Kapitel 10
N O E L A N I P O V:
Es war mittlerweile schon ziemlich spät am Abend. Wir hatten alle friedlich miteinander Abendessen gegessen, aber ich hatte keinen Hunger. Immer wieder schweiften meine Gedanken zu Levi ab. Ich fragte mich, woher er meinen Namen wusste. Was wollte der Mann von mir?
Ich bemerkte auch die besorgten Blicke von Nikolay, der mich über den Esstisch aus musterte. Auf seiner Nase klebte ein Pflaster. Ich wusste nicht, wieso es da klebte, halfen tat es wahrscheinlich nicht. Einzelne getrocknete Blutreste klebten an seiner Oberlippe.
Als wir durch die Haustür getreten waren, war Mom ziemlich besorgt. Sofort bombardierte sie und mit Fragen, wieso ihre Kinder nacheinander blutverschmiert nach Hause kamen. Zuerst ich und jetzt auch noch Nikolay.
Erstaunlicherweise log Nikolay und erzählte ihr, dass er vom Fahrrad gefallen sei.
Jetzt saß ich in unserem Zimmer mit ausgeschaltetem Licht und zählte die Sterne am Himmel. Es klopfte leise an der Tür.
"Ja?", fragte ich.
Die Tür öffnete sich und mein Bruder schlüpfte durch die Tür.
"Ich dachte, dass du schon schläfst", flüsterte er und setzte sich auf sein Bett.
"Nein. Ich kann nicht einschlafen."
Vorsichtig stand ich von meinem Bett auf und ging zum Fenster. Ich stützte mich auf dem Fensterbrett ab und sah nach draußen. In der Ferne sah ich ein Auto. Im Licht der Straßenlaterne saßen zwei Gestalten auf einer Decke neben dem Auto auf dem Gras.
Es ist einen Moment still, bis ich wieder anfange zu flüstern.
"Glaubst du, er ist gefährlich?"
"Ja und nein", antwortete Nikolay.
Verwirrt drehte ich mich zu ihm herum und musterte ihn.
"Wie meinst du das?!
"Findest du nicht auch, dass er uns schon längst etwas antun könnte, wenn er gefährlich wäre. Vielleicht ist der Typ nicht der perfekte Schwiegersohn für jede Mutter, aber er tut nichts sinnloses, was er am Ende bereuen wird."
"Er hat dir die Nase gebrochen", stelle ich fest und stemme die Hände in die Hüften. Langsam wurde ich etwas verärgert. Wieso beschützte mein Bruder ihn?
"Ich weiß, aber ich weiß auch, wieso er das getan hat!"
Ich horchte auf. Wieso hätte ein Mensch den sowas tun können?
"Wieso denn?", fragte ich ehrlich interessiert.
"Und genau das, solltest du selber herausfinden, denn ich gehe jetzt schlafen", frech grinste er mich an, denn er wusste genau, dass er jetzt mein Interesse geweckt hatte.
"Also weißt du es eigentlich nicht!", ich zeigte mit meinem Finger auf ihn.
"Oh doch, aber es wäre besser für dich, wenn du es selber herausfindest."
Mit diesen Worten streifte er sich sein T-Shirt über den Kopf, strampelte seine Hose von den Beinen und legte sich ins Bett. Kurz darauf fing er an zu schnarchen. Nachdenklich betrachtete ich ihn.
Wieso glaubte er so fest daran, dass Levi uns nichts antut? Die Gedanken ratterten in meinem Kopf, aber ich konnte es mir nicht erklären. Woher wusste Levi, wie ich heiße? Vielleicht hatte ich ihn schon ein Mal an der Bar bedient und konnte mich bloß nicht daran erinnern? Deshalb wusste Nikolay, dass er nichts tat! Erleichtert seufzte auf.
Langsam ging ich zum Fenster und blickte auf den Mond hinauf. Er leuchtete hell am Himmel. Nur einzelne Wolken bedeckten ihn, ansonsten war es wolkenlos. Die Gestalten, die ich vorhin neben dem Auto gesehen hatte, waren jetzt verschwunden, ebenso wie das schwarze Auto.
Schweigend betrachtete ich den Vogel, der sich auf dem Gras niedergelassen hat und nach Würmern pickte. Seinen gelben Schnabel konnte man auch im Dunklen deutlich sehen.
Ich blickte kurz zu Nikolay, versicherte mich, dass er schlief, dann öffnete ich die Balkontür und trat nach draußen, um auf den Balkon von Frau Wanama zu klettern. Mein Bruder wusste nichts von meinen nächtlichen Besuchen bei ihr, aber so sollte es auch bleiben. Ich war mir sicher, er würde gerne mit mir wollen und ich könnte nicht ruhig mit unserer Nachbarin Serien bis in die Morgenstunden schauen.
Als ich auf ihrem Balkon stand, sah ich von außen noch Licht brennen, weshalb ich leise anklopfte, um sie nicht aufzuwecken. Ich wartete einen Moment, bis ich leise Schritte hörte. Die dunkelblauen Gardinen wurden zur Seite geschoben. Als die alte Dame mich sah, breitete sich ein leises Lächeln auf dem Gesicht aus und sie öffnete die Balkontür.
"Noelani, du bist es! Ich habe schon auf dich gewartet! Komm doch rein."
Ich drückte mich an ihr vorbei und ließ mich ächzend auf das Sofa mit den roten Rosen fallen. Frau Wanama verschwand für einen kurzen Moment und kam dann mit einer Schale Popcorn und einer Dose mit Keksen.
"Vielen Dank", ich half ihr und räumte die Bücher, die sich auf dem Tischen vor dem Sofa nur so stapelten, zur Seite, damit sie alles abstellen konnte.
Munter tippelte sie in ihren Hausschuhen zum Fernseher und schaltete ihn ein, dann setzte sie sich kerzengerade neben mich und hielt mir die Fernbedienung hin.
"Heute entscheidest du Mal wieder, was wir schauen werden."
Und weil ich wusste, dass sie "Türkisch für Anfänger" am liebsten guckte, schauten wir es bis weit über Mitternacht.
Dabei aßen wir ihr Popcorn und ihre selbst gemachten Kekse, von denen ich nicht wusste, dass Levi sich vor mir an ihnen bedient hatte.
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Ich weiß wirklich nicht wie, aber meine Geschichte hat es schon sehr weit geschafft.
Danke für über 900 Reads, den 83 Platz in Action und für die fast 100 Votes!
Vielen lieben, herzlichen Dank für jeden einzelnen Vote, jeden einzelnen Kommentar und jeden einzelnen Read. Ich danke euch von Herzen!
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