~12~
Tauziehen
Der Raum war von einer drückenden Stille erfüllt, als die verbleibenden Spieler aufgefordert wurden, sich in Gruppen von zehn Personen zusammenzuschließen.
Jisung stand mit Seungmin, Jeongin und Felix beisammen, ihre Blicke rastlos, als sie die anderen Teilnehmer beobachteten.
„Zehn?“ fragte Jeongin mit leiser Stimme. „Wir sind nur vier. Was, wenn uns niemand will?“
„Das bedeutet, wir müssen uns beeilen“, sagte Seungmin knapp. Seine Augen huschten durch den Raum, während die Gruppen sich schnell formierten.
Einige Spieler, darunter der Mann, der Jisung zuvor schikaniert hatte, hatten sich bereits in dominanten Gruppen zusammengefunden. Sie waren groß, stark und selbstbewusst, offensichtlich überzeugt davon, dass körperliche Stärke das Wichtigste bei diesem Spiel sein würde.
„Da drüben“, murmelte Felix und deutete auf eine kleine Gruppe am Rand. Sie sahen nervös aus, ihre Zahl unvollständig.
„Warten wir nicht länger“, sagte Jisung und führte die anderen dorthin.
Mit etwas Überzeugungsarbeit schafften sie es, die Gruppe zu ergänzen. Zwei Frauen, eine ältere Dame und ein junger Mann mit Brille, schlossen sich ihnen an. Jisung zählte durch: Sie waren neun.
„Wir brauchen noch jemanden“, sagte Seungmin, aber die Optionen wurden immer weniger.
„Ich komme dazu.“
Eine Stimme ließ alle aufblicken. Es war ein älterer Mann mit schmalen Schultern und einem ruhigen Lächeln. Er sah aus, als könnte eine leichte Brise ihn umwerfen, doch seine Augen hatten eine seltsame Klarheit.
„Sind Sie sich sicher?“ fragte Jisung zögernd.
Der Mann nickte.
Die Gruppen wurden von bewaffneten Wachen in einen langen, schmalen Korridor geführt.
Jisungs Herz hämmerte in seiner Brust, als er die Anspannung in der Luft spürte.
Als sie die Arena erreichten, schnappten einige hörbar nach Luft. Zwei Plattformen schwebten hoch über dem Boden, getrennt durch einen klaffenden Abgrund. Zwischen ihnen hing ein dickes Seil, das beide Plattformen verband.
Die Regeln wurden erklärt: Zwei Teams würden an den Plattformen stehen, jedes am Ende des Seils.
Ziel war es, das gegnerische Team über die Kante zu ziehen und in die Tiefe zu stürzen.
Die Atmosphäre war stickig und von Anspannung durchtränkt, als die Gruppen sich nacheinander in die Arena begaben.
Jisung, Seungmin, Jeongin, Felix und ihre restlichen Teammitglieder saßen auf dem kühlen Boden, während die Stimmen der anderen Spieler leise, fast wie ein Summen, durch die Luft schwebten.
Die Gruppe saß eng zusammen und obwohl sie versuchten, sich gegenseitig Mut zu machen, lag Nervosität in ihren Blicken.
„Also… haben wir einen Plan?“ fragte Felix schließlich.
„Ich weiß nicht“, gab Jisung ehrlich zu. „Ich meine, es ist Tauziehen. Wie plant man dafür?“
Der ältere Mann, der sich ihrer Gruppe angeschlossen hatte, räusperte sich. Seine Augen wirkten ruhig, obwohl er offensichtlich überlegte.
„Es ist mehr als nur Kraft“, sagte er. „Es geht um Strategie. Teamwork.“
„Strategie?“
Jeongin runzelte die Stirn.
Der Mann nickte. „Die meisten Teams werden blindlings ziehen. Sie setzen alles auf Stärke. Aber wenn wir das Gleichgewicht halten und zusammenarbeiten, können wir gewinnen.“
Das Gespräch wurde unterbrochen, als ein lauter Schrei den Raum durchdrang. Jisung zuckte zusammen, ebenso wie Felix und Jeongin. Sie sahen sich an, aber niemand sprach aus, was alle dachten: Ein weiteres Team war gefallen.
„Wir müssen einen Vorteil finden“, murmelte Seungmin und sah zu Jisung.
„Und wenn es keinen gibt?“ fragte Felix. „Was, wenn wir nicht gut genug sind?“
„Hör zu“, sagte der Mann ruhig. „Wenn es so weit ist, müsst ihr tun, was ich sage. Wir ziehen, aber wir müssen taktisch sein. Keine Panik.“
Die Zeit verstrich quälend langsam. Jeder Schrei, jeder dumpfe Aufprall von etwas, das weit entfernt klang, schnitt wie ein Messer in Jisungs Nerven.
„Hast du Angst?“ fragte Jeongin plötzlich, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
Jisung sah ihn an und wollte lügen, wollte Stärke zeigen. Aber er nickte. „Ja.“
Jeongin lächelte schwach. „Ich auch. Aber vielleicht… vielleicht können wir es schaffen. Zusammen.“
Nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit öffnete sich die Tür. Eine Wache, deren Dreiecksmaske emotionslos wirkte, trat ein und nickte ihnen zu. Es war Zeit.
Jisung erhob sich auf wackligen Beinen, fühlte den kalten Schweiß in seinem Nacken. Seungmin legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Wir bleiben zusammen, okay? Wir schaffen das.“
„Ja“, murmelte Jisung, obwohl er sich nicht sicher war, ob er es wirklich glaubte.
Die Gruppe wurde in die Arena geführt, und Jisung fühlte, wie sich sein Magen zusammenzog, als er die Plattformen erblickte.
Die Höhe war erschreckend und das dicke Seil, das zwischen den Plattformen hing, wirkte plötzlich wie eine dünne Schnur.
Das gegnerische Team wartete bereits auf der anderen Seite, eine Ansammlung muskulöser Männer, die selbstbewusst grinsten.
„Das ist unfair“, murmelte Jeongin.
„Nein“, flüsterte der alte Mann. „Es ist ein Vorteil. Sie denken, sie haben schon gewonnen.“
Die Gruppe stellte sich auf, und Jisung spürte, wie seine Hände zitterten, als er das raue Seil umfasste.
„Vergesst nicht“, sagte der alte Mann. „Ruhig bleiben. Rücken gerade, nach hinten lehnen. Wir sind ein Team. Kein Einzelner kann das alleine schaffen.“
Die Glocke ertönte, und der Kampf begann.
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