Kapitel 18
Harry spurtet hoch in den Jungenschlafsaal, um den Tarnumhang und die Karte des Rumtreibers aus seinem Koffer zu holen. Ron und ich warten im Gemeinschaftsraum auf Hermine und Harry.
Schon nach ein paar Minuten kommt Harry und stellt sich zu uns. Nach etwa fünf Minuten (wirklich laaaange fünf Minuten) kommt auch Hermine. Allerdings mit Hüten und Schalen in den Armen.
»Naja, draußen ist es eben kalt!«, sagt sie trotzig, als Ron ungeduldig mit der Zunge schnalzt.
Also ziehen wir je eine Mütze und einen Schal an.
Wir kriechen durch das Porträtloch und hüllen uns hastig in den
Tarnumhang - Ron ist so groß geworden, dass er sich inzwischen
ducken muss, um seine Füße zu verbergen -, dann gehen wir
langsam und vorsichtig die vielen Treppen hinunter. Ab und zu halten
wir inne und suchen auf der Karte nach einer Spur von Filch oder
Mrs. Norris. Wir haben Glück; niemand ist zu sehen außer dem Fast
Kopflosen Nick, der geistesabwesend dahinschwebt und etwas vor
sich hin summt, das schrecklich nach »Weasley ist unser King«
klingt. Wir schleichen durch die Eingangshalle und hinaus auf die
stille, verschneite Schlossgründe. Schon von hier aus, sieht man kleine goldene Lichtquadrate und eine Rauchfahne, die aus Hagrids Kamin emporsteigt. Harry wird nun immer schneller und wir müssen schon rennen, um nicht nicht vom Umhang bedeckt zu sein.
Als Harry die Faust hebt und dreimal an der großen schweren Holztür klopft, fängt ein Hund drinnen wild an zu bellen.
»Hagrid, wir sind's!«, ruft Harry durch das Schlüsselloch.
»Hätt's mir denken können!«, sagt eine raue Stimme.
Wir vier strahlen uns unter dem Tarnumhang an; wir können an Hagrids Stimme hören, dass er sich freut. »Bin grad mal drei Sekunden zu Haus ... aus'm Weg, Fang ... aus'm Weg, du tranige Töle ...«
Der Riegel wird zurückgeschoben, die Tür geht knarrend auf und Hagrids Kopf erscheint im Spalt.
Hermine schreit auf und ich zucke zusammen.
»Beim Merlinsbart, sei leise!«, sagt Hagrid rasch und späht hektisch über ihre Köpfe hinweg. »Unterm Umhang seid ihr? Gut, kommt rein, kommt rein!«
»Tut mir Leid«, keucht Hermine, als wir vier uns an Hagrid vorbei in die Hütte drängen und den Tarnumhang von uns wegziehen, damit uns sie sehen kann. »Ich hab mich nur - oh, Hagrid!«, jammert Hermine.
»Is' nichts, is' nichts!«, versichert ihr Hagrid eilends, schließt die Tür hinter uns und zieht schleunigst alle Vorhänge zu, aber Hermine starrt ihn weiterhin entsetzt an.
Hagrids Haar ist mit geronnenem Blut verklebt und sein linkes Auge ist nur noch ein geschwollener Schlitz inmitten einer Masse schwarzvioletter Blutergüsse. Auf Gesicht und Händen hat er viele Schnittwunden, von denen manche noch bluteten, und er bewegt sich so behutsam, dass ich vermute, er könne sich einige Rippen gebrochen haben. Es ist offensichtlich, dass er gerade erst nach Hause gekommen ist. Ein dicker schwarzer Reisemantel liegt über
einer Stuhllehne, und eine Provianttasche, die so groß ist, dass ein paar kleine Kinder hineingepasst hätten, lehnt an der Wand neben der Tür. Hagrid selbst, doppelt so groß wie ein normal gewachsener Mann, humpelt nun hinüber zum Feuer und stellt einen Kupferkessel auf den Rost.
»Was ist mit dir passiert?«, will Harry wissen, während Fang um uns alle herumtänzelt und versucht uns die Gesichter abzulecken.
»Habt's doch gehört, nichts«, sagte Hagrid nachdrücklich. »Wollt ihr 'ne Tasse Tee?«
»Nun mach uns mal nichts vor«, entgegnet Ron, »du siehst ja fürchterlich aus!«
»Ich sag euch doch, 's is' alles in Ordnung mit mir«, versichert Hagrid, richtet sich auf, dreht sich um und will uns anscheinend breit anlächeln, zuckt dann aber zusammen. »Verdammich, is' gut, euch alle vier mal wieder zu sehn - schönen Sommer gehabt?«
Naja... mich kennt er ja nicht wirklich soo gut, was? Aber ich hab Hagrid - trotz des Schreckens am ersten Tag - wirklich gerne.
»Hagrid, du bist angegriffen worden!«, sagt Ron. Das befürchte ich auch.
»Zum letzten Mal, 's is' nichts!«, erwidert Hagrid entschieden.
»Würdest du auch sagen, es ist nichts, wenn jemand von uns mit 'nem Pfund Hackfleisch als Gesicht auftauchen würde?«, fragt Ron.
»Du solltest gleich zu Madam Pomfrey gehen, Hagrid«, sagt Hermine besorgt, »ein paar von diesen Schnittwunden sehen übel aus.«
»Ich werd schon damit fertig, klar?«, erwidert Hagrid barsch.
Er geht hinüber zu dem riesigen Holztisch, der mitten in der Hütte steht, und zieht ein Handtuch, das darauf liegt, beiseite. Darunter kommt ein rohes, blutiges, grünstichiges Steak zum Vorschein, ein wenig größer als ein gewöhnlicher Autoreifen.
»Das willst du doch nicht etwa essen, Hagrid?«, sagt Ron und beugt sich vor, um es näher in Augenschein zu nehmen. »Das sieht giftig aus.«
»So soll's auch sein, 's is' Drachenfleisch«, sagt Hagrid. »Un' ich hab's mir nicht zum Essen besorgt.«
Er nimmt das Steak in die Hand und klatscht es sich auf die linke Gesichtshälfte. Grünliches Blut tröpfelt ihm in den Bart, während er leise und zufrieden stöhnt.
»Is' schon besser. Hilft gegen's Brennen, versteht ihr.«
»Wie sieht's aus, erzählst du uns jetzt, was mit dir passiert ist?«, fragt Harry.
»Kann nich, Harry. Top secret. Werd mein' Job nicht riskieren und's euch erzählen.«
»Haben die Riesen dich verprügelt, Hagrid?«, fragt Hermine leise.
Das Drachensteak entgleitet Hagrids Fingern und rutscht ihm platschend auf die Brust.
»Riesen?«, sagt Hagrid. Er fängt das Steak auf, bevor es seinen Gürtel erreicht hat, und klatscht es sich wieder aufs Gesicht. »Wer hat was von Riesen erzählt? Mit wem habt ihr gesproch'n? Wer hat euch gesagt, was ich - wer hat gesagt, ich sei - hä?«
»Wir haben's geraten«, sagt Hermine entschuldigend. Ach ja? Wo war ich denn da bitte?
»Oh, jaah, habt ihr, soso?«, sagt Hagrid und fixiert sie streng mit dem Auge, das nicht hinter dem Steak verborgen ist.
»Es war irgendwie ... klar«, sagt Ron. Harry nickt. Find ich nicht, aber gut. Auf meine Meinung wird hier wohl nicht geachtet... Mir doch egal... Pft.
Hagrid schaut die anderen drei finster an, schnaubt dann, wirft das Steak wieder auf den Tisch und schreitet hinüber zum Kessel, der inzwischen zu pfeifen begonnen hat.
»Hab noch nie Kinner wie euch gekannt, die dermaßen viel mehr wussten, als ihnen gut getan hat«, murmelt er und schüttet kochendes Wasser in vier seiner eimergroßen Becher. »Un' das is' kein Kompliment nich. Neugierig, würden manche sagen. Tunichtgute.«
Aber sein Bart zuckt.
»Also hast du nach den Riesen gesucht?«, sagt Harry und setzt sich grinsend an den Tisch. Hagrid stellt uns vieren Tee hin, setzt sich, nimmt erneut sein Steak und klatscht es sich wieder aufs Gesicht.
»Ja, von mir aus«, knurrt er. »Hab ich.«
»Und du hast sie gefunden?«, sagt Hermine mit gedämpfter Stimme.
»Na, die sind nich schwer zu finden, ehrlich mal«, erwidert Hagrid.
»Ziemlich groß, verstehste.« Ich unterdrücke mir ein kichern.
»Wo sind sie?«, fragt Ron.
»Berge«, sagt Hagrid knapp.
»Und die Muggel kommen ihnen nicht in die ...?«
»Doch«, sagt Hagrid finster. »Nur, wenn die ums Leben kommen, heißt's immer Bergunglück, oder?«
Er schiebt das Steak ein wenig zurecht, damit es die schlimmsten Blutergüsse bedeckt.
»Komm schon, Hagrid, erzähl uns, was du unternommen hast!«, sagt Ron. »Erzähl uns, wie die Riesen dich angegriffen haben, dann kann Harry dir erzählen, wie ihn die Dementoren angegriffen haben...«
Hagrid verschluckt sich, spuckt in seine Tasse und lässt zugleich das Steak fallen; eine Unmenge Spucke, Tee und Drachenblut sprüht über den Tisch, während Hagrid hustet und prustet und das Steak mit einem leisen Platsch zu Boden rutscht.
»Was soll'n das heißen, von Dementoren angegriffen?«, knurrt Hagrid.
»Hast du's nicht gewusst?«, fragt ihn Hermine mit weit aufgerissenen Augen.
»Ich hab keine Ahnung, was hier passiert ist, seit ich fortgegangen bin. War 'ne geheime Mission, versteht ihr, wollt nich, dass mir ständig Eulen folgen - verfluchte Dementoren! Das meinst du doch nich im Ernst?«
»Mein ich sehr wohl, sie sind in Little Whinging aufgetaucht und haben meinen Cousin und mich angegriffen, und dann hat mich das Zaubereiministerium rausgeworfen ...«
»WAS?«
»... und ich musste zu 'ner Anhörung und alles, aber erzähl uns erst mal von den Riesen.«
»Die haben dich rausgeworfen?«
»Erzähl uns von deinem Sommer und ich erzähl dir von meinem.«
Mit seinem offenen Auge funkelt ihn Hagrid finster an. Harry, der einen Ausdruck unschuldiger Entschlossenheit auf dem Gesicht hat, hält seinem Blick stand.
»Na, von mir aus«, sagt Hagrid mit resignierter Stimme.
Er bückt sich und zieht das Drachensteak aus Fangs Maul.
»Oh, Hagrid, tu das nicht, das ist unhygien...«, fängt Hermine an, aber Hagrid hat sich das Fleisch schon wieder auf sein geschwollenes Auge gedrückt.
Zur Stärkung nimmt er noch einen Schluck Tee, dann beginnt er:
»Also, wir sin' gleich aufgebrochen, als ich die 1.Klässler zu Prof. McGonigall gebracht hab. Ging ja nicht früher, ne...«
»Dann ist Madame Maxime also mit dir gegangen?«, wirft Hermine ein.
»Ja, genau«, sagt Hagrid, und die paar Zentimeter Gesicht, die nicht von Bart oder grünem Steak verdeckt sind, nehmen einen sanfteren Ausdruck an. »Ja, war'n nur wir zwei beide. Und ich kann euch sagen, die Olympe, der macht's nichts aus, wenn's hart auf hart kommt. Ihr wisst ja, sie is' 'ne elegante, gut angezogene Frau, und mir war klar, wo's hinging, und ich hab mich schon gefragt, wie's für sie war, über Geröll zu klettern und in Höhlen zu schlafen und so, aber sie hat sich nich ein einziges Mal beschwert.«
»Du wusstest, wo es hinging?«, fragt Harry. »Du wusstest, wo die Riesen waren?«
»Naja, Dumbledore wusste das und er hat's uns gesagt«, erwidert Hagrid.
»Haben die sich verborgen?«, fragt Ron. »Ist es ein Geheimnis, wo sie stecken?«
»Eigentlich nich«, sagt Hagrid und schüttelt seinen struppigen Kopf, »'s is' nur so, dass es die meisten Zauberer nicht groß schert, wo die sin', solang es nur weit genug weg ist. Aber da, wo die sin', da kommt man sehr schwer hin, Menschen jedenfalls, also brauchten wir Dumbledores Rat. Brauchten rund 'nen Monat, bis wir da waren ...«
»Einen Monat?«, sagt Ron, als ob er noch nie von einer Reise gehört hätte, die so lächerlich lange gedauert hat. »Aber - warum habt ihr euch nicht einfach einen Portschlüssel geschnappt oder so was?«
Ein merkwürdiger Ausdruck, fast so etwas wie Mit leid, tritt in
Hagrids nicht bedecktes Auge, mit dem er Ron nun scheel ansieht.
»Wir wer'n beobachtet, Ron«, sagt er knurrig.
»Was soll das heißen?«
»Du verstehst das nicht«, sagt Hagrid. »Das Ministerium hält 'n Auge auf Dumbledore und alle, von denen sie glauben, dass sie mit ihm verbündet sin', und ...«
»Das wissen wir«, sagt Harry rasch. »Wir wissen, dass das Ministerium Dumbledore überwacht ...«
»Also konntet ihr gar nicht zaubern, um dorthin zu kommen?«, fragt Ron wie vom Donner gerührt. »Ihr musstet euch den ganzen Weg wie Muggel verhalten?«
»Naja, eigentlich nicht den ganzen Weg«, sagt Hagrid ausweichend. »Wir musst'n nur vorsichtig sein, weil Olympe und ich, wir fallen 'n bisschen auf ...«
Ron macht ein gedämpftes Geräusch, halb Schnauben, halb Schniefen, und nimmt hastig einen großen Schluck Tee.
»... also is' es nic ht schwer, uns zu folgen. Wir haben so getan, wie wenn wir zusammen Ferien machen wollten, sind also rüber nach Frankreich und dann erst ma' in Richtung von der Schule von Olympe, weil wir wussten, dass jemand vom Ministerium uns beschattet. Wir mussten langsam machen, weil ich eigentlich gar nich zaubern darf und wir wussten, das Ministerium würd nach 'nem Grund suchen, uns einzubuchten. Aber wir haben's geschafft und haben den Trottel, der uns verfolgt hat, in der Nähe von Die -John abgehängt ...«
»Ooooh, Dijon?«, sagt Hermine entzückt. »Ich war da mal in den Ferien, hast du die Stadt ...?«
Sie verstummt angesichts von Rons Miene.
»Danach ham wir's mit 'nem bisschen Magie probiert und ab dann war's gar keine schlechte Reise. Sind an der polnischen Grenze mit 'n paar verrückten Trollen zusammengeraten und ich hatt' 'ne kleine Meinungsverschiedenheit mit 'nem Vampir in 'ner Spelunke in Minsk, aber ansonsten hätt's nich besser laufen können. Und dann sin' wir dort angekommen und sin' die Berge hochgeklettert und haben nach denen Ausschau gehalten ... Die Magie mussten wir bleiben lassen, sobald wir in der Nähe von denen waren. Teils weil die keine Zauberer mögen, wir wollten die nicht zu schnell vergrätzen, und teils weil Dumbledore uns gewarnt hatte, dass Du-weißt-schon-wer auch den Riesen und so hinterher sein müsste. Meinte, es war ziemlich sicher, dass er denen schon 'nen Boten geschickt hat. Wir sollten ganz vorsichtig sein un' uns
unauffällig verhalten, wenn wir denen näher kommen, falls schon welche von den Todessern in der Gegend wär'n.«
Hagrid legt eine Pause ein und nimmt einen ausgiebigen Schluck Tee.
»Weiter!«, drängt Harry.
»Ham sie gefunden«, sagt Hagrid trocken. »Eines Nachts sind wir übern Bergkamm und da war'n sie, hatten sich unten auf der anderen Seite breit gemacht. Da brannten kleine Feuer und's gab riesige Schatten ... war, wie wenn du zusiehst, dass sich Teile von'n Bergen bewegen.«
»Wie groß sind sie?«, fragt Ron leise.
»Um die sechs Meter«, sagt Hagrid beiläufig. »Manche von den größeren vielleicht siebeneinhalb.«
»Und wie viele waren es?«, fragt Harry.
»Ich schätz ma', um die siebzig bis achtzig«, sagt Hagrid.
»Das sind alle?«, sagt Hermine.
»Jep«, sagt Hagrid traurig, »achtzig sind noch übrig, und es waren 'ne Menge mehr, müss'n hundert verschiedene Stämme auf der ganzen Welt gewesen sein. Aber die sind schon seit 'ner Ewigkeit am Aussterb'n. 'türlich haben Zauberer 'n paar getötet, aber meistens haben sie sich gegenseitig umgebracht, und jetzt sterben sie noch schneller aus. Die sind nich dafür geschaffen, so zusammengepfercht zu leben. Dumbledore meint, das ist unsere Schuld, es war'n Zauberer, die sie gezwungen haben zu fliehen und weit weg von uns zu leben, und sie hatten keine Wahl und mussten sich zu ihrem Schutz zusammenrotten.«
»Also«, sagt Harry, »ihr habt sie gesehen, und was weiter?«
»Nun, wir haben bis zum Morgen gewartet, wollten uns nich im Dunkeln an sie ranschleichen, zu unsrer eig'nen Sicherheit«, sagt Hagrid. »Gegen drei Uhr morgens sind sie eingeschlafen, grad da, wo sie saßen. Wir haben uns nich getraut zu schlafen. Zum einen wollten wir sichergehen, dass keiner von denen aufwacht und zu uns hochkommt, und zum anderen war das ein Geschnarche, das glaubst du nich. Hat gegen Morgen 'ne Lawine ausgelöst. Jedenfalls, sobald's hell war, sind wir zu ihnen runtergestiegen.«
»Einfach so?«, sagt Ron mit ehrfürchtiger Miene. »Ihr seid einfach da in dieses Lager von den Riesen reinspaziert?«
»Na ja, Dumbledore hat uns gesagt, wie wir's anstellen sollen«, sagt Hagrid. »Dem Gurg Geschenke überreichen, ihm ein bisschen Respekt bezeugen, ihr wisst schon.«
»Wem Geschenke überreichen?«, fragt Harry.
»Oh, dem Gurg, das is' der Häuptling.«
»Woher wusstet ihr, wer der Gurg war?«, fragt Ron.
Hagrid grunzt belustigt. »Kein Problem«, sagt er. »Er war der Größte, der Hässlichste und der Faulste. Hockte da und hat sich von den anderen Futter bringen lassen. Tote Ziegen und so. Hieß Karkus. Ich hätt ihn so auf die sieben
Meter geschätzt, und gewogen hat er wohl so viel wie 'n paar Elefantenbullen. Hatte 'ne Haut wie 'n Nashorn und alles.«
»Und da seid ihr einfach so zu ihm hinspaziert?«, sagt Hermine atemlos.
»Na ja ... erst mal runter zu ihm ins Tal, wo er lag. Die war'n in dieser Senke zwischen vier ziemlich hohen Bergen, wisst ihr, an 'nem Bergsee, und Karkus lag am See und hat die andern angebrüllt, sie sollen ihm und seinem Weib Futter bringen. Olympe und ich sin' den Berghang runter ...«
»Aber haben die nicht versucht euch umzubringen, als sie euch sahen?«, fragt Ron ungläubig.
»'n paar von denen hat's sicher gejuckt«, sagt Hagrid achselzuckend, »aber wir haben getan, was Dumbledore uns gesagt hat, nämlich unser Geschenk vor uns hochhalten un' immer nur den Gurg angucken und nich auf die andern achten. Genau das haben wir gemacht. Un' die andern haben sich beruhigt un' ließen uns vorbei un' wir sin' bis direkt vor die Füße von Karkus gekommen un' haben uns verneigt un' das Geschenk vor ihn hingelegt.«
»Was schenkt man einem Riesen denn so?«, fragt Ron neugierig. »Was zu fressen?«
»Nee, das kann er sich ganz gut selbst besorgen«, sagt Hagrid. »Wir haben ihm was zum Zaubern mitgebracht. Riesen finden Zaubern gut, bloß nich, wenn wir's gegen sie gebrauchen. Jedenfalls ham wir ihm an diesem ersten Tag 'nen Ableger vom Gubraith-Feuer geschenkt.«
Hermine sagt leise »Wow!«, aber Harry, Ron und ich runzeln nur ratlos die Stirn.
»Einen Ableger von was ...?«, frage ich.
»Ewiges Feuer«, sagt Hermine gereizt, »das solltet ihr inzwischen aber wissen. Professor Flitwick hat es mindestens zwei Mal im Unterricht erwähnt!« Oh,... da hab ich wohl nicht zugehört... ups.
»Na ja, wie auch immer«, greift Hagrid rasch ein, bevor Ron dagegenhalten kann, »Dumbledore hat diesen Ableger verzaubert, damit er immer und ewig brennt, und das kann nicht jeder Zauberer. Ich leg ihn also in den Schnee vor die Füße von Karkus und sag: ›Ein Geschenk für den Gurg der Riesen von Albus Dumbledore, der seine respektvollen Grüße sendet.‹«
»Und was hat Karkus gesagt?«, fragt Harry begierig.
»Nichts«, sagt Hagrid. »Könnt kein Englisch.«
»Du willst uns verulken!«
»War aber egal«, sagt Hagrid gelassen. »Dumbledore hat uns gewarnt, dass das passieren kann. Karkus hat so viel begriffen, dass er
nach 'n paar Riesen rief, die unsre Sprache kannten, und die haben für uns übersetzt.«
»Und hat ihm das Geschenk gefallen?«, fragt Ron.
»Aber hallo, sobald die kapiert hatten, was es war, brach die Hölle los«, sagt Hagrid, dreht sein Drachensteak um und drückt nun die kühlere Seite auf sein geschwollenes Auge. »Richtig gefreut ham sich die. Also hab ich gesagt: ›Albus Dumbledore bittet den Gurg, mit seinem Boten zu sprechen, wenn er morgen mit einem neuen Geschenk zurückkehrte«
»Warum konntest du nicht an diesem Tag mit ihm reden?«, fragt Hermine.
»Dumbledore wollte, dass wir's sehr langsam angehen«, sagt Hagrid. »Ihn sehn lassen, dass wir unsere Versprechen halten. Wir kehren morgen mit einem neuen Geschenk zurück, und dann kommen wir tatsächlich mit 'nem neuen Geschenk wieder - macht 'nen guten Eindruck, verstehst du? Außerdem ham sie mehr Zeit, das erste Geschenk auszuprobieren, und könn' sehn, dass es was taugt, und dann werden sie scharf auf noch eins. Jedenfalls, bei Riesen wie
Karkus is' es so - machst du zu viele Worte, dann bringen sie dich um, nur damit die Sache wieder einfacher wird. Wir sind also unter Verbeugungen wieder weg un' haben 'ne nette kleine Höhle für uns gefunden, wo wir die Nacht verbracht haben, un' als wir am Morgen drauf wieder zurück sind, sitzt Karkus schon da und wartet auf uns, und ganz gespannt war er auch schon.«
»Und ihr habt mit ihm gesprochen?«
»O ja. Erst ham wir ihm einen hübschen Schlachthelm geschenkt - koboldgearbeitet und unzerstörbar, müsst ihr wissen - und dann haben wir uns hingesetzt und mit ihm geredet.«
»Was hat er gesagt?«
»Nich viel«, sagt Hagrid. »Hat meist zugehört. Aber die Zeichen war'n gut. Er hatte von Dumbledore gehört, nämlich dass er sich damals gegen die Tötung der letzten Riesen in Britannien ausgesprochen hat. Karkus hat sich, wie's aussah, ziemlich für das interessiert, was wir ihm von Dumbledore ausgerichtet haben. Und 'n paar von den andern, besonders die, die 'n bisschen Englisch konnten, haben sich um uns geschart und auch zugehört. Wir war'n ganz guter
Dinge, als wir an diesem Tag weg sind. Versprachen, am nächsten Morgen mit noch 'nem Geschenk wiederzukommen. Aber in dieser Nacht is' dann alles schiefgegangen.«
»Was soll das heißen?«, sagt Ron rasch.
»Nun, ich hab's gesagt, die leben von Natur aus eigentlich nich zusammen, diese Riesen«, sagt Hagrid traurig. »Nich in so großen Gruppen. Die können einfach nich anders, die bringen sich alle paar Wochen halb um. Die Männer kämpfen gegeneinander und die Frauen kämpfen gegeneinander, die Überlebenden der alten Stämme bekämpfen einander, und dann komm' noch die Kabbeleien wegen Fressen oder den besten Feuerstellen oder Schlafplätzen dazu. Wenn du siehst, dass die ganze Rasse so ziemlich am Ende ist, könntest du meinen, die lassen ma' voneinander ab, aber ...«
Hagrid seufzt schwer.
»In dieser Nacht brach ein Kampf aus, wir haben's vom Eingang unserer Höhle gesehn, wo wir runter ins Tal geschaut haben. Ging stundenlang so, war 'n unglaublicher Lärm. Und als die Sonne aufging, war der Schnee scharlachrot und sein Kopf lag aufm Grund vom See.«
»Wessen Kopf?«, japst Hermine.
»Der von Karkus«, sagt Hagrid bedrückt. »Es gab 'neu neuen Gurg, Golgomath.« Er seufzt wieder. »Na ja, wir hatten nich mit 'nem neuen Gurg gerechnet, zwei Tage nachdem wir gut Freund mit Karkus geworden war'n, und wir hatten das komische Gefühl, Golgomath würd nicht so scharf drauf sein, uns zuzuhören, aber wir mussten's versuchen.«
»Ihr seid hingegangen, um mit ihm zu reden?«, fragt Ron ungläubig. »Nachdem ihr zugesehen habt, wie er 'nem anderen Riesen den Kopf abgerissen hat?«
»'türlich«, sagt Hagrid. »Wir haben doch nich den ganzen Weg gemacht, um dann nach zwei Tagen aufzugeben! Wir sin' runter, mit dem nächsten Geschenk, das wir eigentlich Karkus geben wollten. Aber ich hatte noch nich mal den Mund aufgemacht, da wusst ich schon, es wird nichts draus. Wie wir näher kamen, saß er da mit dem Helm von Karkus auf und hat uns schief angeguckt. Er is' fett, einer der Dicksten da. Schwarzes Haar und passende Zähne und 'n Halsband aus Knochen, 'n paar Menschenknochen drunter, wie's aussah. Na ja, ich hab's eben mal versucht - hielt ihm 'ne große Rolle Drachenhaut hin und sagte: ›Ein Geschenk für den Gurg der Riesen‹ Und kaum
dass ich mich's versah, hing ich schon an den Füßen kopfüber in der Luft, zwei von seinen Kumpels hatten mich gepackt.«
Hermine schlägt die Hände vor den Mund.
»Wie bist du da wieder rausgekommen?«, fragte Harry.
»War ich nich, wenn Olympe nicht dabei gewesen war«, sagt Hagrid. »Sie hat ihren Zauberstab rausgeholt und hat 'n paar Zauber losgelassen, so schnell, das hab ich noch kaum gesehn. War fabelhaft, verdammt noch mal. Hat den beiden, die mich festhielten, Konjunktivitis-Flüche direkt in die Augen geschossen und die haben mich gleich fallen lassen - aber jetzt hatten wir richtig Ärger, weil wir gegen die gezaubert hatten, und das können die Riesen an den Zauberern nun ma' überhaupt nicht leiden. Wir mussten abhauen und's
war klar, wir hatten keine Chance mehr, zurück ins Lager zu kommen.«
»Nicht zu fassen, Hagrid«, sagt Ron leise.
»Und weshalb hast du so lange nach Hause gebraucht, wenn du nur drei Tage dort warst?«, fragt Hermine.
»Wir sind doch nich nach drei Tagen schon wieder abgehauen!«, entgegnet Hagrid empört. »Dumbledore hat sich auf uns verlassen!«
»Aber du hast doch eben gesagt, ihr hattet keine Chance mehr, ins Lager zurückzukommen!«
»Nich bei Tageslicht, nein, das nich. Wir mussten nur 'n wenig umdenken. Haben 'n paar Tage unauffällig in der Höhle verbracht und sie beobachtet. Und was wir sah'n, war nich gut.«
»Hat er noch mehr Köpfe abgerissen?«, fragt Hermine angewidert.
»Nein«, sagte Hagrid. »Ich wünschte, er hätt's.«
»Was soll das heißen?«
»Soll heißen, wir haben bald rausgefunden, dass er nich gegen alle Zauberer was hatte - nur gegen uns.«
»Todesser?«, sagt Harry rasch.
»Jep«, erwidert Hagrid düster. »Zwei von denen haben ihn jeden Tag besucht, brachten Geschenke für den Gurg, und die jedenfalls hat er nich kopfüber aufgehängt.«
»Woher wusstet ihr, dass es Todesser waren?«, sagt Ron.
»Weil ich einen von denen erkannt hab«, knurrt Hagrid.
»Macnair, wisst ihr noch? Der Kerl, den sie geschickt haben, um Seidenschnabel zu töten? Ist 'n Wahnsinniger. Tötet genauso gern wie Golgomath; kein Wunder, dass die so gut miteinander auskamen.«
»Also hat Macnair die Riesen überredet, sich Du-weißt-schon-wem anzuschließen?«, sagt Hermine verzweifelt.
»Nich so schnell mit den Hippogreifen, ich bin noch nich fertig mit der Geschichte!«, sagt Hagrid entrüstet. Dafür, dass er uns zunächst gar nichts hatte sagen wollen, genießt er es jetzt offensichtlich sehr, zu erzählen. »Olympe und ich ham's besprochen und wir war'n uns einig; nur weil der Gurg anschein'd Du-weißt-schon-wen besser fand, hieß das noch nich, dass es alle von denen taten. Wir mussten versuchen, 'n paar von den andern zu überzeugen, die nicht Golgomath als Gurg gewollt hatten.«
»Wie konntet ihr die von den anderen unterscheiden?«, fragt Ron.
»Na, das war'n einfach die, die zu Brei gehauen wurden«, erklärt Hagrid geduldig. »Und die mit 'nem bisschen Verstand sind Golgomath aus'm Weg gegangen und haben sich in den Höhlen um die Senke versteckt, genau wie wir. Also ham wir beschlossen, wir schleichen uns nachts in die Höhlen und schau'n, ob wir 'n paar von denen überzeugen können.«
»Ihr habt euch in dunkle Höhlen geschlichen und nach Riesen gesucht?«, sagt Ron mit ehrfürchtiger Bewunderung in der Stimme.
»Tja, es waren nich die Riesen, die uns am meisten Sorgen gemacht haben«, sagt Hagrid. »Wir hatten mehr Befürchtungen wegen den Todessern. Dumbledore hat uns gesagt, bevor wir los sind, wir sollten uns mit denen möglichst nich anlegen, aber das Problem war, die wussten, dass wir in der Gegend war'n - vermute mal, Golgomath hat ihnen von uns erzählt. Nachts, wenn die Riesen schliefen und wir in die Höhlen kriechen wollten, trieben sich Macnair und der andere in den Bergen rum und ham nach uns gesucht. War schwer, Olympe davon abzuhalten, sich auf die zu stürzen«, sagt Hagrid und verzieht die Mundwinkel, so dass sich sein struppiger Bart hebt, »sie war ganz scharf drauf, die anzugreifen ... die hat was, wenn sie mal in Fahrt is', Olympe ... feurig, wisst ihr ... muss die Französin in ihr sein ...«
Hagrid stiert mit trüben Augen ins Feuer. Harry lässt ihn eine halbe Minute in seinen Erinnerungen schwelgen, dann räuspert er sich laut.
»Also, was ist passiert? Seid ihr irgendwann mal in die Nähe von einem der anderen Riesen gekommen?«
»Was? Oh ... oh, ja, sind wir. Ja, in der dritten Nacht, nachdem sie Karkus umgebracht hatten, sind wir aus unserm Höhlenversteck gekrochen und wieder runter in die Senke gestiegen, ständig auf der Hut vor Todessern. Sin' in ein paar Höhlen rein, war aber nichts - dann, in der sechsten vielleicht, haben wir drei Riesen gefunden, die sich versteckt hatten.«
»Die Höhle muss aber proppenvoll gewesen sein«, sagt Ron.
»Konntest nich mal mehr 'n Kniesel schwingen«, bestätigt Hagrid.
»Haben die euch nicht angegriffen, als sie euch sahen?«, fragt Hermine.
»Hätten's wohl getan, wenn sie einigermaßen in Form gewesen wär'n«, sagt Hagrid, »aber die war'n schwer verletzt, alle drei; die Sippe von Golgomath hatte die halb tot geschlagen, sie sin' aufgewacht und in den nächstbesten Unterschlupf gekrochen, den sie finden konnten. Jedenfalls, einer von denen könnt 'n bisschen Englisch und er hat für die andern übersetzt, und was wir zu sagen hatten, fanden sie wohl gar nich so schlecht. Also sin' wir immer wieder gekommen und ham uns um die Verletzten gekümmert ... Ich schätz, zu der Zeit hatten wir sechs oder sieben von denen überzeugt ...«
»Sechs oder sieben?«, sagt Ron aufgeregt. »Na ja, das ist nicht schlecht - kommen die jetzt hierher und fangen an, mit uns gegen Duweißt- schon-wen zu kämpfen?«
Aber Hermine sagt: »Was meinst du mit ›zu der Zeit‹, Hagrid?«
Hagrid sieht sie traurig an.
»Golgomaths Sippe hat die Höhlen überfallen. Die Überlebenden wollten danach nichts mehr mit uns zu tun haben.«
»Also ... also kommen gar keine Riesen?«, sagt Ron enttäuscht.
»Nee«, sagt Hagrid, seufzt schwer, dreht das Steak um und legt die kühlere Seite auf sein Gesicht, »aber wir haben erledigt, was wir vorhatten, wir haben Dumbledores Botschaft überbracht, und ich denk, manche von denen, die's gehört haben, werden sich dran erinnern. Wer weiß, vielleicht ziehen die, die nich bei Golgomath bleiben wollen, fort aus den Bergen, und möglicherweise erinnern sie sich ja, dass Dumbledore freundlich zu ihnen war ... könnt sein, dass sie kommen.«
»Hagrid?«, sagt Hermine nach einer Weile leise.
»Mmm?«
»Hast du ... war da irgendeine Spur von ... hast du irgendwas von deiner ... deiner Mutter gehört, wählend du dort warst?«
Hagrids unverdecktes Auge bleibt auf ihr ruhen und Hermine wirkt ziemlich beklommen.
»Verzeihung ... ich ... schon gut ...«
»Tot«, brummt Hagrid. »Vor Jahren schon gestorben. Harn sie mir gesagt.«
»Oh ... das ... tut mir wirklich Leid«, sagt Hermine mit sehr leiser Stimme. Hagrid zuckt mit den massigen Schultern.
»Macht nichts«, sagt er knapp. »Kann mich sowieso kaum an sie erinnern. War nich die beste aller Mütter.«
Wieder schweigen wir. Hermine wirft Harry, Ron und mir nervöse Blicke zu, offensichtlich will sie, dass wir etwas sagen.
»Aber du hast immer noch nicht erklärt, weshalb du so zugerichtet bist, Hagrid«, sagt Ron und deutete auf Hagrids blutverschmiertes Gesicht.
»Oder warum du so spät zurückkommst«, sagt Harry. »Sirius meint, Madame Maxime sei schon ewig lange wieder da ...«
»Wer hat dich angegriffen?«, fragt Ron.
»Ich wurd nicht angegriffen!«, sagt Hagrid nachdrücklich. »Ich ...«
Aber seine weiteren Worte gehen in einem plötzlichen Gepolter an der Tür unter. Hermine keucht; der Becher rutscht ihr aus den Fingern und zerschellt auf dem Boden; Fang jault. Wir alle fünf starren auf das Fenster neben der Tür. Der Schatten einer kleinen, gedrungenen Gestalt kräuselt sich über den dünnen Vorhang.
»Das ist sie!«, flüstert Ron.
»Darunter!«, sagt Harry rasch; er packt den Tarnumhang und lässt ihn über sich und Hermine flattern, Ron kommt um den Tisch
geflitzt und taucht ebenfalls darunter. Für mich ist zu wenig platz, deshalb verstecke ich mich unter Hagrids riesiges Bett.
Fang bellt wie verrückt die Tür an. Hagrid scheint gründlich verwirrt.
»Hagrid, versteck unsere Becher!«, flüstere ich laut.
Hagrid packt die Becher von Harry und Ron und legt sie unter das Kissen in Fangs Korb. Fang springt nun immer wieder an der Tür hoch. Hagrid schiebt ihn mit dem Fuß beiseite und öffnet.
Professor Umbridge steht vor der Tür, in ihrem grünen Tweedmantel und mit einem passenden Hut mit Ohrenschützern. Mit geschürzten Lippen lehnt sie sich zurück, damit sie Hagrids Gesicht
sehen kann; sie reicht ihm kaum bis zum Nabel.
»So«, sagt sie langsam und laut, als ob sie mit einem Tauben reden würde. »Sie sind Hagrid, nicht wahr?«
Ohne auf eine Antwort zu warten, kommt sie in die Hütte und ihre
Glubschaugen sehen sich überall um.
»Weg da«, faucht sie und schlägt mit der Handtasche nach Fang, der an ihr hochgesprungen ist und ihr das Gesicht ablecken wollte.
»Ähm - ich will ja nich unhöflich sein«, sagt Hagrid und starrt sie an, »aber wer zum Teufel sind Sie eigentlich?«
»Mein Name ist Dolores Umbridge.«
Ihre Augen suchen die Hütte ab. Zweimal starrt sie geradewegs in die Ecke, in der anscheinend Harry platt gedrückt zwischen Ron und Hermine steht und dreimal sieht sie zu mir... also auf das Bett.
»Dolores Umbridge?«, sagt Hagrid und klingt völlig ratlos. »Ich dacht, Sie wär'n vom Ministerium - arbeiten Sie nicht für Fudge?«
»Ich war Erste Untersekretärin des Ministers, ja«, sagt Umbridge,
schreitet nun in der Hütte auf und ab und registriert die kleinste Kleinigkeit, von der Provianttasche an der Wand bis zum abgelegten Reisemantel. »Ich bin jetzt Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste ...«
»Da sin' Sie aber mutig«, sagt Hagrid. »Gibt gar nich mehr so viele, die den Job machen woll'n.«
»... und Großinquisitorin von Hogwarts«, sagt Umbridge ohne ein Zeichen, dass sie ihn gehört hat.
»Was'n das?«, fragt Hagrid stirnrunzelnd.
»Genau das wollte ich Sie auch fragen«, sagt Umbridge und deutet auf die Porzellanscherben am Boden, die einmal Hermines
Becher gewesen waren.
»Oh«, sagt Hagrid mit einem gar nicht hilfreichen Blick in die Ecke, wo Harry, Ron und Hermine verborgen stehen, »oh ... das war... war Fang. Hat 'nen Becher kaputtgemacht. Hab dafür den nehmen müssen.«
Hagrid deutet auf den Becher, aus dem er getrunken hat, während er mit der anderen Hand weiterhin das Drachensteak auf sein Auge presst. Umbridge steht jetzt direkt vor ihm und prüft statt der Hütte jede Einzelheit von Hagrids Erscheinung.
»Ich habe Stimmen gehört«, sagt sie ruhig.
»Ich hab mit Fang geredet«, erwidert Hagrid beherzt.
»Und hat er Ihnen geantwortet?«
»Nun ... wie man's nimmt«, erwidert Hagrid mit sichtlichem Unbehagen. »Manchmal sag ich, der Fang, der is' fast wie 'n Mensch...«
»Im Schnee sind die Spuren von vier Paar Füßen und sie führen
vom Schlossportal zu Ihrer Hütte«, sagt Umbridge ölig.
Hermine keucht, doch gleich darauf ist sie wieder still. Harry oder Ron müssen ihr wohl den Mund zu halten.
Zum Glück schnüffelt Fang lautstark am Saum von Professor Umbridges Umhang und sie hat offenbar nichts gehört.
»Tja, ich bin grad erst zurückgekommen«, sagt Hagrid und schwenkt seine gewaltige Hand in Richtung Provianttasche.
»Vielleicht wollt vorher jemand zu Besuch kommen und ich hab sie verpasst.«
»Es führen keine Fußspuren von Ihrer Hütte weg.«
»Also ... ich hab keine Ahnung, wie das kommen kann ...«, sagt Hagrid, zupft nervös an seinem Bart und späht erneut in die Ecke, wo Harry, Ron und Hermine stehen, als will er sie um Hilfe bitten.
»Ähm ...«
Umbridge wirbelt herum, schreitet die ganze Hütte ab und sieht sich
dabei genau um. Sie bückt sich und späht unters Bett. In letzter Sekunde bin ich auf der anderen Seite auf das Bett gesprungen und gleich darauf wieder drunter, als ich Umbridge wieder aufrichtet und Hagrids Schränke öffnet. Sie kommt an Harry, Ron und Hermine vorbei und nachdem sie sorgfältig den gewaltigen Kessel inspiziert hat, den Hagrid zum Kochen benutzt, wirbelt sie wieder herum und sagt:
»Was ist mit Ihnen passiert? Wie haben Sie sich diese Verletzungen zugezogen?«
Hagrid lässt hastig das Drachensteak von seinem Gesicht sinken, was ich für einen Fehler halte, weil die schwarzvioletten Blutergüsse um sein Auge jetzt deutlich sichtbar sind, ganz zu schweigen von der großen Menge frischen und geronnenen Blutes auf seinem Gesicht.
»Oh ... ich hatte 'nen kleinen Unfall«, sagt er lahm.
»Was für einen Unfall?«
»Ich - ich bin gestolpert.«
»Sie sind gestolpert«, wiederholt sie kühl.
»Ja, genau. Über ... über den Besen von 'nem Freund. Ich selbst, ich flieg ja nicht. Na ja, Sie sehn, wie groß ich bin, ich schätz nich, dass es einen Besen gibt, der mich tragen würd. Freund von mir züchtet Abraxas-Pferde, keine Ahnung, ob Sie schon mal welche gesehn ham, riesige Viecher, mit Flügeln, wissen Sie, ich hab eins von denen kurz mal geritten, und das war ...«
»Wo sin d Sie gewesen?«, unterbricht Umbridge kühl Hagrids Gebrabbel.
»Wo bin ich ...?«
»Gewesen, ja«, sagt sie. »Das Schuljahr hat vor zwei Monaten begonnen. Eine Lehrerin musste für Sie einspringen. Keiner Ihrer Kollegen war in der Lage, mir irgendwelche Informationen über Ihren Aufenthaltsort zu geben. Sie haben keine Adresse hinterlassen. Wo sind Sie gewesen?«
Eine Pause tritt ein, während deren Hagrid sie mit seinem inzwischen nicht mehr bedeckten Auge anstarrt. Ich kann schier hören, wie Hagrids Gehirn fieberhaft arbeitet.
»Ich - ich war weg aus gesundheitlichen Gründen«, antwortet er.
»Aus gesundheitlichen Gründen«, sagt Professor Umbridge. Ihre Augen wandern über Hagrids entstelltes und geschwollenes Gesicht. Sanft und still tröpfelt Drachenblut auf seine Weste. »Verstehe.«
»Jaah«, sagt Hagrid. »'n bisschen frische Luft schnappen, wiss'n Sie ...«
»Ja, als Wildhüter kommt man ja so selten an die frische Luft«, sagt Umbridge honigsüß. Der kleine Fleck in Hagrids Gesicht, der nicht schwarz oder violett ist, wird rot.
»Na ja - mal was andres sehen, verstehn Sie ...«
»Die Bergwelt?«, sagt Umbridge rasch.
Sie weiß es, denke ich verzweifelt.
»Bergwelt?«, wiederholt Hagrid und überlegt offenbar schnell. »Von wegen. Ich steh auf Südfrankreich. Bisschen Sonne ... und Meer.«
»Wirklich?«, sagt Umbridge. »Sie sind aber nicht gerade braun
geworden.«
»Jaah ... nun ... hab 'ne empfindliche Haut«, erwidert Hagrid und versucht ein einnehmendes Lächeln. Mir fällt auf, dass zwei seiner Zähne ausgeschlagen sind. Oh je. Umbridge sieht ihn kalt an; sein Lächeln gefriert. Dann schiebt sie ihre Handtasche etwas höher in die Armbeuge und sagt: »Natürlich werde ich den Minister über Ihre verspätete Rückkehr unterrichten.«
»Verstehe«, sagt Hagrid und nickt.
»Sie sollten auch wissen, dass es meine leidige, aber notwendige Pflicht als Großinquisitorin ist, bei meinen Lehrerkollegen Inspektionen durchzuführen.
Daher würde ich meinen, wir sehen uns recht bald wieder.«
Sie wendet sich abrupt um und schreitet zur Tür zurück.
»Sie inspizier'n uns?«, erwidert Hagrid verdutzt und sieht ihr nach.
»O ja«, sagte Umbridge sanft und wendet sich, die Hand auf der Türklinke, zu ihm um. »Das Ministerium ist entschlossen, nicht zufrieden stellende Lehrer auszujäten, Hagrid. Gute Nacht.«
Sie geht hinaus und lässt die Tür hinter sich zuschnappen.
»Noch nicht«, hauchte Hermine plötzlich. »Vielleicht steht sie noch
draußen.«
Hagrid scheint Ähnliches zu denken; er stapft durch die Hütte und zieht den Vorhang ein paar Zentimeter beiseite.
»Sie geht zurück zum Schloss«, sagt er mit leiser Stimme. »Grundgütiger ... inspiziert die Leute, is' das wahr?«
»Allerdings«, sagt Harry und zieht den Umhang herunter, während ich unter dem Bett hervorkrabble.
»Trelawney ist schon auf Bewährung ...«
»Ähm ... was hast du denn so geplant für unsere Klasse, Hagrid?«, fragt Hermine.
»Ach, mach dir darüber keine Sorgen, ich hab schon 'ne ganze Menge Stunden vorbereitet«, sagt Hagrid begeistert, klaubt sein Drachensteak vom Tisch und klatscht es sich wieder übers Auge.
»Ich hab mir 'n paar Geschöpfe für euer ZAG-Jahr aufgespart; wartet nur ab, die sin' was ganz Besonderes.«
»Ähm - was meinst du damit?«, fragt Hermine behutsam.
»Verrat ich nich«, sagt Hagrid fröhlich. »Will euch ja die Überraschung nich verderben.«
»Hör mal, Hagrid«, drängt Hermine und verzichtet nun auf jede Verstellung, »Professor Umbridge wird es überhaupt nicht gutheißen, wenn du etwas zu Gefährliches mit in den Unterricht bringst.«
»Gefährlich?«, sagt Hagrid und machte eine belustigt-versonnene Miene. »Sei nicht albern, ich würd euch doch nichts Gefährliches mitbringen! Also gut, zugegeben, die können schon für sich selbst sorgen ...«
»Hagrid, du musst die Inspektion von Umbridge bestehen, und da wär's wirklich besser, wenn sie sehen würde, dass du uns beibringst, wie man sich um Porlocks kümmert oder wie man Knarle und Igel unterscheiden kann, so Zeug eben!«, sagt Hermine ernst.
»Aber das is' nich sonderlich interessant, Hermine«, erwidert Hagrid. »Das, was ich hab, das macht viel mehr her. Ich kümmere mich
schon seit Jahren um sie, ich vermut mal, ich hab die einzige zahme Herde in Britannien.«
»Hagrid ... bitte ...«, sagt Hermine und echte Verzweiflung liegt in ihrer Stimme. »Umbridge sucht nach irgendwelchen Ausreden, um Lehrer loszuwerden, von denen sie glaubt, sie stünden Dumbledore zu nah. Bitte, Hagrid, bring uns irgendwas Langweiliges bei, das sicher in den ZAGs drankommt.«
Doch Hagrid gähnt nur herzhaft und wirft mit dem einen Auge einen sehnsüchtigen Blick zu dem riesigen Bett in der Ecke.
»Hör ma', war 'n langer Tag und 's is' schon spät«, sagt er und tätschelt Hermine freundschaftlich die Schulter; die Knie knicken ihr ein und schlagen dumpf auf den Boden. »Oh -'tschuldigung ...«
Er zieht sie hinten am Umhangkragen wieder auf die Beine. »Schau ma', nu mach dir mal keine Sorgen um mich, ich versprech dir, ich plan wirklich gute Sachen für euern Unterricht, jetzt, wo ich wieder da bin ... und ihr geht nun am besten wieder hoch zum Schloss, und vergesst nicht, die Fußspuren hinter euch zu verwischen!«
»Keine Ahnung, ob er eigentlich begriffen hat, was du meintest«, sagt Ron kurze Zeit später, nachdem wir geprüft haben, ob die Luft rein ist, und durch den immer höheren Schnee zurück zum Schloss gehen, wobei wir diesmal dank Hermines Tilgzauber keine Spuren hinterlassen.
»Dann geh ich eben morgen noch mal zu ihm«, sagt Hermine entschlossen. »Wenn's sein muss, bereite ich selbst den Unterricht für ihn vor. Ob sie nun Trelawney rauswirft, ist mir schnuppe, aber Hagrid bleibt!«
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hey!!!! Ich bin vom Urlaub zurück!!! War echt schön... aber es ist noch schöner wieder zuhause zu sein: :)
Also zum Kapitel: ich weiß, es ist sehr nach dem Buch und das tut mir wirklich leid!!!!!
Also ja..... mehr habe ich nicht zu sagen... :D
LG die mittlerweile braun gewordene Coco xx.
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