Kapitel 7
Luisa.
Sein Gesichtsausdruck hatte es ihr verraten. Er hatte den Ring gesehen.
Schnell senkte sie ihre Hand wieder und versuchte den Ring zu verstecken. Sie schämte sich das er ihn entdeckt hatte und fast noch mehr schämte sich, das sie dumm genug gewesen war zu glauben, er würde keine Rolle spielen.
Wie Feuer brannte er sich in ihre Haut, wie um sie für ihre Dummheit zu bestrafen.
„Warum, Luisa? Warum willst du deinen Ring verstecken? Du bist seit zwanzig Jahren glücklich verheiratet, verdammte scheiße", versuchte sie sich ins Gedächtnis zu rufen.
Sie wusste, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war, dem Ganzen ein Ende zu bereiten. Philipp endlich in den Wind zu schießen und dieses kurze Zwischenspiel endgültig zu Beenden. Sie hatten die Kontrolle über die Situation verloren, und die Tatsache, dass sie jetzt hier zusammensaßen, war der eindeutige Beweis dafür.
Aber Entscheidungen zu treffen, war noch nie ihre Stärke. Zu gerne ließ sie andere für sie entscheiden und sie hatte gelernt mit deren Entscheidungen zu leben.
Philipp hatte sich entschieden, als er ihren Ehering entdeckt hatte. Er hatte für sie beide entschieden. Der Schock stand ihm noch ins Gesicht geschrieben, ungläubig schaute er immer wieder auf ihre Hand.
Wenn er doch etwas sagen würde.
Die Stille zwischen ihnen machte sie wahnsinnig und sie wäre am liebsten sofort aufgesprungen und davongerannt. Aber sie musste mit ihm sprechen, sie musste das Ganze beenden, ein für alle Mal.
Sie sollte aufstehen. Sie war die Erfahrene. Sie war die Ehefrau, die ihren Mann auf so erbärmlich, erniedrigende Weise gedemütigt und hintergangen hatte. Sie wusste, dass es falsch war und sofort beendet werden musste.
Doch sie konnte es nicht.
„Steh auf Luisa, steh auf und geh!", befahl sie sich, aber ihr Körper gehorchte ihr nicht.
„Das hättest du mir sagen müssen. Das wäre nur fair gewesen.". In seiner Stimme lag Enttäuschung und Wut.
Sie schloss die Augen, denn sie ertrug es nicht, ihn anzusehen.
„Er hasst mich. Er verabscheut mich. Und ich kann es ihm nicht mal verübeln", dachte sie entrüstet.
Ihr bauch zog sie krampfhaft zusammen und ihre Lungen brannten. Sie hatte ihn verletzt und diese Erkenntnis brach ihr das Herz. Sie öffnete die Augen und schluckte.
Ohne ein weiteres Wort war er gegangen.
Philipp.
Sie hatte nicht mal versucht sich zu rechtfertigen. Wütend schlug er gegen sein Lenkrad. Immer und Immer wieder.
„Du beschissener Vollidiot. Du bist so bescheuert, so dämlich!"
Wieder ein Schlag gegen das Lenkrad.
Sie hätte es nur sagen müssen. Sie hatte die ganze Zeit die Kontrolle über die Situation, sie hätte es ihm die ganze Zeit sagen können.
Stattdessen hat sie ihn eiskalt auflaufen lassen. Hatte es in Kauf genommen, dass er Gefühle für sie entwickelt und jetzt saß er hier. Wütend auf sich und die Welt. Wütend auf sie, die seine Gefühle ausgenutzt hatte. Wütend auf den unbekannten Mann, der sie besaß.
„FUUUUUUUUCK!". Noch ein Schlag.
Luisa.
„Hallooo, ich bin wieder daaa!", rief sie, als sie die Türe schloss. Es war kurz nach 14 Uhr, und sie hatte eigentlich erwartet ein volles Haus vorzufinden, doch stattdessen herrschte Stille.
Sie stellte ihren kleinen Reisekoffer im Schlafzimmer ab und streifte sich schnell ihre geliebte graue Jogginghose über. Auf dem Weg in die Küche, band sie sich ihre Haare zu einem unordentlichen Dutt und machte die Kaffeemaschine an. Ein Kaffee war jetzt genau das richtige.
Die Rückfahrt war mühsam, was aber nicht am Verkehr, sondern viel mehr an der Tatsache lag, dass sie einfach nicht aufhören konnte an Philipp zu denken.
Während der Fahrt hatte sie sich kaum am Gespräch mit Greta beteiligt, doch das schien diese nicht besonders zu stören. Zum ersten Mal, war Luisa dankbar, dass ihre Freundin nicht aufhören konnte zu reden, so konnte sie ihren eigenen Gedanken nachhängen.
Die Stunden verstrichen während sie auf die Rückkehr ihrer Familie wartete. Das Wetter hatte sich ihrer Stimmung angepasst, träge und schwer fielen dicke Regentropfen auf den perfekt gemähten Rasen, in ihrem perfekten Garten.
Ihr Leben war so perfekt. So beschissen perfekt. Etliche Stunden hatte sie damit verbracht den Garten zu bepflanzen, zu hegen und zu pflegen. Immer wieder waren ihr Dinge eingefallen, die man noch besorgen könnte um ihn noch schöner zu machen, noch bunter, noch lebendiger zu machen.
Stolz betrachtete sie ihr Werk. Ja, sie hatte es geschafft. Ihr Leben war perfekt und so sollte es bleiben.
Lautes Gepolter riss sie aus ihren Gedanken.
„Oh, Hi! Du bist schon wieder zurück?!" Thomas war gerade mit den Kindern zur Tür hereingestürmt und begrüßte sie mit einem stürmischen Kuss.
„Kommt schon, nehmt euch ein Zimmer!", hörte sie ihre jüngsten rufen, als diese die Treppe hinaufstieg. Theatralisch tat diese so, als würde sie sich übergeben, und entlockte ihrer Mutter damit ein kurzes Lächeln.
„Du kommst aber gleich wieder runter, oder?!", rief ihr Luisa hinterher, doch sie bezweifelte, dass Paula das tun würde.
„Hi Mama, falls du kochst brauchst du für mich nicht mitkochen, ich treffe mich gleich mit Niklas, und hole mir unterwegs etwas", erläuterte ihr Sohn Jonas, als er seiner Schwester in das obere Stockwerk folgte.
„Dann sind es wohl nur wir zwei", sagte Thomas, als er sie in den Arm nahm. „Wie war das Wochenende? Hast du dich etwas entspannen können? Und wie geht es Greta?",
„Ihr geht's gut, sie hat das Wochenende auch dringend gebraucht", antwortete Luisa knapp.
„Rate mal was ich jetzt brauche", sagte er verführerisch, bevor er anfing ihren Hals zu küssen. Hoffnungsvoll wartete sie auf ein köstliches, süßes Gefühl doch die Leidenschaft stellte sich nicht ein.
„Mhm, also ich brauche jetzt erstmal ein Bad", wehrte sie ihn ab. Sie wollte seine Berührung nicht spüren, sie wollte nicht in seinen Armen liegen, seine Lust spüren.
Es war erschreckend, wie leicht es ihr fiel ihn abzuwehren. Seine Berührungen fühlten sich selbstverständlich und kalt an, und sie sehnte sich nach der Wärme, die Philipp ihr geschenkt hatte.
Während Thomas sie weder mit Worten oder Berührungen erreichen konnte, reichte die bloße Erinnerung an Philipp aus, um ihren Körper in Flammen zu setzen.
Getrieben von einer unbekannten Sehnsucht die ihr Herz gepackt hatte, getrieben von dem Wunsch zu spüren, zu fühlen und zu leben, hatte sie sich entschieden.
Es fiel ihr leicht, nichts Schlechtes an dieser Entscheidung zu erkennen.
Es war zwecklos gewesen, sich einzureden, dass sie ihn vergessen konnte. In nur einer einzigen Begegnung, in einem winzigen Augenblick durfte sie erleben, wie es sich anfühlt zu leben. Zu spüren.
Zu atmen.
Sie war gefangen in einer Hülle aus Nichts, in einem Korsett aus Glück und Zufriedenheit, der ihr keine Luft zum atmen ließ.
Immer auf der Suche nach irgendetwas, nach mehr, aber sie wusste selbst nicht wonach sie suchte.
Philipp.
Die Tatsache, dass sie verheiratet war, vielleicht sogar Kinder hatte, hätte ihn abschrecken sollen, ihn zur Vernunft bringen sollen und an Moral und Anstand erinnern.
Stattdessen schob er alle Gedanken, die sie möglicherweise in einem schlechten Licht erscheinen lassen könnte, beiseite.
Er konnte nichts Schlechtes, nichts Verwerfliches daran erkennen, als sie ihm geschrieben und um ein Treffen gebeten hatte. Feige war er bei ihrer letzten Begegnung abgehauen. Die Situation hatte sich schlagartig verändert und er hatte einen Moment gebraucht um die Neue Situation halbwegs zu begreifen und herauszufinden, was das denn nun für ihn bedeutete.
Dass er sie wollte, stand für ihn bereits seit ihrer ersten Begegnung fest und auch die Tatsache, dass sie verheiratet war, hatte letztendlich nichts daran geändert.
Er hatte sich für sie entschieden und sie sich für ihn. Deshalb hatte sie ihm geschrieben. Sie wollte ihn genauso, wie er sie wollte. Daran, hatte er keine Zweifel.
Sie hatten festgestellt, dass sie gar nicht weit weg voneinander lebten und auch die Gefahr darin erkannt.
Für ihr erstes Treffen hatten sich für ein zurückgezogenes Hotel entschieden, für welches beide eine etwa zweistündige Autofahrt in Kauf nehmen mussten. Er hatte sie nicht gefragt, was sie denn ihrem Mann sagen würde, in Wahrheit interessierte es ihn auch nicht. Sie wollte zu ihm, und das war alles das zählte.
Als der Tag des lang ersehnten Treffens endlich gekommen war, konnte er vor Aufregung kaum einen klaren Gedanken fassen. Er hatte sich für diesen Tag Urlaub genommen und hegte heimlich die Hoffnung, dass sie sogar das ganze Wochenende zusammen verbringen würden. Aufgeregt hatte er seine Ankunft an der Rezeption angemeldet und einen vielsagenden Blick der Empfangsdame geerntet.
„Meine Begleitung wird sicher jeden Moment eintreffen, nur für den Fall, dass sie Fragen möchten", hatte er ihr mit einem höflichen Lächeln entgegengehalten. Dass sie knallrot anlief, verriet ihm, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Sollte die sich doch denken was sie wollte, dachte er, als er das ihnen zugewiesene Zimmer aufsuchte.
Während den letzten Tagen hatten sie sich lediglich zwei oder drei Nachrichten geschickt um die Details des Treffens zu klären und er hatte nie einen einzigen Gedanken darin verschwendet, sie könnte möglicherweise nicht kommen. Er hatte nie an die Möglichkeit gedacht, dass sie einen Rückzieher machen würde.
Doch nun, in einem Hotelzimmer mitten im Nirgendwo, beschlich ihn die Angst, dass er zu hoch gepokert hatte. Dass er sich womöglich in eine fixe Idee verrannt hatte, in die romantische Vorstellung, dass auch ihr Herz beim bloßen Gedanken an ihn, begann schneller zu schlagen.
Unruhig hatte er angefangen im Zimmer auf -und abzugehen und immer wieder nach der Uhrzeit geschaut. Wie um ihn zu verspotten, verstrich die Zeit heute besonders langsam. Er war etwas eher eingetroffen als geplant und die Zeit schien einfach nicht vergehen zu wollen.
Ein vorsichtiges Klopfen, verriet ihre Ankunft.
Sie war gekommen.
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