xiii. totenkopf
»Oh.«
Zu mehr ist Kalea nicht imstande. Sie fühlt sich irgendwie dumm, dass sie sofort daran gedacht hat. Doch nicht alles dreht sich immer um diese Art von Liebe. Umso mehr sie darüber nachdenkt, wird ihr aber klar, warum sie als erstes darauf geschlossen hat. Warum ihr Herz sich bei dem Gedanken, Geralt würde jemand anderen lieben, sich schmerzvoll zusammengezogen hat.
»Fuck«, ruft sie laut aus, bleibt abrupt stehen, dass Plötze nervös tänzelt und Geralt der braunen Fuchsstute über ihren Hals streicht, um sie zu beruhigen. Kalea starrt Geralt an, ohne ein Wort zu sagen. Verwirrt hebt dieser eine Augenbraue, macht vorsichtig einen Schritt auf sie zu. »Ist alles in Ordnung?« Besorgnis schwingt in seiner Stimme mit und sofort macht Kaleas Herz einen Hüpfer.
Fuck. Fuck. Fuck.
»Kalea?«
Geralt macht einen weiteren Schritt auf sie zu, mustert ihr Gesicht und versucht aus ihren Blick irgendwie schlau zu werden. Immerhin war gerade alles gut. Beide haben - wie so oft - einfach ihren Gedanken nachgehangen, doch mit einem Mal ist die weißblonde Schönheit stehen geblieben.
»E-es ist alles gut«, stottert Kalea, weicht seinem Blick aus. Als wäre ihr Leben gerade nicht sowieso kompliziert genug, wurde ihr eben eines klar. Sie hat sich verdammt nochmal verliebt. In Geralt von Riva. Fuck.
Geralt glaubt ihr nicht, das kann sie genau sehen. Doch er erwidert daraufhin nichts. Sieht sie immer noch an. Kaleas Augen huschen zwischen seinen beiden Augen hin und her. Sie sind wie flüssiges Gold und laden Kalea nahezu ein, sich in ihren unendlichen Tiefen zu verlieren. Automatisch macht sie einen Schritt auf ihn zu, sie kann gar nicht anders. Ihr Herz pocht wie wild in ihrer Brust, ihre Wangen fühlen sich warm an und sind sicherlich auch rot. Nervös schluckt sie, als Geralts Duft sie umhüllt, ihre einzig vertraute Sache in dieser Welt - als würde sie bei ihm ankommen.
Kaleas Blick wandert sein markantes Gesicht entlang. Mustert jeden einzelnen Zentimeter, ehe sie leise aufseufzt. Sie sind sich so nah, sie müsste nur ihre Hand ausstrecken... Auch Geralt schreckt nicht zurück, beinahe abwartend sieht er Kalea an. Wartend darauf, was die Blonde als Nächstes tun wird.
Fendirs Angriff liegt immer noch in der Luft. Er will sie nicht drängen. Zu nichts. Auch wenn sie sich ihm schon mehr als bereitwillig angeboten hat. Früher hätte er sich sicherlich nicht bremsen können, in der wenigen Zeit, die sie zu zweit verbracht haben, hat er angefangen sie zu mögen - oder auch mehr. Aber er ist ein Hexer. Er mag niemanden. Noch weniger lässt er andere Gefühle zu, dann kam Kalea aus einer anderen Welt und stellt seine komplett auf den Kopf.
Gerade als Kalea ihre Finger ausstreckt, nach seiner losen Strähne greifen will, die ihm locker ins Gesicht fällt, ertönt hinter ihnen ein Knacken. Als würde Kalea, aus einer Trance erwachen zuckt sie zusammen. Brummig knurrt Geralt auf, hätte er sich nicht so sehr auf Kalea konzentriert, dann hätte er den Unbekannten schon viel früher bemerkt. Doch als würde Kalea ihn zu dem Menschen machen, der er eigentlich sein sollte, hat er nicht auf seine Instinkte gehört.
Sofort greift Geralt um Kalea, schiebt sie schützend hinter sich, während seine Hand automatisch zu seinem Schwert gleitet, was er keine Sekunde später bedrohlich vor sich hält. Bereit Kalea zu schützen. Er spürt ihre Wärme, die von ihr ausgeht, während sie immer noch ziemlich dicht hinter ihm steht.
Fuck. Er muss sich konzentrieren und darf sich nicht von ihrem lieblichen Duft ablenken lassen. Doch ihr Duft benebelt seine Sinne, lässt ihn alles vergessen, alles, was ihm die Jahre eingetrichtert wurde. Es ist ihm schlichtweg egal. Solange er sie beschützen kann.
Aufmerksam scannen seine Augen die Umgebung. Seine Körperhaltung ist angespannt, er ist zum Angriff bereit. Doch soweit muss es nicht kommen, als jemand mit erhobenen Händen hochkommt.
»Geralt.«
Sofort entspannt sich Geralt ein wenig, doch das Schwert senkt er nicht. Hier draußen sind es schwierige Zeiten. Man sollte nicht mal einem selbst vertrauen.
»Cunar«, erwidert Geralt trocken. Das sieht Kalea als Zeichen und langsam löst sie sich von Geralt. Lugt hinter seinem breiten Rücken hervor, ehe sie sich neben Geralt steht. In dem Moment fällt ihr auf, wie immens ihr Größenunterschied ist. Schnell verbietet sie alle Gedanken, die in diese Richtung gehen. Sie löst ihren Blick von Geralt und blickt zu diesem Cunar.
Neben den beiden Riesen fühlt sie sich echt wie ein Zwerg. Doch so grimmig Geralt immer blickt, umso freundlicher ist Cunars Blick. Neugierig blicken ihr seine dunklen Augen entgegen, ihre Mundwinkel zucken leicht, sonst zeigt sie keine Regung.
»Es wird viel gesprochen...«, fängt Cunar an zu reden.
Entspannt steht er da, als würde er mit ihnen einen Plausch halten und nicht, als hätte Geralt immer noch seine Waffe auf ihn gerichtet. Irgendwas in Kalea sagt ihr, dass er damit sie beide meint. Sie und Geralt.
Das ungleiche Paar ist schon einige Zeit unterwegs, sie haben einige Leute getroffen und wenn Kalea dachte, die Menschen in ihrer Welt sind Tratschtanten, dann hat sie die Bewohner des Kontinents nicht wirklich erlebt.
»Über den Hexer und das unbekannte Mädchen...«, sein Blick wandert über Kalea, doch sie fühlt sich nicht unwohl, als wüsste sie, dass von ihm keine Gefahr ausgeht.
Anders als bei Fendir, immer wieder sind ihre Alarmglocken angegangen, doch sie hat nicht darauf gehört. Hätte sie es einfach getan, kurz schaudert es ihr, als sie daran zurückdenkt. Auch wenn es erst einen halben Tag her ist, fühlt es sich an, als wäre mehr Zeit vergangen. So als würde die Zeit im Wald anders vergehen. Was natürlich absoluter Schwachsinn ist.
»So viel Tratsch in den Erzählungen auch steckt, in einer Sache haben sie recht; sie ist eine schöne Frau.«
Er sagt es so liebenswürdig, dass es gar nicht komisch klingt. Wobei es das vielleicht sollte.
»Was wollt Ihr?«, knurrt Geralt. Er steckt sein Schwert wieder in die Scheide, dann legt er einen Arm um Kalea, zieht sie näher an sich ran, als würde er Cunar sagen wollen, dass sie zu ihm gehört. Kalea sieht Geralt von der Seite an, wie er Cunar böse, mit zusammengezogenen Augenbrauen und seine Lippen zu einem schmalen Strich verzogen mustert.
Bei diesem Anblick wird es warm um ihr Herz. Noch nie hat sie sich so sicher gefühlt, wie bei Geralt. Sicherlich interpretiert sie zu viel hinein, doch sie ist immer noch dieses naive Mädchen, was sich in Kleinigkeiten, Nettigkeiten reinsteigert.
»Die Schlacht in Sodden Hill«, sagt er locker, als würde er nicht über einen Krieg reden. Als erzählt er ihnen gerade, was sein Lieblingsessen ist.
»Was ist das für eine Schlacht?« Kalea nimmt ihren Blick von Geralt und sieht zu Cunar der sich locker gegen einen Baum lehnt. Von ihm geht keine Bedrohung aus, dennoch widerstrebt es Geralt, seinen Arm von Kalea zu nehmen. Viel mehr genießt er es, wie sie sich an seine Seite presst. Amüsiert hebt Cunar eine Augenbraue.
»Was weiß sie alles?«, richtet er sich an Geralt und ignoriert Kaleas Frage.
»Das wichtigste«, knurrt er. Geralt hasst es, dass jeder den sie treffen, sie darauf ansprechen. Dass er seine Geheimnisse hat. Nicht das er ihr nicht vertrauen würde, doch er will ihre unbefleckte Seele beschützen, die schon einige Flecken bekommen hat. Mehr würde er nicht zulassen.
»Yennefer kämpft mit.«
Kurz verkrampft Geralt sich. Fragend sieht Kalea ihn an, doch er fixiert immer noch Cunar. Er spürt Kaleas Blick auf sich, doch er kann den Blick nicht erwidern.
»Sie ist stark«, antwortet Geralt kalt. Amüsiert lacht Cunar auf.
»Natürlich ist sie das«, erwidert er. »Doch Nilfgaard ist es auch.«
In Kaleas Blick ist ein großes Fragezeichen. Wer ist Yennefer? Was ist Nilfgaard? Warum erzählt Geralt ihr nie alles? Sie dachte wirklich, sie hätten diesen Punkt erreicht, wo sie offen miteinander umgehen. Nicht immer nur die halbe Wahrheit erzählen, doch immer dann, wenn sie denkt, es ist anders, taucht jemand auf und lässt sie zweifeln. Wie ein verdammter Teufelskreis.
»Cunar, was wollt Ihr?«, wiederholt Geralt seine Worte.
»Ich bin einfach durch diesen wunderschönen Wald gelaufen, als ich Eure bezaubernde Stimme gehört habe«, schmunzelt er.
Geralt brummt auf, überlegt wie er seinen alten Bekannten am liebsten umbringen könnte, doch so war Cunar schon immer. Das komplette Gegenteil von Geralt.
»Wir müssen weiter«, sagt Geralt, als hätte Plötze die Worte seines Besitzers verstanden, hebt sie ihren Kopf und trabt auf ihn zu. Während Cunar aufgetaucht ist, und sie gesprochen haben, hat sie das wenige Gras, was sich auf dem Boden befindet gegessen.
»Aber-« Kalea will nicht weg, viel lieber würde sie sich weiter mit Cunar unterhalten, vielleicht würde sie die ein oder andere Geschichte über Geralt rauskitzeln können, doch der weißhaarige Mann hat andere Pläne.
»Auf wiedersehen, Cunar«, knurrt er. Mit seiner einen Hand greift Geralt nach den Zügeln von Plötze, die andere schließt sich um Kaleas Hand und zieht sie weiter.
»Wir können doch nicht einfach-«, protestiert Kalea.
»Wir können«, sagt Geralt trocken und zieht sie einfach weiter. Und Cunar lässt die beiden ziehen, sieht ihnen noch einen Moment hinterher, bevor er lächelnd seinen Kopf schüttelt und wieder zurück auf die Hauptstraße läuft.
»Woher kennst du Cunar?«, fragt Kalea nachdem er endlich ihren Arm losgelassen hat, und sie von allein neben ihm läuft. Einige Male hat sie sich noch nach Cunar umgedreht, was Geralt innerlich wütend gemacht hat.
»Wir haben uns vor einigen Jahren kennengelernt, als ich gegen einen Archesporen gekämpft habe«, erzählt Geralt widerwillig. Eigentlich wollte er nicht von der längst vergangenen Zeit erzählen, doch die Worte sind ihm einfach so rausgerutscht.
»Archesporen? Klingt komisch...«, murmelt Kalea und versucht sich auszumalen, was für ein Vieh das sein könnte. Geralt ist nicht der große Freund von sprechen, viel lieber genießt er die Stille.
So kann er immer wachsam sein, ein Auge darauf haben, ob sich eine Gefahr anbahnt, doch Kaleas neugierige Stimme, ihren Blick aus ihren großen Augen, wenn sie ihn fragend ansieht, kann sie nicht ausschlagen. Also beginnt er seufzend zu erzählen.
»Archesporen wachsen an Schauplätzen schrecklicher Verbrechen. Es sind Pflanzen, die durch einen Fluch entstehen der durch die niederträchtige und grausame Tat eines Verbrechers erzeugt wird. Die Archespore ist eine Art botanischer Racheengel, bereit in ihrem Hass alles blindwütig anzugreifen und zu töten.«
Gespannt lauscht Kalea seinen Worten. Sie mag seine tiefe Stimme. Sie mag es, wenn er mehr spricht und nicht immer so knappe Antworten gibt, wahrscheinlich würde sie ihm Stunden zuhören können.
»Deine Welt ist wirklich faszinierend, da kommt mir meine wirklich Öde vor...«, murmelt Kalea gedankenverloren, während sie zurückdenkt.
Der Wald ist so still. Als würde es nur Geralt und sie geben. Und die gleichmäßigen Schritte Plötzes.
»Erzähl mir was von deiner Welt«, bittet Geralt sie dann. Ein leichtes Lächeln zeichnet sich auf Kaleas Gesicht ab. Noch nie hat er sie über ihre Welt ausgefragt.
»Ich weiß garnicht, wo ich anfangen soll. Es ist das komplette Gegenteil von dem Kontinent. Die meisten Menschen in riesigen Städten - es ist so laut und niemals ist man allein. Es ist alles viel fortschrittlicher«, kurz deutet sie auf sein Schwert. Bei uns bekriegt man sich mit Schusswaffen und Atombomben, fügt sie in Gedanken hinzu.
»Wir gehen nicht mehr zu Fuß - obwohl das auch - doch wir haben mechanische Sachen. Autos, Busse, die U-Bahn, Flugzeuge. Theoretisch können wir überall hin...«, schnell schweift sie ab. Die beiden stehen im kompletten Kontrast, nicht nur sie als Individuen, nein, auch ihre Welten. Wenn nicht sogar besonders ihre Welt.
Als Kalea den nächsten Schritt macht, spürt sie etwas unter sich knacken. Es ist ein hässliches Geräusch, was ihr das Blut in den Adern gefrieren lässt. Beinahe als wären Knochen zerbrochen und als sie ihren Blick auf den Boden haftet, fällt ihr auf, dass genau das passiert ist.
Panisch hebt sie ihren Blick, blickt an Geralt vorbei, als ihr eine Sache klar wird. Sie stehen inmitten eines Massengrabes.
Vergesst nicht zu voten, wenn es euch gefallen hat.
danke (:
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro