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Das Zuckerspiel
Die Anspannung im Raum war greifbar, als die Lautsprecher die Regeln für das nächste Spiel verkündeten.
Die Spieler sollten sich vor vier Türen aufstellen, jede gekennzeichnet durch ein Symbol: ein Kreis, ein Viereck, ein Dreieck und einen Regenschirm.
„Wählen Sie weise“, hallte die Stimme, unnachgiebig und kalt.
„Ihre Entscheidung könnte über Leben und Tod entscheiden.“
Die Spieler begannen, sich zu den Türen zu bewegen, zögernd und unsicher. Jisung blieb stehen, seine Augen fixierten die Symbole. Neben ihm standen Seungmin, Jeongin und Felix, ein blonder Junge mit der Nummer 018.
Alle drei sahen ihn fragend an, ihre Unsicherheit spiegelte sich in ihren Gesichtern.
„Was denkst du?“ fragte Felix leise, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
Jisung schloss kurz die Augen und dachte nach.
„Der Kreis ist simpel“, begann er und zeigte auf das Symbol.
„Es gibt keine Ecken, keine komplizierten Stellen. Einfach. Aber vielleicht zu offensichtlich.“
Seungmin nickte, doch seine Stirn war in Falten gelegt. „Und das Viereck?“
„Das Viereck…“ Jisung zögerte. „Es ist allgegenwärtig. Es könnte bedeuten, dass es neutral ist. Aber was, wenn sie das erwarten? Vielleicht ist es eine Falle.“
Jeongin sah ihn an. „Und der Regenschirm? Was denkst du darüber?“
Jisung biss sich auf die Lippe.
„Ein Regenschirm schützt. Er könnte etwas Bedeutendes symbolisieren. Aber er ist auch komplizierter zu bearbeiten…“
Er war unsicher, doch das Symbol schien ihn fast anzuziehen.
„Ich denke, ich nehme den Regenschirm.“
Seine Freunde nickten langsam. Doch in dem Moment, als Jisung sich in Bewegung setzte, rempelte ihn eine Wache an.
„Pass doch auf“, murmelte Jisung und drehte sich um, sein Blick fiel auf die Dreiecksmaske der Wache.
Die Wache stand stumm da, bewegungslos. Dann hob sie leicht die Hand und deutete mit einem Finger auf das Dreieck auf ihrer Maske.
Jisung runzelte die Stirn, verwirrt. Seine Gedanken rasten. Was sollte das bedeuten? Ein Zeichen? Eine Warnung?
Die Wache bewegte sich nicht, wartete nur.
Jisung spürte, wie seine Freunde ihn ungeduldig ansahen, doch er hielt den Blickkontakt mit der Maske.
Plötzlich verstand er.
Das Dreieck. Die Wache deutete ihm an, dass das Dreieck die sicherste Wahl war.
Aber warum? Wer war diese Wache?
Er traute ihm nicht, nicht wirklich. Doch in diesem Moment entschied er, dass er nichts zu verlieren hatte. Vorsichtig, beinahe unmerklich, deutete er mit einer kleinen Handbewegung auf das Dreieck.
Die Wache blieb reglos. Doch Jisung spürte, dass die Botschaft angekommen war.
„Ich… ich ändere meine Meinung“, sagte Jisung leise zu seinen Freunden.
„Was?“ fragte Seungmin, verwirrt.
„Ich nehme das Dreieck“, antwortete er, seine Stimme fester. „Es… fühlt sich richtig an.“
Seine Freunde schauten ihn skeptisch an, doch sie nickten. Sie trennten sich, jeder wählte eine Tür. Jisung stellte sich vor der Tür mit dem Dreieck an.
Er drehte sich noch einmal kurz um, suchte die Wache mit der Dreiecksmaske. Sie war verschwunden, verschmolzen mit den anderen, wie ein Geist.
Jisung schluckte schwer. Was auch immer jetzt kommen würde – er musste sich auf seine Intuition verlassen.
Minho stand in der Menge der Wachen, die Bewegungslosigkeit wie eine zweite Haut übergezogen. Seine Maske mit dem Dreieck schützte ihn, verbarg seine Anspannung, während er Jisung unter den Spielern suchte.
Dort war er. Jisung stand etwas abseits mit den drei Jungen, die ihn ständig zu begleiten schienen.
Minho spürte erneut diese Mischung aus Eifersucht und Sorge, doch er hatte keine Zeit, sich davon ablenken zu lassen.
Das nächste Spiel begann und Minho wusste genau, was es war: das Zuckerspiel.
Er hatte das Symbol auf den Behältern mit den Dalgona-Platten gesehen, hatte die Warnungen der Vorarbeiter gehört. Die Schwierigkeit der Form würde über Leben und Tod entscheiden.
Sein Blick blieb an Jisung hängen, der mit ernster Miene die Symbole betrachtete. Minho konnte fast sehen, wie die Zahnräder in seinem Kopf arbeiteten, wie er die Optionen abwog. Dann machte Jisung einen Schritt in Richtung des Regenschirms.
Minhos Herz setzte einen Schlag aus.
„Nein“, dachte er panisch.
„Nicht der Regenschirm.“
Der Regenschirm war die schwierigste Form. Die Wahrscheinlichkeit, zu überleben, war gering, selbst für geschickte Hände. Minho musste ihn aufhalten. Aber wie?
Er bahnte sich unauffällig einen Weg durch die Wachen, bis er nahe genug war, um Jisung unbemerkt zu erreichen. Als Jisung losging, um sich anzustellen, ließ Minho ihn absichtlich gegen sich stoßen.
„Pass doch auf“, murmelte Jisung genervt und drehte sich um.
Minho blieb stumm. Er hob nur leicht die Hand und deutete mit einem Finger auf das Dreieck auf seiner Maske.
Für einen Moment starrte Jisung ihn verwirrt an. Minho fühlte, wie die Zeit stillstand.
Würde er es verstehen? Würde er darauf vertrauen, obwohl er keine Ahnung hatte, wer hinter der Maske steckte?
Langsam veränderte sich Jisungs Ausdruck. Seine Stirn glättete sich, und seine Augen verengten sich, als der Gedanke in ihm aufkeimte. Minho sah, wie er einen kleinen, fast unmerklichen Nicken andeutete, bevor er weiterging.
Minho atmete tief durch. Es war nur ein winziger Hinweis gewesen, aber er hatte es getan. Er hatte Jisung vielleicht gerade gerettet.
Minho zog sich zurück, mischte sich wieder unter die anderen Wachen. Doch innerlich war er alles andere als ruhig. Sein Herz raste, seine Hände zitterten leicht.
„Was tust du hier eigentlich, Minho?“ fragte er sich.
„Du riskierst alles für ihn. Und wofür?“
Er wusste, dass es irrational war. Jeder Moment, den er nutzte, um Jisung zu helfen, war ein Risiko. Wenn jemand seine Handlungen bemerkte, wäre er tot. Und trotzdem konnte er nicht anders.
Es war ein merkwürdiger Trost, Jisung dabei zu sehen, wie er sich für das Dreieck anstellte. Minho fühlte eine flüchtige Erleichterung, doch sie wurde sofort von der nagenden Angst überschattet. Das Spiel war noch nicht vorbei. Es war erst der Anfang.
Er konnte nur hoffen, dass Jisung seine Entscheidung überleben würde.
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