann hinzu:

,,Und mach dir nichts draus, du kennst immer noch mehr Begriffe als die meisten anderen. Ich wette, die da draußen mussten vorhin alle erstmal Greysexualität googeln."

Keine Sekunde später brachen sie beide in heftiges Lachen aus und Phillip warf kurz einen Blick durch die Glastür nach draußen. ,,Unfassbar, die gaffen ja immer noch.", sagte er dann und schüttelte ungläubig den Kopf.

,,Ja, aber immerhin schauen sie jetzt wahrscheinlich nicht mehr deinetwegen.", meinte Kostas.

,,Stimmt. Du hast mit diesem Statement vorhin wirklich ordentlich Staub aufgewirbelt und ziemlich viel Aufmerksamkeit auf dich gezogen. Das wirst du so schnell nicht mehr los.", erwiderte Phillip.

Kostas konnte darauf nur mit den Schultern zucken. ,,Was kümmert es mich? Das Leben ist so viel leichter, wenn man sein Glück nicht von den Meinungen anderer abhängig macht."

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