xxvi. für immer
»Eskel? Ich glaube ich verstehe nicht...«
Verwirrt zieht Kalea ihre Augenbrauen hoch. Ihr Blick geht an Geralt vorbei und bleibt an einem riesigen Baum hängen. Der stand vorher noch nicht da, oder?
Ihr Blick gleitet weiter zu Vesemir. Auch der Mentor sieht niedergeschlagen aus, kurz erwidert er ihren Blick, bevor er sich mit dem Rücken zu ihr dreht.
In seiner Hand hält er ein Hexer-Medaillon, welches er an den langen Zweigen aufhängt. Kurz ruht sein Blick auf dem sich schwingenden Medaillon, bevor er, ohne den anderen einen Blick zuzuwerfen, verschwindet.
»Wie geht es euch?«, fragt Geralt und geht nun auch zu Ciri, die direkt hinter Kalea gestanden hat. Kurz sieht er sie an, bevor er sie auch in seine Arme zieht und an seine Brust drückt.
»Alles gut. Kalea hat auf mich aufgepasst«, sagt Ciri und wirft ihr einen dankbaren Blick zu.
Doch Kalea winkt nur ab: »Ich habe das getan, was Geralt auch getan hätte.«
»Danke.«
Geralt löst sich von dem blonden Mädchen und lächelt Kalea erschöpft an. Kalea erwidert sein Lächeln, doch am liebsten würde sie ihn in irgendeine Ecke ziehen und ihn fragen, was wirklich los ist.
Ihr ist klar, dass er jetzt nicht darüber reden will, nicht vor Ciri. Doch egal, was hier passiert ist, es hat ihn wirklich hart getroffen.
Da Vesemir verschwunden ist, weist Geralt die anderen Hexer an, dass sie das Chaos beseitigen, dass sie veranstaltet haben, und mit düsteren Mienen machen sich alle daran.
Auch Kalea und Ciri helfen den Hexern, auch wenn Geralt mehr als nur einmal gesagt hat, dass sie es nicht tun müssen. Doch das machen sie gerne, auch wenn sie nicht wissen, was geschehen ist. Es muss etwas schreckliches gewesen sein, immerhin ist Eskel nicht mehr da und ein Blick in die Gesichter der Hexer verdeutlicht ihren Schmerz; auch wenn sie ihn nicht zeigen wollen.
Sie verbringen Stunden damit, alle Spuren des Kampfes zu beseitigen, doch sie schaffen es, dass es wieder so wie vorher aussieht - bis auf den Baum, an dem jetzt noch mehr Hexer-Medaillons ihren Platz gefunden haben.
Kalea ist gerade nach draußen gegangen, hat sich eine Karotte geschnappt und diese Plötze gebracht, als sie Schritte hinter sich hört.
»Ich habe dich schon gesucht, Kalea.«
Geralts warme Stimme reißt sie aus ihrer Starre und sie wendet den Blick von der fuchsfarbenen Stute ab, die ihr schon wirklich ans Herz gewachsen ist.
»Ich habe es drinnen nicht mehr ausgehalten«, gibt sie zu und Geralts Mundwinkel zucken leicht.
»Der Waldschrat, den Eskel bekämpft hat... er...«, noch nie hat Kalea den milchblonden Hexer so gesehen. Der Schmerz brennt in seinem Blick und vorsichtig macht Kalea einen Schritt auf ihn zu.
Sie nimmt seine zitternde Hand in ihre und drückt leicht zu, was Geralt Mut gibt, um weiter zu sprechen.
»Er wurde infiziert, hätten wir es früher bemerkt, dann...«, am Ende bricht er wieder ab.
»Eskel hat sich in einen Waldschrat verwandelt?«, fragt sie vorsichtig und seine Pupillen weiten sich kurz, bevor er nickt.
»Er hat bei seiner Verwandlung die Dirne getötet - er hat uns irgendwann nicht mehr erkannt.«
Kalea schluckt schwer, sie kann sich nur vorstellen, wie groß der Schmerz in Geralt sein muss. Er versucht es zwar nicht zu zeigen, doch er musste gerade seinen Bruder töten, sonst hätte er ihn und alles was ihm lieb ist umgebracht.
»Ich weiß, keine Worte der Welt können dir gerade deinen Schmerz nehmen. Es ist scheiße, jemanden zu verlieren, doch es ist wohl noch schlimmer, wenn man der Grund dafür ist. Ich möchte eigentlich nicht für Eskel sprechen, ich kannte ihn nicht und habe sicherlich kein Recht dazu, doch ihr - du - hast richtig gehandelt. Er hätte es nicht anders gemacht.« Langsam kommt sie ihm näher.
Geralt schaut in ihr Gesicht, der Verlust steht ihm ins Gesicht geschrieben, als er sie in seine Arme zieht, er sie so nah an sich führt, dass Kalea keine Luft bekommt. Doch sie lässt die Umarmung zu, bei der er sich wie ein Ertrinkender an sie klammert.
Sie legt ihre Arme um ihn, streicht über seinen Rücken, während sie einfach nur so dastehen und nichts sagen. Doch in dem Moment ist Kalea sein Fels in der Brandung.
Ewigkeiten stehen sie da, als Kalea von Plötze angestupst wird, dass sie ins Straucheln gerät.
»Plötze«, sagt sie und Geralt verstärkt seinen Griff.
»Ich lasse dich nicht los«, haucht er leise in ihr Ohr. Und das meint er nicht nur auf die Situation bezogen. Es wurde ihm bloß vorher nicht so wirklich klar.
»Ich liebe sie«, sagt Kalea, dreht sich in Geralts Armen um, ohne sich von ihm zu entfernen.
Sie streicht eine Strähne nach hinten und blickt zu Plötze, die sie aus großen warmherzigen Augen anschaut.
Doch dieses ›Ich liebe sie‹ ist nicht nur an Plötze gerichtet. Schon - sie mag die Fuchsstute wirklich gern, doch gerade in diesem Moment der Schwäche mit Geralt ist ihr bewusst geworden, wie tief ihre Gefühle für Geralt wirklich gehen.
»Ich liebe sie auch«, erwidert Geralt und blickt Kalea von der Seite an.
Als sie seinen Blick auf sich spürt, dreht sie leicht ihren Kopf, sodass sie ihn ansehen kann. Sie verliert sich in seinen Augen.
Sie sieht in seinen Augen so viel mehr, als der Hexer, den er immer Preis gibt. In ihrer gemeinsamen Zeit hat sie gelernt, ihn zu lesen, aus den kleinsten Regungen seines Gesichtes schlau zu werden.
Geralts Hand wandert zu ihrer Wange, bevor er einen leichten Druck ausübt. Doch dieser wäre nicht möglich gewesen, sie hat sich ihm auch so entgegengestreckt. Sanft treffen ihre Lippen aufeinander, bewegen sich im Einklang, während Plötze erfreut auf wiehert und wieder mit ihren Nüstern gegen Kaleas Schulter stupst, was diese in den Kuss lachen lässt.
»Ich glaube Plötze sieht das nicht gerne«, grinst sie leicht und spürt daraufhin schon wieder Geralts Lippen auf ihren.
Sie könnte ihn stundenlang küssen. Sie fühlt sich in diesen Momenten immer so frei, so gut, wie sie es noch nie in ihrem Leben getan hat.
»Dann sollte sie weggucken, denn ich habe nicht das Bedürfnis, jemals damit aufzuhören«, brummt er gegen ihre Lippen und als die Worte bei Kalea ankommen, geht sie erschrocken einen Schritt zurück und blickt Geralt mit großen Augen an.
»Was hast du gerade gesagt?«, fragt sie, als hätte sie seine Worte nicht richtig verstanden.
Doch das hat sie.
»Ich habe nicht das Bedürfnis, jemals damit aufzuhören, von deinen Lippen zu kosten«, spricht er mit so einer Ernsthaftigkeit in seiner Stimme, sodass ihre Beine anfangen zu schlottern und sie sich an ihm festhalten muss.
»Überrascht dich das so?«, fragt er schmunzelnd und Kalea schüttelt zaghaft mit ihrem Kopf.
»Nein, also-«, stottert sie vor sich rum, was ihn noch breiter grinsen lässt.
»Du bist wirklich süß, wenn du nach den richtigen Worten suchst«, spricht er und zaghaft lächelt Kalea.
»Danke«, sagt er dann urplötzlich.
»Wofür?« Kalea ist komplett überfordert, sie versucht immer noch, das eben gesagt irgendwie zu verarbeiten.
»Dafür, dass du den Weg zu mir gefunden hast. Es ist egal, wie es passiert ist, und ehrlich gesagt bleibt es mir auch egal, solange du hier bleibst. Bei mir.«
Seine plötzliche Ehrlichkeit überrascht sie, doch es fühlt sich gut an. Zum ersten Mal öffnet er sich komplett vor ihr.
»Ich will auch nicht weg. Ich habe noch nie so viel Schmerz und Leid erfahren, aber auch so viel Liebe, Vollkommenheit und das Gefühl, endlich angekommen zu sein.«
Der Schmerz verschwindet nicht vollkommen aus den goldenen Augen von Geralt, doch eine andere Emotion überwiegt, eine, die Kalea bisher nicht identifizieren konnte, doch jetzt kann sie es: Liebe.
Bei der Erkenntnis bleibt ihr die Luft weg.
»Ist dir kalt?«, fragt Geralt sofort besorgt, legt seine Arme um sie und zieht sie nahe an seiner warmen Brust. Auch wenn es draußen mehr als nur kalt ist und sie sich nur schnell einen Mantel übergezogen hat, als sie rausgegangen ist, ist ihr keinesfalls kalt.
»Mir fehlen gerade einfach die Worte«, nuschelt sie an seiner Brust. Drückt ihren Kopf näher heran und inhaliert seinen Duft.
»Das ich das noch miterleben darf, dass dir die Worte fehlen, während ich nicht aufhören kann zu sprechen.«
Kalea weiß genau, dass er gerade schmunzelt und auch sie muss gegen seine Brust grinsen.
»In was für einer verrückten Welt wir doch sind«, erwidert sie.
Auch am Abend ist die Stimmung immer noch etwas düster. Vereinzelte Gespräche finden statt, während Ciri und Kalea an der Ecke des Tisches sitzen und sich leise unterhalten und Geralt und den anderen Hexern den Freiraum geben - auf ihre Art und Weise - mit dem Verlust ihres Bruders umzugehen.
Umso länger der Abend wird, umso mehr trinken die Hexer und die Stimmung wird immer besser. Ciri erzählt gerade von ihrem Leben in Cintra, als Geralt Kalea von hinten umarmt. Sofort riecht sie den Alkohol, den Geralt wahrscheinlich literweise in sich gekippt hat, um den Schmerz zu übertönen.
Sie weiß, dass Alkohol keine gute Lösung ist, doch für einen Abend will sich auch ein Geralt besaufen, um einfach zu vergessen. »Du riechst fabelhaft«, murmelt er gegen ihren Hals und küsst sie dort.
Kalea lehnt sich leicht nach hinten, während ihre Wangen rot werden. Immerhin beobachtet Ciri sie mit einem Lächeln auf dem Gesicht. »Geralt, ich sage es wirklich ungerne und ich hätte niemals gedacht, dass ich diese Worte wählen werde aber: Du bist betrunken«, lächelt sie leicht, während Geralt immer noch gebeugt über ihr steht, sodass er seine Arme um sie schlingen kann.
»Mhm«, er brummt gegen ihre Haut, während er sie weiter liebkost, bis hoch zu ihrem Ohr.
»Wollen wir hoch gehen?«, seine Stimme ist so tief und sofort denkt sie einige Stunden zurück, als er ihr ganz andere Dinge ins Ohr geflüstert hat.
Ihr Blick fällt sofort auf Ciri.
»Geht schon. Ich werde auch schlafen gehen«, lächelt sie. Kalea will gerade etwas antworten, aber Geralt zieht sie hoch.
»Ciri hat gesagt, wir dürfen gehen«, spricht er und grinst, wodurch er einige Jahre jünger wirkt.
Kichernd schüttelt Kalea ihren Kopf.
»Können Hexer eigentlich einen Kater kriegen?«, fragt sie interessiert und Geralt zuckt mit seinen Schultern, während er sie die Treppen nach oben zieht.
»Lass es uns gemeinsam herausfinden«, grinst er und Kaleas Herz macht einen Spruch.
»Nichts lieber als das.«
»Kannst du es noch einmal sagen?«, fragt Kalea und schnappt unauffällig nach Luft, als sie die Treppenstufen ziemlich schnell erklungen haben.
»Was?«, Geralt dreht sich um und fixiert sie mit seinen goldenen Augen.
Er fährt sich durch seine langen, lockigen Haare und kurz betrachtet Kalea das Muskelspiel seiner Arme. Dieser Mann ist Sex pur.
Kalea fährt mit ihrer Zunge über ihre Lippe und muss sich ein Grinsen verkneifen, als Geralts Blick dunkler wird und auf ihren Lippen ruht.
»Meine Sonne«, antwortet sie und jetzt ist es Geralt, der grinst.
Er macht zwei Schritte auf sie zu und bleibt dicht vor ihr stehen.
»Warum?«, fragt er und Kalea schaut nervös an ihm vorbei.
»Hey, sieh mich an«, murmelt er und legt zwei Finger unter ihrem Kinn, das sie gezwungen ist, ihn anzusehen.
Zuerst hat sie ihre Augen geschlossen, doch als er ihren Wunsch erfüllt, und der sanfte Klang ihres Spitznamens aus seinem Mund klingt, öffnet sie flatternd ihre Augen und blickt direkt in seine.
Noch nie hat sie so viel für eine Person gefühlt, wie für Geralt. Sie kann es nicht in Worte fassen, denn keines würde ansatzweise dem gerecht werden.
»I-ich«, sie schluckt einmal hart, während sie weiter zu Geralt blickt, der mit einem Mal sehr nüchtern wirkt. Mit einer festeren Stimme als zuvor fährt sie fort: »Ich habe noch nie so etwas wie gefühlt, wie bei dir. Ich kann es nicht einmal in Worte fassen, was echt komisch ist, denn immerhin finde ich eigentlich immer Worte-« und als sie beginnt zusammenhangslos zu reden, verziehen sich Geralts Lippen zu einem kleinen Lächeln und während sie nach den richtigen Worten sucht, nimmt er ihre Hand und legt sie auf seinen Brustkorb, direkt an die Stelle, wo sein Herz schlägt.
Kalea verstummt augenblicklich, als sie das schnelle Pochen seines Herzens unter ihren Fingerspitzen erfühlen kann.
»Ich auch.« Es sind zwei einfache Worte, doch für Kalea bedeuten sie die Welt.
Worte sind nicht von nötig, denn Geralt hält eh nicht viel von ihnen. Sie lächeln sich an, als Geralt sich ihre Hand schnappt und sie auf sein Zimmer zieht. Krachend fällt die Tür hinter ihnen zu, doch das kriegen die beiden nicht mehr mit, dafür sind zu viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
»Lass mich dir helfen, zu vergessen. Auch wenn es nur für einen kurzen Moment ist«, flüstert Kalea gegen seinen geschwollenen Lippen.
Kurz streift sie diese noch, bevor sie vor ihm auf die Knie geht und Geralt kehlig aufgestöhnt, als er sieht, was sie vorhat.
Vergesst nicht zu voten, wenn es euch gefallen hat.
danke (:
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