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Geheimniskrämerei

Heute ging es glücklicherweise mal etwas ruhiger zu bei mir. Dementsprechend bin ich dazu gekommen, das neue Kapitel ein wenig zu editieren, damit es hoffentlich halbwegs zumutbar ist 😅

In diesem Sinne: Viel Spaß mit Kapitel numero 2 ;)

Wie ein Hund bin ich also vor die Tür gestellt worden. Fest angestellt bin ich bereits seit drei Jahren bei AIsis und so etwas ist bei keinem einzigen Kunden vorgekommen. Andererseits habe ich mir natürlich noch nie so eine Panne erlaubt.

Mittlerweile befinde ich mich in einer Gartenanlage. Die Bäume, Büsche und Rasenflächen sind geradezu penibel symmetrisch angelegt worden. Der Triumph des rationalen Homo sapiens über die Wildheit der Natur.

Zwar ist es zu warm für einen Oktobermittag, doch die Sonne am leuchtend blauen Himmel ist trügerisch. Trotz allem wärmen ihre Strahlen nicht so wie im Sommer, was sich besonders bemerkbar macht, wenn der Wind mit seinen frostigen Fingern unter meine Kleidung fährt. Ich war nicht darauf vorbereitet, für längere Zeit draußen sitzen zu müssen, also trage ich nur einen Blazer und darunter einen dünnen, schwarzen Rollkragenpullover. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob die Kälte, von der meine Brust erfüllt ist, wirklich nur auf das Wetter zurückzuführen ist.

Ich musste meinen Laptop dalassen, dementsprechend kann ich die ETF-Zentrale noch nicht verlassen. Eigentlich könnte ich trotzdem gehen, die Chancen, dass ich ihn noch gebrauchen werde, stehen äußerst schlecht. Im Augenblick ist die Auftragslage auch für AIsis nicht sonderlich ergiebig. Wegen den ETF-Aufträgen konnten wir uns in der aktuellen Wirtschaftskrise bisher ganz gut über Wasser halten, was für viele Firmen nicht zutrifft. Beispielsweise musste die Marketingagentur, für die Rada bis vor Kurzem gearbeitet hat, vor ein paar Wochen Insolvenz anmelden. Jetzt ist meine Freundin also arbeitslos – und da es so gut wie jedem Unternehmen schlecht geht, findet man aktuell auch nur schwer Arbeit.

Tja, dank meiner unübertreffbaren Genialität droht AIsis im blödesten Fall dasselbe Schicksal. Selbst wenn nicht – General Mair wird zu verhindern wissen, dass ich bei anderen Projekten mitarbeiten darf. Aktuell haben wir nur wenige Nicht-ETF-Projekte und selbst die laufen bereits seit Wochen, weshalb ich mich da nicht mehr einklinken kann. Best Case: Kurzarbeit. Worst Case: Der Gang zum Arbeitsamt.

Unwillkürlich schießen mir die Tränen in die Augen. Fantastisch, Alex, wenn wir uns schon blamieren, dann bis auf alle Knochen, was? Doch die Selbstkasteiung macht es nicht besser. Ich spüre, wie die erste Träne über meine Wange kullert – eine Glasmurmel, in der sich der Stress, die Frustration und die ständigen Belastungsproben der letzten Wochen und Monate widerspiegeln. Wie gerne ich jetzt zuhause wäre, um meinen Gefühlen freien Lauf lassen zu können.

Plötzlich taucht etwas Weißes vor meiner Nase auf. Ich zucke zusammen, ehe ich den Kopf in den Nacken werfe, um zu sehen, wer vor mir steht – und den Kopf in den Nacken werfen trifft es ganz gut. Der Mann vor mir ist vermutlich an die zwei Meter groß. Sonnenstrahlen verfangen sich in dem Kranz aus nussbraunem Haar, das sein Gesicht einrahmt, sodass es aufleuchtet wie ein Heiligenschein. Auch das milde, empathische Lächeln erhellt seine strengen, kantigen Gesichtszüge und lässt seine braunen Augen funkeln.

Nach ein paar Sekunden erkenne ich ihn wieder. Er saß mit Mair und den anderen im Besprechungsraum. Er hat als Einziger einen Tarnanzug getragen. Reflexartig huscht mein Blick zu seiner Brusttasche, über der sein Nachname in dicken, schwarzen Lettern prangt: GRABNER.

Ich weiß nicht, was es ist, aber irgendwie hat dieser Herr Grabner etwas Altmodisches an sich. Vielleicht liegt es an der Tatsache, dass er mir gerade allen Ernstes ein Stofftaschentuch anbietet. Unwillkürlich entfährt mir ein lautes Lachen, für das ich mich in der nächsten Sekunde gerne geohrfeigt hätte. Als sich seine Mundwinkel aber zu einem Lächeln verziehen, das die bernsteinfarbenen Augen wie Edelsteine auffunkeln lässt, lösen sich meine Bedenken in Luft auf.

„Wer hätte gedacht, dass man heutzutage noch so eine Rarität zu Gesicht bekommt?", schmunzle ich und nehme das Taschentuch dankend an. Sogar seine Initialen sind darauf eingestickt – MG. Der Videospielfreak in mir schreit geradezu, dass es klar war, dass jemand mit diesen Initialen Soldat werden musste.

„Ein Stofftaschentuch oder Empathie?", erwidert er amüsiert. Seine Stimme klingt erstaunlich hell. Ich hätte auf einen deutlich tieferen Klang getippt. Was nicht heißt, dass sie deswegen unangenehm wäre. Nur anders als erwartet.

„Beides", kontere ich, während ich mir vorsichtig die Tränen abtupfe. Am heutigen Tag kann ich getrost darauf verzichten, auch noch wie ein Pandabär herumzulaufen.

„Herr Götz sucht bereits nach Ihnen", erklärt er, nachdem ich ihm sein Stofftaschentuch zurückgegeben habe. Dann sollte ich Robert nicht warten lassen – oder das Unvermeidliche noch weiter hinauszögern.

Seufzend erhebe ich mich von meiner Parkbank. Meine Gliedmaßen fühlen sich taub und schwer an, als bestünde mein gesamter Körper mit einem Mal aus Blei. „Vielen Dank", verabschiede ich mich von ihm.

Gerade, als ich an ihm vorbeilaufen will, hält er mich jedoch nochmal zurück. „Machen Sie sich nicht fertig wegen dem, was passiert ist", meint er mit gesenkter Stimme. „Sie haben sich nichts zuschulden kommen lassen."

„Natürlich habe ich das", widerspreche ich ihm augenblicklich, wirble zu ihm herum und runzle verwirrt die Stirn. „Sie haben doch selbst gesehen, dass das Programm nicht funktioniert."

Kaum merklich schüttelt er den Kopf. Für den Bruchteil einer Sekunde zuckt sein rechtes Auge – ein Zwinkern? Erneut beginnt mein Herz schneller gegen meinen Brustkorb zu hämmern. Was hat das zu bedeuten?

„Es hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen, Frau Erdmann", verabschiedet sich der Offizier nun ebenfalls. „Vielleicht sieht man sich bald wieder."

Darauf kann er Gift nehmen. Wenn Robert mich nicht rauswirft, melde ich mich freiwillig zum nächsten ETF-Meeting, nur um diesen Herrn Grabner auszuquetschen.

Recht ungeduldig wartet mein Chef bereits im Parkhaus auf mich, in seiner Hand meine Tasche. Als er mich sieht, ringt er sich dennoch zu einem väterlichen, beschwichtigenden Lächeln durch. Heißt das, dass ich noch kein Arbeitslosengeld beantragen muss? „Komm, ich fahr dich heim, liegt ja praktisch auf dem Weg zum Büro", bietet er mir an. Ohne meine Antwort abzuwarten, verstaut er meine Habseligkeiten im Kofferraum seines Teslas.

Kaum hat er sich auf den Fahrersitz gleiten lassen, reißt sich Robert regelrecht die Krawatte vom Hals runter und atmet erstmal lautstark durch. „Wie schaffen es Leute, den ganzen Tag mit diesem Galgenstrick am Hals rumzulaufen?", brummt er missmutig und schüttelt den Kopf. Meine Mundwinkel verziehen sich erneut zu einem kleinen Lächeln. Ja, Robert Götz wie er leibt und lebt. Ohne Krawatte und Jackett, die er beide mit einer raschen Bewegung auf den Rücksitz wirft, sieht er sich selbst schon wesentlich ähnlicher. Das Maximum an Formalität, das man normalerweise von ihm erwarten darf, ist ein weißes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln – was dann allerdings die Tattoos auf seinem linken Arm entblößt.

Nachdem er losgefahren ist, herrscht zunächst bedrücktes Schweigen im Auto. Nach einer Weile räuspere ich mich – ich muss einfach etwas sagen. „Robert, es tut mir ehrlich leid, ich habe keine Ahnung, was da drinnen passiert ist", seufze ich niedergeschlagen und versuche, aus dem Augenwinkel zu ihm rüberzuspähen. Ich traue mich nicht, ihn direkt anzusehen. Eigentlich würde ich am liebsten vor Scham im Erdboden versinken.

„Schon gut, Alex, du musst dich für nichts entschuldigen. Es ist nicht deine Schuld", beschwichtigt er mich. Allerdings schwingt in seiner Stimme ein ungewöhnlicher Ton mit – er spricht mit einer seltsamen Gewissheit darüber, dass es nicht meine Schuld ist, als würde er keine Diskussion darüber dulden. Kaum merklich presst er die Lippen etwas fester aufeinander und malmt für den Bruchteil einer Sekunde mit dem Kiefer. Hier läuft irgendwas Komisches. Zwar wünscht sich meine Neugier nichts sehnlicher als ihre Nase in diese Angelegenheit stecken zu können, aber etwas sagt mir, dass ich lieber nicht weiter nachhaken sollte.

„Haben wir den Auftrag denn noch?", erkundige ich mich stattdessen vorsichtig.

Bevor er antwortet, seufzt Robert laut auf. Mit einem Mal wirkt er unendlich erschöpft. Wenn diese Behörde immer so nervenaufreibend ist, kann ich verstehen, warum er in den letzten Monaten um Jahrzehnte gealtert zu sein scheint. „Nein, sie brauchen ihr Programm jetzt. Sie haben sich die KI gezogen, den Rest müssen wir nicht mehr bauen", erzählt er.

Ein riesiger Kloß bildet sich in meinem Hals, der mir die Luft abzuschnüren droht. Super, das heißt, dass wir nur einen Bruchteil der Vergütung kriegen. Das Risiko für die Kosten tragen hauptsächlich wir, also stellt sich nur noch die Frage, wie hoch die Verluste ausfallen. Plötzlich schießt mir jedoch ein anderer Gedanke durch den Kopf. Warum wollte die ETF das Programm? Offensichtlich muss sich irgendwo ein Fehler im Code versteckt haben und Debugging ist zeitaufwändig und nervtötend. Das sollte sowieso jemand machen, der den Code kennt, also im Regelfall die Programmierer. So, wie die auf Schnelligkeit pochen, wundert es mich, dass die sich auf einmal selbst in sowas einarbeiten wollen.

„Hey, mach dich nicht so fertig wegen der Sache", reißt mich Roberts Stimme aus meinen Grübeleien. Er hat ein zuversichtliches Lächeln aufgesetzt und dreht den Kopf kurz zu mir, ehe er sich wieder auf die Landstraße vor uns konzentriert. „Die haben uns einen neuen Auftrag gegeben, wir fangen am Montag an. Ich würde mich freuen, dich wieder an Bord zu haben. Vielleicht auch in derselben Rolle, wenn du Lust drauf hast?"

Oh Gott, nein, nicht schon wieder! Die Teamleitung hat mir dieses Mal schon gereicht. Im Prinzip musste ich am Ende alles selbst machen. Das war die mit Abstand schlimmste Woche meines Lebens. Keine Ahnung, wie es andere hinkriegen, ihre eigene Programmierarbeit zu meistern, diese ganzen Teammeetings zu organisieren und sich auch noch um die Sorgen und Nöte ihrer Teammitglieder zu kümmern.

„Klar, bin dabei", erwidere ich stattdessen reflexartig. Wann lerne ich eigentlich mal Nein zu sagen?

„Danke Alex, auf dich ist echt Verlass!", grinst mein Chef begeistert. Ja, nein, nicht wirklich. „Nimm dir heute frei, ja? Und das Wochenende über arbeitest du bitte auch nicht. Du brauchst eine Pause. Nichts für Ungut, aber deine Augenringe sind so tief, dass sie dein Concealer nicht mal mehr abdeckt."

„Du weißt, was ein Concealer ist?", entgegne ich gespielt skeptisch und betone dabei das Du.

„Oh ja, dank meiner Freundin kenne ich jetzt alle Geheimnisse der Frau. Und verdammt, bin ich neidisch auf eure Makeup-Künste!", ruft er wiederum gespielt empört aus, woraus sich eine amüsante Unterhaltung auf dem restlichen Nachhauseweg ergibt. Allerdings bedeutet das nicht, dass die Frage, was es mit der ETF und meiner KI auf sich hat, in den Hintergrund gerückt wäre.

Als ich unsere Wohnung betrete, sitzt unser Kater bereits vor der Tür und empfängt mich mit einem leisen Miauen. „Na, Belzi", begrüße ich ihn breit grinsend und nehme den pechschwarzen Kater auf die Arme, was er mir mit einem zufriedenen Schnurren quittiert. Belzi, eigentlich Beelzebub, ist so zutraulich wie keine zweite Katze auf der Welt, zumindest was Rada, Maren – unsere andere Mitbewohnerin – und mich betrifft.

Er ist uns vor ein paar Monaten einfach zugelaufen und wir haben es nicht über uns gebracht, den süßen Miniaturpanther ins Tierheim zu bringen. Also haben wir ihn als vierten Mitbewohner in unsere WG aufgenommen. Dass er ausgerechnet mich so mag, ist allerdings überraschend. Tiere können mich für gewöhnlich nicht besonders gut leiden. Beweisstück A: Der Dackel unserer Nachbarn von Gegenüber. Alias das Würstchen des Grauens.

„Belzi, ich hab' was für dich!", flötet meine beste Freundin aus der Küche, trippelt in den Korridor und präsentiert unserem Kater mit einer ausladenden, filmreifen Bewegung seinen Fressnapf, der mit ein paar Stückchen Polenta und gekochtem Lachs gefüllt ist. Belzi, der gleichermaßen verschmust wie verfressen ist, löst sich sofort aus meiner liebevollen Umarmung, landet elegant auf dem Boden und trabt Rada entgegen. Die wiederum funkelt mich belustigt an und wackelt ein paar Mal vielsagend mit den Augenbrauen. „Ich weiß doch, womit man unseren Stubentiger einfängt."

Oh ja, Polenta und Lachs – Belzis Lieblingsessen und ein Luxus, den wir ihm eigentlich etwas zu oft gönnen. Aber wie kann man diesen leuchtenden, smaragdgrünen Katzenaugen schon etwas abschlagen?

„Mittagessen ist fertig. Essen wir zusammen oder hast du Arbeit?", fragt meine Mitbewohnerin, während sie den Kater langsam in die Küche lockt.

„Ich wasche mir nur schnell die Hände", antworte ich, während ich bereits die Tasche abnehme und anschließend meine Boots ausziehe.

Keine fünf Minuten später mache ich mich über das Mittagessen her. Während Rada für sich noch eine Art Knoblauchsauce aus Fischbrühe gezaubert hat, verzichte ich auf die zusätzliche Schärfe. Mein Magen wird es mir danken.

„Stress auf der Arbeit oder warum guckst du so mürrisch drein?", erkundigt sich meine Freundin besorgt.

„Allerdings." Hauptsächlich wurmt mich noch immer die Sache mit meinem Programm. Irgendwas ist faul an der Geschichte und das spüre ich mit jeder Faser meines Körpers. Geistesabwesend stochere ich in meinem Essen herum. Ich muss die KI definitiv nochmal ausprobieren. Ich könnte eine meiner Ketten durchjagen, zum Beispiel den Diamantanhänger, den mir Oma zum 18. Geburtstag geschenkt hat. Da weiß ich ja, welches Ergebnis rauskommen müsste.

„Erde an Alex!", ruft mir Rada zu und schnipst direkt vor meiner Nase. Verdattert zucke ich zusammen und lasse Messer und Gabel mit einem lauten Klirren fallen – zum Glück nur auf meinen Teller.

„Sorry", brumme ich und konzentriere mich wieder auf meinen Teller. Verdammt, was habe ich mit meinem Essen angestellt?

„Ich weiß etwas, das dich aufheitern wird", verkündet sie unvermittelt, hüpft regelrecht aus ihrem Stuhl und schnappt sich den nichtsahnenden Belzi. Oh-oh. Ich ahne schon, was sie angestellt hat.

Als sie mir unseren Model-Kater vorführt, trägt er ein rotes Bandana und eine schwarze Lederjacke mit einem Tigerdruck und der Aufschrift Born to be wild auf dem Rücken. Vor Schock fällt mir die Kinnlade runter. Meine beste Freundin platzt dagegen fast vor Begeisterung. „Und – du hast das Beste noch nicht gesehen!", quiekt sie vergnügt, drückt mir den armen Belzi in die Hände und verschwindet selbst wieder in ihrem Zimmer.

„Ich fühle mit dir", murmle ich, während ich seine nicht sonderlich begeisterte Miene betrachte.

Doch es wird noch besser. Als nächstes präsentiert mir Rada einen Katzenrucksack in Form eines Pokéballs. „So ausgerüstet kann er auf unsere Motorradtouren mitkommen!"

„Du lässt mich grade ganz schön an deiner geistigen Gesundheit zweifeln, meine Liebe", eröffne ich ihr meine Bedenken und schneide dabei eine Grimasse.

„Na ja, ich habe zu viel Freizeit und treib mich zu viel auf Etsy rum", begründet sie den selbst für ihre Verhältnisse exzentrischen Spontankauf mit einem Schulterzucken.

Anstatt etwas zu sagen, ziehe ich die Augenbrauen fragend in die Höhe und reibe meinen Daumen und Zeige- und Mittelfinger aneinander. Dass ich abgehört werde, habe ich Rada erzählt. Wenn wir etwas Wichtiges besprechen müssen, gehen wir dazu auf den Balkon – ohne technische Geräte und dort wird auch nur geflüstert. Doch sie versteht die Geste auch so.

„Ja, ich weiß, ich sollte vorsichtig mit meinen Ersparnissen umgehen", seufzt sie gereizt. Mit ihren Ersparnissen meint sie das Geld, das sie mit ihren... nicht ganz offiziellen Aufträgen verdient. Ihre stillen Reserven rührt sie nicht an, das weiß ich.

„Na dann... Letztens bin ich im Treppenhaus Frau Huber begegnet. Sie findet unsere Arbeitszeiten komisch", erzähle ich ihr belustigt, werfe ihr jedoch einen eindringlichen Blick zu. Ich merke, wie Rada tief durchatmen muss, um nicht völlig auszuticken.

Kurz gesagt: Die Hubers mögen uns nicht. Hauptsächlich liegt das daran, dass wir uns in unserem jungen Alter bereits eine große Wohnung in der sauteuren Maxvorstadt leisten können. Allerdings können wir das nur, weil die Wohnung meiner Großtante gehört – gehörte – und sie darauf bestand, dass wir hier einziehen.

Die meisten Leute in unserem Alter können sich dank der miserablen Einstiegsgehälter und der um sich greifenden Arbeitslosigkeit kaum mehr als ein winziges Zimmer in einer hoffnungslos überfüllten WG leisten – und die, die sich mehr leisten können, sind oft in krummen Dingern verstrickt. Angesichts der stark gestiegenen Kriminalität liegt die Vermutung der Hubers, wir würden unser Geld nicht auf ehrliche Weise verdienen, also nicht ganz fern.

Vor allem da Rada, seit sie ihren Job verloren hat, unter der Hand tatsächlich Aufträge von ihren alten Kunden annimmt. Es sind größtenteils kleine und mittelständische Unternehmen. Die können sich wegen der Krise keine professionelle Agentur leisten und ohne verdammt gutes Marketing kann man den Laden heutzutage dicht machen. Also profitieren beide Seiten. Nur würde das Herrn und Frau Huber nicht davon abhalten, meiner Freundin den Zoll und das Finanzamt auf den Hals zu hetzen, wenn sie davon erfahren würden.

„Die soll sich um ihren eigenen Mist kümmern", faucht sie, wohlwissend, worauf ich eigentlich hinauswollte.

„Sie will wissen, was du eigentlich in deinem Job tust", erläutere ich weiter.

„So eine dämliche Ziege wie die muss man erstmal finden", knurrt sie, legt den Rucksack auf ihrem Stuhl ab und stellt ihr Geschirr in die Spüle. „Ich übernehme den Abwasch später. Erstmal gehe ich mich abreagieren." Was bei Rada Ballettübungen heißt. Ihr zweites Hobby, neben dem Motorradfahren. Hobby Nummer drei ist Graphic Design. Meine beste Freundin ist eben ein äußerst... einzigartiges Exemplar.

„Tja, wir zwei machen uns mal an die Arbeit, was, Belzi?", wende ich mich an unseren Kater, der die Szene mit schiefgelegtem Kopf beobachtet hat. Auch ich stelle mein Geschirr in die Spüle, dann mache ich mich auf in mein Zimmer – die Nerdhöhle. Bei mir ist alles vollgestellt mit Büchern und diversen Sammlerstücken, hauptsächlich Videospielfiguren. Erstmal fahre ich meinen Laptop hoch, bevor ich meine Kette mit dem Diamantanhänger aus meiner Schmuckschatulle hole.

Zum Glück sind 3D-Scanner und -Drucker heutzutage keine Seltenheit mehr. Maren hat so einen Scanner im Zimmer stehen. Aktuell ist er unbewacht, weil sie die Woche bei ihren Eltern in Hamburg verbringt. Also trotte ich zu ihr rüber, leite den Scan des Edelsteins an meinen Laptop weiter und begebe mich dann wieder zurück an meinen Schreibtisch.

Allerdings staune ich nicht schlecht, als ich den Ordner mit der KI aufrufen will. Das Programm ist weg. Mit tief in Falten gelegter Stirn stiere ich auf den Bildschirm. Es müsste eigentlich noch in unserer unternehmenseigenen Cloud gespeichert sein. Doch selbst als ich gezielt nach dem Dateinamen suche, kann ich das Script einfach nicht finden. Meistens speichere ich Arbeitsdateien auch noch lokal auf meinem Rechner ab. Aber auch hier das Gleiche:

Es wurden keine Suchergebnisse gefunden.

Die ETF hat sich die KI nicht nur von meinem Laptop geholt, sie hat auch noch sämtliche Kopien davon gelöscht? Jetzt wird's richtig schräg. Unwillkürlich jagt mir ein kalter Schauer über den Rücken. Ich sollte wirklich versuchen, mit diesem Grabner zu reden. Die Frage ist nur, wie ich an ihn herankomme. Andererseits bin ich Stalkerin Nummer 1, wenn ich es nicht schaffe ihn nur anhand seines Nachnamens aufzuspüren, wer dann?

Doch bevor ich mich Herrn MG zuwende, schnappe ich mir eine meiner externen Festplatten und starte währenddessen meinen privaten PC. Ausnahmsweise mal kommt mir meine Paranoia zugute. Nachdem wir Server-Schwierigkeiten hatten, habe ich einige der Programme, an denen ich derzeit arbeite, nicht nur in der Cloud und auf meinem Arbeitsrechner gespeichert, sondern auch noch zusätzlich auf einer externen Festplatte – darunter auch EMI-249, die KI für das Gesteinsprojekt.

Da ich meinen Privatcomputer in eine Festung umgebaut habe, nachdem ich den ETF-Trojaner entdeckt hatte, gehe ich davon aus, dass es keiner mitkriegen sollte, wenn ich das Programm jetzt starte. Also ziehe ich den Diamant-Scan aus unserer privaten WG-Cloud rüber, extrahiere den Stein aus der Maske und lasse unsere künstliche Intelligenz die Daten analysieren. Nach ein paar Minuten ploppt auf meinem Monitor das Ergebnis auf.

mineral: diamond
Strunz classification: 1.CB.10a
crystal system: cubic
crystal class: Hexoctahedral

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Mit weitaufgerissenen Augen starre ich die Kommandozeile an. Der Code ist eins zu eins derselbe wie der, den ich den Offizieren heute präsentiert habe. Ich verstehe es einfach nicht, was ist schiefgelaufen? Wir haben die Systematik der Minerale nach Strunz verwendet, um die KI zu trainieren. Das ist eine vollständige Auflistung sämtlicher Mineralien, die es auf der Erde gibt – wir haben Nachtschichten geschoben, um sicherzustellen, dass die KI auch wirklich jedes verfluchte Mineral, das es auf der Erde gibt, erkennt und auseinanderhalten kann. Also, warum zum Teufel konnte sie dieses grüne Gestein nicht klassifizieren?

Plötzlich dämmert es mir. Das Programm erkennt nur Mineralien, die in der Systematik aufgelistet sind. Wenn das nun ein bisher unbekanntes Gestein war... Schwer schluckend beäuge ich meinen Output. Das reicht jetzt, ich bin ja komplett übergeschnappt! Ein unbekanntes Gestein... Langsam werde ich selbst zu einem dieser Verschwörungstheoretiker, die behaupten, die ETF würde allerhand seltsame Experimente durchführen.

Dennoch lässt mich die Vermutung nicht mehr los. Was ist, wenn es stimmt? Das würde vieles erklären. Voller Wut auf mich selbst balle ich die Hände zu Fäusten. Ganz ehrlich? Ich schlafe auch so schon schlecht genug wegen der ganzen ETF-Projekte, die am Ende für sonst was verwendet werden. Woher das Militär ein neuartiges Mineral herhat und was es damit anstellen will – darüber will ich mir nachts nicht auch noch den Kopf zerbrechen müssen.

Also tue ich das einzig Richtige. Ich lösche dieses Programm ein für allemal, damit die Spur im Zweifelsfall nicht zu uns führt. Denn wenn sie Massenvernichtungswaffen oder ähnliches aus diesem Zeug basteln, will ich nicht, dass man am Ende mit dem Finger auf AIsis und mich zeigt, weil unser Team ihnen ermöglicht hat, das Gestein überhaupt abbauen zu können.

Nachdem ich sämtliche Spuren des Programms auf meinen Geräten verwischt habe, lehne ich mich in meinem Sessel zurück und starre apathisch zur Decke hinauf. Vielleicht bin ich einfach paranoid, übermüdet und habe eine etwas zu blühende Fantasie? Leider weiß ich selbst am besten, das dem nicht so ist.

Langsamfange ich an, meinen Job wirklich zu hassen.

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