xxxii. hexerparkour
»Fuck, mein Schädel«, brummt Kalea und hält sich ihren Kopf. Das Laken neben ihr raschelt und wenige Sekunden später hört sie das raue Lachen von Geralt.
»War es gestern etwas zu viel?«, fragt er und Kalea dreht ihren Kopf, sodass sie zu ihm sehen kann. Er hat sich auf seinem Ellenbogen abgestützt und kurz ruhen ihre Augen auf seinen angespannten Oberarmen.
»Ihr habt anderen Alkohol als wir«, murmelt sie leise und schließt ihre Augen.
»Schon klar«, sagt Geralt sarkastisch und auch, wenn Kalea ihn nicht sieht, kann sie sich sein Grinsen vorstellen.
»Wirklich.«
Kalea öffnet ihre Augen und dreht sich auf die Seite, dass sie Geralt nun direkt gegenüber liegt und sie sich ansehen können.
Einige Momente sehen sie sich an. Zwischen ihnen herrscht Stille, die keiner der beiden brechen will. Geralt streckt seine Hand aus und zeichnet kleine Kreise auf ihrer Wange.
»Ich kämpfe seit Jahren gegen die schlimmsten Monster, doch diese Sache zwischen uns verstehe ich einfach nicht«, murmelt er leise und fährt mit seinen Zeigefinger die Konturen ihrer Lippen nach.
Ihre Haut kribbelt, während sie leicht gegen seinen Finger lächelt.
»Du meintest, du würdest mir helfen, herauszufinden, wie ich auf den Kontinent gekommen bin«, sagt Kalea und Geralt schließt kurz seine Augen, während er seufzt.
»Willst du es immer noch wissen?«, fragt er und öffnet wieder seine Augen, doch er sieht Kalea nicht mehr an.
Kalea beißt auf ihre Unterlippe, bevor sie ein Stück zu ihm rückt und ihren Kopf auf seine Brust legt. Sanft spielt sie mit seinen Brusthaaren, während sie ihn ansieht.
»Ich will es nur verstehen, Geralt. Das erste Mal, fühle ich mich wirklich glücklich. Als wäre ich angekommen, aber ich vermisse auch Luna. Macht es dich nicht neugierig, zu wissen, warum ich hier bin?«, fragt sie sanft und streicht mit ihrer Hand weiter nach oben, bevor sie ihre Hand auf seine Wange legt, die angespannter als sonst ist.
»Hexer haben keine Gefühle...«, murmelt er leise und sieht ihr direkt in die Augen. Sein Blick ist so verdammt ernst, dass Kaleas Herz einen Moment stehen bleibt.
»Was willst du damit sagen?«, erwidert Kalea. Geralt schweigt, während er nach den richtigen Worten zu suchen scheint, seine Augen blicken zwischen ihren hin und her.
»Ich fühle etwas für dich, Kalea, obwohl ich dazu nicht in der Lage sein sollte.«
Geralt läuft gerade durch die Gänge von Kaer Morhen, während er Kalea in seinem Zimmer gelassen hat. Nur schwer konnte er sich von seinem Bett lösen, was einzig und allein nur an Kalea gelegen hat.
Noch nie hat er sowas gespürt, wie er es bei ihr macht. Ihre Anwesenheit hat ausgereicht, um den Verlust von Eskel wenigstens für einige Stunden zu verdrängen. Doch jetzt, wo er durch die Gänge läuft, wie er es früher mit Eskel gemacht hat, kommen seine ganzen Erinnerungen zurück.
Er sieht Eskel. Als würde er nicht im Hexer-Laboratorium liegen und dort von Vesemir von seiner Verwandlung in einen Waldschrat befreit werden. Er hört seine Worte, als würde er direkt vor ihm stehen und ihn wieder auf den Arm nehmen. Er bildet sich sogar ein, seinen Duft zu riechen.
Geralt schüttelt seinen Kopf und sofort verschwindet Eskel vor seinem inneren Auge. Dennoch hat der Hexer, der ihm wie ein Bruder war, ein riesen Loch in seinem Herzen hinterlassen. Offen würde er es niemals zugeben - wobei er sich ziemlich sicher ist, dass Kalea ihn durchschaut hat.
Aber das hat sie von Anfang an. Bei ihr ist er so anders, so wie er gedacht hat, nie zu sein. Er ist ein Hexer und diese sollten sich nicht mit Frauen vergnügen. Doch Kalea ist nicht nur ein Vergnügen für ihn. Geralt versteht es selbst nicht, doch er spürt, dass zwischen ihnen etwas ist, was eigentlich nicht da sein sollte.
»Geralt, was schleichst du hier herum?«, reißt ihn Vesemirs Stimme aus dem Kopf. Er hat nicht einmal mitbekommen, dass er automatisch ins Hexer-Laboratorium gelaufen ist.
Sein Blick fällt auf den Tisch, wo Eskel liegt. Oder eher gesagt das, was von Eskel übrig geblieben ist. Geralt wird schlecht, als er das Messer in Vesemirs Hand sieht, doch er schluckt es runter und von außen sieht er gleichgültig wie immer aus.
»Er hat was besseres verdient«, sagt er und reißt seinen Blick von Eskel los. Sein Blick schweift über das Laboratorium, wo man nichts mehr von dem Kampf vor einigen Tagen sehen kann.
»Das hat er«, seufzt Vesemir und legt das Messer weg.
»Doch wie kann ein Waldschrat mutieren?«, stellt er sich selbst die Frage und auch Geralt ist ratlos. Er hat viel erlebt, aber das noch nicht. Die Zeiten werden immer verrückter.
»Ich werde es herausfinden«, sagt er nach einer kurzen Pause und die alten Augen von Vesemir bleiben auf ihm ruhen, bevor er nickt.
»Wir sollten ihn auf Hexer-Art bestatten«, sagt Geralt, als Vesemir sich wieder daran gemacht hat, seine Haut von allen Baumstücken befreit hat.
»Ihn in eine Hölle legen und den Wölfen zum Fraß vorwerfen?« sagt er und Geralt nickt. Es ist vielleicht barbarisch, dass sie die toten Hexer den Wölfen da lassen, bis diese ihr Fleisch von den Knochen gefressen haben, doch es ist ihre Art. So war es schon immer und wenn Geralt irgendwann sterben wird, kann er sich keine passendere Art der letzten Reise vorstellen.
»Schaffst du es nicht, kleines Mädchen?«, höhnt Lambert und am liebsten würde Kalea den Rothaarigen ins Gesicht schlagen.
Aber so ist sie nicht. Also formt sie mit ihrer Hand nur eine Faust und beißt sich auf die Lippen, während sie Ciri beobachtet, wie sie gegen die Strohpuppe schlägt.
Ciri wird von Tag zu Tag besser, das sieht jeder, dennoch kann Lambert es nicht sein lassen. Ob es nur Hohn ist, oder ob er sie damit anstacheln will, kann sie nicht sagen.
»Sieh es ein, Mädchen können keine Hexer sein«, höhnt Lambert weiter und Kalea will gerade eskalieren, als Ciri sich schwer atmend zu ihm umdreht. Ihre Hand, in der sie das Schwert hält, zittert, dennoch hält sie es fest in ihrer Hand.
»Ich werde ein Hexer sein!«, knurrt Ciri bestimmend und der Kampfgeist taucht in ihren Augen auf.
»Du willst also wirklich ein Hexer sein?«, fragt Lambert und macht einen Schritt auf die Königstochter zu.
»Dafür musst du aber den Parcour überstehen«, sagt er und Kalea will gerade einschreiten, doch Ciri ist schneller.
»Dann zeig ihn mir«, sagt sie angriffslustig, was Lambert lachen lässt.
»Ciri, lass dich nicht provozieren, du musst das nicht machen!«, mischt Kalea sich nun doch ein, doch bestimmend schüttelt Ciri ihren Kopf.
»Ich kriege das hin.«
Kalea weiß, dass sie Ciri nicht umstimmen kann, deswegen folgt sie nur seufzend den Hexern und Ciri, während sie sich fragt, ob das wirklich eine gute Idee ist. Wahrscheinlich nicht, doch Ciri ist gerade wie eine pubertierende Teenagerin - würde man es ihr verbieten, würde sie nur noch mehr dagegen rebellieren. Also heißt es jetzt, auf sie aufpassen und hoffen, dass es nicht allzu schlimm wird.
Sie folgen einem schmalen Pfad, der sie etwas außerhalb von Kaer Morhen bringt und Kalea staunt nicht schlecht, als sie den selbstgebauten Parcour der Hexer sieht. Dieser ist wirklich nichts für schwache Nerven.
Lambert trägt ein breites Grinsen auf dem Gesicht, als er einen Hebel betätigt, ein lautes mechanisches Geräusch ertönt und der Parkour plötzlich beginnt, sich zu bewegen.
»Angst?«, schallt Lamberts Stimme über den Platz, während Ciri sich den Parkour ansieht. Immer mehr Hexer versammeln sich, angetrieben von Lamberts lauter Stimme.
»Ciri, nicht. Lambert ist ein alter Dummkopf«, versucht es Kalea erneut und macht einen Schritt auf sie zu. Doch Ciri beachtet sie nicht, starrt nur auf die Mechanismen, die Lambert ausgelöst hat.
»Ich kann das«, sagt sie und die Hexer grölen laut.
Männer, denkt Kalea verbissen und schüttelt ihren Kopf. Innerlich kreuzt sie ihre Finger, in der Hoffnung, dass würde Ciri etwas Glück bringen. Es ist ein komischer Aberglaube, doch sie hält sich daran fest, weil es das einzige ist, was ihr bleibt.
»Versucht es«, sagt Lambert und geht einen Schritt zurück.
Kaleas Blick haftet sich auf Ciri, die einen kurzen Moment zögert, doch dann setzt sie sich in Bewegung.
Sicher klettert sie auf die erste Plattform. Wirklich jeder Blick liegt auf ihr, als sie einen Schritt nach dem anderen auf den Balken setzt, der gefährlich wackelt. Doch noch mehr Sorgen machen Kalea die drei Holzbarren, die unaufhörlich auf Ciri zu schwingen.
»Komm, du schaffst es«, flüstert Kalea leise und glaubt es für einen Moment wirklich.
Doch kurz bevor Ciri am Ende des Barrens ankommt, schwingt der dritte Barren auf sie zu und reißt sie mit sich runter.
»Ciri!«, ruft Kalea erschrocken und stürmt nach vorne, wo Ciri schmerzhaft auf dem Boden aufgekommen ist. Sofort kniet sie sich zu der Königstochter.
»Hast du dich verletzt?«, fragt sie besorgt und sucht ihren Körper nach abstehenden Knochenbrüchen oder Wunden ab.
»Es ist alles okay«, keucht Ciri und hält sich ihre Seite.
»Du blutest«, stellt Kalea leise fest und deutet auf ihren Arm.
»Es ist okay. Ich hätte es fast geschafft« , sie beißt sich auf ihre Lippen und stützt sich langsam nach oben.
»Geralt würde es gar nicht gefallen«, sagt Kalea, als Ciri Anstalten macht, wieder auf diesen verfluchten Parcour zu gehen.
»Und? Siehst du ihn gerade hier? Ich nämlich nicht!«, zischt sie leise.
»Ciri, du musst keinem etwas beweisen«, sagt Kalea versöhnlich und Ciri seufzt.
»Ich weiß, aber ich will es. Ich bin nicht dieses kleine Mädchen, für das Lambert mich hält«, sagt sie.
»Das weiß Geralt, das weiß ich, das weißt du - reicht es nicht? Es ist doch egal, was andere über dich denken. Wenn du etwas machst, dann tu es für dich. Du bist niemanden etwas schuldig«, ernst sieht Kalea sie an. Ihre Hand ruht auf Ciris gesundem Arm.
Zweifelnd sieht Ciri von Kalea und den anderen Hexern hin und her.
»Lass mich dich verarzten. Morgen ist ein neuer Tag und dann gehen wir den Parcour gemeinsam durch, okay?«, eindringlich sieht Kalea sie an und nach kurzem Zögern nickt Ciri.
»Okay«, brummt sie und erleichtert atmet Kalea auf, bevor sie mit Ciri an ihrer Seite an den Hexern vorbeigeht.
Lambert taxiert sie mit einem bösen Blick, während sie ihn absichtlich anrempelt.
»Früher habe ich mir immer eine Schwester gewünscht«, verrät Ciri Kalea, als sie gerade den Hof betreten.
»Ich auch«, lächelt die blonde Frau.
»Jetzt habe ich meine gefunden«, spricht sie weiter und wie angewurzelt bleibt Kalea stehen und starrt die Kleinere an.
»Was?«, fragt sie, als ob sie sich verhört hätte.
»Ich baue Scheiße und dennoch bist du für mich da und stehst für mich ein, als wären wir eine Familie«, sagt sie und Schmerz flammt in ihren Augen auf. »Hey, wir sind eine Familie«, erwidert sie, tastet nach ihrer Hand und drückt sie kurz, während sie sich ansehen.
»Danke«, flüstert sie leise und zwingt zu einem leichten Lächeln.
Vergesst nicht zu voten, wenn es euch gefallen hat.
danke (:
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