Ten
A R I Z O N A
Ich hatte gestern den ganzen Tag nichts von Michael gehört und auch seine Mutter hatte sich nicht gemeldet. Wo war er bloß? Es passte nicht zu Michaels Art einfach zu verschwinden ohne irgendjemanden bescheid zu geben. Ich dachte wirklich ich hätte jemanden gefunden, der mich so akzeptierte wie ich bin, der mir helfen wollte, aber ich hatte mich geirrt.
"Baby, you have to go to school", teilte mir meine Mutter mit, da ich noch immer nachdenklich im Bett lag ohne überhaupt nur ein Auge zugetan zu haben.
"I don't feel very fine", sagte ich ihr, was ja auch stimmte.
"You have to go to school"
Vielen dank auch Mum.
Um sie nicht noch mehr zu verärgern stand ich schließlich doch auf und machte mich fertig für die Schule.
Ob Michael wieder zurück sein wird? Ob er mir wohl erklären wird, warum er einfach so abgehauen ist und warum er sich nicht gemeldet hat?
Auch wenn ich überhaupt keine Lust hatte zur Schule zu gehen, die Fragen die mir im Kopf schwirrten waren zu verlockend, um zu Hause zu bleiben.
"Are you ready?", rief mir meine Mutter von unten zu und ich schnappte mir meine Schultasche. Danach lief ich die Treppen hinunter und fand meine Mutter in der Küche vor.
"Here is your lunch", sagte sie und reichte mir eine blaue Jausenbox, die voll gefüllt mit Essen war. Auch wenn ich nichts davon anrühren würde, weil es nicht in meinen Diätplan passte, steckte ich es in meine Tasche und bedankte mich bei meiner Mutter dafür.
Mein Vater brachte mich mit dem Auto zur Schule und wünschte mir viel Spaß. Er hatte ja keine Ahnung, wie viel Spaß ich dort hatte, nur ging der Spaß immer auf meine Kosten.
"Bye Dad."
"Bye princess."
Ich mochte es, wenn er mich so nannte, so kam ich mir wenigstens einmal am Tag geliebt vor.
Als ich Michaels Wagen auf seinem gewöhnlichen Parkplatz stehen sah machte mein Herz einen Sprung. Er war zurück.
Ich berührte sein Auto, um auch wirklich zu spüren, dass es da war und ich es nicht nur träumte.
Nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass ich mich wirklich in der Realität befand stürmte ich in das Schulgebäude und rannte in meine Klasse. Schnell betrat ich den Raum und sah sofort Michael auf seinem Platz sitzen.
"Michael", sagte ich erleichtert, jedoch etwas zu laut, da sich alle Köpfe sofort in meine Richtung drehten, auch Michaels.
"Oh look your fat cow is back Michael", sagte Jacob und alle anderen lachten, bis auf Michael.
Kurz konnte ich die Wut in seinen Augen erkennen, doch er tat nichts, absolut garnichts. Er sagte Jacob nicht wie sonst auch, dass er seine Klappe halten sollte, nein er tat garnichts, saß nur stumm da und starrte den Boden an.
"Michael?", flüsterte ich leise und ee zuckte kurz zusammen, sah mich aber nicht an.
"He won't help you this time. He just played with you", sagte Jacob und seine Worte trafen mich mitten ins Herz.
Michael hatte mir das alles nur vorgespielt? Er mochte mich garnicht? Er wollte mir nie wirklich helfen? Das konnte doch nicht wahr sein.
"Tell her Clifford!", forderte ihn Jacob heraus und ich betete, dass Michael mir jetzt helfen würde.
"Leave me alone, forever. Fat cow", bei den letzten beiden Wörtern senkte er sowohl seine Stimme als ich auch seinen Kopf. Ich konnte nicht fassen, was ich da soeben gehört hatte. Er hatte mich tatsächlich fette Kuh genannt, so wie alle anderen auch. Gerade er, der wusste, dass ich nichts für mein Gewicht konnte, ich war krank. Ich dachte er verstand mich, ich dachte er mochte mich, doch das war alles nur erstunken und erlogen.
Ich wusste nicht mehr was ich tun sollte. Ich versuchte die Tränen zu unterdrücken und lief nach draußen, gerade als der Schulbus die Kinder ablieferte. So schnell ich konnte lief ich auf die Bushaltestelle zu und ereichte noch kurz den Bus.
"Can you drive me home please?", fragte ich Jenna, die Busfahrerin, die ich schon seit der Grundschule kannte. Zuerst wollte sie ablehnen, doch als sie meine verweinten Augen und meine verlaufene Mascara sah, konnte sie nicht mehr nein sagen.
"Of course darling", antwortete sie mir und ich nahm ziemlich weit hinten Platz. Sie drehte Musik auf, doch ich achtete garnicht darauf. Viel mehr sah ich den Regentropfen zu, wie sie an der Fensterscheibe des Buses runter rannten. Das Wetter musste sich wohl auf meine Laune angepasst haben.
"We are here", teilte mir Jenna mit und lächelte mich nocheinmal aufmunternd an, ehe ich den Bus verließ und in mein Haus stürmte.
"What happend baby?", fragte mich meine Mutter ziemlich besorgt, als sie mich im Türrahmen bemerkt hatte.
"Make me something to eat please", bat ich sie und sie machte sich sofort an den Arbeit.
Ich scheiß auf die Therapie. Ich scheiß auf den Diätplan. Ich scheiß auf die Anti-Depressiva. Ich scheiß auf Michael.
Schnell lief ich in mein Zimmer und holte die Dose Tabletten hinter meinem Bett hervor. Ich hatte sie dort vor meinen Eltern versteckt, nahm jeden Abend eine, um nicht in Depressionen zu verfallen, wegen den Entzugserscheinungen, die ich durch das wenige Essen bekam.
Ich ging mit der Dose ins Bad uns kippte die Tabletten in die Toilette. Mit einem Spülgang waren die Tabletten Geschichte.
Sollte ich doch in Depressionen verfallen. Keiner würde sich darum kümmern. Jeden wäre es egal, vielleicht würde Michael sogar froh sein.
"Food is ready!", schrie mir meine Mutter von unten zu und ich entsorgte schnell den leeren Behälter im Mülleimer. "I"m coming!", antwortete ich ihr und schloss meine Zimmertür hinter mir zu.
Schnell joggte ich die Treppen hinunter und freute mich rießig auf das erste richtige Essen nach ein paar Tagen. "Smells delicious", sagte ich meiner Mutter und küsste sie auf die Wange.
"It's already on the table", informierte sie mich und ich stürmte ins Esszimmer, wo bereits das dampfende Essen am Tisch stand.
Ich nahm mir eine große Portion auf das Teller und fing sogleich an das Essen in mich hinein zu stopfen. Mit jedem Bissen wurde der Schmerz kleiner und ich fühlte mich wohler. Essen tat mir nicht weh. Essen war immer für mich da. Essen verstand mich.
Zwei Portionen später stand ich mit einem halbwegs satten Magen auf und räumte mein dreckiges Geschirr in die Spülmaschine. "Did it taste?", fragte mich meine Mutter lächelnd und ich nickte mit dem Kopf.
"Do we have chocolate?", fragte ich sie mit einem Strahlen in den Augen, da ich gerade richtig Heißhunger auf eine große Tafel Schokolade hatte.
"You have to look", informierte sie mich und ich nickte dankend.
Ich machte mich auf den Weg in die Vorratskammer und sofort fielen mir drei Tafeln großer Schokolade in die Augen. Edbeer, Nuss und Karamel. Ich entschied mich für Karamel, da es wahrscheinlich die kalorienreichste war und mich somit am Besten fühlen lassen würde.
Ich schnappte mir die Tafel und ging damit glücklich wieder zurück in mein Zimmer.
"Goodnight Mum!", schrie ich ihr von oben aus zu, bekam aber keine Antwort mehr. Ich zuckte nur mit den Schultern und legte mich danach ins Bett. Wieder überkam mich die Trauer, da ich ein Bild von Michael auf meinem Handy gesehen hatte. Schnell löschte ich es und stellte mir ein Bild von Zac Efron ein, meinem Lieblingsschauspieler.
Ich öffnete meinen Laptop und schrieb meine ganzen Gedanken auf. Oft tat es gut, es indirekt jemanden zu erzählen wie schlecht es einem ging, auch wenn es nie jemand lesen würde, mir reichte es schon, einfach aufzuschreiben.
Durch das Klingeln meines Handys wurde ich von meinem Tagebucheintrag abgelenkt und schnappte mir schnell das Handy.
Es war eine neue Nachricht von Michael.
Was wollte er den jetzt? Wollte er sich für sein falsches Verhalten entschuldigen? Wollte er mir erklären, wo er gestern war und warum er sich nicht gemeldet hatte? Wollte er mir erklären, warum er heute in der Schule so war, wie alle anderen auch?
Hoffnung stieg in mir auf und ich konnte es kaum noch erwarten, die Nachricht endlich zu öffnen und zu lesen. Vor lauter Aufregung allerdings ließ ich mein Handy fallen und der Akku flog heraus.
"Fucking shit!", fluchte ich und hob mein Handy samt Akku von Boden auf. Schnell legte ich den Akku wieder ein und startete mein Handy, was gut eine halbe Ewigkeit dauerte.
Als es endlich wieder hochgefahren war konnte ich endlich Michaels Nachricht öffnen und lesen.
- listen to me arizona. i hate u ok? don't even try to talk to me anymore-
Wow. Das tat weh, mehr als alles andere was mir in meinem Leben je wiederfahren ist.
Schnell kramte ich nach meiner Schokolade und riss die Packung auf. Ich achtete garnicht mehr darauf, wie viel ich davon aß, ich stopfte nur mehr Stück für Stück in mich hinein und nach etwa zehn Minuten war die ganze Tafel bereits weg. In mir kam ein Gefühl auf, dass mehr wollte.
Leise schlich ich zurück in den Vorratsraum und schnappte mir alles, was ich finden konnte. Zurück in meinem Zimmer begann ich fürchterlich zu weinen, doch die Schokolade, würde meine Wunden schon wieder heilen, hoffentlich.
- - - - -
Würde sich wer über die Widmung freuen? :)
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