Der Schlächter
Kalt.
Kalt und still.
Der perfekte Ort für den Schlächter, um auf Beute zu warten, um seine hämmernden Herzen zu beruhigen, um den Seelen zu lauschen, die in der Endlosigkeit seines Seins, seiner Inneren Welt, gefangen waren. Seelen die schnatterten, die weinten, die um Hilfe schrien, die aus Wut heulten. Eine Legion der Verdammten. War eine der Stimmen vielleicht sogar seine eigene, seine erste Stimme? Er konnte es nicht sagen. Nach und nach beruhigten sich die Stimmen, hörten auf ihn mit ihren Worten zu bombardieren, ihn mit Erinnerungen zu Geiseln, ihn anzuflehen, ihn anzuschreien.
Es half, dass er sich nährte, half sogar immens – also nährte er sich.
Clonk.
Ein Gongschlags in der Ferne und dann ... Stille. Eine Stimme, lauter als die anderen, vertrauter als die anderen, flüsterte, dass man still sein muss, um sich selbst zu finden, um sich selbst zu kennen. Kannte er sich? Wer war er? Was war er? Ein Traum im Geiste eines Anderen? Nichts? Alles?
Clonk.
Etwas schob sich durch die schleimige Dunkelheit an ihn heran, nippte an seinem Fleisch. Ein großer Fehler. Sein Fleisch war der Abgrund. Es verschlang alles und nährte nichts. Der Kern seines Wesens reichte nach der närrischen Kreatur aus – und das Etwas war nicht mehr, wurde ein Teil des Nichts, wurde ein Teil von ihm.
Clonk.
Einmal mehr verlor die Zeit an Bedeutung und der Schlächter spürte den Wandel. Er fühlte wie seine Muskeln sich streckten, anschwollen, wie das Nichts in seinem Inneren wuchs, stärker wurde, als es die Nahrung um sich herum absorbierte. Keine frische Nahrung, doch Nahrung nichtsdestotrotz.
Clonk!
Etwas änderte sich. Der Gongschlag wurde lauter, eindringlicher. Wandelte sich zu einer Warnung, einem Alarm der ihm sagte, wo seine nächste Beute zu finden war. Die Stimmen erwachten, eine Legion aus Stimmen ...
Feinde, flüsterte einige.
Neue Seelen, hauchten andere.
Clonk!
Ein Muskel zuckte in seinem Gesicht, der Beginn eines Lächelns. Zeit seiner Bestimmung zu folgen. Zeit sich zu erheben. Zeit für Schreie. Für Tod. Zeit den Abgrund mit Leben zu füttern. In seiner Inneren Welt trat er an diesen Abgrund heran, fand sich hoch oben auf einer Klippe über dem endlosen Nichts. Ein Wind geformt aus heulenden Stimmen umtoste ihn, bombardierte ihn. Die meisten flehten ihn an sich in die Tiefe zu stürzen, sein Schicksal gänzlich anzunehmen, doch noch war er nicht bereit, noch hielt in etwas zurück. Er trat an den Rand und blickte einmal mehr in den Abgrund. Augen öffneten sich in der Schwärze und der Abgrund blickte in ihn.
Clonk!
Der Schlächter öffnete seine Augen – all seine vielen, vielen Augen – hob sein Haupt aus dem Schleim und Schlick seines Versteckes. Die Schwärze wich harschem Industrielicht, das in langen Röhren über ihm flackerte, dass zitterte – zweifellos aus Angst vor ihm – genauso wie es sein sollte, wie es Rechtens war. Denn schließlich war er war die personifizierte Dunkelheit. Er war das lebendig gewordene Nichts, der endlose Hunger, der die Leere zwischen den Welten füllte und nagte, nagte, nagte ...
CLONK! CLONK! CLONK!
Sein Körper absorbierte den Rest des Blutschlicks in seinen Ohren und der Gongschlag war mit einem Mal lauter, eindringlicher, das panische Hämmern eines gewaltigen Herzens. Etwas viel auf seine Stirn. Warm. Er legte den Kopf in den Nacken, blickte in das blutüberströmte Gesicht eines über der Grube hängenden Toten, beobachtete, wie sich ein weiterer Tropfen an dessen Finger formte.
CLONK!
Das kostbare Rot löste sich und raste auf sein Auge zu, verschwand in dessen Schwärze, wie ein Regentropfen der eins wurde mit der See. Noch immer warm, noch immer voll von Leben, nicht wie das Blut und die kalten Eingeweide in der Grube.
CLONK!
Er hörte Stimmen. Kamen sie aus seiner Inneren oder der Äußeren Welt? Sie klangen vertraut – also vermutlich aus seiner Inneren. Er musste sehen, um sich sicher zu sein, hob langsam den Kopf, bis er über den Rand der Grube spähen konnte.
CLONK!
Ein Mann und eine Frau bewegten sich durch die Halle und auf das Kühlhaus mit seinem Köder zu. Beide wandten ihm den Rücken zu. Beide wirkten seltsam vertraut. Geister aus einer seiner vielen Vergangenheiten? Umgehend fingen die Stimmen in seinem Inneren an ihn mit ihrem Wissen zu bombardieren. Einige schrien ihm Warnungen zu, andere flüsterten abscheuliche Geheimnisse.
CLONK!
Ja, er kannte die beiden. Insbesondere die aufreizende Frau, in ihrem enganliegenden Ganzkörper-Kampfanzug war vertraut. Etwas in der Art, wie sie sich bewegte, so geschmeidig, so leichtfüßig, rief Erinnerungen in ihm wach. Verschwommene, ungewöhnliche Erinnerungen. Sie anzusehen war Verwirrung, war bittersüßen Schmerz zu kennen. Bilder huschten durch seinen Verstand und er sah grüne Augen über einem strahlenden Lächeln, warm wie die Sonne. Die Augen schlossen sich, öffneten sich, nunmehr blau, nicht grün. Das Lächeln aber, das Lächeln blieb dasselbe. Eine Stimme, vertrauter als die anderen, schien ihm aus weiter Entfernung einen Namen zuzurufen, doch er konnte ihn über das Gezeter der anderen nicht hören.
Angelina?
Der Schlächter reichte nach einer vorbeihuschenden Erinnerung aus, sah eine Frau vor sich, die ähnlich gekleidet war, sah silberne Fangzähne und Klingen. Hörte Gelächter, als ihre Waffen ihm das Fleisch von den Knochen schälten. Silver, hauchte eine Stimme ihren Namen. War sie zurückgekehrt um ihre Arbeit zu vollenden?
CLONK!
Er zwang seinen Blick weg von der Frau, weg von den verwirrenden Erinnerungen. Der archaischen Frack des Mannes, dieser dämliche Zylinder, der schwarze Gehstock, der durch seine Gürtelschlaufe geschoben war ... auch ihn kannte er. Dieser Stock ... Vor seinem Inneren Auge sah der Schlächter, wie das kugelförmige Stück auf ihn zuraste. Eine andere Erinnerung stieg hervor und einen Augenblick später stand er lächelnd vor demselben Mann und bot ihm den Gehstock als Geschenk an. Ein neuer Moment und er saß mit ihm und vielen anderen an einem Tisch und sie teilten sich ein Mahl. Ein saftiges Steak aus ungewöhnlich gemasertem Fleisch. Es schmeckte köstlich.
Ein Name begann sich in seinem Kopf zu formen. Adelmar?
CLONK!
Ein Kaleidoskop aus vergangenen Momenten, die meisten widersprüchlich und verwirrend, schossen durch seinen Verstand. Freunde? Feinde? Lügner? Betrüger? Welche seiner Erinnerungen war die echten, welche der Stimmen, die in seinem Inneren um Vorherrschaft kämpften war die seine?
CLONK!
Die Antwort war letztendlich einfach ...
Seine Stimme war die des Abgrundes, die des endlosen Hungers, die der donnernden Stille, des Nichts – und das Nichts wollte immer nur das eine: Verschlingen. Der Schlächter hob einen Arm aus der Grube und seine neue Klauenhand legte sich auf den Betonrand der Grube. Sein zweiter Arm folgte, das vernarbte Fleisch grau, wo es nicht von Dreck bedeckt war, massiv mit neuen Muskeln. Zuletzt die zwei Arme, die er seinem Köder genommen hatte, lang, sehnig, stark, breiteten sie sich hinter ihm aus, wie die vom Feuer gezeichneten Schwingen eines gefallenen Engels.
CLONK!
Die Augen in seinem Torso, in seinen Armen, in seinem Kopf nahmen alles in sich auf. Einige rollten und blickten irr umher, verrückt wie die Stimmen in seinem Inneren, andere fixierten sich auf seine Beute. Die zwei waren abgelenkt, ihre Aufmerksamkeit gänzlich auf die schwere Tür gerichtet – so wie er es geplant hatte, so wie ihm die Stimmen zugeflüstert hatten.
CLONK!
Der Schlächter glitt gänzlich aus der Blutgrube, darauf bedacht, keine der verrottenden Darmschlingen mit sich zu bringen. Er hielt sich nahe am Boden, bereit vorzuschnellen. Die Beine, die er der Wolfs-Bestie genommen hatte, spannten sich. Sein Mund öffnete sich zu einem Grinsen das von Ohr zu Ohr reichte. Zeit zu töt— Die Frau in dem Kampfanzug zog ihre Maske herab und für einen sekundenbruchteil konnte er ihr Profil sehen.
LENORA!
Eine Stimme, lauter als alle anderen, vertrauter als alle anderen, donnerte in seinem Inneren, brachte das Geschnatter der Legion zum verstummen – zumindest für einen Moment. War dies seine Stimme? Eine Flut aus Erinnerungen brandete über den Schlächter, verwirrend und seltsam, und doch stärker, als all diejenigen, die ihn sonst malträtierten. Waren dies seine Erinnerungen? Mit ihnen kamen Gefühle, die er vergessen hatte: Verlangen, Zuneigung ... Liebe? Der Schlächter versteifte sich, fing an zu zittern. Liebe. Er hatte vergessen, dass es andere Gefühle gab als Schmerz, als Hunger, als der bestialischen Freude zu töten und zu verschlingen.
Sein Mund öffnete sich, stieß das leiseste aller Flüstern aus. „Nora?"
CLONK!
Leonora drehte sich wieder der Tür zu und der Mann – Adelmar? – trat an sie heran, legte eine Hand auf ihre Schulter. Seine Finger strichen vertraulich, nein liebevoll über ihren Arm. Eifersucht erfüllte den Schlächter, ungewohnt und verwirrend – dann Sorge, Panik, als die andere Hand des Mannes in Sicht kam. Eine metallene Hand, eine Hand in der etwas Langes und Spitzes glänzte.
Seine Stimmen kreischten: Waffe! Dolch! Stilett!
Die Schlünde im Fleisch des Schlächters klafften auf und ein Heer aus Stimmen heulte ein einziges Wort: „NEIN!" Er flog regelrecht auf den Mann – Mörder, Freund, Verräter – zu und seine Klauen zogen tiefe Kerben in den Betonboden. Die beiden fuhren herum – und Leonora fing umgehend an auf ihn zu feuern!
Die Legion in seinem Inneren heulte ...
Falle!
Hinterhalt!
Verrat!
Sie hatten gewusst, dass er in der Grube auf sie lauerte, hatten es gewusst! Leonoras Augen, diesen wunderbaren grünen Augen, weiteten sich in Horror, aber sie hörte nicht auf zu feuern. Ihr Grauen zu sehen war schmerzafter, als all seine erlittenen Wunden, war grausamer, als der endlose Hunger. Er musste gegen das Verlangen ankämpfen aus Scham sein Gesicht zu verbergen und vor ihr zu fliehen. Der Schlächter wusste noch immer nicht, was sie mit ihm verband, doch er wusste, dass sie wichtig für ihn war, dass er sie beschützen musste – vor der Welt und vor allem vor sich. Ja ... selbst jetzt spürte er sein Verlangen, spürte es tief in sich: Der Hunger, das verzehrende Gelüst eins mit ihr zu werden.
Pop-Pop-Pop...
Leonoras Pistole hustete so schnell wie sie den Abzug drücken konnte und Kugeln hämmerten in sein Fleisch, doch er spürte sie kaum. Was waren Kugeln anderes als Mückenbisse, als—
Er stolperte und krachte schlitternd zu Boden, blinzelte verwirrt ... und verstand. Keine Kugeln, sondern etwas anderes, etwas, dass Schwäche, das Müdigkeit brachte. Sein Blick verklärte sich, die Welt mit einem Mal verschwommen, surreal. Der Schlächter schüttelte den Kopf. Unwichtig. Was zählte war der Verräter, war die glänzende Waffe in seiner Hand. Wusste er, wieviel Leonora ihm bedeutete? Wollte er sich so an ihm rächen, sie Hinterrücks erdolchen währen er dabei zusah? Seine Schlünde öffneten sich zu einem animalischen Schrei. „NEEIIIINN!"
Der Schlächter ignorierte die Schwäche, grub seine Klauen in den Beton und katapultierte sich vorwärts. Die Welt wackelte wie auf einem sturmgepeitschten Schiff bei Nacht, verwandelte die beiden in verschwommene Schemen. Sie drifteten auseinander. Welches Schemen war Nora? Welches Adelmar? Er schrie in Verzweiflung und die Legion in seinem Inneren schrie mit ihm.
Pop!
Mündungsfeuer...
Er fuhr nach rechts, ignorierte die Gestalt, die auf ihn feuerte, flog auf das zweite Schemen zu. Sein Blick klärte sich für einen Moment und er sah das so gut wie zahnlose Grinsen Adelmars, sah wie er ihm zuwinkte.
Narr!
Der Schlächter lachte und die Legion lachte mit ihm. Er sprang vor, überbrückte mehrere Meter in einem Satz und trieb die Finger seiner Klauenhand durch Adelmars Eingeweide, riss ihn von den Beinen und hielt ihn aufgespießt am ausgestreckten Arm. Es war jedoch nicht Schmerz, den er in der blutverschmierten Fratze seines Feindes, sondern Siegesfreude.
„Hab dich!", keuchte Adelmar und eine Blutwolke explodierte zusammen mit den Worten aus seinem Mund, vernebelte dem Schlächter für einen Augenblick die Sicht. Als sie sich wieder klärte sah er, dass der Verräter ihm etwas in den Unterarm getrieben hatte.
Kein Stilett, sondern eine große metallene Spritze ...
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Heya Leute.
Wie ihr seht spritzen sich die Dinge zu. 😎
Schlechter Scherz, ich weiß, aber ich brauche den um eine sogar noch schlechtere Nachricht etwas genießbarer zu machen. So wie es aussieht, sind mehrere meiner Geschichten, die ich auf Wattpad hochgeladen habe, eins zu eins und ohne meine Zustimmung auf mehrere andere, sich irgendwo in Asien befindende Seiten kopiert worden. Ich nenne mal keine Namen, weil man sich auf diesen Seiten sogar noch Viren einfangen kann. (Was irgendwie gleich doppelt weh tut...)
Sucks, right?
Mal davon abgesehen, dass diese Art von Copyright Infringement des Jung-Autors Alptraum sind, stellt mich das natürlich vor eine schreckliche Situation. Mehr von meinen Werken auf Wattpad hochladen mit dem Risiko das diese geklaut und dann definitiv nicht mehr (Verlags-) vermarktet werden können oder euch hier zu enttäuschen.
Damned if I do, damned if I don't. :/
Im Augenblick bin ich noch unentschlossen und wenn ich mich dazu entschließen sollte auch Archetype 3.0 (bzw. die anderen Teile) runterzunehmen, werde ich euch vorab Info geben. Außerdem werde ich definitiv noch Kapitel bis zu einem Punkt hochladen, wo ein guter Story- Schnitt ist. (Was wohl am Ende des ersten Teils ist von Archetype 3.0 sein wird.) Also keine Angst, wir haben noch mehrere Updates vor uns, wenn es zum schlimmsten kommen sollte.
Ich muss noch das ganze für und wieder, sowie das Risiko abwägen und vielleicht sieht es in ein paar Wochen schon ganz anders aus. Aber ja, im Augenblick ist das natürlich $§/(! für uns alle. :/
Wollte euch nur schon einmal auf das schlimmste vorbereiten, so dass ihr nicht plötzlich geschockt vor einem Abgrund steht.
Auf der plus Seite, würde das aber tatsächlich gut für zukünftige Print-Projekte aussehen. So ne blutige Archetype-Trilogie im Schrank stehen zu haben macht sich ja bestimmt auch nicht schlecht, ey?
Mehr dazu in den nächsten Wochen (wenn ich überhaupt die Zeit finde, mich damit auseinandersetzten. Sooo viele Projekte derzeit. 🥺)
M.
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