Jayvik | Tanzball
"Du kommst heute Abend doch auch, oder Viktor?", wandte sich Jayce an seinen Laborpartner, während er seine Notizen ordentlich zusammensammelte, um sich gleich auf den Heimweg zu machen.
Anlässlich eines jährlichen Feiertages wurde ein Ball veranstaltet, zu dem alle Mitglieder des Rates, der Akademie und wichtige Handelsfamilien eingeladen waren.
"Ich denke nicht, dass ich zu den gewünschen Gästen gehöre", wiederholte Viktor stur seine Aussage, an der er seit Einkunft der Einladung festhielt.
"Und ich sage dir doch, dass du als mein Partner definitiv dazu zählst! Die können nicht mich einladen und unsere Forschung in den Himmel loben, aber dich dann ausschließen! Du gehörst zu Hextech und damit zur Akademie!"
'Und zu mir', fügte er in Gedanken hinzu, aber wagte nicht, es laut auszusprechen.
Viktor seufzte, aber wandte sich nicht von dem blauen Kristall ab, den er noch immer durch eine Lupe betrachtete.
"Ich habe nichtmal die richtige Kleidung für sowas. In der Unterstadt gab es nie Bälle, schon vergessen?"
"Aber Professor Heimadinger muss dich doch zu solchen Events mitgenommen haben, als du sein Assistent warst!"
Nun hob Viktor endlich den Kopf und schürzte die Lippen, während er den Kopf hin und her wiegte.
"Der Professor war auch nicht immer der gefragteste Gast bei Tanzveranstaltungen. Meistens hat es gereicht, einfach still in einer Ecke zu sitzen und zu warten, bis wir wieder gehen konnten."
Jayce verzog enttäuscht das Gesicht.
"Und wenn ich auch nicht mehr von dir verlange, außer dass du zumindest auftauchst? Ich will, dass die Leute zumindest sehen, dass Hextech unser Traum ist, nicht nur meiner! Wir haben das alles gemeinsam erreicht!"
Viktor seufzte erneut und zog seine Augenbrauen zusammen, sodass sie einen Schatten auf seine goldenen Augen warfen.
"Wenn ich hier rechtzeitig fertig werde, komme ich vorbei. Aber das ist kein Versprechen!"
"Einverstanden! Ich erwarte dich, Partner!"
Glücklich verließ Jayce den Raum und machte sich auf den Heimweg, um sich für den Abend fertig zu machen.
Anders als Viktor würde er wohl eine wichtige Rolle spielen und wollte der Aufmerksamkeit gerecht werden. Anzüge hatte er glücklicherweise mittlerweile genug.
***
Ein paar Stunden später trat er die lange Treppe zum Festsaal hinauf. Drinnen schien bereits goldenes Licht und erhellte den Boden zu seinen Füßen.
Wie erwartet, erkannten ihn die Anwesenden direkt und er verbrachte eine halbe Stunde damit, jeden höflich zu begrüßen und ein paar Worte über seine aktuelle Forschung abzugeben.
Dann stand er endlich am Rand der Tanzfläche. Rechts von ihm baute sich das Buffet auf, doch noch hatte er keinen Appetit. Lieber aß er später mit Viktor. Sein Partner musste einfach auftauchen! Doch auch wenn er sich aufmerksam umsah, er konnte Viktors schmale, blasse Gestalt nirgends entdecken.
"Guten Abend, Jayce", grüßte ihn plötzlich eine weibliche Stimme und er drehte sich schnell um.
Vor ihm stand Mel, seine Kollegin aus dem Rat, die ihm stets mit diplomatischen Ratschlägen zur Seite stand, um sowohl seine, als auch ihre eigene politische Macht zu sichern.
Zur Feier des Tages hatte sie mehr goldene Sommersprossen im Gesicht als sonst und auch ihre schwarzen Locken wurden von goldenen Bändern gehalten. Zusammen mit ihrem weißen Kleid, dass sich hervorragend von ihrer dunklen Haut abhob, zog sie wie immer die Blicke aller Anwesenden auf sich.
"Mel, schön dich zu sehen!", erwiderte Jayce den Gruß, erfreut, ein bekanntes Gesicht zu erblicken.
"Darf ich dich um einem Tanz bitten?"
Mel hob ihm fragend die Hand hin und ein sanftes Lächeln erschien auf ihren goldenen Lippen.
Jayce erwiderte das Lächeln und nahm ihre Hand. "Selbstverständlich!"
Nur wenige Momente später begann das Orchester ein neues Stück und sie bewegten sich über die Tanzfläche.
Jayce konnte nicht umhin, weiter nach Viktor Ausschau zu halten, doch hier inmitten des Gedränges würde er ihn wohl noch weniger finden als zuvor.
Er seufzte leise und sein Blick richtete sich wieder auf Mel, die ihn unverwandt ansah. Kurz hatte er ein schlechtes Gewissen, dass er mit ihr tanzte, aber ihr dabei gar keine Aufmerksamkeit schenkte.
"Du bist so abwesend. Was beschäftigt deine Gedanken?", sprach sie ihn in diesem Moment an und ihre Augen funkelten wissend.
Jayce blickte verlegen zur Seite. "Ich habe mich nur gefragt, ob Viktor heute auftauchen wird. Er ist solchen Veranstaltungen eher abgeneigt, musst du wissen."
Mel lächelte. "Das verwundert mich bei einem Mann wie ihm wenig."
Jayce wusste nicht, was er auf diese Aussage erwidern sollte, also nickte er und lauschte, welches Lied das Orchester diesmal spielte.
Erst nach ein paar Minuten stellte er fest, dass Mel die Führung übernommen hatte und ihn nun mit eleganten Drehungen über die Tanzfläche navigierte.
Sie lächelte, als wüsste sie, dass er es bemerkt hatte, aber er ließ sie machen und folgte ihren Bewegungen. Sie war eine deutlich bessere Tänzerin als er selbst einer war.
Während die Streichinstrumente ihren letzten Ton in die Länge zogen, nahm Mel ihre Hand von Jayce Schulter und entschuldigte sich lächelnd, um mit einem anderen Gast zu reden, den sie entdeckt hatte.
Jayce winkte ihr kurz nach und bahnte sich dann seinen Weg von der Tanzfläche hinunter. Glücklicherweise hatte Mel ihn ganz am Rand zurückgelassen.
Er trat gerade wieder zu den entspannt plauderten Gästen, als seine Aufmerksamkeit automatisch zur Seite gezogen wurde.
Dort stand er.
Viktor.
Er war wirklich gekommen! Ein Strahlen breitete sich auf Jayce Gesicht aus, als er seinen Partner erkannte. Seinen Stock an den Unterarm gehängt, wie er es immer tat, wenn er ihn gerade nicht benutzte, und mit dem Rücken an eine der Mamorsäulen gelehnt. Ein Bein hatte er dabei lässig angewinkelt.
Jayce wollte direkt zu ihm laufen, aber während er ihn musterte, spürte er, wie sein Mund ganz trocken wurde.
Natürlich hatte sich auch Viktor herausgeputzt, um hier auf dem Ball nicht völlig aus dem Rahmen zu fallen. Das hatte Jayce auch erwartet. Aber er hatte nicht damit gerechnet, wie wunderschön und vornehm sein Partner aussehen würde.
In dem weißen Hemd und der engen grauen Weste sah seine Taille noch schmaler aus als sonst und Jayce war sich sicher, er würde einfach entzwei brechen, wenn er ihn zu fest anfasste.
Wie gefesselt sah er zu, wie Viktor auf sein anderes Bein wechselte und sich kurz das Knie rieb, das wahrscheinlich von der Belastung schmerzte.
Langsam lief Jayce auf ihn, aber konnte dennoch nicht umhin, zu bewundern, wie die schwarze Hose Viktors lange Beine betonte.
"Du bist wirklich gekommen!", grüßte er Viktor überschwänglich und sein Partner drehte sich lächelnd zu ihm um. Er schien erleichtert, ihn zu sehen.
Aber bereits im nächsten Moment war dieser Ausdruck verschwunden, stattdessen erwiderte er trocken, aber amüsiert: "Nachdem du mich so angefleht hast, hätte ich nicht daheim bleiben können, ohne dass du morgen beleidigt wärst. Und ich hab immerhin noch ein paar Kleidungsstücke gefunden, auch wenn ich damit wohl immer noch nicht dazugehöre."
Er blickte sich unauffällig um und ließ seinen Blick dann an Jayce hinunter wandern.
Dem Mann wurde warm unter Viktors Blick, aber er musste zugeben, dass er ein wenig recht hatte.
Inmitten der aufwändigen Ballkleider und weiß-goldener Sakkos stach er doch eher durch seine Schlichtheit heraus.
Das änderte aber nichts daran, dass Jayce seinen Anblick all der teuren Kleider bevorzugte.
"Bist du schon lange hier?", erkundigte er sich und stellte sich neben seinen Partner, während er ihn von der Seite betrachtete.
Viktor schüttelte den Kopf. "Erst seit einer Viertelstunde. Ich bin mit allem fertig geworden und hatte dann nicht mehr so viel Zeit, mich noch umzuziehen. Hast du schon dein Pflichtprogramm erfüllt?"
Er spielte damit auf die unzähligen Begrüßungen und höflichen Gespräche über Hextech an.
Jayce nickte. "Hab alles erledigt."
Viktor nickte zufrieden. "Dann müssen wir ja nicht mehr so lange bleiben."
Als Jayce ihn das mit so einem ersten Ton sagen hörte, konnte er ein Grinsen nicht mehr unterdrücken.
"Mel meinte vorhin zu mir, dass es sie nicht wundert, dass jemand wie du diese Veranstaltungen meidet. Ich dachte, wenn du erstmal da bist, wird es nicht so schwer, dich zum Bleiben zu überreden", gab er zu.
Viktor wiegte den Kopf hin und her.
"Eehh, so einfach wird es doch nicht. Medarda habe ich vorhin auch schon getroffen, sie war eine der ersten, die mich begrüßt hat."
Jayce starrte ihn perplex an. Mel wusste, dass er hier war? Warum hatte sie nichts gesagt, sondern ihn einfach stehen gelassen?
Direkt neben Viktor, musste er hinzufügen.
War das etwa Absicht gewesen, um ihn hier mit Viktor allein zu lassen?
"Also, was machen wir jetzt hier?" Viktor blickte ihn abwartend an.
"Naja ... hast du Lust zu tanzen?", schlug Jayce vor. Viktor starrte ihn einen Moment perplex an, dann fing er leise an zu lachen.
"Jayce! Wer sollte bitte mit einem Krüppel wie mir tanzen wollen? Ich kann ja nichtmal laufen!"
Wortlos griff Jayce nach Viktors Stock, der noch immer an seinem Arm hing und lehnte ihn neben sich an die Säule.
Viktor sah ihm verwirrt dabei zu, er hatte schnell wieder aufgehört zu lachen. Jayce wusste, dass er unter seinen Witzen nur zu verbergen versuchte, wie sehr in seine Beeinträchtigung wirklich belastete.
"Darf ich dich zum Tanz auffordern?"
Jayce hielt ihm eine Hand hin und blickte ihm fest in die Augen.
Viktor erwiderte seinen Blick sprachlos, bis er leicht rot wurde und sich abwandte.
"Ich hab doch gesagt, dass ich nicht tanzen kann. Ich ... brauche meinen Stock, es geht nicht ... Aber danke, Jayce."
"Unsinn!" Jayce machte eine wegwerfende Handbewegung. "Du brauchst deinen Stock nicht, wenn ich dich stütze. Bitte tanz mit mir."
Er blickte Viktor bittend an, seine Hand noch immer ausgestreckt.
Sein Partner presste seine Lippen zusammen und blickte abwechselnd zwischen Jayce' Augen und seiner Hand hin und her.
"Sicher? Hier sind überall Leute."
"Das ist mir scheiß egal."
Er sah Viktor an, dass er innerlich mit sich rang. Aber schließlich seufzte er.
"Was soll schon passieren", murmelte er und lächelte schwach. Dann legte er seine Hand auf die von Jayce und ließ sich von ihm zur Tanzfläche führen.
Jayce merkte schnell, wie stark er Viktor beim Gehen stützen musste. So leicht wie sein Partner war, stellte das allerdings kein Problem dar. Er wusste, er könnte ihn ohne Schwierigkeiten tragen.
Sie standen ein paar Sekunden am Rand der Tanzfläche, während sie darauf warteten, dass ein neues Lied begann.
Viktor blickte sich dabei ständig unruhig um, er schien sich wirklich unwohl in seiner Haut zu fühlen. Jayce hoffte, dass es ihm besser gehen würde, sobald sie ersteinmal zu tanzen anfingen.
Zögerlich legte Viktor eine Hand auf seine Schulter und ergab sich seinen Schicksal.
Jayce schluckte mehrmals, denn auf einmal war sein Mund wieder staubtrocken.
Wenn er führte und Viktor stützen wollte, ergab es nur Sinn, dass er seine Hand auf Viktors schmalem Rücken platzierte.
Auch wenn er kurz zuvor mit Mel getanzt hatte, spürte er seine eigene Hand und die Viktors nun zum ersten Mal bewusst.
"Also ... dann?" Viktor warf ihm ein schiefes Lächeln zu und nickte leicht auffordernd.
Jayce gab sich einen Ruck und begann, sich mit Viktor weiter auf die Tanzfläche zu bewegen.
Glücklicherweise kannte dieser die Schritte in der Theorie und stellte sich beeindruckend geschickt an.
Bei jedem zweiten Schritt spürte Jayce, wie Viktor Druck auf seine Schulter ausübte, um sich zu stützen. Dieser Rhythmus hätte beinahe etwas beruhigendes, fand er und lächelte.
Viktor hatte den Blick stur geradeaus gerichtet und sah ihn nicht an, allerdings bemerkte Jayce dennoch die leichte Röte, die sich auf seinen Wangen ausgebreitet hatte.
"Und? Macht es Spaß?", murmelte er ihm ins Ohr und prompt verstärkte sich der Druck auf seiner Schulter, als Viktor um sein Gleichgewicht kämpfte. Dann räusperte er sich möglichst würdevoll und gab zu: "Zumindest mehr als erwartet."
"Meinst du, wir können mal eine Drehung versuchen?", schlug Jayce vor und tatsächlich nickte Viktor.
"Okay, dann ... 1, 2, 3!"
Tatsächlich gelang Viktor die Drehung gut, aber als er sich wieder an Jayce Schulter festhielt, war sein Gesicht vor Schmerz verzerrt.
"Viktor, alles in Ordnung? Tut mir leid, das war eine dumme Idee! Geht es?", fragte Jayce panisch, aber Viktor nickte und fuhr etwas wackelig mit den Tanzschritten fort, wahrscheinlich um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Jayce wusste selbst, dass viele neugierige Blicke auf ihnen lagen. Er war schließlich nicht nur 'der Mann des Fortschritts', den man überall anpries, sondern auch noch Ratsmitglied und ein enger Freund von Mel. Und Viktor ... ging immer in der Masse unter, wahrscheinlich wussten die Wenigsten, wer er überhaupt war. Für sie musste es so aussehen, als ob er einen unbekannten, jungen Mann zum Tanz aufgefordert hatte.
Bei diesem Gedanken seufzte Jayce unwillkürlich und ließ leicht den Kopf hängen. Warum konnten sie alle seinen Partner nicht so sehen wie er? Warum reduzierten sie ihn auf seine Herkunft und seine Beeinträchtigung, wenn diese nur ein kleiner Teil seines ganzen Seins waren?
"Alles klar, Jayce?" Viktor riss ihn aus seinen Gedanken und er nickte schnell.
"War nur in Gedanken. Sollen wir aufhören oder geht es?"
"Wir können weitermachen", erwiderte Viktor und lächelte ihn leicht an. Jayce Herz fühlte sich an, als würde es anschwellen und aus seiner Brust springen wollen.
Viktors goldene Augen schimmerten so warm, die Zuneigung in seinem Blick war nicht zu übersehen. Es schien ihm also endlich Spaß zu machen.
Einem spontanen Impuls folgend ließ er Viktor nach hinten kippen, sodass er ihn nur mit der Hand auf seinem Rücken hielt.
Viktor sah mit großen Augen zu ihm nach oben, seine Wangen leicht gerötet.
Jayce beugte sich zu ihm und für einen winzigen Moment berührten sich ihre Lippen. Zu kurz, als dass es irgendjemandem sonst aufgefallen war.
Viktors Finger krallten sich in seine Schulter und nun konnte nichts mehr die Röte in seinen Wangen verbergen.
"Noch zwei Lieder und dann gehen wir nach Hause, einverstanden?", schlug Jayce im nächsten Moment vor und zog Viktor wieder in eine stehende Position.
Das schien ihn wieder in die Realität zu holen, denn seine Gesichtsfarbe normalisierte sich wieder und er antwortete mit seinem üblichen, trockenen Ton: "Gerne. Gehen wir zu mir?"
Jayce lächelte breit. "Dein Wunsch sei mir Befehl, schließlich schulde ich dir nach dem Tanz was."
Viktor erwiderte sein Lächeln und sie schwebten beide, vollkommen im Blick des anderen versunken, über die Tanzfläche.
🎵🎵🎵
Feedback oder sonstige Kommis gerne hier! Wie hat es euch gefallen?
Habt ihr Wünsche für weitere OS?
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro