14.12 Jolusch
Schneefrei
Ein Tag schneefrei an der Shiratorizawa, das kann ja nur im Chaos enden ...
Passend zum KawaGata-Day gibt es heute ein bisschen Fluff und Geschmachte zu meinen beiden liebsten Volleyballern und ihren Teamkameraden. Viel Spaß beim Lesen.
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"Hayato? Hayato! Verdammt, wach endlich auf!" Von Tendou geweckt zu werden, war wie immer eine wahre Wohltat. Verschlafen rieb sich Yamagata die Augen, ehe er sich langsam aufsetzte. Er war, ganz im Gegensatz zu dem aufgeweckten Rotschopf, kein Morgenmensch. Würde er auch nicht werden. Vor allem nicht, wenn er ein so lebhaftes Beispiel dafür hatte. Müde brummte er, als Tendou noch immer nicht aufhören wollte, wie verrückt durch das Zimmer zu hüpfen. Die beiden teilten sich ein Internatszimmer und es war nicht der erste Morgen, an dem der Libero des Volleyballteams diese Konstellation verfluchte. Mit Tendou wurde es eben wirklich nicht langweilig, so viel war sicher. Wenngleich das auch nicht immer unbedingt so gut war.
"Was ist denn los?", fragte Yamagata und sah zur Uhr, ehe er noch genervter nachsetzte: "Und wieso zur Hölle weckst du mich so früh? Ich hätte noch locker eine halbe Stunde schlafen können."
Aufgebracht drehte sich Tendou vom Fenster weg und stemmte die Hände in die Hüften. Es war offensichtlich, dass er Yamagatas Stimmung absolut nicht nachvollziehen konnte. "Es schneit."
Sofort war auch der Libero hellwach. Obwohl Schnee in der Gegend keine Seltenheit war, freuten sich die Schüler jedes Mal darüber. Schnell war Yamagata aufgestanden und hatte sich neben dem Mittelblocker vorbei an das Fenster gedrängt. Dieser redete nun etwas lockerer weiter, sein Plan, seinen Mitbewohner aus dem Bett zu bekommen, hatte Früchte getragen. "So wie es aussieht hat es schon die ganze Nacht geschneit. Wenn das noch ein bisschen so weitergeht, werden die Busse nicht fahren." Dem letzten Satz konnte Yamagata einen verschmitzten Unterton entnehmen, den er von Tendou nur zu gut kannte. Er wusste sofort, worauf sein Zimmergenosse anspielte.
"Warte, ich schau mal in der App", sagte Yamagata und lief zurück zu seinem Bett. Kurzerhand griff er nach dem Handy, das auf seinem Nachttisch lag, und öffnete die App, die die Schule zur Nachrichtenausgabe verwendete. In großen roten Buchstaben leuchtete es ihm entgegen: Wetterbedingte Schulschließungen.
Aufgeregt las er weiter, Tendou hatte sich hinter ihn gestellt und lugte ihm über die Schulter. Er wollte auch wissen, was die Nachrichten sagten.
In der gesamten Region Sendai kommt es aufgrund unerwartet starker Schneefälle zur Schließung von Schulen. Um die Schüler nicht den Wetterbedingungen auszusetzen und niemanden auf dem Weg zu gefährden, wird der Unterrichtsbetrieb für heute eingestellt.
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht sahen sich die beiden Volleyballer an. "Schulfrei", rief Tendou und klatschte mit seinem Teamkameraden ab. So konnte ein Tag doch beginnen.
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"Taichi, verdammt. So langsam musst du echt aufstehen, sonst können wir uns das Frühstück vorm Training abschminken. Und ich weiß, dass du dann nur noch grummeliger wirst, also reiß dich zusammen und steh endlich auf." Kawanishi mochte Shirabu. Wirklich. Sie kannten sich schon so lange, da hätte er sicherlich nicht mehr so viel mit dem Kleineren zu tun, wenn er ihn nicht leiden könnte. Aber es war wirklich anstrengend, so unsanft geweckt zu werden. Wenn man Shirabu fragen würde, wäre es genau andersherum. Er würde behaupten, dass es anstrengend wäre, Kawanishi aus dem Bett zu bekommen. Vielleicht war es nur eine Frage der Perspektive. Aber die Perspektive des Mittelblockers, von dem warmen Bett heraus, war gerade viel zu schön, als dass er sie freiwillig wechseln würde.
Doch da hatte er den Plan ohne seinen besten Freund gemacht. "Taichi, meine Güte jetzt steh endlich auf. Ich geh ohne dich, ich sags dir." Das hatte er schon oft gesagt. So oft. Und nie hatte er es wirklich durchgezogen. Kawanishi wusste das. Und Shirabu wusste, dass er das wusste.
Erst als Shirabu wirklich zur Tür lief, rappelte Kawanishi sich auf. "Ist ja gut, ich komme schon mit. Gib mir ne Minute." Einen Moment saß Kawanishi auf der Bettkante. Ohne die wärmende Decke war der Raum gleich so ungemütlich kalt. Direkt legte sich eine unangenehme Gänsehaut über Kawanishis Arme. Während er mühsam seine Socken anzog, überdachte er seine Entscheidung noch einmal. War es ein Frühstück wirklich wert, schon so früh der Kälte ausgesetzt zu sein? Vermutlich nicht, aber jetzt gab es kein Zurück mehr.
Shirabu hatte sich noch einmal auf sein Bett auf der anderen Seite des Zimmers gesetzt, solange Kawanishi sich fertig machte. Und Kawanishi war sich beinahe sicher, dass Shirabu nicht ohne ihn gegangen wäre. Aber er hatte sein Ziel erreicht, er hatte ihn aus dem Bett geholt. Als Kawanishi auch sein Shirt übergezogen hatte, standen beide auf und liefen zur Tür.
Von draußen war Lärm zu hören, doch sie konnten nichts genaueres erkennen. Noch bevor einer der beiden die Tür hätte öffnen können - sie wollten schließlich wissen, wer oder was in dieser Frühe schon los was-, wurde diese auch schon aufgerissen. Tendou kam aufgeregt herumfuchtelnd hereingestürmt. Dicht gefolgt von einem fluchenden Yamagata. "Verdammt Satori, du hättest klopfen müssen." Entschuldigend sah der Libero zu den beiden Zweitklässlern.
Verwirrt schauten die beiden zu Tendou, der dramatisch die Hände in die Hüfte gestemmt hatte und einen Augenblick schwieg. "Es schneit", platzte Tendou dann heraus. Die beiden Zweitklässler sahen ihn fassungslos an.
"Und deswegen machst du hier so einen Aufriss?", fragte Shirabu. Man sah ihm an, dass er den Rotschopf nicht verstand. Das tat keiner, gerade in diesen Momenten war es schier unmöglich nachzuvollziehen, was im Kopf des Guess Monsters vor sich ging.
"Wir haben schneefrei", erklärte Tendou, als würde damit alles klar werden.
Noch immer wurde er von den Blicken zweier verwirrter Zweitklässler gelöchert.
"Der Unterricht fällt heute aus. Und wenn wir Glück haben und es der Coach nicht zur Schule schafft, haben wir auch kein Training. Wer weiß, am Ende würde uns der Alte noch den ganzen Tag in der Sporthalle behalten. Nein, Danke." Lachend winkte der Mittelblocker ab.
Seufzend ließ sich Kawanishi zurück ins Bett fallen und schlug sich den Arm übers Gesicht. "Man Tendou-san, hättest du nicht ein paar Minuten früher kommen können? Dann hätte ich einfach liegen bleiben können."
Empört schnaubte der Angesprochene, der ganz offensichtlich mit einer anderen Reaktion gerechnet hatte. "Liegenbleiben? Wie bitte? Du stehst schön auf. Wir machen heute etwas für den Teamzusammenhalt. Und ich habe da auch schon eine ganz tolle Idee."
Langsam setzte sich Kawanishi wieder auf. Sein Blick glitt von Tendou zu Yamagata, der nur die Schultern zuckte, und anschließend zu Shirabu, der ihn mit seltsam verzerrtem Blick ansah. Die beiden Zweitklässler kannten Tendou nun schon eine Weile. Und sie kannten die Ideen des Mittelblockers. Und sie wussten, dass diese nicht unbedingt immer so gut waren, wie er sie anzupreisen versuchte. Es war also ein gewisses Maß an Vorsicht geboten.
"Was hast du denn vor?", traute sich Shirabu nach einem Moment zu sagen. Sie würden eh nicht drum herum kommen, egal was sie sagten, da wäre es zumindest ein guter Anfang zu wissen, auf was sie sich da einlassen würden.
"Wir gehen Schlitten fahren." Tendou strahlte. Auch Yamagatas Miene hellte sich etwas auf. Offenbar hatte er bis zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch nicht gewusst, was der Rotschopf geplant hatte. Aber Schlitten fahren ... das war wirklich keine allzu schlechte Idee. Da hatte sie der Mittelblocker schon zu schlimmeren Sachen überredet.
"In Ordnung", sagte Kawanishi und stand auf. Überrascht sah Shirabu ihn an. Dass er einmal freiwillig aufstand, das gab es wirklich selten. Er sah direkt zu Shirabu. "Komm. Ich glaube kaum, dass Tendou-san dieses Zimmer ohne uns verlässt." Die beiden seufzten leise.
Kawanishis Seufzen wurde lauter, als sich besagter Drittklässler auf ihn stürzte und ihm den Arm um die Schulter legte, als er ihn mitzog. "Ach, so ein guter Kouhai. Wie gut du mich doch schon kennst." Laut lachend zog er seinen Mittelblockerkollegen mit sich aus dem Zimmer. Er kannte Shirabu gut genug, um zu wissen, dass dieser folgen würde. Die Schwierigkeit war es gewesen, Kawanishi zum Mitkommen zu bewegen.
Kawanishi hörte die Tür hinter ihnen zugehen, doch er konnte sich nicht umdrehen. Tendous Griff war beinahe etwas zu fest, aber was sollte er schon großartig machen? Gegen Tendou waren sie machtlos. Allesamt.
Er hörte, dass sich Shirabu und Yamagata unterhielten, verstand aber nicht, über was. Zu gerne hätte er gelauscht, doch mit Tendou neben sich, der ihm unaufhörlich ins Ohr plapperte, wie sehr er sich doch freute, dass sie so freiwillig mitkamen, war das schlicht und ergreifend nicht möglich.
Immerhin hatten sie Tendou noch überreden können, ihnen ein Frühstück zu gewähren. Kaum zu glauben, dass es der Mittelblocker erwartet hatte, dass sie ohne etwas zu essen direkt hinaus in die Kälte stürmen würden. Obwohl, wenn man etwas genauer darüber nachdachte, war es doch nicht allzu überraschend. Tendou konnte es kaum erwarten. Während des gesamten Frühstücks war er so unruhig auf seinem Stuhl herausgerutscht, dass Ushijima ihn irgendwann beruhigen musste. Er schaffte es doch wirklich, den Rotschopf ein ganz klein wenig entspannter werden zu lassen.
Frisch gestärkt ging es nach dem Frühstück nach draußen. Mittlerweile war die Gruppe der Volleyballer auch gewachsen. Ushijima, Semi, Oohira und Goshiki hatten sich beim Frühstück zu den vieren gesellt. Auch sie blieben von Tendous wahnwitzigen Ideen nicht verschont. Geteiltes Leid ist halbes Leid, könnte man meinen, doch so schlimm würde es nicht werden. Das versuchte sich Kawanishi zumindest die ganze Zeit über einzureden. Das würde schon werden. Auf jeden Fall war es besser als Training. Und definitiv besser als Unterricht.
Die übrigen Volleyballer hatten es wegen des Schnees gar nicht erst zur Schule geschafft, so waren die Internatsschüler alleine unterwegs. Passte auch ganz gut, dass sich das Stammteam jetzt außerhalb des Trainings noch ein bisschen besser aufeinander einstimmen konnte. Nicht, dass die Truppe nicht eh schon viel Zeit miteinander verbrachte.
Goshiki war Feuer und Flamme. Kawanishi war sich sicher, dass es für den Erstklässler egal war, was Tendou-senpai sagte, er würde alles tun, um in den Augen der Drittklässler glänzen zu können. Da half er natürlich auch nur zu gerne dabei, die Schlitten im hintersten Eck der Sporthalle zu suchen und die Kufen ein wenig zu wachsen. Diese Schlitten hatten definitiv schon eine Weile keinen Schnee mehr gesehen. Woher auch immer Tendou wusste, dass sie Schlitten in der Sporthalle lagerten, darüber machte sich Kawanishi schon keine Gedanken mehr.
Während Goshiki sich mit den Schlitten beschäftigte, vier an der Zahl, breitete Tendou seinen Plan aus.
"Wir veranstalten ein Schlittenrennen. Hinter der Schule neben den Fußballfeldern ist ein super Hügel zum Schlittenfahren, dort gehts dann los. Wir bilden Zweierteams, dann passt das auch mit den Schlitten." Er lachte und sah sich um. "Wakatoshi-kun und ich bilden ein Team. Ich überlasse euch die restliche Einteilung." Sein Lachen wurde zu einem spitzbübischen Grinsen, das Kawanishi Übles ahnen ließ. Aber was sollte schon passieren? Er kam mit allen aus dem Team gut aus, von daher wäre es egal, mit wem er eine Gruppe bilden müsste. Er drehte sich um. Vermutlich würde er eh mit ... In diesem Moment sah er, wie Semi Shirabus Hand ergriff und in die Höhe hielt. "Ich machs mit Shirabu", rief er, woraufhin der Kleinere knallrot anlief. Erst einen Moment zu spät realisierte Semi, was er gerade gesagt hatte und auch ihm stieg die Röte ins Gesicht. Doch da war es schon zu spät gewesen. Tendou brach in schallendes Gelächter aus, in das auch Yamagata mit einfiel. Die restlichen Spieler konnten sich ebenfalls ein Kichern nicht verkneifen. Auch wenn Kawanishi Mitleid mit seinem besten Freund hatte, der unfreiwillig nun in einer absolut unangenehmen Situation steckte, musste auch er grinsen. Semis Vorlage war wirklich zu gut gewesen.
Langsam kam Yamagata auf Kawanishi zu. Hektisch drehte sich der Zweitklässler um, doch es war unausweichlich. Da sich Goshiki und Oohira bereits zusammengetan hatten, blieben nur noch sie beide übrig. Er würde mit Yamagata ein Team bilden müssen. Jetzt nicht falsch verstehen, es war nicht so, dass er den Libero nicht leiden könnte. Ganz und gar nicht. Eher gesagt war es das genaue Gegenteil. Manchmal war es im Training schon schwer genug sich zu konzentrieren, und da war ein physischer Abstand zwischen ihnen. Aber allein die Vorstellung, gleich eng aneinandergekuschelt mit dem Drittklässler auf einem Schlitten zu sitzen, reichte, um Kawanishi die Röte auf die Wangen zu treiben. Kawanishi sah zu Shirabu, der ihn jetzt frech angrinste. Er wusste wohl, was gerade in ihm vorging. Verräter, dachte er sich. Dabei wusste er genau, dass er eben auch nicht besser gewesen war.
Positiv bleiben. Vielleicht würde es ja gar nicht so schlimm werden.
Seit sich Yamagata dicht neben Kawanishi gestellt hatte, er wollte wohl deutlich symbolisieren, dass die beiden jetzt ein Team waren, fiel es dem Mittelblocker immer schwerer, sich auf Tendous Erklärungen zu konzentrieren. Irgendwie wirkte alles, was der Rotschopf von sich gab, noch wirrer als sonst. Er konnte ihm kaum folgen. Leicht schüttelte er den Kopf, schob alle Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf Tendou. Das war gar nicht so leicht, wo er doch die angenehme Wärme spüren konnte, die vom Libero zu seiner Linken ausging. Der Kleine hatte immer warm. Das hatten sie schon oft bemerkt. Kawanishi hingegen war gerade im Winter oft sehr dick eingepackt, um sich gegen die Kälte zu wappnen.
Wie auch immer er es geschafft hatte, er hatte Tendous gefühlt stundenlange Erklärungen überlebt. Sie würden hinter der Schule irgendwo einen Hügel hinunterfahren. Immer zwei Teams gegeneinander, die anderen wären Schiedsrichter. Wer die meisten Rennen verlor, müsste eine Woche die Halle putzen. Oder einen Monat. Irgendwie so etwas in der Art. Wie bereits erwähnt, es war schwer, den Erklärungen zu folgen.
Als sie den Hügel erreichten, von dem Tendou gesprochen hatte, schnappte sich dieser schnell den ersten Schlitten. War ja klar, dass es sich der Rotschopf nicht nehmen lassen würde, den Anfang zu machen. Goshiki hüpfte so aufgeregt herum, dass schnell klar war, wer Tendous und Ushijimas Gegner im ersten Rennen sein würde.
"Wakatoshi-kun, jetzt komm schon. Setz dich hinter mich, ich pass auch gut auf dich auf." Tendou lachte. Wie sollte er denn auch auf den Großen aufpassen? Dennoch setzte sich der Kapitän der Mannschaft wortlos hinter Tendou auf den Schlitten. Der Rotschopf hatte seinen Wakatoshi-kun gut unter Kontrolle. Sie alle wussten, dass der Große seinem Schatz nichts ausschlagen könnte. Wie auch immer es Tendou geschafft hatte, das Herz des großen, sonst so kühlen Volleyballers für sich zu gewinnen, war für Kawanishi ein Rätsel. Es war bereits vor seinem Schulbeginn an der Shiratorizawa passiert und von den jetzigen Drittklässlern hatte noch niemand ein Wort darüber verloren. Im Endeffekt war es ja auch egal. So chaotisch dieses Zweiergespann auch anzusehen war, Kawanishi gönnte ihnen ihr Glück. Denn wenn er die beiden jetzt gerade so betrachtete, wirkten sie durch und durch glücklich. Ein leichter Stich bohrte sich durch das Herz des Mittelblockers und sein Blick glitt zu Yamagata, der neben ihm stand und vollkommen auf das laute Treiben vor ihnen konzentriert war. So sehr er Tendou und Ushijima auch ihr Glück gönnte, gegen den Hauch Eifersucht, der beim Anblick der beiden Turtelnden in ihm aufkeimte, war er machtlos.
Um das Ganze auch zumindest ein wenig von einem Training zu geben - man müsse schließlich auch dem Coach in den nächsten Tagen erklären, wieso man nicht die gesamte freie Zeit in der Sporthalle verbrachte - hatten sie beschlossen, dass eine Runde immer aus dem Schlittenweg den Berg hinunter und einem Sprint den Weg wieder hinauf bestand. Außerdem war es so auch leichter festzustellen, welches Team das Rennen gewann. Dafür hatte Tendou vor wenigen Minuten oben und unten eine lange Linie in den Schnee getrampelt. Hier würde das Rennen starten, wichtig war es, dass das Team gemeinsam und auf dem Schlitten die untere Linie überquerte. Wie sie es dann wieder hinaufschafften, das war dem Organisator der "Ersten Schlittenrennen des Volleyballclubs der Shiratorizawa" herzlich egal.
Auch Goshiki und Oohira hatten auf ihrem Schlitten hinter der Startlinie Platz genommen.
"Auf die Plätze", schallte Semis Stimme durch die Kälte. Unwillkürlich trat Kawanishi noch einen kleinen Schritt nach vorne. Auch wenn er es ungern zugab, er wollte nichts von dem Spektakel verpassen. "Fertig. Los."
Schreiend und jauchzend wurden die Schlitten angestoßen. Team Goshiki hatte leichte Startschwierigkeiten, während bei Team Tendou alles glatt lief. Wortwörtlich. Viel zu schnell schlitterten sie den Berg hinab. Ushijimas Bremsversuche im unteren Drittel des Hügels funktionierten eher schlecht als recht und so endete die Fahrt der beiden erst ein gutes Stück hinter der Endlinie. Schnell stand Ushijima auf und zog Tendou mit sich, der sich vor Lachen kaum auf den Beinen halten konnte. Sein Lachen konnten die Volleyballer bis hier oben hören. Und es war ansteckend.
Oohira schaffte es, ihren Schlitten knapp hinter der Linie zum Stehen zu bringen. Sofort sprangen die beiden auf und liefen durch den Schnee den Hügel hinauf. Das Rennen war zu diesem Zeitpunkt schon entschieden.
Sie warteten noch, bis Ushijima Tendou und den Schlitten wieder auf den Hügel geschleift hatte. Lachend ließ sich der Rotschopf einfach rücklings in den Schnee fallen. Er hatte großen Spaß, so viel war sicher. Da war es egal, ob er gewann oder verlor, er genoss es. Das konnte jeder der Anwesenden merken.
Im zweiten Rennen hieß es Team Shirabu gegen Team Kawanishi. Langsam lief Kawanishi zur Startlinie, Yamagata hatte sich bereits auf den Schlitten gesetzt. Kurz glitt der Blick des Mittelblockers zu den anderen beiden, doch dann wandte er sich seinem Partner zu. Mit einem vorsichtigen Lächeln setzte er sich hinter den Libero, ließ etwas Sicherheitsabstand zwischen ihnen. Der Schlitten war nicht wirklich groß. Sonderlich viel Platz konnte er also nicht lassen, ohne Gefahr zu laufen, während der Fahrt herunterzufallen. Yamagata drehte sich zu ihm um.
"Bist du bereit?", fragte er, und Kawanishi nickte. Ohne noch etwas zu sagen, schnappte sich Yamagata Kawanishis Hände und führte sie vor seinem Bauch zusammen. Direkt wurde Kawanishi warm. Da war sie wieder, diese angenehme Wärme des Liberos, die er so genoss. Und es widerstrebte ihm jetzt schon, ihn am Ende der Bahn loszulassen.
Tendou gab das Startsignal und Kawanishi stieß den Schlitten an. Yamagata entfuhr ein Schrei, der dann von lautem Lachen abgelöst wurde. Viel zu schnell und holprig sausten sie den Hügel hinab und schafften es tatsächlich, ziemlich knapp hinter der Linie zum Stehen zu kommen. Schnell standen die beiden auf, ein kurzer Seitenblick zeigte, dass sie einen kleinen Vorsprung zu Shirabu und Semi hatten. Doch darauf konnten sie sich nicht ausruhen. Schnell schnappte sich Kawanishi den Schlitten und lief los. Yamagata lief neben ihm. Völlig außer Puste erreichten sie die Spitze des Hügels und überquerten die Ziellinie. Einen Augenblick vor Semi und Shirabu. Lachend klatschten die Sieger ab. Das war ein verdammt gutes Gefühl. Und Kawanishi wusste, dass er das Shirabu noch eine Weile unter die Nase reiben konnte. Sonst war es meist der Kleine, der ihn bei Wettstreits jeglicher Art besiegte. Da tat es gut, den Spieß auch einmal umzudrehen.
Die restlichen Rennen waren ähnlich spannend. Allem voran war es aber einfach ein verdammt großer Spaß, den sie Tendou hier zu verdanken hatten. Am Ende der Runde stand es 2:2:1:1. Goshiki und Oohira hatten zusammen mit Semi und Shirabu jeweils zwei Rennen gewonnen. Also kam es zum Stichrennen zwischen den Teams Kawanishi und Yamagata und Tendou und Ushijima.
Jetzt ging es um alles. Aufgeregt saß Kawanishi hinter Yamagata. Bei ihrem zweiten Rennen hatten sie den Start verbockt und beim dritten war Yamagata auf dem Weg den Hügel hinauf ausgerutscht. Diese Fehler galt es nun zu vermeiden.
Semi gab das Startsignal. Schnell stießen sie den Schlitten an. Der Start war geglückt, das war bereits ein guter Anfang. Kawanishi versuchte sich auch nicht davon aus der Ruhe bringen zu lassen, dass Tendou und Ushijima etwa eine Schlittenlänge vorne lagen. Sie mussten nur den Stopp besser timen als die beiden, damit könnten sie die Zeit locker wieder herausholen. Doch das war gar nicht so einfach. Ushijima hatte während der letzten Rennen sein Timing zum Bremsen so perfektioniert, dass er und Tendou gerade einmal einen Meter hinter der Endlinie zum Stehen kamen. Damit konnten er und Yamagata nun wirklich nicht mithalten. Ausgerechnet jetzt, im alles entscheidenden Rennen, verbockte Kawanishi den Stopp. Dabei hatte doch sogar der Start dieses Mal so gut geklappt. Den Sprint den Hügel hinauf sparten sich die beiden dann, sie hatten gegen das Dreamteam, wie Tendou sie bezeichnete, keine Chance, denn die beiden hatten schon den halben Hügel hinter sich gelassen.
"Tut mir leid", flüsterte Kawanishi und Yamagata sah ihn an.
"Was redest du denn? Ich hatte echt Spaß und ich finde, das können wir gerne öfter machen." Yamagata schenkte ihm ein warmes Lächeln, das er nur zu gerne erwiderte.
Wieder oben angekommen, gaben sich Kawanishi und Yamagata dann bei den anderen geschlagen. Niedergeschlagen waren sie dennoch nicht. Es war ein schöner Vormittag gewesen und sie alle hatten verdammt viel Spaß gehabt. Tendous Teambuilding war (ausnahmsweise) eine wirklich gute Idee gewesen. Und wenn sie im nächsten Training den anderen davon berichten würde, würde bestimmt auch niemand etwas dagegen haben oder sich ausgeschlossen fühlen, wenn sie dafür die Halle in nächster Zeit nicht mehr putzen müssten.
Auf dem Rückweg legte Kawanishi seinen Arm um Yamagata. Ganz kleine Schritte der Annäherung würde er ja wagen können. Lächelnd liefen sie hinter den anderen her. Es war egal, dass sie das Rennen verloren hatten. Es war auch egal, dass sie jetzt eine ganze Zeit lang die Halle putzen mussten. Gerade in diesem Augenblick war Kawanishi einfach glücklich. Er würde mehr Zeit mit Yamagata verbringen können. Alleine. Und vielleicht könnte er sich auch irgendwann ein Herz fassen und mit ihm über seine Gefühle sprechen.
Doch bis dahin war noch Zeit. Zuerst einmal ging es für sie jetzt zurück zum Schulgebäude. Tendou hatte ihnen heiße Schokolade versprochen. Und bei Tendous heißer Schokolade konnte wirklich niemand ablehnen.
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