|16| Das Verhör
Langsam geht Carter in die Höhle hinein, um Damon Blackwood zu befragen. Ich beobachte ihn voller Sorge, denn ich weiß, dass er geschwächt ist. Er tritt langsam näher an ihn heran, sein Blick fest und seine Haltung aufrecht.
Seine Fragen sind gezielt, sein Blick durchdringend, als er versucht, die Motive hinter dem Angriff zu verstehen. Doch dieser Damon wendet stur den Blick ab und ignoriert jeden Versuch, ihn zum Reden zu bringen. Mein Vater seufzt verzweifelt in meine Richtung.
"Du weißt, dass es besser für dich ist, wenn du redest, Damon. Je länger du schweigst, desto härter wird es für dich."
Damon schnaubt verächtlich und dreht den Kopf weg, als ob er Carters Worte nicht hören wollte. Frustration überkommt mich, als ich sehe, wie er sich weiterhin weigert zu sprechen. Wir brauchen Antworten, aber er scheint für sich entschieden zu haben, sie uns nicht zu geben.
Schnaubend wendet sich Carter an mich und meine Eltern. "Er wird nicht reden wollen. Wir müssen ein wenig ... überzeugender sein."
Mein Magen verkrampft sich bei Carters düsterem Lächeln. "Was meinst du damit?", frage ich mit zitternder Stimme, meine Nerven angespannt vor Angst.
"Nun ja, manchmal sprechen Taten lauter als Worte."
"Denkst du, dass das notwendig ist?", fragt mein Vater beunruhigt, doch Carter antwortet nicht, sieht sich stattdessen in der Höhle um. Er greift nach einem spitzgeschnitzten Stock und legt ein diabolisches Grinsen auf.
"Ich frage ein letztes Mal, Damon ... Was ist hier los? Wir wollen Antworten."
Der Mann zögert, doch dann zeigt er sich willig, als er den spitzen Gegenstand genauestens betrachtet. "Wir brauchen euer Wissen für die Technologie von Deep Dive Transference. Die von dir, Carter, und die von Travis Mitchell."
Mein Vater zieht skeptisch eine Augenbraue in die Höhe, während Damon ihn nicht einmal ansieht. "Wir wussten, dass das die einzige Möglichkeit ist, um euch beide zusammen zu bringen."
"Ihr habt doch schon alles, was ihr wolltet", mischt sich mein Vater ein. "Meine Informationen und Entwicklungen, wir sind hier eingesperrt, alle denken, wir seien tot. Warum das alles? Was wollt ihr noch?"
Carter lacht bitter auf und bestätigt die Absurdität. "Und warum sollten wir euch helfen? Dir und deinem Vater?"
Ohne dass er gefragt wurde, dreht sich Carter mit einem ironischen Lächeln zu meinem Vater. "Ach, ich habe euch noch gar nicht miteinander bekannt gemacht. Der Mann, der dafür verantwortlich ist, dass Sadie und ich hier sind ... Damon Blackwood. Und ich bin mir sicher, dass sein skrupelloser Vater, mein Chef, ebenfalls mit drinnen steckt. Jonathan Blackwood." Natürlich ist Carter ein wenig angepisst darüber, dass er verdächtigt wurde, Schuld zu sein, was ich sogar nachvollziehen kann, aber ich bin mir sicher, dass er nicht sonderlich nachtragend ist.
"Jonathan Blackwood", wiederholt mein Vater den Namen. Sein Blick fernab vom hier und jetzt.
"Es gibt Beweise da draußen, dass du hinter dem Hackerangriff steckst, Carter. Wenn du nicht mit uns zusammenarbeitest, werden wir es wie eine Entführung aussehen lassen. Die arme kleine Sadie ist sicher viel Geld wert."
Carter knurrt leise, die Worte hängen schwer in der Luft.
"Wer wird euch schon glauben? Außerdem ... Warum der Angriff auf das Baumhaus? Warum hast du dich geweigert, Antworten zu geben, wenn du unsere Hilfe sowieso brauchst und auf uns angewiesen bist?"
Eine berechtigte Frage, woraufhin Damon sogar eine Antwort parat hat. "Ich dachte mir schon, dass ihr nicht freiwillig mitmacht."
Nur, dass der Schuss für ihn leider nach hinten losgegangen ist, denn jetzt ist er derjenige, der hier gefesselt sitzt. Sicher sah der Plan anders aus.
Mein Vater schüttelt merklich den Kopf. "Ihr könnt euch auf den Kopf stellen. Im Leben werde ich euch nicht noch weiter helfen. Ihr habt mich vertrieben, mir meine Forschungen und Entwicklungen genommen und sie für euch benutzt. Meine Frau und mich hier eingesperrt. Meine Tochter glauben gelassen, wir seien tot." Ein verächtliches Lachen verlässt seine Kehle.
"Wir sollten uns mal unterhalten", schlägt Carter vor. "Draußen."
Wir lassen Damon Blackwood gefesselt auf dem Stuhl zurück und gehen vor die Höhle. Luna folgt uns. Während Carter zischend auf seine Wunde sieht, vermutlich weil jede Bewegung schmerzt, setze ich mich zu Luna auf den weichen Boden und streichle über ihr helles Fell.
"Wir müssen ihm geben, was er will", fordert Carter meinen Vater auf, doch dieser seufzt trotzig.
"Weil sie dich beschuldigen?"
"Auch. Aber auch weil ich hier raus will. Oder wollen Sie weiter hier gefangen leben? Soll Sadie keine vernünftige Zukunft bekommen? Soll ihr Leben tatsächlich hier enden? Auf diese Weise?"
Luna schmiegt sich an mich und ausnahmsweise halte ich mich mal raus, während meine Mutter meinem Vater gut zuredet. "Er hat recht, Travis. Wir wollen alle wieder normal leben."
"Es muss einen anderen Weg geben", gibt mein Vater konzentriert von sich. "Er ist hier reingekommen, ihr ebenfalls. Es gibt ein Portal, welches uns hierher gebracht hat."
"Und was ist damit? Warum seid ihr darüber nicht wieder rausgekommen?", will Carter wissen.
"Sie haben es zerstört. Es ist defekt."
Carter verschränkt seine Hände hinter dem Nacken und sieht gen Himmel. Die Augen geschlossen, und es sieht aus, als würde er nachdenken. "Wir sind zwei Softwareentwickler. Wir werden es ja wohl schaffen, herauszufinden, was kaputt ist."
Meine Mutter und ich schenken uns gegenseitig ein hoffnungsvolles Lächeln. Sie weiß, dass ich mich zu Carter hingezogen fühle und vermutlich wundert es sie nicht mal. Der Apfel fällt eben nicht weit vom Birnenbaum.
Sagt man nicht immer, dass sich eine Frau einen Mann aussucht, der sie an ihren Vater erinnert?
Oh Gott, das klingt doch verrückt, und ich möchte keinen weiteren Gedanken mehr daran verschwenden!
"Wo ist das Portal?", frage ich interessiert nach.
"In der Nähe des Baumhauses", erklärt meine Mutter.
"Dann sollten wir da schnellstmöglich hingehen und es uns ansehen."
"Morgen", beschließt Carter. "Es ist schon spät. Heute erreichen wir sowieso nichts mehr."
"Er hat recht", pflichtet mein Vater ihm bei. "Wir sollten uns ausruhen. Außerdem ist Carter verletzt. Morgen früh machen wir uns auf den Weg ... Um endlich nach Hause zu kommen."
***
Die Nacht hat sich bereits über das virtuelle Land gelegt. Abwechselnd halten Carter und mein Vater Wache, um sicherzustellen, dass Damon Blackwood auf keine falschen Gedanken kommt.
Als ich mitten in der Nacht aufwache, beschließe ich, zu Carter zu gehen und mit ihm Wache zu halten. Alles ist ruhig und selbst unser Gefangener scheint zu schlafen. Ich schlüpfe unter meinem Pullover hervor, der mir als Decke gedient hat, und schleiche mich nach draußen. Das schwache Licht des Lagerfeuers flackert vor der Höhle im Dunkeln. Carters Blick ist starr auf die Dunkelheit gerichtet und ich spüre sofort, dass etwas nicht stimmt. Er wirkt erschöpft, seine Schultern sind gesenkt und sein Gesicht ist von Schmerz gezeichnet.
"Alles in Ordnung?", frage ich leise.
Carter zuckt leicht zusammen, als er mich bemerkt, aber dann lächelt er erschöpft. "Ja, alles gut", antwortet er und reibt sich über die Augen. "Ich bin nur müde."
Ich kann sehen, dass er mehr meint als nur körperliche Erschöpfung. Seine Wunde schmerzt immer noch, das weiß ich. Also reiche ich ihm eine der Heilpflanzen, die meine Mutter und ich vor dem Schlafengehen organisiert haben. "Hier", sage ich sanft. "Vielleicht hilft das."
Carter nimmt die Pflanze dankbar an und betrachtet sie einen Moment lang, bevor er ein paar Tropfen des heilenden Gels auf seine Verletzung träufelt. Ich beobachte, wie sich seine Miene entspannt, als der Schmerz nachlässt.
„Carter", beginne ich zögerlich, „wegen des Kusses ... ich wollte nur sagen, dass ..."
Sein Blick richtet sich auf mich und ich spüre seine Aufmerksamkeit auf mir ruhen. Mein Mund wird trocken und ich halte für einen Moment inne, um meine Gedanken zu sammeln.
„Ja?", erwidert er fragend mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.
„Es ist nur ... ich frage mich ... was hat der Kuss für dich bedeutet?"
Ein tiefer Seufzer entfleucht seiner Kehle. "Sadie", beginnt er leise, „ich gebe zu ... Anfangs war ich nicht begeistert, mit dir zusammen zu spielen. Da hatte ich aber auch nur den Sieg im Kopf und dachte, ich sei mit einem Nerd besser dran gewesen. Aber ... es gibt niemanden, mit dem ich lieber hier gefangen wäre, als mit dir."
Meine Lippen formen sich zu einem erleichterten Lächeln.
"Der Kuss bedeutet mir viel. Du ... bedeutest mir viel."
Seine Worte treffen mich wie ein sanfter Sommerwind, der über meine Haut streicht und mich mit Wärme erfüllt. Trotz der nächtlichen Kälte spüre ich einen Anflug der Befreiung, die sich in meinem Inneren ausbreitet.
„Es tut gut, das zu hören", gebe ich ehrlich zu, meine Stimme von Emotionen gefärbt. "Mir geht es genauso."
Carter legt mit zufriedenem Blick seinen Arm um mich und zieht mich in eine innige Umarmung. Für eine ganze Weile verlieren wir uns in dieser intimen Verbindung. Für eine ganze Weile sehen wir starr auf das Lagerfeuer, welches genauso knistert, wie die Gefühle zwischen uns.
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