xv. ciri
Ein lautes Schnauben holt Kalea hoch. Ruckartig fährt ihr Körper nach oben, während sie sich orientierungslos umsieht. Grüne Punkte tanzen vor ihren Augen, erschweren ihr die Sicht.
»Ihr seid wach«, ertönt eine Stimme hinter ihr. Können Guhle jetzt schon sprechen? In diesem Wimpernschlag fällt ihr ein, was passiert ist. Sie, die freundliche, strahlende Person hat jemanden umgebracht. Okay, es war kein Mensch. Aber sie hat nun Blut an ihren Händen kleben.
Kein menschliches, sondern ekelhaftes, verdorbenes, dennoch sind auch durch diese Körper Blut geflossen. Und sie hat es vergessen.
»Wo bin ich?«, haucht sie orientierungslos.
Wieder schnaubt ein Pferd, während Kalea ihren Blick schweifen lässt. Sie stellt fest, dass sie sich auf einem Pferdewagen befindet. Sie müssen sich immer noch im Wald, auf einer Hauptstraße befinden. Langsam gleitet sie neben sich, wo ein bewusstloser Geralt liegt.
»Geralt«, haucht sie leise, greift zu ihm und streicht leicht über seinen leicht bebenden Oberkörper.
»Ich habe euch auf einem Massengrab gefunden, es war echt knapp, doch ich konnte euch gerade noch hochhieven, ehe ich den schnellsten Weg zur Hauptstraße eingeschlagen habe«, spricht wieder die Stimme hinter ihr.
Langsam dreht sich Kalea um und sieht den Hinterkopf eines Mannes im mittleren Alter. Er trägt eher ältere Klamotten, die eindeutig schon bessere Tage gesehen haben.
»Danke«, murmelt Kalea immer noch etwas neben der Spur.
»Nicht dafür. Meine Familie und ich haben zwar nicht viel, dennoch versuche ich stets das Richtig zu tun«, redet er weiter und Kalea nickt einfach nur geistesgegenwärtig.
»Was ist mit Geralt?«, haucht sie so leise, dass sie eigentlich nicht gedacht hat, dass der fremde Mann sie verstehen wird.
»Ich habe mich um euren Begleiter gekümmert, es war knapp, aber er scheint ein starker Mann zu sein. Er wird durchkommen.«
Kalea mustert den blonden Mann, wie er friedlich da liegt, nur ab und zu im Schlaf zuckt.
Ihr Blick wandert sein Bein hinunter, dass mit einem Verband ähnlichen Material umwickelt wurde.
»Woher kennen Sie sich damit aus?« , fragt Kalea.
»Man kommt hier nicht weit, wenn man sich nicht selbst zu helfen weiß. Nicht in diesen Zeiten...«
Kalea nickt, bevor sie sich auf ihr Rücken gleiten lässt. Ihr Körper streikt, jede einzelne Zelle schreit sie an, sie soll liegen bleiben, sich nicht bewegen und die Strapazen der letzten Tage erstmal verkraften, aber sie weiß auch, dass das nicht geht.
Das sie weiter müssen. Wohin das auch ist. Doch solange Geralt bewusstlos neben ihr liegt, kann sie das vergessen.
»Wo bringen Sie uns hin?«, fragt Kalea nach Momenten der Stille, in denen nur die gleichmäßigen Hufschläge des Zugpferdes zu hören sind.
»Zu mir nach Hause. Zu meiner Frau, dort könnt ihr erstmal zu Kräften kommen. Es ist dort sicherer, als hier draußen. Außerdem, müsst ihr den Eintopf meiner Frau probieren! Er ist wirklich fabelhaft und hat uns schon oft durch schwere Zeiten geholfen.«
Sehnsucht schwingt in seiner Stimme und wieder driftet Kalea kurz mit ihren Gedanken ab.
Bevor sie angegriffen wurden, weil sie so sehr voneinander abgelenkt wurden, haben sie sich geküsst. Verdammt nochmal geküsst. Kaleas Hand ist automatisch zu ihrer Lippen gefahren, hat ihre Wölbung nachgezeichnet und leicht ihre Lippen berührt, auf der sie immer noch den Druck seiner Lippen spürt.
Wenn sie daran zurückdenkt, steht sie wieder unter Strom. Noch nie hat sie sich so gefühlt. So - befreit, irgendwie glücklich. Als wäre sie jetzt erst angekommen. Was verrückt ist, weil sie nicht in ihrer Welt ist. Sie ist in Geralts Welt und immer noch weiß sie nicht, wie sie hierher gekommen ist. Immerhin gibt es keine Magie? Hier scheint es normal zu sein, aber in ihrer primitiven Welt? In ihrer, wo Hass und Macht die Oberhand haben?
»Klingt gut«, erwidert Kalea daraufhin. Sie dreht hektisch ihren Kopf rum, als Geralt neben ihr zuckt. Wörter verlassen seine Lippen, doch so sehr Kalea auch versucht zuzuhören, sie kennt keines davon.
Sie sollte vielleicht mehr Angst vor dem Fremden haben, aber auf der anderen Seite hätte er sie nicht mitnehmen müssen. Kalea kennt sich mittlerweile gut genug in der Welt aus, dass diese sicherlich nicht für die Freundlichkeit der Menschen strahlt. Dennoch hat der Mann sie und Geralt gerettet, denn ansonsten wären sie tot. Da ist sich Kalea ziemlich sicher.
»Wir sind bald da.«
Sie haben sich angeschwiegen. Doch über was sollen sie auch reden? Kalea ist immer noch verwirrt, überfordert. Sie dachte, sie würde sich so langsam an diesen Kontinent gewöhnen, doch jedesmal, wenn sie das denkt, überzeugt der Kontinent sie vom Gegenteil.
»Wo ist eigentlich Plötze?«, verwirrt runzelt sie die Stirn, als ihr die braune Fuchsstute einfällt. Durch die Sorge rund um Geralt und ihre sowieso schon verwirrte Gefühlslage hat sie gar nicht mehr daran gedacht.
»Die braune Fuchsstute?«, fragt der Mann.
»Sie ist treuer als ein Hund«, lacht er. Kalea blickt nach links und entspannt sich, als sie Plötze neben sich her traben sieht.
»Gott sei Dank«, murmelt sie und fröhlich wiehert die Fuchsstute ihr zu, als würde sie Kalea verstanden haben.
»Sie ist wirklich treu...«, murmelt Kalea.
Geralt neben ihr wird immer unruhiger. Ihr Blick ruht auf ihm, aber sie weiß nicht, wie sie ihm helfen soll. Immer noch ist er bewusstlos. Oder träumt er? Seine Augenlider zucken und er wirft sich immer wieder unruhig hin und her.
Weitere Minuten vergehen. Kalea genießt es, dass sie nicht laufen muss. Das ihre schmerzenden Fußballen wenigstens für einen kleinen Moment Ruhe haben. Das Pferd, was vor dem Wagen gespannt ist, wird immer unruhiger. Wahrscheinlich spürt es, dass sie bald zu Hause sind.
Weitere Zeit vergeht, in der Kalea ihre Augen schließt, den kühlen Wind auf ihrer warmen Haut genießt.
»Hoo!«, ruft der fremde Mann, nach dessen Namen sie immer noch nicht gefragt hat, als der Wagen zum stehen kommt.
»Wir sind da« , teilt er Kalea mit.
Diese richtet sich auf, ihr Blick fällt auf einen kleinen Bauernhof und schwach grinst sie. Es erinnert sie daran, dass sie, als sie klein war, auch immer auf einem Bauernhof leben wollte.
Kalea liebt Tiere. Über alles. Doch in einer großen Stadt verliert man seine Träume schnell, in den vielen Versprechungen, die sie einem prophezeien.
»Es ist schön friedlich hier« , murmelt Kalea, während sie das alte Haus näher betrachtet. Es ist heruntergekommen, doch es besitzt einen gewissen Charme, was andere moderne Häuser nicht einmal in 100 Jahren hätten.
Die Tür geht auf und ein blondes Mädchen rennt raus, direkt in den Wald hinein. Verwirrt sieht Kalea ihr hinterher. Im nächsten Moment passieren verschiedene Dinge, eine Frau rennt ebenfalls aus dem Haus, ruft dem Mädchen etwas hinterher, als sie ihren Mann mit dem Pferdewagen sieht.
Und Geralt schreckt hoch, beinahe hätte Kalea aufgeschrien, so sehr hat sie sich deswegen erschrocken. Sein Atem geht schnell, während er mit weit aufgerissenen Augen starr nach vorne blickt.
»Geralt?« , fragt Kalea vorsichtig, doch der große, milchblonde Mann regt sich für einige Sekunden nicht. Dann gleitet sein Blick zu Kalea.
»Wir müssen los. Sie ist hier«, sagt er, stützt sich mit seinen muskelbepackten Armen ab und springt von dem Wagen, dass er dabei immer noch verletzt ist, ignoriert er einfach. Als wäre nichts, setzt er einen Fuß vor den anderen.
»Du bist verletzt! Wo müssen wir hin? Wer ist hier?«, ruft Kalea aufgebracht und rutscht auch von dem Wagen runter. Ist Geralt irgendein Gift zu Kopf gestiegen, oder warum benimmt er sich so?
Doch dann fällt Kalea das blonde Mädchen ein, das eben in den Wald gerannt ist, bevor Geralt hektisch aus seinem Schlaf gerissen ist. Kann es sein, dass es sein Recht der Überraschung ist? Das Mädchen, welches sie gesucht haben?
Kann dieses Band so stark sein, dass es sie beinahe schicksalsartig zusammenbringt?
Geralt sagt nichts, sieht Kalea nur an. Doch es scheint ihr, als würde er durch sie hindurchblicken und sie gar nicht sehen. Dann dreht er sich um und rennt los.
»Geralt!« Einen Moment ist Kalea zu perplex, um zu reagieren, doch dann brüllt sie dem Blonden hinterher.
Geralt dreht sich nicht um, verschwindet zwischen den Bäumen. Entschuldigend blickt Kalea zu dem Farmer, dann ignoriert sie ihre schmerzenden Füße, dass ihr Körper sie anschreit, sie soll stehen bleiben und hechtet dem Blonden durch den Wald hinterher.
Ihre Lunge schreit nach Luft, der Wind peitscht ihr schmerzhaft ins Gesicht, dennoch bleibt Kalea nicht stehen, versucht, irgendwie Geralt einzuholen. Sie hat ihn schon lange verloren, weiß nicht, ob sie überhaupt in die richtige Richtung rennt, doch sie bleibt nicht stehen.
Sie zwingt sich nicht stehen zu bleiben. Irgendwas sagt ihr, dass sie richtig ist. Keuchend bleibt sie am nächsten Baum stehen, hält sich ihre Hand in die Hüfte und schnappt nach Luft, als sie durch die Bäume Geralt erspähen kann.
Sie zwingt sich weiter, bleibt dann zwischen zwei Bäumen stehen, die zu einer Lichtung grenzen. Geralt hat seinen Schritt verlangsamt und Kalea kann wenige Augenblicke später verstehen warum.
Er hat das Mädchen gefunden.
Er bleibt stehen. Genau wie das blonde Mädchen. Stumm starren sie sich an. Kalea kann nicht ausmachen, wer zuerst den Schritt auf den anderen zumacht, doch plötzlich liegen sie sich in den Armen.
Hinter Kalea knackt es und alarmierend dreht sie sich schon um, als Plötze vor ihr stehen bleibt. »Treuer als ein Hund...«, murmelt sie leise, greift nach den Zügeln und streichelt über die samtigen Nüstern des Tieres, bevor sie zwischen den Bäumen hervortritt.
Mittlerweile haben die beiden sich voneinander gelöst, als der Blick von dem blonden Mädchen auf Kalea fällt.
»Kalea«, sagt Geralt rau, als sie die beiden erreicht hat.
Kalea zwingt sich zu einem Lächeln, während sie in die blauen Augen des Mädchens blickt.
»Ich bin Kalea«, stellt sie sich vor. Kurz sieht das Mädchen zwischen ihr und Geralt hin und her.
»Ciri«, erwidert sie.
»Was ist jetzt der Plan?«, fragt Kalea, nachdem sie weitergegangen sind. Sie dreht ihren Kopf zu Geralt, der Plötze an ihren Zaumzeug führt, während er Ciri auf die Stute gesetzt hat.
Leicht zucken seine Mundwinkel und Kalea weiß sofort, was ihr nächster Plan ist.
Und am liebsten würde sie ihm dafür verfluchen.
»Es ist ein schöner Tag, um durch den Wald zu spazieren.«
ENDE AKT EINS
Vergesst nicht zu voten, wenn es euch gefallen hat.
danke (:
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