Kapitel 16 - Hitze
Erkunde mutig die Höhlen für fantastische Versorgungssonden und seltene Ressourcen.
Gehe auf unterirdische Entdeckungstour!
Wir ruderten weiter bis an die südlichste Spitze des Festlands und schoben da unsere Flöße an Land. Sophie saß die ganze Zeit starr an die Schlafsäcke gelehnt und hatte einen beunruhigend leeren Blick.
Ich blieb bei ihr, als sie sich vom Floß schleppte und sich in den Sand fallen ließ. Sie hatte seit Stunden kein Wort mehr gesagt und das Funkeln in ihren blauen Augen war erloschen. Sie beobachtete den Mondaufgang, als hätte sie alle ihre Gefühle abgestellt.
Nein, nicht alle.
Alles an ihr drückte vollkommene Schuld und Reue aus. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, wie sie sich fühlen mochte und deswegen sagte ich nichts. Irgendwann fasste ich mir allerdings ein Herz, hob ihre Hand aus dem Sand und verschränkte meine Finger mit ihren. Sie zeigte keine Reaktion und obwohl es meinerseits nur eine Geste der Unterstützung sein sollte, klopfte mein Herz bis zum Hals.
Um uns herum wuselten die anderen und gingen ihren Aufgaben nach. Lance murrte, dass ich nichts beitrug, aber Himaya stellte ihn schnell ruhig. Feuerholz wurde gesammelt, ein Lagerfeuer entzündet, Fackeln in den Boden gesteckt, Schlafsäcke ausgebreitet. Der Strand war flach und gut zu überblicken, sollte sich etwas nähern würden wir es immerhin kommen sehen. Nicky und ich wurden für die erste Nachtwache eingeteilt. Jemand versuchte Sophie dazu zu bringen sich in einen der Schlafsäcke zu kuscheln, aber sie reagierte auch darauf nicht. Wir hatten inzwischen neun Schlafsäcke, wenn also drei Leute Nachtwache hielten, konnten alle anderen bequem schlafen. Sophie wurde mit uns für die Wache eingeteilt, damit sie sitzen und in Ruhe gelassen werden konnte. Nicky und ich unterhielten uns leise und stocherten hin und wieder im Feuer herum, um es am Leben zu halten. Ob wir gesehen wurden, war uns egal. Das Feuer würde Tiere von uns fernhalten, und wenn Menschen sich mit uns anlegen wollten, sollten sie es versuchen. Ich war jedenfalls in Mörderstimmung.
Aber es passierte rein gar nichts.
Als Nicky und ich zu müde wurden, weckten wir unsere Ablösungen und tauschten die Plätze. Sich in einen vorgewärmten Schlafsack zu kuscheln musste eins der angenehmsten Gefühle der Welt sein. Selbst Sophie ließ sich von uns in Himayas Schlafsack bugsieren und legte sich hin. In ihren weit offenen Augen spiegelten sich die Sterne. Als hätte sie Angst vor dem, was sie sehen würde, wenn sie ihre Augen schloss.
Es dauerte allerdings nicht lange, bis ich einschlief, Sophies Finger nach wie vor mit meinen verschränkt.
***
Als es am Morgen hell wurde, ergriff eine tiefsitzende Nervosität die Gruppe. Sophie aß nichts und war wortkarg und ich nahm mir vor, sie den ganzen Tag nicht aus den Augen zu lassen. Wir mussten uns von den Flößen verabschieden und konnten nur hoffen, sie wiederzufinden, wenn wir – hoffentlich mit dem zweiten Artefakt – hierher zurückkehren würden.
Waffen wurden verteilt, Rucksäcke gepackt, Schlafsäcke auf Rücken geschnürt. Schlimm genug, dass wir unsere mühsam zusammengezimmerten Flöße hierlassen mussten, alles andere wurde mitgenommen. Es war auch durchaus machbar, aber manche von uns mussten einen Schlafsack und einen Rucksack tragen. Dann ging es los. Zuerst noch am Strand entlang, bis wir den südlichen Zipfel der Insel hinter uns ließen und Drayo's Cove erreichten. Von dort aus mussten wir wohl oder übel den Dschungel betreten.
Beim Holzfällen- und sammeln für die Flöße waren wir stets darauf bedacht gewesen, nicht zu weit in den Dschungel einzudringen. Jetzt ließen wir alle Vorsicht fahren, arrangierten uns so, dass immer zwei Leute nebeneinander liefen und ließen zum ersten Mal die trügerische Sicherheit des Strandes hinter uns.
Der Dschungel war dunkel und feucht. Von allen Seiten drangen Geräusche an unsere Ohren, ganz anders als am Tag unserer Ankunft. Ein Schwarm Libellen summte um irgendetwas Totes zwischen den Sträuchern. Wir machten einen Bogen um sie. Ein kleines Äffchen floh vor uns in die Krone eines Baumes. Einmal stießen wir auf eine Schar merkwürdiger Vögel, etwa so groß wie Tauben. Sie hatten allerdings kräftige Schnäbel und lange Beine und gaben eher reptilienähnliche Laute von sich. Ich wandte mich an Sophie, um sie nach dem Namen der Kreaturen zu fragen, aber ihr Blick war immer noch leer und desinteressiert, also schluckte ich meine Frage hinunter.
Zu unserer Rechten begann das Gelände nach einiger Zeit anzusteigen und bildete eine zehn Meter hohe Steilwand. Wir blieben in ihrem Schutz, bis vorne jemand aufgeregt aufschrie.
„Da vorne ist etwas!"
Wir kämpften uns durchs Gestrüpp bis zu der Stelle. In die Wand war ein Symbol gemeißelt, genau wie auf Carnivore Island. Dieses hier war orange und wie ein futuristisches Raumschiff geformt. Dreieckig, mit abstehenden Segmenten und Sektionen. Lance riss an dem Gestrüpp unterhalb des Symbols. Der Stein war hier überwuchert von Schlingpflanzen, Efeu und Wurzeln, die von oben herunterhingen.
„Dahinter ist ein Hohlraum", verkündete er aufgeregt und bald machten sich auch Himaya mit ihrem Messer und Chiyo mit der Spitzhacke an die Arbeit. Wenig später war ein Durchgang entstanden, der in absolute Schwärze zu führen schien.
Die ohnehin nervöse Stimmung schlug in Angst um, als es daranging, die gute Fackel und Himayas selbstgemachte zu entzünden. Wir hatten vier benutzbare Fackeln und keine Entschuldigung mehr, nicht in die Höhle zu gehen, also fasste Priscilla sich ein Herz und ging voraus.
Zuerst war die Höhle nichts weiter als ein enger, finsterer Gang, der sich jedoch plötzlich zu einem großen Gewölbe hin öffnete. Wasser tropfte von der Decke, es war warm und stickig und von eigenartigen Geräuschen erfüllt.
„Hallo?", rief Lance probehalber und ein Echo warf seine Stimme vielfach von den steinernen Wänden zurück.
Über uns ertönte ein ekelhaft feuchter Laut, als ob ein Saugnapf von einer nassen Glasscheibe gezogen wurde. Priscilla hob die gute Fackel über ihren Kopf und der Lichtkegel erhellte ein paar erstaunliche Kreaturen. Nicky quiekte erschrocken und machte einen Schritt zurück, um nicht direkt unter ihnen zu stehen.
„Sind das ... Schnecken?", fragte Diego entgeistert.
Er hatte völlig recht. An der Wand hing eine Gruppe aus fünf oder sechs Riesenschnecken. Ihre gezackten Gehäuse waren beinahe einen Meter lang und die Schnecken selbst schienen noch ein Stück größer zu sein. Das Licht der Fackeln wurde in ihren schleimigen Körpern reflektiert.
„Eww", machte Priscilla und ließ die Fackel wieder sinken, um die Schnecken nicht mehr sehen zu müssen. Dem eww konnte ich nur zustimmen.
Wir bewegten uns an einer Wand weiter in die Höhle hinein, nachdem Yin die brillante Idee gehabt hatte, eine angezündete Stehfackel an den Eingang zu lehnen, damit wir ihn wiederfinden konnten. Es schien mit jedem Schritt wärmer zu werden. Mir standen die Schweißtropfen auf der Stirn, als wir einen Durchgang zu einem weiteren Teil der Höhle fanden. Dann lief mir allerdings ein eiskalter Schauer über den Rücken, denn dieser Durchgang wurde bewacht: Ein Spinnennetz bedeckte das dunkle Loch in der Felswand und wurde bewohnt von den größten Spinnen, die ich jemals gesehen hatte. Jede von ihnen hatte einen Körper wie einen Tennisball und abartig lange, behaarte Beine. Man konnte ihre vielen Augen im Fackelschein glitzern sehen.
Priscilla begann zu fluchen und in kurzen Bahnen hin und herzulaufen. Der Rest von uns behielt die Spinnen im Auge, ohne auch nur einen Schritt näher heranzugehen. Es gab keinen in der Gruppe, der keine Angst vor Spinnen hatte.
„Wir lassen uns doch nicht von ein paar Spinnen aufhalten?", sagte Lance, klang aber weniger entschlossen als sonst.
Die Hitze und die Dunkelheit halfen nicht gerade dabei, uns entspannt nachdenken zu lassen. Es mochte zwar keine riesigen Dinosaurier oder Raptoren in der Höhle geben, aber es war beinahe unerträglich heiß und ehrlich gesagt waren diese Spinnen ein echtes Problem.
„Jemand muss das Spinnennetz anzünden", schlug Chiyo vor.
Niemand rührte sich.
„Ich mach's", sagte schließlich eine Stimme neben mir.
Sophie trat vor und streckte mit ausdruckslosem Gesicht die Hand nach einer Fackel aus. Pablo gab ihr seine und schaute voller Ehrerbietung zu, wie sie langsam auf das Spinnennetz zuging.
„Sie hat wirklich ihren Lebenswillen verloren", flüsterte Chiyo mir zu.
Es war vermutlich als Witz gemeint, aber in mir machte sich die finstere Befürchtung breit, dass sie recht hatte.
Sophie berührte das dichte Netz mit der Fackel und wie auf Kommando stoben die Spinnen in alle Richtungen davon. Ich stieß einen markerschütternden Schrei aus, als mir eine über den Fuß lief. Alle sprangen umher, schlugen um sich oder tänzelten auf Zehenspitzen in den Schein des nun brennenden Netzes, es war das perfekte Chaos. Nur Sophie rührte sich nicht. Sie stand da, die Fackel in der Hand und betrachtete das Feuer, als wäre sie soeben verdienterweise in der Hölle angekommen. So konnte das nicht weitergehen. Der vernünftige Teil von mir sagte, es war schlecht für die Gruppe, wenn ein Mitglied sich nicht darum kümmerte, ob sie verletzt wurde oder schlimmeres. Ein anderer Teil von mir konnte es nur unter Schmerzen ertragen, Sophie so zu sehen.
Das Netz brannte komplett ab und hinterließ nur Aschefetzen auf dem Höhlenboden. Alle hatten durch den Zwischenfall mit den Spinnen Gelegenheit gehabt, ihre nervöse Energie loszuwerden und so ging es still, aber emotional aufgeladen, weiter durch den nächsten engen Gang. Unsere Rucksäcke streiften an beiden Seiten die Höhlenwände.
„Es ist so heiß, wie kann das sein?", fragte Kemen von vorne und stöhnte laut.
Seine Frage wurde beantwortet, als ein gespenstisches rotes Leuchten den Gang erfüllte, je näher wir seinem Ende kamen. Der Gang wurde breiter und öffnete sich zu einem weiteren Gewölbe in dessen Mitte sich eine steinerne Plattform befand, umgeben von breiten Strömen aus fließender Lava.
Wir waren tatsächlich in der Hölle gelandet.
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Hallo meine lieben Leser und Leserinnen, hier ein brandneues Kapitel ARK für euch. Die lange Pause tut mir leid, aber ihr wisst ja wie das ist. Ich denke aber, ich habe ab jetzt wieder mehr Zeit zum schreiben und verspreche hoch und heilig nichts neues anzufangen bevor ARK fertig ist.
Lasst mich gerne wissen, wie euch das Kapitel gefällt und was ihr so von den Charakteren haltet. Denkt ihr, alle werden überleben? 👀
Ich freue mich über jeden eurer Kommentare!
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