|15| Vertrauen und Verrat
Die Welt um uns herum gerät plötzlich in einen wirbelnden Strudel aus Chaos und Gefahr. Steine und Pfeile sausen durch die Luft, begleitet von einem lautstarken Krachen, das das Baumhaus erschüttert und es bedrohlich wanken lässt. Ein eisiger Schauer jagt über meinen Rücken, als ich mich an den nächsten Pfosten klammere, um Halt zu finden. Die Angst hat mich fest im Griff. Durch das tobende Chaos hindurch kann ich Luna weder sehen noch hören, doch die verzweifelte Stimme meines Vaters dringt in mein Ohr. "Wir müssen hier raus, sonst stürzt gleich alles ein!"
Panik steigt in mir auf, als ich aus dem Fenster blicke und einen maskierten Mann sehe, der mit entschlossener Miene und einem Bogen in der Hand auf uns zielt, den Pfeil bereits gespannt. Ein Kribbeln zieht sich durch meinen Körper, während ich das Chaos um uns herum beobachte, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Doch dann sehe ich sie – Luna und Carter, die in der Ferne auf uns zurennen. Ein Funke der Hoffnung glimmt in mir auf, als ich sicher bin, dass mein Vater Unrecht mit seinen Vorwürfen hat.
"Carter kommt zurück, um uns zu helfen!", rufe ich voller Überzeugung, meine Stimme bricht durch den Lärm. Ein lauter Knall hallt durch die Luft, als das Baumhaus erneut erschüttert wird.
"Sadie, wir müssen schleunigst hier raus!", brüllt mein Vater ein weiteres Mal. Entschlossen wagen meine Eltern und ich den Sprung in die Ungewissheit, hinunter in die Arme des Schicksals.
Der Boden kommt mit erschreckender Geschwindigkeit näher. Mit einem dumpfen Aufprall lande ich auf dem weichen Waldboden und rolle mich instinktiv zur Seite, um den Sturz abzufedern. Mein Atem kommt keuchend und unregelmäßig, während ich mich aufrapple und umsehe.
Der maskierte Angreifer und Carter stehen sich gegenüber, wie zwei Krieger in einem erbitterten Duell.
"Carter!", verlässt sein Name wie von Zauberhand meine Kehle. Er sieht zu mir und ich verfluche mich selbst dafür, ihn gerufen zu haben. Mein Herz hämmert in meiner Brust, als ich sehe, wie Carter von einem Pfeil getroffen wird, weil er von mir abgelenkt war und zu Boden stürzt.
Ein kalter Schauer durchfährt mich. "Nein!" Die Angst erwischt mich wie ein eiskaltes Messer in meinen Rücken und mein Schrei ist ein verzweifelter Ruf der Hilflosigkeit. Die Welt um mich herum scheint zu verblassen, als ich Carter am Boden liegen sehe.
Die Stimme meines Vaters dringt gedämpft zu mir durch, als er mich packt und vom Baumhauses wegzerrt. "Sadie, komm schon! Wir müssen in Sicherheit!", ruft er mit panischer Dringlichkeit.
"Ich muss zu Carter!"
Dieser zieht im gleichen Moment den Pfeil aus seinem Bauch und wirft ihn zur Seite, sein Gesicht angespannt vor Schmerz. Luna stürzt sich mit einem lauten Knurren auf den Angreifer, der vor Überraschung zurückweicht. In diesem Augenblick ergreift Carter die Initiative und schnappt nach seinem Speer, der im Sonnenlicht glitzert wie ein silberner Blitz.
Mit einer kraftvollen Bewegung stößt er vorwärts, sein Speer zielgerichtet auf den Angreifer gerichtet. Der maskierte Mann, plötzlich entwaffnet, taumelt rückwärts und stürzt zu Boden. In einem letzten erbitterlichen Versuch, sich zu verteidigen, streckt er eine Hand aus, doch Carter ist schneller. Er drückt den Angreifer zu Boden und entreißt ihm die Maske mit einer fließenden Bewegung.
Das Gesicht des maskierten Angreifers ist von markanten Konturen geprägt, die seine Härte widerspiegeln. Schattige Augenringe, von einer Aura der Dunkelheit umgeben, blicken aus einem kantigen Gesicht hervor, das von einem leichten Stoppelbart umrahmt ist.
"Warum wundert es mich nicht, dass ausgerechnet du hier bist, Damon?", bricht es aus Carter hervor, seine Stimme gefüllt mit einer tiefen Verachtung.
Er kennt diesen Mann?
"Ich sag doch, der steckt mit denen unter einer Decke", wirft mein Vater murmelnd ein, bekommt allerdings direkt einen Klaps auf seinen Hinterkopf von meiner Mutter. "Carter hat uns gerade das Leben gerettet!"
Als mein Vater endlich ruhig ist, widme ich aus der Ferne wieder Carter und dem Mann namens Damon meine Aufmerksamkeit. Er stammelt eine Antwort, doch bevor er weiter sprechen kann, trifft ihn Carters Faust mit brachialer Kraft. Mein Magen zieht sich zusammen, als er vor Wut zittert und sich bereit macht, erneut zuzuschlagen.
"Carter, bitte, hör auf!", flehe ich, meine Stimme von Panik erfüllt. Der Mann hat bereits einige Faustschläge einstecken müssen und blutet dementsprechend. Seine Lippe ist aufgeplatzt, sein Auge geschwollen.
Ich eile herüber, lege meine Hand auf seinen Arm und versuche seinen Blick einzufangen. Aber Carter ist blind vor Zorn und Enttäuschung. Seine Augen funkeln, als er den gefallenen Mann mit den rabenschwarzen Haaren mit Verachtung betrachtet. "Ich kann nicht einfach aufhören, Sadie. Nicht, wenn ich weiß, dass er und sein Vater dahinter stecken."
"Aber es bringt uns auch nicht weiter, wenn er tot ist", erkläre ich vorsichtig und hoffe, dass Carter auf mich hört. Mit einem letzten Blick voller Verachtung stimmt Carter schließlich zu und wir beschließen, ihn an einen anderen Ort zu bringen.
Nachdem Carter seine Hände gefesselt hat, gehen wir zu dem Notunterschlupf meiner Eltern, einem abgelegenen Ort in einer Höhle, wo wir sicher sind und ungestört reden können.
Dort angekommen, fesseln mein Vater und Carter den Mann an einen improvisierten Holzstuhl. Als ich jedoch sehe, dass sich Schweißperlen auf Carters Stirn gesammelt haben, werde ich stutzig. Er wurde vom Pfeil getroffen und hat sicher eine Menge Blut verloren. Ich atme tief durch, sehe auf seine Wunde. Das T-Shirt blutgetränkt, es klebt an seiner Haut.
Mein Magen zieht sich zusammen, als ich sehe, wie er sich vor Schmerzen windet. Sein Gesicht ist angespannt, aber seine Augen strahlen eine gewisse Tapferkeit aus.
"Deine Wunde", flüstere ich, woraufhin Carter seufzend auf seinen Bauch sieht.
"Halb so wild."
"Das muss sofort behandelt werden. Ich hole frisches Wasser", ruft meine Mutter, während Carter und ich nach draußen gehen. Erschöpft lässt er sich auf den Boden sinken und zieht sein T-Shirt aus. Dabei verlässt ein schmerzerfüllter Laut seine Kehle.
"Sadie, schau nach den großen, grünen Blättern dort drüben", fordert er mich mit leiser, aber fester Stimme auf und deutet auf einen Busch am Rande der Lichtung.
Ich nicke, mache mich sofort auf den Weg und kann nicht glauben, wie tapfer er ist, trotz der Schmerzen, die er ertragen muss. Als ich die großen, grünen Blätter finde, beginne ich, sie vorsichtig zu pflücken, darauf bedacht, sie nicht zu beschädigen.
Zurück bei Carter knie ich mich neben ihn und betrachte die blutende Wunde. Meine Mutter hat mittlerweile sauberes Wasser gebracht, uns aber wieder alleine gelassen.
"Und nun?"
"In den Blättern ist heilendes Gel. Du musst es auf meine Wunde auftragen", erklärt er mit schmerzverzerrtem Blick.
Ohne darüber nachzudenken, reinige ich meine Hände, beginne, die Blätter zu zerkleinern und den Saft herauszupressen. Ich sehe zu, wie Carter seine Zähne zusammenbeißt, als ich die Flüssigkeit auf seine Wunde träufle.
"Es wird gleich besser", verspreche ich ihm, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich es halten kann.
Mit einem schwachen Lächeln, legt er seine Hand auf meine. "Danke, Sadie. Du bist unglaublich", sagt er mit leiser Stimme, die dennoch voller Wärme ist und mich bis ins Innerste berührt.
"Und du dachtest am Anfang, du könntest mich nicht gebrauchen", lache ich und denke an den Tag zurück, als wir uns kennengelernt haben. Sein Blick, seine Worte, seine Meinung über mich ... all das hat sich mittlerweile geändert. Genauso wie sich meine Ansicht über ihn. Der Egomane hat heute großes geleistet und mich und meine Familie beschützt. Dafür bin ich ihm auf ewig dankbar.
Erleichtert atme ich auf, als die Blutung langsam etwas nachzulassen scheint. Als ich aufschaue, sehe ich, dass Carter mich mit einem warmen Ausdruck in seinen Augen ansieht. "Was ist?", hake ich irritiert nach. "Hast du noch mehr Schmerzen?"
Er lacht auf und schüttelt den Kopf. "Nein. Mir wird nur bewusst, dass ich dich heute fast verloren hätte."
Seine Worte bringen mich dazu, einen Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken.
"Und damit meine ich nicht den Pfeil in meinem Bauch. Als du geglaubt hast, ich könnte etwas mit der ganzen Sache zu tun haben, da ..."
"Carter", unterbreche ich ihn. "Das habe ich nicht geglaubt. Kurz bevor wir angegriffen wurden, wollte ich zu dir rennen und dir sagen, dass du zurückkommen sollst."
Er nickt, fast so, als würde er verstehen können, hätte ich ihm trotzdem den Hackerangriff zugetraut.
"Du hast mich nicht verloren. Aber ich dich fast", flüstere ich, den Blick auf seine Wunde gerichtet. Sein sanfter Finger unter meinem Kinn lenkt meinen Blick zu seinen Augen und ich versinke in der Tiefe seiner Iriden. Ich spüre seine Hand auf meiner Wange, seine Berührung ist zärtlich und liebevoll zugleich.
Langsam neigen wir uns aufeinander zu und unsere Lippen finden sich in einem Kuss voller Leidenschaft und Zärtlichkeit. Anders als der erste.
Gefühlvoller.
Intensiver.
Leidenschaftlicher.
Die Welt um uns herum verschwindet und es gibt nur noch das sanfte Gefühl seiner Lippen auf den meinen, das mich vollkommen erfüllt. Ein intensives Gefühl der Ekstase durchströmt meinen Körper und löst ein prickelndes Feuerwerk in mir aus. Meine Hände gleiten sanft über seine muskulösen Oberarme. Jede Berührung fühlt sich vertraut an und unsere Herzen schlagen im Einklang. Als wir uns schließlich voneinander lösen, bleiben wir eng beieinander, unsere Stirn jeweils aneinander gelehnt. Wir genießen, trotz aller Umstände.
Durch ein leises Räuspern werden wir unterbrochen. Meine Mutter lächelt uns wissend an, spart sich allerdings einen Kommentar. "Braucht ihr noch frisches Wasser?"
"Nein, danke. Ich denke, es geht langsam wieder."
Carter steht auf, sein nackter Oberkörper glänzt im warmen Licht der untergehenden Sonne. Sein zerfetztes und blutgetränktes T-Shirt liegt neben mir, eine Folge seiner mutigen Tat.
Ein sanftes Lächeln huscht über seine Lippen, als er sich den Staub von den Händen reibt. Sein Blick schreit nach Vergeltung und ich weiß, dass er alles geben wird, um die Wahrheit herauszufinden.
Koste es, was es wolle.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro