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Das Leben ist ein kurzer Traum

Erstmal ein Riesendankeschön für eure Kommentare, eure Votes und die ganzen neuen Views!

Joa, wer hätte gedacht, dass ich es noch rechtzeitig zum Sonntagabend schaffe, das Kapitel fertig zu editieren? Wobei "fertig" eigentlich das falsche Wort ist, da ich immer noch ziemlich unzufrieden damit bin.

Na ja, the show must go on und ich hoffe einfach mal, dass es nicht allzu grausam wird 😅 Trotz allem also viel Spaß mit diesem Kapitel (:

Edit: Auch wenn das eigentlich klar sein sollte, hier nochmal explizit eine Anmerkung zu dem, was in der Kapitelmitte passiert. Mir liegt nichts ferner als die Verharmlosung jedweder Form von Gewalt. Die Intention hinter der Szene erschließt sich im Lauf der Story.

Zum Abschluss dieses grauenvollen Tages entscheiden Rada und ich uns, den Abend so ausklingen zu lassen, wie wir ihn früher als Studenten verbracht hätten. Wir lassen uns volllaufen. Ich meine, solange man nicht allein ist, während man seine Probleme in Alkohol ertränkt, ist man technisch gesehen kein Alkoholiker, oder? Und Radas Vater hat mir vor Monaten einen besonders feinen Wein zum Geburtstag geschenkt. Offen gestanden habe ich nicht die geringste Ahnung von Weinen, ich weiß nur, dass wir seit Ewigkeiten entweder keine Zeit oder keine Energie dafür hatten, abends einfach eine Flasche zu köpfen und zu reden.

Tja, mittlerweile sind wir angetrunken und somit ist es an der Zeit, politisch zu werden. Wobei heutzutage alles ein politisches Statement ist, angefangen vom individuellen Look bis hin zur Einstellung gegenüber unseren Obrigkeiten selbst. Kein Wunder, unsere Generation maximale Resignation muss ihrem Ärger irgendwie Luft machen, schließlich meinten in unserer Kindheit alle, Schweigen wäre ungesund. Wow, so salty wie ich werde, muss ich wesentlich besoffener sein als gedacht. Meine eloquente Wortwahl bestätigt meinen Verdacht noch weiter.

„Hast du's gehört?", beginnt Rada verschwörerisch grinsend. Ihre grünen Augen funkeln verheißungsvoll, wenngleich ihr Blick bereits ein wenig benebelt wirkt, obwohl wir wirklich noch nicht so viel getrunken haben. „Die Resetter haben ein Pentagramm auf das Maximilianeum gemalt. Die haben den Scheiß überall auf Social Media gepostet und gemeint, dass die ganzen Politiker der Teufel holen soll. Am Ende haben sie auch noch die Häuser von paar von denen mit Pentagrammen beschmiert."

„Ok, das ist einfach nur schräg", kommentiere ich und breche in schallendes Gelächter aus. Auch wenn es eigentlich nicht lustig ist, dass diese Verrückten ein Pentagramm auf das Gebäude des bayerischen Landtags gepinselt haben. Wenn ich es mir recht überlege – doch, es ist ulkig bis zum geht-nicht-mehr. Wie kommt man überhaupt auf so eine Idee?

„Ich verstehe nicht, wie die jemand gut finden kann", seufzt sie und rollt mit den Augen. Am ironischsten ist, dass unsere Nachbarn uns vermutlich auch für Resetter halten. In den letzten Jahren hat das Cyberpunk-Genre massiv an Beliebtheit gewonnen und Einzug in den Mainstream gehalten. Wer heutzutage was auf sich hält, läuft mit gefärbten Haaren, Combat Boots und Smart Jacket herum. Leider haben sich sehr viele Bewegungen den leicht militärisch angehauchten Look zu eigen gemacht und die Resetter gehören zu den prominentesten Techwear-Trägern.

Rada und ich dürften die besten Beispiele dafür sein, dass der Look nicht mit Rebellion gegen das System gleichzusetzen ist. Auch wenn keine von uns zufrieden mit der Politik ist, sind wir für unsere Generation relativ gemäßigt. Dennoch haben uns dem wir Zeitgeist angepasst, wobei in meinem Fall eher unfreiwillig. Ich habe Vitiligo, nur in einer besonders schweren Form. Anstelle von einigen vereinzelten weißen Flecken auf der Haut waren seit meiner Geburt also sogar meine Haare teilweise weiß. In den letzten Jahren ist es noch schlimmer geworden, sodass mittlerweile nur noch wenige Strähnen hellbraun sind.

Hinzukommt eine Iris bicolor, wie mein Augenarzt so schön sagen würde. Bedeutet: Meine Augen sind zweifarbig, genauer gesagt sind sie graublau mit einem bernsteinfarbenen Ring um die Pupille. Also bin ich von Natur aus ein Freak, was durch die Tatsache, dass ich eine über 1,80 m große Bohnenstange bin, auch nicht besser wird.

Rada dagegen färbt sich die Haare regelmäßig. Aktuell trägt sie sie zu einem langen, schwarzen Zopf mit pinkem Ombré an den Spitzen. Was soll ich sagen, es steht ihr und zu ihrem restlichen Look passt's auch ganz gut. Sie ist kleiner als ich, wenngleich immer noch gute 1,70 m groß. Von sich aus ist sie eigentlich eher kurviger, doch durch den ständigen Sport besitzt sie eine perfekt geformte Sanduhrenfigur. Ganz zu schweigen von ihrem olivfarbenen Teint, wodurch sie immer wirkt, als wäre sie frisch aus dem Urlaub. Wofür ich sie beneide – natürlich nur im besten Sinne.

„Ach, so scheiße wie alles ist", werfe ich ein und fahre mir seufzend durch die langen Haare. Ich sollte sie mir abschneiden. In letzter Zeit nerven sie mich noch mehr als sonst. „Irgendwelche Leute haben ja auch Hitler gewählt."

„Wow, die Resetter mit den Nazis zu vergleichen – heftig, Alex, heftig", antwortet sie, verzieht das Gesicht und nickt bedächtig vor sich hin, was mich sofort wieder losprusten lässt. „Pass auf, es gibt Leute, die würden uns verzogene Bratzen für solche Behauptungen umbringen."

Da hat sie nicht ganz unrecht. Trotzdem ist es witzig. Wir kommen beide nicht aus Millionärsfamilien oder ähnlichem – aber ja, unsere Eltern sind wohlhabend und sie verdienen trotz der Krise gut. Ein Umstand, für den man sich aktuell rechtfertigen muss. Im Gegensatz zu vielen anderen haben wir dadurch ein Sicherheitsnetz, was nicht heißt, dass einer von uns die Lage egal wäre. Wie gesagt, Rada hat ihren Job verloren und ist auf die Schwarzarbeitsaufträge angewiesen. Ich reiße mir auch den Hintern auf, um meine Stelle bloß nicht zu verlieren, denn selbst für Softwareentwickler sieht der Arbeitsmarkt nicht gerade rosig aus.

Eine Weile reden wir noch über dies und das. Aber na ja, wir werden eben alt, mittlerweile vertragen wir nicht mehr so viel und können auch nicht mehr so lange wachbleiben. Gegen Mitternacht legen wir uns also beide schlafen. Zum Glück trage ich bereits einen meiner Pyjamas. Während andere Frauen Taschen sammeln, verfüge ich über eine der größten Pyjama-Sammlungen Münchens. Von Aliens über Harry Potter und Star Wars bis hin zu Princess Zelda besitze ich alles an Motiven. Heute Nacht bin ich Wonder Woman. Manchmal frage ich mich wirklich, wie zum Teufel ich 26 sein kann.

Wie so oft in den letzten Monaten dauert es, bis ich in den Schlaf sinke. Fast nahtlos gleite ich auch schon in einen Traum. Diesmal befinde ich mich in meinem Zimmer, genauer gesagt liege ich immer noch in meinem Bett, mit dem Gesicht zur Wand. Wären da nicht die leichte Benommenheit und das seltsame Gefühl von Schwerelosigkeit, würde ich denken, dass ich noch immer hellwach bin. Selbst mein weiches Kissen fühle ich an meiner Wange, als wäre das hier echt. Aber das ist es nicht, das weiß ich. Es ist alles nur Einbildung.

Eine sanfte Brise weht durch mein Zimmer und streicht mir übers Haar, als ich plötzlich jemandes Präsenz neben mir spüre. Der Eindringling setzt sich anscheinend an den Rand meines Betts, ich merke, wie die Matratze unter seinem Gewicht ein wenig nachgibt. Einige Minuten lang geschieht nichts, dann legt er sich auf einmal neben mich. Ein starker Arm umschlingt meine Taille, an meinen Rücken schmiegt sich eine breite Brust.

Ich verstehe, was das hier werden soll. Mein betrunkenes Gehirn versucht mich in meiner zunehmenden Einsamkeit zu trösten. Selbstverständlich sollte ich mich nicht einsam fühlen, schließlich habe ich Rada und Belzi und meine Familie... Doch seit der Trennung von meinem Ex vor drei Monaten ist da wieder diese eigenartige Leere in meinem Herzen, als würde etwas fehlen. Es liegt noch nicht mal daran, dass ich David sonderlich vermissen würde. Ich bin froh, dass es vorbei ist, in letzter Zeit haben wir uns nur noch gestritten.

Nein, es... ich weiß nicht mal, wie ich es beschreiben soll. Manchmal glaube ich, dass ich nie richtig verliebt in einen anderen Menschen war, sondern immer nur in die Idee, verliebt zu sein. Mich hat immer eher die Möglichkeit, dass ich vielleicht meinen Seelenverwandten getroffen haben könnte, diesen einen besonderen Mann, der mich endlich zu einem Ganzen machen würde, in die Arme meiner Ex-Freunde getrieben als die tatsächlichen Gefühle, die ich je für einen von ihnen empfunden hätte.

Umso schlimmer waren die Trennungen. Jedes Mal fühlte es sich an, als hätte man eine Vase, deren Scherben in mühevoller Arbeit Stück für Stück zusammengeklebt worden waren, erneut gegen eine Steinwand geschleudert. Es ist lächerlich und passt nicht im Geringsten zu meinem sonst eher rationalen Wesen. Aber ich kann mir nicht helfen, diese eigentümliche Vorstellung plagt mich schon mein ganzes Leben lang. Tja, Disney und seine Traumwelten müssen meine Vorstellungen von der Liebe nachhaltig pervertiert haben.

Direkt an meinem Ohr höre ich, wie das Phantom hinter mir tief Luft holt, als würde er meinen Duft einsaugen. Als er wieder ausatmet, kitzelt sein Atem an meiner Wange und lässt einen angenehmen Schauer über meine Haut jagen. Für einen Moment schließe ich die Augen. Die Idee wahrer, unsterblicher, reiner Liebe. Die Vorbestimmtheit zweier Seelen füreinander. Lächelnd lege ich meine Hand auf seine. An den Knöcheln ist seine Haut ein wenig rau – woran das wohl liegen mag?

„Alexandra", seufzt er leise. Er spricht meinen Namen mit derartiger Zuneigung aus, dass ich stutzen muss. Woher kennt er mich? Doch dann muss ich über mich selbst lachen. Das ist ein Traum, was für eine dumme Frage. Selbstverständlich kennt das liebevolle Trugbild, das mein Hirn mir suggeriert, meinen Namen. Das ist Teil der Show.

Ich entschließe mich, mich fallen zu lassen. So wenig Zeit wie ich habe, um mir im Wachleben jemand Neues zu suchen, auf den ich all meine abstrusen Hoffnungen und Träume projizieren kann, sollte ich die Gelegenheit, die sich mir bietet, nutzen. Unvermittelt drehe ich mich um zu dem, was mein Unterbewusstsein mir als meinen Traummann präsentieren will – und erstarre.

Wie jede Nacht schlafe ich mit offenem Fenster, sodass fahles Mondlicht gepaart mit dem Schein von Straßenlaternen und Reklametafeln den riesenhaften, athletischen Mann, der da in meinem Bett liegt, umrahmt. Als ich mich ihm zuwende, blicke ich geradewegs in ein Paar bodenloser, schwarzer Augen, sodass ich schlagartig das Gefühl habe, als würde ich fallen; als würde ich mich auf ewig in ihrer Finsternis verlieren. Mein Herz setzt für einen Moment aus, nur um sich im nächsten freudig zusammenzuziehen. Mir kommt es vor, als wäre etwas in meiner Brust explodiert; als hätte mein Herz mit einem Mal all seine Ketten gesprengt.

Tranceartig strecke ich die Hand nach ihm aus, berühre ihn mit den Fingerspitzen vorsichtig an der Wange. Die alabasterfarbene Haut fühlt sich samtig weich an, als würde man mit den Fingern über weiße Seide fahren. Eigentlich entspricht er nicht meinem üblichen, eher jungenhaften Typ. Seine Züge sind markant, die Stirn breit, hoch und von feinen Falten geziert, die lange, gerade Nase muss er sich schon mal gebrochen haben; sein Kiefer ist für meinen Geschmack etwas zu stark ausgeprägt, seine Lippen recht dünn. Wenn seine Mundwinkel nicht wie jetzt ein sanftes Lächeln umspielen würde, das sein Gesicht deutlich weicher wirken lässt, würde er wie aus Marmor gemeißelt wirken.

Für den Bruchteil einer Sekunde kann ich nicht umhin mich zu wundern, warum ich von jemandem fantasiere, der rein äußerlich nicht unbedingt dem entspricht, was ich normalerweise vorziehen würde. Wobei ich zugeben muss, dass er mit Abstand zu den attraktivsten Männern zählt, die ich je gesehen habe. Obwohl mich sein Aussehen im Wachleben misstrauisch stimmen würde, da ich allzu attraktiven Männern grundsätzlich nicht über den Weg traue, gebe ich mich für den Moment der Fantasie hin.

Meine Hand gleitet zu seinem Haar, das genauso weiß ist wie meins. Zärtlich streiche ich über die weichen Strähnen, lasse sie sanft durch meine Finger gleiten. Fasziniert heftet sich mein Blick wie von selbst wieder auf diese Augen. Sie strahlen eine fast übermenschliche Stärke aus, eine Energie, die die Luft um ihn herum vibrieren zu lassen scheint. Er hat etwas an sich, das sich nicht in Worte fassen lässt, etwas Außergewöhnliches, das mich hilflos in seinen Bann zieht.

Behutsam, als hätte er Angst, dass er mich ansonsten zerquetschen könnte, schlingt er seine Arme um mich. Mein Bein findet seinen Weg an seine Hüfte, wie ein fehlendes Puzzleteil schmiegt sich mein Körper perfekt an seinen. Mein Kopf ist nur noch wenige Zentimeter von ihm entfernt. Eine kleine Ewigkeit liegen wir so da und starren einander nur in die Augen, doch es kommt mir vor, als würden wir einander mehr von uns offenbaren als irgendwem zuvor.

Das Echo seines ruhigen, regelmäßigen Herzschlags hallt in meiner eigenen Brust nach. Eine mir unerklärliche Röte schießt mir in die Wangen, als ich mich an seine Schulter lehne. Er legt sich auf den Rücken, mich zieht er an seine Brust. Grinsend wie ein Schulmädchen lege ich eine Hand auf seine Brust, während er mir mit seiner Hand durchs Haar fährt. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich den Wunsch, gar nicht mehr aus einem Traum zu erwachen.

Verwirrt angesichts der Emotionen, die das alles hier in mir auslöst, runzle ich die Stirn und luge zu ihm hoch. Doch beim Anblick seines engelsgleichen Ausdrucks sind meine Zweifel sofort wie weggeblasen. Amüsiert beginnt er zu schmunzeln, einer seiner Mundwinkel verzieht sich zu einem spitzbübischen Lächeln. „Komm her", ertönt auf einmal seine dunkle Stimme fast schon gebieterisch.

Völlig unvermittelt zieht er mich zu sich hinauf, seine Hand krallt sich fast schon in mein Haar, sodass ich erstaunt nach Luft schnappen muss. Einen Wimpernschlag später liegen seine Lippen bereits auf meinen, erst noch halbwegs liebevoll, dann immer fordernder. Unfähig, mich zu bewegen oder nur einen einzigen der Abermillionen Gedanken, die wie Kometen über das dunkle Firmament meines Bewusstseins jagen, zu fassen zu kriegen, lasse ich ihn gewähren – und spätestens als ich mich unter ihm wiederfinde, geht mein Körper in Flammen auf.

Etwas Fremdes, geradezu Animalisches regt sich in mir – eine dunkle Begierde, die schlagartig die Oberhand gewinnt. Wie sich ein Ertrinkender an ein Rettungsseil klammert, halte ich mich an meinem unbekannten Liebhaber fest, um nicht völlig unterzugehen. Auch er scheint immer mehr die Kontrolle über sich zu verlieren. Während sich seine Hand unwirsch einen Weg unter mein Oberteil bahnt, hat er etwas von einem hungrigen Löwen, der sich auf seine Beute stürzt.

Unausgesprochen liegen Worte zwischen uns, die dennoch wie ein Echo in meinem sonst leeren Geist widerhallen. Du gehörst mir, Alexandra. Bilder, die ich verdrängt geglaubt habe, manifestieren sich vor meinem inneren Auge. Es ist der erste meiner Albträume. Mit ihm hat alles angefangen. Plötzlich geht unsägliche Gefahr von diesem Mann aus. Eine Gänsehaut jagt über meinen Körper, die sich in ein angenehmes Schaudern verwandelt, als seine Lippen ihren Weg an meinen Hals finden. Dichter Rauch hüllt sich um meinen Verstand, schaltet ihn gekonnt aus. Anstatt ihn also wegzustoßen, wie ich es eigentlich tun sollte, und schnellstmöglich aus diesem Traum zu erwachen, vergrabe ich die Hand in seinem Haar und ziehe ihn noch näher zu mir heran. Irgendwo am Rand meiner Wahrnehmung höre ich meine eigene Stimme, kaum mehr als ein Wispern, das wie aus großer Entfernung zu mir dringt.

Auf einmal löst sich der Unbekannte mit grimmiger Miene von mir und begegnet mir für den Bruchteil einer Sekunde mit eisernem, durchdringendem Blick. Dann ist er verschwunden. Fassungslos richte ich mich auf und starre ins Leere. Was ist passiert? Noch immer setzt mein Verstand vollkommen aus, alles, was ich wahrnehme, ist die eisige Kälte, die sich wieder in meiner Brust ausbreitet, diesmal schlimmer als jemals zuvor.

Aber allzu lange kann ich mich nicht darauf konzentrieren. Kurze Zeit später springt nämlich etwas anderes auf mich drauf.

„Belzi!", rufe ich überrascht aus. Doch keinen Augenblick später sauge ich scharf die Luft ein und verziehe das Gesicht vor Schmerz, als ich die ausgefahrenen Krallen unseres Katers in meinem Schoß spüre. Im schwachen Licht, das in mein Zimmer fällt, funkeln Belzis Fangzähne geradezu bedrohlich auf, er faucht und knurrt, als befände er sich mitten in einem Kampf.

Plötzlich springt er neben mich, dreht sich in Richtung der Tür und geht in Angriffshaltung. Atemlos starre ich zur selben Stelle wie auch er, als ich glaube, eine rasche Bewegung zu erkennen. Was war das?!

„Siri, mach das Licht an!", kreische ich mit sich überschlagender Stimme. Etwas in mir ist sich sicher, dass das meine letzten Worte gewesen sind. Das Licht brennt schmerzhaft hinter meinen müden Lidern, sofort schießen mir Tränen in die Augen, die meine Sicht nur noch weiter trüben. Als ich einen weiteren Schatten, diesmal auf der anderen Seite der Zimmertür, auszumachen glaube, raste ich komplett aus.

Wohlwissend, dass ich eigentlich die Klappe halten sollte, stoße ich einen lauten Fluch aus. Wie ein Pfeil schießt Belzi los, um sich vor der Tür auf die Hinterpfoten zu stellen und an ihr zu kratzen. Also bilde ich es mir nicht bloß ein? Panisch versuche ich die Decke von mir runterzureißen, nur um festzustellen, dass ich mich in ihr verheddert habe. Unsanft lande ich nach einem kurzen Kampf auf dem Boden, rapple mich auf und torkle zu meinem Regal rüber. Mit zitternder Hand packe ich einen Pokal und stürze aus meinem Zimmer, ohne so recht zu wissen, was zum Teufel ich hier eigentlich mache.

Kaum setze ich einen Schritt vor die Tür, gehen die Lichtpanels an und tauchen den Korridor in blaues und violettes Licht. Belzi schlängelt sich zwischen meinen Füßen an mir vorbei und rast zur Wohnungstür, vor der er schlitternd zum Halt kommt. Sein Fell sträubt sich, er buckelt den Rücken und sein Schwanz peitscht regelrecht hin und her. Zurecht – denn selbst ich höre die leisen Stimmen vor der Tür.

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Mit einem Mal erstarre ich zur Salzsäule, unfähig mich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Sind das Einbrecher? Oder Schlimmeres? Hilflos umklammere ich den schweren Pokal mit beiden Händen – so fest, dass meine Knöchel weiß hervortreten. Was soll ich jetzt tun? Ich sollte die Polizei rufen, verdammt nochmal! Aber bis die hier sind...

Ein Ruck geht durch meinen Körper, als hätte ich gerade einen Stromschlag abbekommen. Mit bebender Brust zwinge ich mich, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Noch immer fühle ich mich seltsam benommen – ob es am Alkohol liegt oder ob das die letzten Überbleibsel meines Traums sind, weiß ich nicht. Die Welt scheint in einer lauten Explosion unterzugehen, als ich versehentlich mit der Hüfte gegen eine Kommode stoße.

Auch im Treppenhaus scheint etwas vor sich zu gehen. Etwa Schritte? Wie von Sinnen renne ich los und stürze mich auf die Wohnungstür. Wie eine Wahnsinnige beginne ich, an der Türkette herumzufummeln und drehe den eingesteckten Schlüssel ruckartig im Schloss herum. Wir wären hier drin sicher gewesen, Himmelherrgott, unsere Wohnungstür ist verstärkt, weil jeder Vollidiot weiß, dass in der Maxvorstadt jede verdammte Nacht eingebrochen wird – aber ich muss natürlich den Helden spielen!

Doch meine rationalen Bedenken können mich nicht davon abhalten, die Wohnungstür mit ohrenbetäubendem Krach aufzureißen und ins stockfinstere Treppenhaus zu preschen, den Pokal fest in der Hand, bereit zuzuschlagen. Allerdings ist da niemand, auf den ich einprügeln könnte.

Nun stürzt auch Rada aus ihrem Zimmer, ich höre, wie sich ihre Tür quietschend öffnet. Währenddessen trete ich ans Treppengeländer und blicke hinab in die Dunkelheit. Neben mir ertönt ein leises Miauen, anschließend streicht mir Belzi mit seiner Pfote übers Bein, fast so, als würde er mich trösten wollen.

„Was ist los?", fragt Rada, als sie zu mir aufschließt, atemlos. „Oh Gott, Alex, du zitterst ja!"

Vorsichtig legt sie mir einen Arm um die Schultern und führt mich wieder in unsere Wohnung. Mir kommt es vor, als würde ein Betongewicht auf meiner Brust liegen, das es mir fast unmöglich macht, Luft zu holen. Es kostet Unmengen an Energie, einen Schritt nach dem nächsten zu tun. Wenige Minuten später finde ich mich in der Küche wieder. Als wäre ich aus einem fürchterlichen Albtraum erwacht, fahre ich hoch und scanne panisch meine Umgebung ab. Ich sitze auf einem der Stühle, Rada kniet vor mir, während Belzi auf den Esstisch gesprungen ist und seine Pfote auf meine Hand legt – aber ich habe keine Ahnung, wie ich hierhergekommen bin.

„Alex, du machst mir Angst. Was zum Teufel ist passiert?", erkundigt sie sich nochmal eindringlich und legt mir eine Hand an die Stirn. Dadurch wird ihr Blick aber nur noch besorgter – und mittlerweile spüre ich den kalten Schweiß auch selbst.

„Ich...", beginne ich, allerdings versagt mir praktisch sofort die Stimme. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was soeben geschehen ist. War das alles nur ein weiterer Albtraum? Wenn ja, war das das Realistischste, was ich je erlebt habe – und das mit Abstand Gruseligste.

„War jemand bei dir?", hakt meine Freundin unvermittelt nach und mustert mich mit ratloser Miene.

„Wie kommst du denn darauf?", erwidere ich verständnislos.

„Deine Haare sind völlig zerzaust und...", erklärt sie. Allerdings lässt sie die letzten Worte in der Luft hängen und deutet stattdessen mit einer Bewegung an, ich solle mir das T-Shirt runterziehen. Vollkommen schockiert starre ich an mir herab, nur um im nächsten Moment knallrot anzulaufen. Mein Top ist bis über meine Brüste gezogen, so als hätte jemand...

Nein! Das war nur ein Traum, das kann nicht wahr sein. Dieser Mann... Das war bloß Einbildung. Sonst nichts. Doch eine leise Stimme in meinem Kopf flüstert mir zu, dass es alles andere als bloß ein Traum war.

Bevor ich mich zurückhalten kann, entfährt mir ein verzweifeltes Schluchzen. Radas Augen weiten sich voller Schreck, während ich völlig aus dem Nichts in Tränen ausbreche. Das Letzte, was ich noch bemerke, ist, wie sie schützend die Arme um meine Schultern schlingt. Danach legt sich ein dichter, trüber Schleier über meine Erinnerung.

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