i. unbekannter retter
Doch vergebens wartet sie auf den Schmerz. War ihr Tod so schnell, dass sie es nicht mal mitbekommen hat? Hat sie es verdrängt und ist sie jetzt im Himmel?
Doch ihre Gedanken werden von einem weiteren Schrei unterbrochen. Doch dieser kommt nicht von ihr, so männlich klingt sie nicht — das hofft sie zumindest.
Sie schlägt ihre Augen auf und starrt einen großen, breitschultrigen Mann an. In seiner Hand hält er ein Blut überzogenes Schwert. Eisern liegt sein Blick auf Kalea, während sie ihren nicht von der Klinge nehmen kann.
Ihre Augen verfolgen das schwarze Blut, was an dieser runter tropft und auf dem Boden aufkommt.
Der Fremde scheint die Spinne getötet zu haben, denn diese liegt in mehreren Teilen vor ihr auf dem Boden.
Kalea starrt das hässliche Vieh mit großen Augen an, niemals hat sie von so einer großen Spinne gehört.
»Was geht hier nur vor?«, flüstert sie leise und schafft es erst dann wieder, den großen Mann anzublicken.
Das Erste, was ihr auffällt und sie total in den Bann zieht, sind seine Augen. Noch nie hat sie solche Augen gesehen. Sie sind wie flüssiges Gold und starren ihr misstrauisch entgegen, doch sie kann ihren Blick einfach nicht abwenden.
Er sieht anders aus als die Männer, die sie bisher kennengelernt hat. Was nicht nur an seiner Kleidung liegt, die sie eher an die Garderobe der Serie von Game of Thrones erinnert.
Seine Haare sind milchig weiß, während er dicke, buschige, dunkle Augenbrauen hat. Sie stehen total im Kontrast, doch am markantesten ist wohl sein Kinn.
»Danke«, schafft sie, es dann peinlich berührt zu sagen.
Dann erst fällt ihr auf, dass sie immer noch auf dem dreckigen Boden liegt und schnell steht sie auf, kurz zischt sie zusammen. Der Aufprall war doch härter, als sie erwartet hat, zumindest zieht ein Schmerz durch ihren Körper.
Immer noch sagt der weißblonde Mann nichts, sein Blick wandert über Kaleas Kleidung. Solche Kleidung hat er noch nie gesehen, doch es ist nicht das einzige, was ihn in diesem Moment durch den Kopf geht.
Was macht sie hier alleine so tief im Wald? Halbnackt, ohne irgendeinen Proviant oder eine Waffe.
»Wo bin ich hier?«, fragt Kalea weiter und starrt ihn mit einer Spur Neugierde an.
Vielleicht sollte sie Angst haben, denn er sieht mehr als nur bedrohlich aus. Doch er hat sie vor dieser riesigen Spinne beschützt. Hätte er sie töten wollen, wäre sie sicherlich schon tot.
Er sieht nicht wie einer aus, der langen Prozess macht.
»Was habt Ihr hier verloren? Der Wald ist kein geeigneter Ort, für so ein Mädchen wie Euch.« Seine Stimme ist dunkel und am liebsten würde Kalea sich in ein Bett kuscheln und stundenlang seiner Stimme lauschen.
Ob er ihr aus ihrem Lieblingsbuch vorlesen würde und sie das aufnehmen darf, nur um es immer und immer wieder zu hören?
»Verzeihung? Ich bin kein Mädchen!«
Empört schnappt sie nach Luft, doch er zieht nur minimal eine Augenbraue hoch. Viel mehr Regung ist in seinem Gesicht nicht auszumachen. So als würde er eine eiskalte Maske tragen.
»Natürlich nicht«, sagt er. Schnell reinigt er sein Schwert, bevor er es über seinen Rücken schwingt und auf Absatz sich umdreht und sich seinen Weg durch das Unterholz bahnt. Kalea lässt er alleine vor der toten Spinne stehen.
»Warte!«, ruft sie, nachdem sie angeekelt die Spinne angeschaut hat.
Schnell stolpert sie hinter ihm her.
Sie weiß immer noch nicht, wo sie sich befindet, und wer weiß wie viele komische Kreaturen sich noch in diesen seltsamen Wald aufhalten.
»Du kannst mich hier nicht alleine lassen...«, keucht sie und hält sich ihre Seite, als sie ihn endlich eingeholt hat.
Was wirklich nicht einfach ist, wenn er einen Schritt macht, muss sie zwei machen und ihre Ausdauer ist im Gegensatz zu ihm wirklich ein Witz.
Als hätte er Kalea nicht gehört, läuft er einfach weiter, aber sie hört nicht auf. So langsam breitet sich Panik in ihr aus.
Sie will doch nur wissen, wo sie ist. Was passiert ist – denn von dem einen auf den anderen Moment, lag sie nicht mehr auf ihrer Couch, sondern in diesen verfluchten Wald.
»Bitte«, fleht sie und greift nach seinem Oberarm.
Sofort bleibt er stehen und dreht sich um, als hätte Kalea sich verbrannt, lässt sie seinen Arm los und streift sich eine ihrer langen, blonden Strähnen hinter ihr Ohr.
Schüchtern sieht sie zu ihm auf, sie fühlt sich neben ihm wie ein kompletter Zwerg.
»Wie ist Euer Name?«, fragt er. Immer noch klingt seine Stimme genervt.
»Kalea...«, flüstert sie eingeschüchtert und schaut auf ihre immer noch nackten Füße.
Sie sind fast so schwarz wie der Boden, auf dem sie läuft. Ihre Füße tun ihr unfassbar weh, doch das ist gerade das kleinste Problem, was sie hat.
»Und deiner?«, fragt sie ihn, als er nichts darauf erwidert.
»Geralt«, sagt er knapp und geht weiter. Doch diesmal etwas langsamer, sodass Kalea sich nicht so hetzen muss.
»Freut mich, Geralt«, sagt sie und mustert ihn von der Seite, doch er zieht nur seine Kapuze tiefer in sein Gesicht.
Kalea seufzt. Geralt ist wirklich nicht gesprächig und sie kann ihn absolut nicht einschätzen, doch jetzt muss sie ihm erstmal vertrauen. Er ist der einzige Mensch weit und breit und warum auch immer, er mit einem Schwert rumrennt und aussieht wie ein leidenschaftlicher Cosplayer.
»Wo sind wir hier, Geralt?«, fragt sie nach kurzer Stille, die ihr wie Jahre vorgekommen ist. Sie hasst die Stille, im Gegensatz zu ihrem Begleiter, der sie scheinbar zu lieben scheint.
»In einem Wald«, sagt er trocken und Kalea verdreht ihre Augen. »Das sehe ich auch«, brummt sie. Geralt legt seinen Finger auf seine Lippe und deutet Kalea an leise zu sein.
Sofort bleibt sie stehen und lauscht. Doch immer noch hört sie nichts, nicht einmal den Wind. »Was hörst du?«, flüstert sie leise. Sie traut sich kaum zu fragen, doch ihre Neugier ist größer.
Er schüttelt kaum merklich seinen Kopf und geht weiter.
»Sind wir noch in Amerika?«, seufzt Kalea leise.
»Amerika?«, verwundert zieht er seine Augenbrauen zusammen.
»Was ist Amerika?«, fragt Geralt und Kalea sieht ihn mit großen Augen an.
Wo ist sie gelandet, wenn Geralt nicht einmal Amerika kennt? Lernt man die Länder nicht schon im Kindergarten?
»War das ein Witz?«, versucht sie es, in der Hoffnung er hätte nur einen komischen Humor, doch der Blick, den er ihr zuwirft, lässt sie so schnell verschwinden wie sie da war. Er scheint Amerika wirklich nicht zu kennen.
»Versteh mich nicht falsch, aber wo sind wir dann? In Asien? Europa?«
Doch jeden weiteren Kontinent, den sie aufzählt, scheint er nicht zu kennen.
Zweifelnd sieht sie ihn an, sie versucht, es zu unterdrücken, doch langsam bilden sich Tränen in ihren Augen.
Wo ist sie hier nur gelandet?
Hat sich Ben einen Spaß erlaubt, sie entführt und einen Schauspieler engagiert, um ihr so eine Angst zu machen? Würde er wirklich so weit gehen?
»Ist das alles nur ein Spaß?«, fragt sie mit gebrochener Stimme.
Sie fühlt sich so scheiße, so machtlos. Womit hat sie das verdient?
Überfordert sieht Geralt Kalea an, die jetzt angefangen hat zu schluchzen. Wenn sie gedacht hat, dass sie keine Tränen mehr übrig hat – sie hat sich getäuscht.
In Sturzbächen fließen ihr die Tränen hinunter, sie versucht sie zu unterdrücken, doch das macht alles nur schlimmer.
Geralt starrt sie an, er weiß nicht, was er tun soll. Wütend fährt Kalea herum.
»Ben! Macht es dir so einen Spaß mich so zu sehen, huh? Freut es dich?!«, schreit sie los. Eine plötzliche Welle der Wut durchflutet sie, er hat ihr ganzes Leben ruiniert. Sie hat nichts mehr.
Und warum?
Sie kennt nicht mal den Grund.
»Hey!« Geralt dreht sie um und fixiert sie an ihren Schultern.
»Wenn Ihr nicht gleich leise seid, dann sind hunderte Monster hinter uns her«, knurrt er und sieht sie eindringlich an.
Sofort verstummt Kalea und starrt einfach nur in seine goldenen Augen. Jetzt erst wird ihr klar, dass es ernst ist. All das hier, dieses komische Monster, Geralt... All das ist echt.
»Ich verstehe das nicht.«, haucht sie leise, ihre Stimme zittert immer noch von ihrem Heulanfall.
»Ich weiß nicht, was das hier alles soll...«
Geralt seufzt leise auf. Irgendwas in seinem Inneren sagt, das er sie nicht einfach hier alleine lassen kann. Kurz schweift sein Blick ihren Körper hinunter, ihn wundert es, dass ihr nicht kalt ist.
Schließlich trägt sie nur den langen Pullover, doch daran scheint sie in dem Moment nicht zu denken.
»Kommt mit.«, brummt er in seiner üblichen Stimmlage, die keine Regung oder irgendwelche Gefühle offenbart.
Kalea wischt sich die Tränen aus ihrem Gesicht. Hoffnung packt sie, als sie Geralt folgt. Sie laufen noch gute 10 Minuten, als sie vor einer braunen Fuchsstute stehen bleiben.
Freundlich wiehert sie und das erste Mal kann Kalea ein Lächeln auf seinem Gesicht ausmachen. Geralt geht auf das braune Pferd zu und krault es fast zärtlich, während er leise etwas flüstert, was Kalea nicht verstehen kann.
»Gehört sie dir?«, fragt Kalea und vorsichtig streckt sie ihre Hand aus und leise kichert sie, als die Stute an ihrer Hand schnuppert und Kalea die feinen Härchen ihrer Nüstern spürt.
»Wie heiß sie?«, fragt Kalea, während sie mutiger wird und langsam ihren Hals streichelt.
Früher als Kind hat sie das Reiten geliebt, doch irgendwann musste sie ihr Hobby aufgeben und später hatte sie dafür keine Zeit mehr – so sehr sie es auch geliebt hat.
»Plötze«, sagt Geralt, der sie kurz beobachtet hat, bevor er etwas in der Tasche sucht, die auf Plötzes Rücken geschnallt ist.
»Sehr außergewöhnlicher Name...«, murmelt Kalea leise.
Diesen Namen hat sie noch nie gehört, aber Geralt auch nicht. Also wo sie auch immer ist, hier scheint es normal zu sein.
Kurz driften ihre Gedanken ab, doch schnell verdrängt sie die wieder.
Sie muss erstmal aus diesem verdammten Wald raus, dann kann sie sich über alles andere Gedanken machen – wie zum Beispiel, wie sie verdammt nochmal hier rein geraten ist.
Ohne ein Wort zu sagen, hält Geralt ihr ein Fell hin. Verwundert sieht Kalea ihn an, als seine Augen ihren Körper hinunter wandern. Peinlich wird ihr bewusst, dass sie die ganze Zeit nur einen Pullover getragen hat.
»Danke«, nuschelt sie, während ihre Wangen rot werden und sie sich schnell das Fell schnappt und es sich über die Schultern legt. Immerhin verdeckt es mehr als ihr Pullover.
Außerdem hält es schön warm, denn erst jetzt bemerkt sie, wie kalt es wirklich ist. Kurz zögert Geralt, doch plötzlich hebt er Kalea hoch und setzt sie auf Plötze ab.
Erschrocken hat sie kurz aufgequiekt, ehe sie in ihre Mähne gegriffen hat, um mehr Halt zu haben.
Geralt schnappt sich die Zügel von Plötze und läuft los. Kalea hätte niemals gedacht, dass er sie auf Plötze reiten lässt, doch sie ist ihm mehr als dankbar dafür.
Sie spürt kaum ihre Füße und so kuschelt sie sich mehr oder weniger in das Fell, dass Geralt ihr gegeben hat, während sie so langsam den Wald hinter sich lassen.
Vergesst nicht zu voten, wenn es euch gefallen hat.
danke (:
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