Home, home, home
Bei meinem Bolzenschneider...
Es war seltsam nach so langer Zeit, die Metall- und Betonkorridore von Walhalla 23 wiederzusehen. Der Adamsapfel an Theodors Hals hüpfte, als er versuchte den sprichwörtlichen Frosch herunterzuschlucken, der sich in seinem Hals breit gemacht hatte. Es half nichts, wurde nur noch schlimmer. Schweiß stand ihm in Perlen auf der Stirn und er konnte nicht umher seine neue Brille immer wieder nervös zurechtzurücken. Sie war zwar sauber wie alles hier, saß jedoch schlecht. Auch sein neuer Wartungstechniker-Overall war picobello, fühlte sich jedoch zu warm an, fast so, als wäre er gefüttert.
Eine andere, weitaus sinnigere Erklärung für seinen Zustand war, dass er schlicht und einfach Panik hatte im Anbetracht der zwei steroidgeschwollenen Thorianer neben sich. Er sah verstohlen nach links und rechts, musste seinen Kopf dabei in den Nacken legen, um die verspiegelten Helme der beiden Sicherheitskräfte überhaupt zu sehen. Wenn diese zwei Hormon-Hünen aus versehen gleichzeitig ins Straucheln gerieten, würden sie ihn vermutlich wie einen überprallen Pickel zwischen ihren gepanzerten Körpern zerquetschen.
Oh-Gott-oh-Gott...
Ein garstiger Gedanke, aber noch immer besser als das, was am Ende dieses Korridors auf ihn wartete: Das Büro von Amadeus Regis Gruber, dem Odin und uneingeschränkten Herrscher von Walhalla 23. Theodor kämpfte heroisch gegen den Drang an, davon zu laufen und tupfte sich mit seinem strahlend weißen Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
Zum gefühlten tausendsten Mal, fragte er sich was er Odin Gruber nur erzählen sollte? Ein saloppes, „Theodor Kapp meldet sich zurück zum Dienst", würde im Anbetracht der Situation wohl kaum genügen. Schließlich hatte man ihn als Saboteur, Deserteur und vermutlich irgendetwas anderes das auf –teur endete abgestempelt. Er hatte keine Ahnung wo Anskar und Leonora waren, wusste ja nicht einmal wie er wieder nach Walhalla 23 gekommen war. Seine Erinnerungen waren noch immer seltsam verschwommen, schlammig wie das Wasser im Becken einer Güllegrube. Ein Schauder überkam ihn bei diesem Sinnbild und er unterdrückte eine Flut aus ungemein unangenehmen Bildern, die durch seinen Geist huschten.
Vielleicht sollte ich mich einfach auf die Knie werfen und kreischen: Ich bin unschuldig! Unschuldig! Diese zwei Irren haben mich entführt und an die Oberfläche verschleppt!
Der kleine Wartungstechniker lächelte in sich hinein. Schließlich würde er damit ja noch nicht einmal lügen. Nicht gerade heldenhaft, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Nur, dass er kein Teufel war und Fliegen mochte er überhaupt nicht. Er verwarf den Gedanken, schüttelte den Kopf und hielt sich etwas aufrechter. Als ob Kniefall und Betteln schon jemals irgendjemandem in einer solchen Situation geholfen hatten. Nein, er würde seinem Schicksal gegenübertreten wie ein echter Mann – was immer das auch heißen mochte.
Der Moment der Wahrheit kam, so wie es Momente dieser Art an sich hatten, viel zu schnell, schlich sich geradezu heimtückisch an ihn heran, um ihn von hinten niederzuknüppeln. Von einem Augenblick zum nächsten ragte das Iris-förmige Sicherheitsportal zum Heiligtum des Odins vor ihm auf. Theo glotzte die Bunkertür an, sein Herzschlag mit einem Mal laut wie eine Maschine, die kurz davor stand den Geist aufzugeben.
Wum-Wum-Wum...
Der kleine Wartungstechniker schluckte schwer, spielte noch einmal kurz mit dem Gedanken sein Heil in der Flucht zu suchen, als seine zwei steroidgeschwollenen Muskel-Monster in perfekter Synchronisation an ihm vorbei glitten und an den Seiten des Portals Rührt-Euch-Stellung einnahmen. Ein Teil von Theodor verspürte den wahnwitzigen Drang ihnen zu Applaudieren. Er hätte nicht gedacht, dass diese zwei gelenkig genug waren, um ihre Rinderflanken-Arme hinter den Rücken zu bekommen.
Der Moment geistiger Umnachtung verstrich jedoch schnell und er starrte das Iris-Portal erwartungsvoll an. Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn und ihm war, als versuche eine Miniatur-Blaskapelle seine Inneren Organe musikalisch darzustellen. Bei Gott, er musste so dringend auf die Toilette. Ein erneuter Schluckversuch den Kloß in seinem Hals los zu werden schlug fehl und er suchte Hände ringend nach einer Lösung für sein Dilemma. Was würden Anskar und Leonora wohl in seiner Situation machen?
Alle umbringen und danach Liebe machen?
Er gluckste. Nein, das geht nicht. Sein Gretchen war schließlich nicht hier, also musste er sich Wohl oder Übel etwas anderes einfallen lassen. Nur was? Was?! Bevor ein neuer Gedanke es auf die mentale Bühne in seinem Kopf schaffte, öffnete sich das Iris-Portal mit einem sanften hiss. Theo sprang vor Schreck fast aus seinen neuen Stiefeln und einer der Thorianer-Fleischberge lachte zischend – oder vielleicht ließ eine seiner überdimensionalen Drüsen auch nur Dampf ab. Wer konnte das schon sagen? So oder so war der Weg ins Nervenzentrum von Walhalla 23 nun frei ...
„Sch... Sch... Scheiße." Es bedurfte all des sich mühsam in der Einöde des Harzes erkämpften Mutes um nicht kehrt zu machen und davon zu stürmen. Schweiß mäanderte in kleinen Bächen über sein Gesicht und er machte sogar einen Schritt vorwärts, dann noch einen, die mausgrauen Augen hinter seinen Brillengläsern zweifelsohne weit und voll von Furcht. „H... H... Hallo?"
Keine Antwort.
Er schluckte schwer und sah sich zaghaft um. Das Büro des Odins war, wie er es in Erinnerung hatte. Ein großer Raum mit minimalen Möbeln und maximaler Persönlichkeit: Spartanisch-Viktorianischer Stil, konkave Metallwände in schimmernden Goldtönen, antike Lampen, die ein warmes Licht verbreiteten. Dieses floss in den Gang und über Theodor als hätte es ein Eigenleben.
„Los, rein mit dir", befahl einer der Titanen-Klopse und gab Thedor mit seiner Bratpfannenhand einen Stoß – und Schwupps war er drinnen.
Ein beständiges Tick-Tock-Tick-Tock begrüßte ihn und erinnerte Theodor an den Grund seines damaligen Wartungsauftrages, der ihn hierher gebracht hatte. Es erfüllte ihn mit Stolz zu sehen, dass die große, viktorianische Standuhr noch immer funktionierte. Die einzigen anderen Möbelstücke im Raum waren ein gewaltiger Schreibtisch aus braunem Mahagoni, ein unsagbar unbequem aussehender Stuhl davor und ein unheimlich bequem aussehender Ledersessel dahinter. Damals war der Odin nicht zugegen gewesen und er hatte in Ruhe arbeiten können. Heute wartete der Herrscher von Walhalla in bereits in seinem Sessel, die skelettdünnen Finger vor der Brust aneinander gelegt.
Oh-Gott-oh-Gott-oh-Gott...
Theodor stieß einen kleinen, fiependen Laut aus und das Bedürfnis eine Toilette aufzusuchen nahm geradezu kosmische Ausmaße an. Statt zu rennen trugen ihn seine verräterischen Beine jedoch näher zum allmächtigen Herrscher unter dem Brocken. Er öffnete seinen Mund und sah für einen Moment vermutlich wie ein Fisch an Land aus, bevor die ersten zaghaften Laute über seine Lippen kamen. „Ma... Ma...Mein Odin?"
Keine Antwort.
Der Herr von Walhalla 23 schien mit seinen unheimlichen Augen durch ihn hindurch zu sehen. Das eine war kalt wie Stahl, das andere war aus Stahl – ein seelenloser Orb, ohne Iris oder Pupille. Hochgewachsen und asketisch mager, gehüllt in einen schwarzen, makellos erhaltenen viktorianischen Dreiteiler, war sein einziges Zugeständnis zu Farbe eine purpurne Krawatte mit Diamantnadel. Eine weiße Mähne dünnen Haares fiel sanft auf seine Schultern und umgab ein Gesicht wie ein lederbespannter Totenschädel. Ob andere beim Anblick des Odins wohl auch an Abbildungen der apokalyptischen Reiter denken mussten? An Tod und Pest ... und ganz besonders Hungersnot.
Theodor schluckte schwer und holte tief Luft. „Ma... Mein Odin?"
Ein Zucken lief durch die hagere Fratze – dann schossen beide Augenbrauen in die Höhe, so als wäre der Herrscher von Walhalla überrascht ihn vor sich zu finden. Lippen dünn wie ein Skalpell glitten auseinander und enthüllten gelbe Zähne. „Theodor Kapp. Es tut gut Euch zu sehen, mein junger Freund." Die Stimme passte zu ihm – kalt, kultiviert und kratzig, wie das Rascheln von Blättern im Winterwind.
Die Begrüßung ließ Theodor jedoch überrascht blinzeln. „Huh?"
Der Odin erhob sich von seinem Sessel und umrundete den Schreibtisch. „Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, mein junger Freund, wie die Dinge hier drunter und drüber gingen, seitdem ihr Walhalla 23 den Rücken gegehrt habt."
„Ich ... ich wurde entführt—", begann Theodor, der spontan beschloss, das jedwedes heldenhaftes Getue doch nicht seine Sache war.
Die erhobene Hand des Odins schnitt ihm das Wort ab. „Ich weiß, ich weiß. Man hat euch entführt ... Und was für ein unglücklicher Glücksfall es doch für uns alle war, aber wo sind nur meine Manieren? Setzt euch doch erst mal. Setzt euch. Ihr müsst nach Eurer langen Reise noch immer erschöpft sein, insbesondere wenn man bedenkt, dass Ihr nur um ein Haar der Sense des Schnitters entronnen seid. Einen Tag mehr und selbst die geballte Macht von Walhalla 23 hätte euch nicht mehr retten können, aber genug davon: Kann ich euch eine Erfrischung anbieten? Einen Pfefferminztee vielleicht?"
„Ähm ... Vielleicht eine ... Nein. Nein danke, mir geht's gut."
„Seid ihr euch sicher? Ihr transpiriert nicht gerade wenig, nicht dass ihr euch eine Erkältung eingefangen habt."
„Es geht mir gut", fiepte Theodor, als der Odin hinter ihn trat und ihm seine skelettartigen Hände auf die Schultern legte. „Bestens sogar! Es ist nur ein wenig – Scheiße! – heiß hier. Ich muss wohl noch die Kälte der Oberfläche gewohnt sein."
Der Druck auf Theodors Schultern verstärkte sich und er wurde regelrecht in den Besucherstuhl gepresst. Wie erwartet, war dieser so unbequem, wie er befürchtet hatte. Torquemada selbst hätte wohl seine Freude an diesem vierbeinigen Folterinstrument gehabt.
„In dem Fall vielleicht doch besser ein kleiner Tee. Aus meinem persönlichen Bestand, versteht sich. Sie werden sehen, er wirkt Wunder." Ohne eine Antwort abzuwarten ging der Odin zurück zu seinem Schreibtisch und betätigte die Sprecheinheit dort. „Zwei Tassen Tee, bitte. Und vielleicht noch etwas Süßes zum Knabbern. Überraschen sie uns, was Letzteres anbelangt."
Eine blecherne, jedoch unverkennbar weibliche Stimme, die Theo vage bekannt vorkam, antwortete: „Kommt sofort."
Der Odin unterbrach die Verbindung und setzte sich, legte geschäftsmäßig die Finger aneinander. Sein Lächeln war von der Art, das normalerweise Kanarienvögel von Katzen bekamen. Alle Alarmsirenen gingen in Theodors Kopf los. Jetzt kommt's ...
„Sie fragen sich bestimmt, warum ich Sie zu mir bestellt habe."
„J... jawohl, mein Odin."
„Nun, es fällt mir zwar nicht leicht, doch ein Mann in meiner Stellung muss immer dazu bereit sein der harten Realität ins Auge zu blicken und die schwierigen Aufgaben des Lebens in Angriff zu nehmen – wie sehr sie einem auch missfallen mögen."
Oh-Gott-Oh-Gott...
Die Worte des Odins beschworen Bilder von garstigen Folterinstrumenten in Theodors Kopf herbei – wobei wohl nichts schlimmer sein konnte, als der Stuhl, in den man ihn gepresst hatte. Er schluckte schwer und ein dicker Schweißtropfen rollte über seine Stirn und die Nase entlang, wo er hing wie ein Mann kurz vor dem Sturz in einen bodenlosen Abgrund.
Der Odin seufzte. Der Tropfen fiel. Die Welt hielt den Atem an.
„Ich ...", begann der allmächtige Herrscher von Walhalla. „Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen – und Ihnen meinen Dank aussprechen ..."
Theodor blinzelte – einmal, zweimal, dreimal – öffnete den Mund und fasste sein Erstaunen in einem einzigen Wort zusammen: „Hä?" Nun, vielleicht konnte man es nicht wirklich als Wort bezeichnen, doch was sonst sollte man in so einer Situation schon sagen?
„Sie müssen wissen", setzte der Odin fort, „dass es in Walhalla 23 für eine sehr lange Zeit nach ihrer Flucht ausgesprochen chaotisch zuging – was nur zum Teil daran lag, dass das junge Fräulein Hagen das Archetype Projekt sabotiert und Labor 13 in die Luft gesprengt hat."
„Mein Odin, ich schwöre ich hatte nichts damit zu tun, ich wurde—"
„Oh, keine Angst, mein junger Freund. Es liegt mir nichts daran Euch die Schuld dafür vor die Füße zu legen. Die Probleme, die sich in den folgenden Tagen und Wochen herauskristallisierten, waren primär auf die Abwesenheit unseres besten Wartungstechnikers zurückzuführen – auf Ihre Abwesenheit."
„Meine Abwesenheit?!", keuchte Theodor, die Augen weit und ungläubig.
„Gewiss. Wie es scheint, lag es nur an Ihrem unbestreitbaren Genie, dass ihr Vorgesetzter Meier die Wartungs- und Instandhaltungsabteilung so effizient führen konnte, wie er es tat. Nach ihrem Verschwinden brach jedoch alles zusammen und da ich ohnehin gezwungen war, mir Ihre Akte genauer anzusehen, bin ich auch über die Verbesserungsvorschläge gestolpert, die Sie über die Jahre an Meier geschickt hatten. Verbesserungsvorschläge, die Ihr Vorgesetzter aus schierem Neid und wie es scheint Böswilligkeit zurückgehalten hat. Ohne Zweifel, um Sie, mein junger Freund, in einer Position unter ihm zu halten und so von Ihrem Genie zu profitieren."
Während der Odin sprach wandelte sich Theodors Gesichtsausdruck langsam von Ungläubigkeit, über Schock und Staunen, zu rechtschaffener Entrüstung. Was für eine Schweinerei! Er sprang von seinem Folterstuhl auf, spie den Namen seines verhassten Vorgesetzten förmlich aus. „Meier! Ich habe es gewusst! Er hat zwar immer gesagt, dass er meine Vorschläge weiterleitet, doch ich habe es ihm nie geglaubt. Dieser ... Dieser ... Dieser ..." Theodor ballte seine Hände zu Fäusten, rang nach einem Schimpfwort, das der Situation angemessen war. „Dieser ... Meier!"
Der Odin nickte, voll von väterlichem Verständnis. „Es erklärt sich natürlich von selbst, dass wir sofort angefangen haben ihre 1.335 Verbesserungsvorschläge umzusetzen – und siehe da: Die Lebensqualität und Hygiene in Walhalla 23 hat sich um 8.123 Prozent verbessert. In der Tat laufen die Dinge so gut, dass wir alle unsere ... nun ... nennen wir sie mal kriegerischen Programme, eingestellt haben, um am Wohle und Heile aller zu arbeiten."
Theodor starrte ihn an. „Wirklich?"
„Gewiss – was auch der Grund ist, warum wir Sie zurückbrauchen. Meier wurde seines Amtes enthoben und zur Strafe seiner egoistischen Neidhammelnatur wird er für den Rest seines Lebens die Toiletten Walhallas reinigen – mit seiner Zahnbürste. Das bedeutet, die Leitung der Wartungs- und Instandhaltungsabteilung ist nun zu besetzten, jedoch ist dies keine Berufung die ein Jedermann füllen könne. Dies sind kritische Zeiten und wir brauchen einen Visionär, insbesondere wenn wir Ordnung und Sauberkeit zu der Welt über uns und den schmuddeligen Massen dort oben bringen wollen. Mit anderen Worten, wir brauchen einen Helden: Wir brauchen Sie, Theodor."
„Mich?!", keuchte Theodor nahezu hysterisch.
Der Odin nickte. „Sie."
Theodor fiel in die Umarmung seines Folterstuhles, als seine Beine nachgaben. „Mich ... Bei meinem Bolzenschneider."
Der Odin lachte. „In der Tat."
„Habe ... hätte ich mein eigenes Büro? Klimatisiert mit ABC-Luftfiltern?"
„Aber natürlich! Besagte Luftfilter werden derzeit überall in Walhalla 23 installiert. In kürzester Zeit werden Schmutz und Bakterien der Vergangenheit angehören."
Theodors Augen füllten sich mit Tränen. „Ich ... ich glaube, dass ist der zweitglücklichste Moment meines Lebens." Er schniefte. „Und der qualvollste, denn ich denke, ich muss Ihr großzügiges Angebot ablehnen."
Das Eingangsschott hinter Theodor öffnete sich mit einem Zischen, doch er hatte nur Augen für die Stirn des Odins, welche sich langsam in Falten legte. Kein schöner Anblick. Ein schweres Schlucken folgte einem mentalen: Oh-Gott-Oh-Gott! Vielleicht war es doch keine so gute Idee diesen Job abzulehnen?
Der Odin nickte langsam und bedacht. „Man sagt nicht oft ‚Nein' zu mir, mein junger Freund, doch wenn das Ihre Entscheidung ist, dann ist dem halt so. Sagen sie mir nur: Warum? Vielleicht können wir einen Weg finden, um Ihnen diese Stelle ... nun ... sagen wir mal schmackhafter zu machen."
„Ich ... nun ... es gibt da jemanden, den ich an der Oberfläche kennen gelernt habe. Eine Frau. Eine ..." Theodor holte tief Luft, blähte seine schmale Brust und streckte sich, um größer zu erscheinen. „Eine Veränderte – eine Zwergin, um genau zu sein und eine unglaublich attraktive noch dazu! Liebe hat mich erst in den späten Jahren meines Lebens gefunden und ich werde sie für nichts in der Welt mehr aufgeben: Auch nicht für ein eigenes Büro mit Luftfilteranlagen."
„Hmm. Habe ich vergessen die UV-C Desinfektionsdeckenbeleuchtung zu erwähnen? Meine besten Wissenschaftler garantierten mir, dass sie bis zu 99,99 % alle Bakterien und Krankheitserreger abtötet und von normalem Licht kaum zu unterscheiden ist."
Verdammt.
Theodor gaffte den Odin an. „UV-C Licht? Ich ... Nein. Nein, mein Gretchen ist es wert sich erneut in diese Welt aus Dreck und Keimen und Bäh dort oben zu wagen! Für sie würde ich durch die Hölle gehen – oder eben zurück nach Waagen."
Hinter ihm ertönte das Klirren von Metall auf Porzellan. „Ach Theobär ..."
Diese Stimme ...
Er kannte diese Stimme!
Theodor sprang auf, fuhr herum ... und da war sie: Sein Gretchen, keine fünf Schritte entfernt. Sein Mund gab neue Bedeutung zu dem Ausdruck „Weit wie ein Scheunentor" und seine Augen eiferten dem sogleich nach, als er das neue Outfit seiner Geliebten sah. Keine klobigen Stiefel und aus Schrott gefertigte Rüstung mehr, sondern ein dunkler Rock, eine helle Bluse mit neckischer Schleife, Stiefel mit hohen Absätzen – und dunkle Strümpfe!
Sein Herz fing liebestoll an zu hämmern. Badabum-Badabum-Badabum...
Ihre blonden Haare waren in einem geschäftsmäßigen Pferdeschwanz nach hinten gebunden und so wie auch er trug sie nun eine Brille. Mit anderen Worten: Sie sah aus wie die verführerischste und kompakteste Sekretärin, die die Welt je gesehen hatte. Theodor war mit einem Mal so heiß, er war sich sicher Dampf müsste jeden Moment aus seinen Ohren schießen. Effizient wie er war, fasste er alles mit drei Buchstaben zusammen. „Wow."
Freudentränen glitzerten in Gretchens blauen Augen und das Tablett mit Tee und Knabberei zitterte in ihren Händen. Sie mussten sich für einen sehr langen, geradezu zeitlosen Moment einfach nur angestarrt haben – entweder das oder der Odin war um einiges schneller, als seine ausgehungerte Erscheinung erahnen ließ. Er tauchte wie aus dem Nichts neben seiner Geliebten auf und nahm ihr geschickt das Tablett ab.
Keine Sekunde zu früh wie sich herausstellte ...
Gretchen flog auf ihn zu wie eine sexy Kanonenkugel, umschlang Theodor mit ihren kräftigen Armen, hob ihn mühelos hoch und wirbelte ihn herum bis ihm schwindelig wurde. Ihr Griff war so kräftig, sein Brustkorb wäre wohl kollabiert, hätte ihr üppiger Busen nicht einen entsprechenden Puffer abgegeben.
Theodor keuchte: „Uff!"
Gretchen schluchzte: „Mein Theobär!"
Theodors innerer Macho jammerte: Autsch ...
Der Herr von Walhalla 23 sah allem mit einem gönnerischen Lächeln zu. „Ah, wie ich sehe kennen Sie meine neue Sekretärin Fräulein Klein bereits. Wie bereits erwähnt hat sich in ihrer Abwesenheit einiges geändert, mein junger Freund. Veränderte sind keine Persona non grata mehr. Fräulein Klein ist nun eine angesehene Bewohnerin von Walhalla 23 – mit allen Rechten und Vergünstigungen die dazu gehören."
„Es stimmt, Theo", sagte Gretchen, nachdem sie ihn fast widerwillig abgesetzt hatte. „Als klar wurde, dass man dir in Waagen nicht würde helfen können, ist ein Agent von Odin Gruber an uns herangetreten und der Greif hat eingewilligt, dich als Zeichen des guten Willens hierherzubringen. Odin Gruber hat mir erklärt, dass alles was in Waagen passiert ist nur ein großes Missverständnis war. Es ging ihnen gar nicht darum Anskar und Leonora gefangen zu nehmen: Das war nur eine Lüge der Verbrecher, die euch angegriffen haben. Odin Gruber hat alles aufgeklärt und im Zuge eines Austauschprogrammes mit Waagen habe ich beschlossen hier eine Arbeit anzunehmen. Es gefällt mir hier, sie haben so schöne Sachen. Lass uns bleiben, Theobär, bitte."
„Hmm. Hmmm. Hm." Alles in Theodor schrie danach In Ordnung! zu kreischen, doch er hielt sich zurück, tat so, als müsse er einen Moment darüber nachdenken. Der Odin und Gretchen sahen ihn erwartungsvoll an. Die Spannung stieg ins Unermessliche. Letztendlich seufzte Theodor, so als würde er ein großes Opfer bringen. „Fein, wenn es dich glücklich macht."
Bei Gott, aber er hätte einen großartigen Schauspieler abgegeben.
Gretchen umarmte ihn erneut. „Ach Theo!"
„Uff." Diesmal war der kleine Wartungstechniker sicher, dass er eine seiner Rippen knacken hörte. Er drehte sich zu Odin Gruber, tat so, als würde er einen weiteren Moment nachdenken und nickte langsam. „Ich nehme die Stelle als Leiter der Wartungs- und Instanthaltungsabteilung an."
Der Odin strahlte über beide Ohren – ein mehr als beunruhigender Anblick. „Ausgezeichnet! Ihre Arbeit beginnt, nachdem sie eine letzte Aufgabe als Wartungstechniker erfüllt haben. Fräulein Klein hat mir nämlich berichtet, dass es in ihrer neuen gemeinsamen Wohneinheit mit den Rohrleitungen Probleme gibt. Probleme, die anscheinend nur sie beheben können."
Gretchens Finger kraulten seine Brust. „Das stimmt, Theobär. Schließlich ist niemand besser als du darin ein ... Rohr zu verlegen."
Das hungrige Glimmern in Gretchens Augen ließ keinen Zweifel daran was genau damit gemeint war. Theodor war mit einem mal so heiß, als würde ihn jemand von innen mit einem Flammenwerfer bearbeiten. Er schluckte schwer, brachte jedoch dank des Kloßes in seinem Hals nur ein Krächzen und ein Nicken hervor.
„In dem Fall ist ja alles geklärt", sagte der Odin. „Willkommen zurück in Walhalla 23, mein junger Freund. Auf eine gute Zusammenarbeit – und nun husch-husch: Es wird Zeit dieses Rohr zu verlegen."
„Genau mein Gedanke", hauchte Gretchen, packte ihn bei der Hand und zog ihn in Richtung Ausgang.
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Frohe Weihnachten, Leute. :)
Danke auch für euere Geduld, ich war letztes Wochenende leider krank (seitdem ich Corona hatte, bin ich recht anfällig geworden), weshalb ich nicht zu dem Update gekommen bin.
Dafür gab es heute aber ein besonders langes Kapitel am Stück.
Und morgen gibt es gleich auch noch eines. :P
Und wenn alles klappt, vielleicht sogar ein drittes.
In diesem Sinne, noch einen schönen ersten Weihnachtstag.
M.
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