9. Kapitel
Das schummerige Licht ermöglichte grade so den Blick auf einen Vorhang aus Ranken, der den Durchgang verdeckte. Die Atmosphäre hatte sich verändert, irgendetwas Mystisches lag in der Luft. In gewisser Weise beängstigend. Das Einzige, was mich davon abhielt, zu zittern, war der süße Duft, der den dunklen Gang erfüllte. Der Geruch erinnerte mich erneut an meine Kindheit, auf den Wiesen, auf denen ich als Junges gespielt hatte, hatten die Blumen auch diesen Duft verströmt.
Samantha stand vor dem Vorhang. Ihre Gestalt warf einen dunklen Schatten über Jolt, der sich eng an Espasa gedrückt hatte und die Ranken mit abschätzigem Blick musterte. Espasa selbst starrte auf den Boden, es wirkte, als denke sie angestrengt nach. Slashy lag wie tot vor den beiden dem Boden "Wir gehen da alle rein." Grollte Samantha und richtete den Blick ihrer schmalen, schwarzen Augen auf mich. Ich hatte noch nie so viel Hass und Verachtung im Blick eines Pokemons gesehen wie bei ihr. "Wenn jemand hier bleibt, wird sie das nur verunsichern und das will ich mir nicht antun." Sie schob ihren gewaltigen Körper an Jolt, Espasa und Slashys reglosem Leib vorbei und stand nun direkt vor mir. Selbst im Dämmerlicht glänzten ihre spitzen Zähne bedrohlich. Mit einem Schaudern dachte ich daran, wie es sich anfühlen musste, wenn sich diese Zähne in den Körper eines Pokemons bohrten. Der Gedanke daran erfüllte mich mit unglaublichem Entsetzten. "Du." Knurrte Samantha mir ins Gesicht und ich spürte, wie meine Beine anfingen zu zittern. "Wenn du ein Wort sagst oder irgendetwas anderes tust, dann schwöre ich dir bei Arceus das du das bereuen wirst. Und zwar bitterlich bereuen. Du wirst dein Maul halten und so tun als würdest du nicht existieren. Hab ich mich klar ausgedrückt oder soll ich's dir nochmal buchstabieren?"
Gegen Ende wurde ihre Stimme lauter und bedrohlicher und ich kauerte mich zusammen. Ich war nun wirklich kein feiges Nachtara, aber mit Samatha wollte ich mich auf keinen Fall anlegen. Ein Schlag von ihr, ein Treffer mit ihrem kräftigen Schweif oder ein Biss würden ausreichen, um mir sämtliche Rippen zu brechen. So brachte ich keine Antwort heraus, sondern nur ein schnelles Nicken. Ohne ein Anzeichen, dass sie es überhaupt gesehen hatte, drehte sie sich herum, stolzierte an Espasa, Jolt und Slashy vorbei und verschwand hinter dem Rankenvorhang. Jolt warf mir einen verachtenden Blick zu, dann folgte er seiner Anführerin.
Ich brauchte ein paar Sekunden, um mich wieder aufzurichten und mit dem Zittern aufzuhören. Erst dann bemerkte ich, dass Espasa noch vor dem Vorhang stand und mich ansah. Sorge lag in ihrem Blick. "Tu besser, was sie sagt." Ihre Stimme war grade laut genug, dass ich sie hören konnte. "Sie meint das ernst. Und du willst das nicht bereuen."
Dass ich mich soeben beruhigt hatte, stellte sich als komplett unnötig heraus, denn die Härte in ihrer Stimme ließ mich sofort wieder zittern. Trotzdem versuchte ich, einen möglichst gelassenen Eindruck zu machen. Schließlich wollte ich nicht so elending wirken, wie ich mich aktuell fühlte. "Soweit war ich auch schon." Gab ich zurück. "Aber trotzdem danke für den Hinweis."
Die Sorge in Espasas Blick wich augenblicklich der üblichen Kälte. "Ich meine das ernst, Kaito." Fauchte sie. "Mit einem Pokemon, dass schon als Junges gemordet hat, ist echt nicht zu spaßen!" Wütend wirbelte sie herum und huschte durch die Ranken. Ich starrte ihr nach, der Schock saß tief in meinen Gliedern. "Als Junges....gemordet?!" Brachte ich mühevoll hervor, auch wenn sie mich bereits nicht mehr hörte.
Es war Gang und Gebe, dass Pokemon gegeneinander kämpfen. Aus Spaß, aus Rivalität oder auch aus Streit - aber es gab bestimmte Limitierungen, die auch Erzfeinde niemals überschreiten würden. Natürlich brachte jedes solche Aufeinandertreffen Sieger und Verlierer hervor. Aber ein Kampf war ein reines Kräftemessen, ein Erforschen und Überschreiten seiner eigenen Grenzen. Aber ein Kampf war kein Duell, bei dem es um Leben und Tod ging. Pokemon töteten sich nicht gegenseitig. Das war ein Verstoß gegen unsere Natur. Und obwohl ich seit dem Augenblick meiner Entführung damit gerechnet hatte, dass Espasa und ihre Verbündeten mich auf Ewig zum Schweigen bringen wollten, traf mich diese Erkenntnis nun härter als der Schweif eines Stolloss.
Zu meinem eigenen Erstaunen brauchte ich nicht viel länger als drei Sekunden, um meine Atmung und meinen Herzschlag zu normalisieren, meine Beine dazu zu bringen, mit dem Zittern aufzuhören, und einen halbwegs hoffnungsvollen Gedanken in meinem Kopf heraufbeschwören. Wenn ich Samantha keinen Grund gab, dann würde sie mir hoffentlich auch nichts tun. Das Sicherste zum aktuellen Zeitpunkt war, auf sie zu hören. Kurz sammelte ich mich noch, dann schlüpfte ich ebenfalls durch den Vorhang aus Ranken - ohne zu wissen oder auch nur annähernd zu ahnen, was mich dahinter erwarten würde.
Zu meiner Überraschung war die Höhle hinter den Ranken verhältnismäßig hell und ziemlich geräumig. Dafür schlug mir sofort ein so intensiver und süßer Blumenduft in die Nase, dass mir schwindelig davon wurde. Er stammte von unzähligen, kleinen, blauen Blüten, die sich wie Efeu an den Wänden der Höhle nach oben rankten. Es schien, wie als strahlten sie ein schwaches Leuchten aus, ansonsten schien es hier auch keine weiteren Lichtquellen zu gehen. Die Decke war kahl und erdig, der Boden glatt und glänzend. Schmale Rinnsale, die aussahen wie gefrorenen Bäche, gingen von allen Seiten von den Wänden ab und liefen in der Mitte der Höhle zusammen. Sie schienen mit einer Art Kristall, farblos unf klar wie Eis, ausgefüllt zu sein, allerdings leuchteten sie nicht. Dass es tatsächlich Eis war, konnte ich aufgrund der hier herrschenden Temperatur mit ziemlicher Sicherheit ausschließen.
Dort, wo diesen Kristallstriche aufeinandertrafen, ragte ein glatter, weißer Stein aus dem Boden. Und auf diesem Stein saß Devoira.
Ich wusste nicht genau was es war, aber irgendetwas an ihr zog mich sofort in den Bann. Sie hatte einen recht großen Kopf, einen schmalen Oberkörper, lange Arme und dünne Beine. Ihr hübsches, weißes Gesicht war umrahmt von so etwas ähnlichem wie Haaren, die genau wie ihre Arme in einem schönen hellblau glänzten. Ihr Unterkörper war bedeckt von weißen Bändern, die zusammen aussahen wie eine Art Kleid. Etwa auf Brusthöhe ragte ein roter Zacken aus ihrem Körper, es wirkte so, als habe jemand von langer Zeit eine Klinge von hinten durch ihren Körper gerammt und dort gelassen, bis zum heutigen Tage.
Sie hatte den Kopf gesenkt und den Blick auf ein weiteres Pokemon gerichtet. Es kniete vor ihren Füßen auf dem Boden und fiel mir jetzt erst auf.
Er hatte einen ähnlichen Körperbau wie Devoira, nur schien er um einiges kräftiger zu sein. Er hatte größtenteils blaue Arme und auch sein Gesicht und die Hälfte seiner Beine waren blau. Allerdings waren seine Hände, genau wie der Rest seiner Beine und das maskenähnliche Muster in seinem Gesucht schwarz, oder zumindest sehr dunkelgrau. Sein Körper wurde zur Mitte hin schmal und war von hellem, weißgelbem Fell bedeckt. Zudem besaß er einen blauen Schweif, schwarze Zipfel am Hinterkopf und auf den Händen sowie der Brust jeweils einen Stachel aus Metall.
Er kniete auf dem kahlen Boden, hatte den Blick zu Boden gesenkt und die Augen ehrfürchtig geschlossen. Was auch immer er da tat, es sah sehr seltsam aus.
"Cairo!" Durchbrach Samathas grollende Stimme die anfängliche Stille. Das blauschwarze Pokemon schreckte hoch und starrte zu seiner Anführerin. "Mach ma schleunigst die Flatter. Wir müssen mit deiner Geliebten reden. Und zwar alleine."
Cairo rappelte sich auf die Füße, verschränkte beleidigt die Arme und stolzierte wortlos an uns vorbei, nach draußen.
Devoira zeigte nichtmal das kleinste Anzeichen einer Reaktion. Sie blieb genauso bewegungslos wie zuvor sitzen. Hätte Samantha eben nicht laut gesprochen, hätte man denken können, dass sie uns gar nicht bemerkt hatte.
Zu meiner Verwunderung sprachen weder das Brutalanda, noch Espasa oder Jolt ein Wort. Sie standen bewegungslos in einer Reihe, Slashy lag vor ihnen ohne sich auch nur annähernd zu bewegen. Nur seine Brust hob und senkte sich in relativ regelmäßigen Abständen.
Ich weiß nicht genau, wie lange wir dort gestanden haben. Nach einer gefühlten Ewigkeit jedoch wandte Devoira den Kopf zu uns. Der Blick ihrer rötlichen Augen traf auf uns. Etwas abwesendes lag darin, so als sei sie geistlich gar nicht bei uns. Doch als sie sprach, war ihre Stimme klar wie frisches Wasser.
"Was führt euch zu mir?"
So klar sie auch sprach, ihre Stimme war leise und säuselnd, fast schon ein Summen. Samantha trat einen Schritt nach vorne, zögerte kurz und neigte schließlich mit offensichtlichem Widerwillen den Kopf. "Wir suchen Antworten in deinem edlen Urteil, Devoira." Antwortete sie in einem ungewöhnlich sanftem Tonfall, für ein paar Sekunden klang ihre Stimme so feminin wie noch nie. Devoira nickte langsam, dann richtete sie ihren Blick auf Slashy. "Geht es um ihn?" Fragte sie und Samantha nickte. Anmutig erhob sie sich und schwebte nahezu zu uns hinüber. Vor Slashy ging sie auf die Knie, verschränkte ihre Hände auf eine sehr komplizierte Art miteinander und schloss die Augen. Gespannt reckte ich den Hals, um zu sehen was sie tat.
Von einer Sekunde auf die andere begann Devoira zu zittern. Ein gellender Schrei entwich ihrer Kehle, keuchend presste sie ihre gefalteten Hände auf ihr Herz.
Stille trat ein, nur Devoiras schweres Atmen erfüllte die Luft. Keiner sagte etwas.
Schließlich schüttelte sie langsam den Kopf und öffnete die Augen. "Armer Junge..." flüsterte sie voller Mitleid, entknotete ihre Hände und strich mit ihrer Linken sanft über Slashys Schläfe. "Was ist mit ihm?" Fragte Samantha, offensichtlich ein klein wenig verunsichert. Devoira sah zu uns hoch. "Bringt ihn zu Lazzly." Meinte sie, ihre Stimme klang fast so abwesend wie der Ausdruck in ihren Augen. "Das geht am Schnellsten...es gibt für ihn keine Hoffnung mehr." Sie wurde leiser, ihr nächster Satz war nur ein Zischen. "Der Meister hat ihn zu sich gerufen." Ihre Worte verfehlten ihre Wirkung nicht im Geringsten: Espasa zuckte heftig zusammen, Jolt schnappte entsetzt nach Luft und Samantha murmelte leise etwas vor sich hin, was wie "Das hatte ich befürchtet." klang. Nur ich hatte keine Ahnung, wer oder was Lazzly oder der Meister waren. Aber so wie es schien, waren es nicht die nettesten Pokemon. "Und du..." fuhr Devoira etwas lauter fort, und erst als mich ihr Blick traf realisierte ich, dass sie mit mir sprach. Schüchtern warf ich einen Blick auf Samantha, doch diese sah nur abschätzig auf Devoira. Die klang nun wieder abwesend, als sähen ihre Augen grade etwas völlig anderes als Unsere. "Fürchte dich nicht vor der Zukunft." Hauchte sie lächelnd. "Du wirst gewinnen und verlieren. Aber du wirst nicht sterben. Nicht hier, in dieser Höhle. Du nicht."
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...eigentlich hatte ich nicht gedacht, dass dieses Kapitel so lang wird aber...ich glaube, hier hat niemand was dagegen^-^ (oder kam es mir nur so lange vor? Ich weiß nicht^^")
Entgegen aller Erwartungen hab ich nichts zu sagen, von da her....guten Tag euch allen :3
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