v. prolog
»Kalea!«, die Stimme ihres Vorgesetzten ertönt und erschrocken löst sie ihren Blick von dem flimmernden Bildschirm.
Bevor sie überhaupt zu Wort kommen kann, spricht er weiter. »In mein Büro. Sofort.«
Sie weiß genau, wenn er in diesem Tonfall redet, handelt es sich um keinen netten Plausch. Sofort fällt ihr Blick auf Ben, der sie irgendwie hämisch ansieht.
Ben ist einer ihrer Arbeitskollegen. Er sieht aus wie ein typischer Nerd. Blonde Haare und eine riesige Brille auf seiner Nase, die das ganze nochmal bestärken. Seine Statur ist eher unauffällig, sie würde ihn fast schon als Lauch betiteln.
Schon seitdem Kalea hier angefangen hat zu arbeiten, konnte er sie nicht ausstehen.
Was Kalea nie verstanden hat. Sie selbst würde sich als eine freundliche Frau beschreiben. Sie kommt mit jedem klar – na ja fast jedem.
Am Anfang hat sie noch versucht, mit ihm klarzukommen, sie hat sich eingeredet, er muss einfach mit ihr warm werden. Doch das Gegenteil war der Fall.
Egal, was Kalea getan hat, oder auch nicht. Ben hat sie vor jedem schlecht geredet. Oft hat sie versucht, mit ihm darüber zu reden, doch vergebens. Sie ist nicht mal zu Wort gekommen, immer musste sie sich anhören, was sie falsch macht.
Wobei sie gute Arbeit leistet, das weiß sie. Andere haben es auch gesehen, doch gegen Ben sagen sie nichts. Sie lassen ihn machen, wahrscheinlich in der Hoffnung, es würde sie nicht treffen.
Menschen können so liebreizend sein, nicht wahr?
Schwer schluckend und mit schwerem Herzen folgt sie ihrem Vorgesetzten in sein Büro, die Tür fällt hinter ihr zu und es herrscht Stille im Raum. Nervös beißt Kalea auf ihrer Unterlippe, während sie in der Mitte des Büros steht und zu ihrem Boss sieht.
Dieser hat sich auf seinen Stuhl gesetzt, bevor er einmal tief seufzt. Erst dann beginnt er zu reden.
»Ich mag Sie wirklich, Kalea. Sie bringen so viel Freude hier rein, doch wir sind ein Unternehmen und das sollten wir niemals vergessen«, fährt er fort.
Kalea ist wie erstarrt, sie versteht nicht, worauf er gerade hinaus will.
»Ich verstehe nicht, Mr. Brown«, murmelt sie leise.
»Komm bitte. Setzen Sie sich.«, sagt er und deutet auf einen schwarzen Stuhl, der vor seinem riesigen Schreibtisch steht.
»Okay...«, murmelt Kalea leise. Sie spürt, dass hier gerade etwas gewaltig schief läuft – und sie kann nichts dagegen tun.
»Mir ist wieder zu Ohren gekommen, dass sich ihre Fehler anhäufen.«, beginnt er und sieht Kalea aus seinen braunen Augen an.
Kalea starrt ihn nur entsetzt entgegen.
Fehler? Was für Fehler? Sie ist jedes Mal diejenige gewesen, die Fehler bei Ben findet und diese ausbessert.
Doch sie widerspricht Mr. Brown nicht, auch bleibt sie stumm, als sie sich eine weitere Standpauke anhören muss.
Es ist einfach gegen ihre Natur, sich dagegen zu wehren. Sie nimmt lieber alles auf ihre eigene Kappe. Auch wenn sie es nicht war, doch sie will niemand anderen in die Pfanne hauen.
Nur vereinzelte Wörter kommen zu ihr durch; doch eine Sache weiß sie.
Ben hasst sie wirklich und versucht mit allen Mitteln, sie rauszukicken.
Doch warum? Was hat Kalea getan, um so einen Hass von ihm abzukriegen?
»Es tut mir wirklich leid.«, sagt Mr. Brown mit bedauern in seiner Stimme.
Was?
Kalea ist mit ihren Gedanken abgeschweift und hat ihrem Chef nicht mehr zugehört. Kurz scheint er ihren verwirrten Ausdruck bemerkt zu haben. Er faltet seine Hände auf dem Schreibtisch und lehnt sich ein Stück nach vorne.
»Sie können gerne nach Feierabend ihre Sachen abholen«, sagt er mitfühlend. Doch er muss an sich und sein Unternehmen denken, solche Fehler kann und darf er nicht dulden.
Da mag Kaleas positive Ausstrahlung noch so viel Arbeitsmoral bringen.
Tränen bilden sich in ihren Augen, die sie so schnell wie möglich versucht wegzublinzeln.
Dann wird ihr klar, was er ihr gerade gesagt hat.
Sie ist gefeuert.
2 Wochen später.
Missmutig sitzt Kalea auf ihrer Couch und stopft Paprikachips in ihren Mund. Seit zwei Wochen sieht so ihr Alltag aus. Zwei Wochen, in denen sie nur ein Schatten ihrer selbst ist.
Niemals hat sie damit gerechnet, gekündigt zu werden, vor allem nicht auf diese Art und Weise.
Was hat sie Ben so schlimmes angetan?
Tränen sammeln sich in ihren Augen und schnell schüttelt sie ihren Kopf.
Sie ist in Selbstmitleid versunken, bis auf ihre Arbeit hatte sie niemanden. Sie hat sich so sehr angestrengt, um in dieser Firma arbeiten zu können, hat dabei ihre ganzen Freunde verloren. Zu diesem Zeitpunkt hat sie gedacht, dass dieser Job sie erfüllen würde – doch jetzt wird ihr klar, wie falsch sie damit gelegen hat.
Doch für Reue ist es zu spät.
Irgendwie muss sie wieder auf die Beine kommen, Bewerbungen schreiben, wohl oder übel in den sauren Apfel beißen, um wieder zurück in ihr Leben zu finden. Doch das erste Mal fühlt sie sich einfach nur allein gelassen.
Als hätte diese Welt was gegen sie.
Kalea ist immer positiv. Ausnahmslos. Doch jede noch so fröhliche Person erreicht einen Punkt im Leben, an dem sie einfach nicht mehr kann und jemanden braucht, der sie aus dem Loch zieht.
Doch Kalea hat diese Person nicht. Nicht mehr.
Sie starrt auf den Bildschirm, ohne etwas mitzukriegen. Der Bildschirm flackert in ihren Augen und mit einem Mal ist sie müde, dass sie fast eine Sekunde später in einen tiefen Schlaf fällt.
Kalea dreht sich auf die Seite, als sich etwas Spitzes in ihre Seite piekt. Genervt dreht sie sich um und will die Decke näher zu sich ziehen, als ihre Hand ins Leere greift.
»Huh?«, spricht sie leise zu sich.
Erst dann fällt ihr auf, dass ihre Couch extrem hart geworden ist. Was ziemlich komisch ist, denn die Couch ist wirklich alt und dadurch schon durchgelegen.
Erschrocken öffnet sie ihre Augen. Kurz vergisst sie zu atmen, als sie nicht die bekannten Wände ihrer Wohnung sieht.
»Was zum Teufel?«, erschrocken fährt sie hoch und dreht ihren Kopf nach rechts und nach links.
Überall sind Bäume. Verdammte Bäume.
»Wo bin ich?«, haucht sie leise und steht auf.
»Fuck«, flucht sie leise. Kalea trägt keine Schuhe und ein Stock hat sich gerade in ihre Fußsohle gebohrt.
Sie dreht sich im Kreis, bevor sie ihren Kopf hebt und in die Baumkronen starrt, doch sie kann außer den Bäumen nichts erkennen.
Träumt sie?
Automatisch wandert ihre Hand zu ihrem Oberarm und schmerzhaft kneift sie in ihre Haut. Doch nichts passiert – außer der Schmerz in ihren Arm, der durch ihren ganzen Körper zieht.
Langsam steigt Panik in ihr auf.
Ob sie entführt wurde? Doch warum sollte man sie einfach so in einem Wald aussetzen?
Kalea ist ratlos und tut dann das einzige, was sie für richtig hält. Sie läuft los, wenn sie Glück hat, trifft sie vielleicht auf ein paar Wanderer oder vielleicht sogar ein Haus, wo sie um Hilfe bitten kann.
Immer noch trägt sie ihren viel zu großen Kapuzenpullover, als sie durch den gespenstisch stillen Wald läuft. Sie fühlt sich beobachtet, doch egal wie oft sie sich dreht, weit und breit ist niemand zu sehen oder zu hören – als wäre sie der einzige Mensch in diesem Wald, der ihr so endlos erscheint.
»Hallo?«, ruft sie und dreht sich erschrocken um, als es hinter ihr geknackt hat. Doch wieder sieht sie nichts, nichts außer der ätzenden Bäume.
»Wo bin ich?«, Kalea kriegt es mit der Angst zu tun und automatisch schlingt sie ihre Arme um ihren Oberkörper, in der Hoffnung es würde sie irgendwie beruhigen.
Wieder knackt es hinter ihr und schnell dreht sie sich um. Ihre Augen werden groß, als sie in ein spinnenähnliches Vieh schaut – mit einem Unterschied, es ist so groß wie ein Pony.
Es beobachtet Kalea mit seinen vielen Augen. Hart schluckt sie, jetzt kriecht wirklich Panik in ihr empor.
Was ist das für ein Vieh?
Ist sie gerade in irgendeinem schlechten Film gefangen?
Bei the Walking Dead, wo sich jetzt auch die Tiere mutieren?
Automatisch macht sie einen Schritt zurück, das Vieh bewegt sich nicht. Starrt sie immer noch mit seinen Augen an.
Kalea überlegt, was sie tun soll, doch angreifen kann sie es auf keinen Fall. Sie hat keine Waffe, doch wegrennen kann sie auch nicht, mit seinen acht Beinen ist die Spinne viel schneller als sie.
Sie sitzt in der Falle.
Wie hat sie das nur verdient?
Was hat sie so schlechtes getan, dass sie erst gekündigt wird und dann plötzlich in einem Wald aufwacht und auf eine pony-große Spinne trifft?
War sie nicht immer freundlich und wohlgesonnen zu den Menschen?
Sie macht noch einen Schritt nach hinten, als sie auf einen Ast tritt.
Das Knacken schallt durch den sonst so stillen Wald.
Fuck.
Sie zuckt zusammen und bleibt auf der Stelle stehen.
Für einen Moment hält sie die Luft an, gerade als sie sich etwas in Sicherheit wiegt, gibt die Spinne einen komischen Laut von sich und setzt zum Sprung an.
Kaleas Mund verlässt einen lauten Schrei.
Sie kann sich nicht erinnern, jemals so laut geschrien zu haben. Doch Todesangst breitet sich in ihr aus und vergiftet ihren ganzen Körper.
Sie stolpert nach hinten und während sie fällt, schließt sie ihre Augen und wartet auf den schmerzhaften Aufprall und die Klauen der Spinne.
Vergesst nicht zu voten, wenn es euch gefallen hat.
danke (:
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